BGH, Beschluss vom 27.10.2011, Az. I ZB 23/11
§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, § 50 Abs. 1 MarkenG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG; Art. 103 Abs. 1 GG
Der BGH hat entschieden, dass das rechtliche Gehör eines Antragstellers im Markenlöschungsverfahren nicht verletzt ist, wenn das Bundespatentgericht nicht alle Indizien für eine Behinderungsabsicht ausdrücklich erörtert. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich zu berücksichtigen bzw. zu bescheiden. Art. 103 Abs. 1 GG sei erst dann verletzt, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingehe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen, da der Einwand an sich (Behinderungsabsicht) geprüft worden sei. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Beschluss
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2011 durch … beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 12. April 2011 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat die Löschung der am 14. November 2007 für den Markeninhaber für die Waren
Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; Kraftfahrzeuge, Fahrräder, Motorräder und Teile der vorgenannten Waren, nämlich Motoren, Getriebe, Karosserien, Chassis, Steuerungen, Stoßdämpfer, Übersetzungsgetriebe, Bremsen, Räder, Felgen, Radkränze, Radkappen, Sitze, mechanische Diebstahlsicherungen, Signalhörner und Hupen, Schonbezüge für Fahrzeugsitze, Kopfstützen, Rückspiegel, Lenkräder, Schutzleisten, Scheibenwischer, Torsionswellen für Fahrzeuge, Tankkappen, Stoßstangen, Stoßstangenhörner, Anhängerkupplungen, Gepäckträger, Skigepäckträger, Deflektoren, Schiebedächer, Scheiben
eingetragenen Wortmarke
Simca
beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die sie auf die Anordnung der Löschung für folgende Waren beschränkt hat:
Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, Kraftfahrzeuge, Karosserien und Chassis als Teile dieser Waren.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschluss vom 12. April 2011 28 W (pat) 13/10, juris). Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Bundespatentgericht nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.
II.
Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Marke sei nicht im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG bösgläubig angemeldet worden. Die Anmeldung sei weder rechtsmissbräuchlich noch sittenwidrig erfolgt. Eine Löschung der Marke wegen Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes komme nicht in Betracht, weil die Antragstellerin die Marke „SIMCA“ im In- und Ausland schon lange vor der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht mehr benutzt habe. Gegen eine sittenwidrige Störungsabsicht des Markeninhabers spreche auch der Umstand, dass er die Marke für einen Teil der geschützten Waren entweder schon benutzt habe oder eine Benutzung plane. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Markeninhaber die Markenanmeldung nicht in erster Linie zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Betätigung, sondern zur unlauteren Behinderung der Antragstellerin vorgenommen habe.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da die Antragstellerin den im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 I ZB 13/10, MarkenR 2011, 177 Rn. 5 Ivadal II; Beschluss vom 22. Juni 2011 I ZB 9/10, GRUR 2012, 89 Rn. 5 = WRP 2011, 1461 Stahlschluessel).
2.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
a)
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 145; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 I ZB 53/08, GRUR 2009, 992 Rn. 13 = WRP 2009, 1104 Schuhverzierung). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Parteivorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet nicht dazu, jedes Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung zu bescheiden (BVerfGE 50, 287, 289 f.; 96, 205, 216 f.). Art. 103 Abs. 1 GG ist danach erst verletzt, wenn sich eindeutig ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingeht (vgl. BVerfGE 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 30. April 2008 I ZB 4/07, GRUR 2008, 731 Rn. 18 = WRP 2008, 1110 alphaCAM).
b)
Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe sich nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, die angegriffene Marke sei in Art einer Hinterhalts- oder Spekulationsmarke angemeldet worden. Dem Markeninhaber sei es darum gegangen, seine finanziellen Verhältnisse aufzubessern und sich von der Antragstellerin auf erpresserische Weise seine Tätigkeit „vergolden“ zu lassen. Dies mache die Antwort des Markeninhabers vom 17. März 2008 auf die Abmahnung der Antragstellerin deutlich. Sein Vortrag zu den Vorbereitungen für den Bau und die Vermarktung von Fahrzeugen sei unglaubhaft.
c)
Daraus ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Das Bundespatentgericht hat den Vortrag der Antragstellerin bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
aa)
Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer Bösgläubigkeit des Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das Markengesetz knüpft an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Anspruch aus § 1 UWG aF oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Die zu diesem Anspruch entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG aF heranzuziehen. Sie gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 MarkenG unter der Einführung des Eintragungshindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG weiter, weil hierdurch die für die bösgläubige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte (vgl. Begründung zu Art. 2 Abs. 9 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 5 Buchst. a des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts Geschmacksmusterreform-gesetz, BT-Drucks. 15/1075, S. 67 f.). Eine bösgläubige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder dass der Zeicheninhaber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2009 I ZB 8/06, GRUR 2009, 780 Rn. 13 = WRP 2009, 820 Ivadal I; Beschluss vom 24. Juni 2010 I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 13 = WRP 2010, 1399 LIMES LOGISTIK; zu § 4 Nr. 10 UWG: BGH, Versäumnisurteil vom 10. Januar 2008 I ZR 38/05, GRUR 2008, 621 Rn. 21 = WRP 2008, 785 AKADEMIKS; Urteil vom 26. Juni 2008 I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn. 20 = WRP 2008, 1319 EROS; zu Art. 51 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 40/94 EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009 C529/07, Slg. 2009, I4893 = GRUR 2009, 763 Rn. 53 Lindt & Sprüngli/Hauswirth). Auch wenn auf Seiten des Vorbenutzers ein schutzwürdiger Besitzstand im Inland noch nicht oder nicht mehr besteht, ist eine bösgläubige Markenanmeldung nicht ausgeschlossen. Eine Bösgläubigkeit der Markenanmeldung kann sich daraus ergeben, dass der Anmelder ein Zeichen ohne eigene Benutzungsabsicht als Marke hat eintragen lassen, um den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern (vgl. EuGH, GRUR 2009, 763 Rn. 43 Lindt & Sprüngli/Hauswirth). Davon kann auch bei einer Markenanmeldung zu Spekulationszwecken auszugehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2000 I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 = WRP 2001, 160 Classe E; OLG Köln, NJWE-WettbR 2000, 38, 39; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 44 f.; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 8 Rn. 668 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 694 f.).
bb)
Auf den Einsatz der angegriffenen Marke zu dem Zweck, die Antragstellerin zu behindern, ist das Bundespatentgericht eingegangen. Es hat angenommen, dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Anhaltspunkte jedoch nicht ausreichen anzunehmen, dass die Markenanmeldung nicht in erster Linie zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Betätigung des Markeninhabers erfolgt ist, sondern der unlauteren Behinderung der Antragstellerin dienen sollte. Bei seiner Beurteilung hat das Bundespatentgericht die Indizien herangezogen, die gegen eine unlautere Behinderung der Antragstellerin sprechen. Es hat sich in diesem Zusammenhang zwar nicht ausdrücklich mit dem Inhalt des Schreibens des Markeninhabers vom 17. März 2008 auseinandergesetzt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass es den Inhalt dieses Schreibens nicht in seine Prüfung einbezogen hat. Das Bundespatentgericht hat in der angefochtenen Entscheidung den Vortrag der Antragstellerin wiedergegeben, die Markenanmeldung sei lediglich erfolgt, um eine Sperrund Spekulationsmarke in die Hand zu bekommen. Zudem hat das Bundespatentgericht die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts in Bezug genommen, das sich mit der Forderung des Markeninhabers nach einem Abfindungsangebot und damit mit dem Inhalt des Schreibens vom 17. März 2008 auseinandergesetzt hat.
d)
Vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe bei der Prüfung der Bösgläubigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nicht berücksichtigt, dass zwischen dem Markeninhaber und der deutschen Tochter der Antragstellerin Vertragsbeziehungen bestanden hätten. Aufgrund dieser vertraglichen Beziehungen sei dem Markeninhaber bekannt gewesen, dass die Antragstellerin das Zeichen „SIMCA“ über einen längeren Zeitraum markenmäßig benutzt habe und dieses Zeichen über eine erhöhte Bekanntheit verfüge.
Daraus ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Das Bundespatentgericht brauchte auf diesen Vortrag nicht ausdrücklich einzugehen.
Auf das Vorbringen zu den früheren vertraglichen Beziehungen ist die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz nur am Rande zurückgekommen. Ihren Vortrag, dem Markeninhaber seien durch diese Vertragsbeziehungen firmeninterne Informationen zur Nutzung der bisherigen Marken der Antragstellerin bekannt gewesen, hat sie nicht konkretisiert. Dazu hätte aber jedenfalls Veranlassung bestanden, nachdem der Markeninhaber diesem Vortrag entgegengetreten war und den Beschluss der Löschungsabteilung des Harmonisierungsamtes vom 25. Januar 2011 vorgelegt hatte. In diesem Beschluss führt die Löschungsabteilung aus, dass die Antragstellerin ihren Vortrag zu nachvertraglichen Treuepflichten des Markeninhabers nicht weiter begründet hat.
Auf die Bekanntheit des Zeichens „SIMCA“ als Marke der Antragstellerin brauchte das Bundespatentgericht aus seiner Sicht nicht gesondert einzugehen, weil es einen schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin wegen mangelnder Benutzung ihrer Marken über einen längeren Zeitraum verneint hatte.
Darauf, ob diese Würdigung zutrifft, kommt es im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht an.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.02.2011, Az. 28 W(pat) 13/10