BGH, Urteil vom 24.11.2011, Az. I ZR 154/10
§ 4 Nr. 10, 11 UWG; § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG
Der BGH hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine Mietwagenfirma im Telefonbuch unter dem Buchstaben „T“ wie „Taxi“ (aber nicht unter der Rubrik „Taxi“) wirbt. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist, dass ohne weiteres zu erkennen sei, dass es sich um die Anzeige eines Mietwagenunternehmens handele und nicht um einen Taxibetrieb, so dass eine Verwechslung auszuschließen sei. Die Intention, potentielle Taxi-Kunden auf sich aufmerksam machen zu wollen, sei wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden und stelle insbesondere keine unlautere gezielte Behinderung dar. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Urteil
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2011 durch … für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2010 wird auf Kosten des Klägers, der auch die Kosten des Streithelfers zu tragen hat, zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger, der in Limburg ein Taxiunternehmen betreibt, wendet sich gegen eine Werbung des Beklagten für dessen Mietwagenunternehmen mit Sitz in Diez.
Der Beklagte warb in dem vom Streithelfer verlegten Telefonverzeichnis „Das Örtliche“ für Limburg, Diez und Umgebung, Ausgabe 2008/2009, in den Abschnitten für Limburg und Diez mit einer direkt unter dem Buchstaben „T“ platzierten Werbeanzeige jeweils wie folgt:
Der Text dieser Anzeigen lautete:
MIETWAGEN MÜLLER Service mit Tradition! • Flughafentransfer • Krankenfahrten (sitzend) • Busse a 8 Personen Diez ? 0 64 32 – 20 11
Der Kläger hält die Werbung für unlauter, weil Verbraucher, die fernmündlich ein Taxi bestellen wollten, gezielt abgefangen würden. Außerdem wirft er dem Beklagten Irreführung und einen Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG vor, da die Werbung zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr führen könne.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Telefonbuch „Das Örtliche“ von Limburg und von Diez Einträge bzw. Werbung unter dem Buchstaben „T“ vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Ferner hat es dem Kläger seinem Antrag entsprechend Abmahnkosten zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2011, 140).
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte sowie der Streithelfer beantragen, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß des Beklagten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ein unlauteres Abfangen von Kunden liege nicht vor. Indem der Beklagte in der Nähe der Rubrik „Taxi“ werbe, ziele er nicht auf die Verdrängung der mit ihm im Wettbewerb stehenden Taxiunternehmen. Er stelle sich nicht zwischen die Mitbewerber und deren Kunden, sondern gleichsam neben die Mitbewerber, um den an einer Taxifahrt interessierten Verbrauchern sein Leistungsangebot als frei wählbare Alternative zu präsentieren.
Die beanstandete Werbung für Mietwagenverkehr führe auch nicht zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr und verstoße deshalb weder gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG noch gegen das Irreführungsverbot. Aus der deutlich herausgestellten Überschrift „Mietwagen Müller“ gehe hervor, dass der Beklagte keinen Taxenverkehr anbiete.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1.
Ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG liegt nicht vor.
a)
Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG darf Werbung für Mietwagenverkehr nicht geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Diese Vorschrift ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Sie bezweckt, den mit besonderen Pflichten verbundenen Betrieb des Taxenverkehrs in gewissem Umfang vor der Konkurrenz des weniger belasteten Mietwagenverkehrs zu schützen. § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG soll Wettbewerbsverzerrungen zwischen beiden Betriebsarten vermeiden, zu denen es käme, wenn der Mietwagenverkehr für das breite Publikum nicht mehr ohne weiteres vom Taxenverkehr zu unterscheiden wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 1983 1 BvL 8/81, BVerfGE 65, 237, 247).
b)
Die Werbung des Beklagten ist jedoch nicht geeignet, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Dies gilt zunächst für Text und Gestaltung der Anzeigen. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, erkennt der situationsadäquat aufmerksame, durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher schon aufgrund der deutlich herausgestellten Überschrift „Mietwagen Müller“, dass es sich nicht um die Anzeige eines Taxiunternehmens handelt.
Aber auch die Position der Anzeigen unmittelbar unter dem Buchstaben „T“ führt nicht zu einer relevanten Verwechslung mit dem Taxenverkehr. Die gesonderte und deutlich erkennbare Rubrikenüberschrift „Taxi“ findet sich erst in deutlichem Abstand im Telefonbuch von Limburg sogar erst auf der folgenden Seite nach dem Buchstaben „T“ und damit nach den beanstandeten Anzeigen. Auch wenn der Beklagte mit den Anzeigen einen Teil der Nachfrage nach einem Taxitransport auf sich ziehen will, haben die angesprochenen Verbraucher unter diesen Umständen keinen Anlass, die Anzeige des Beklagten der Rubrikenüberschrift „Taxi“ zuzuordnen. Soweit der Kunde durch die Anzeige erfährt, dass der Beklagte mit Flughafentransfer und Krankenfahrten bestimmte Dienstleistungen anbietet, die auch von Taxiunternehmen ausgeführt werden, liegt darin eine zulässige Information über das Leistungsangebot des Beklagten. Mietwagenunternehmer sind durch § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG nicht daran gehindert, für ihr Unternehmen auch und insbesondere durch Hervorheben von Merkmalen, die ihr Gewerbe von der bloßen Fahrzeugvermietung unterscheiden (etwa „Mietwagen mit Fahrer“ oder „Mietfahrten“), in einer Weise zu werben, welche die irreführende Bezeichnung Taxi vermeidet (BVerfGE 65, 237, 248).
2.
Da die beanstandeten Anzeigen nicht zu einer Verwechslung mit dem Taxenverkehr führen, kommt ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UWG gleichfalls nicht in Betracht.
3.
Die beanstandete Anzeige stellt auch keine unlautere gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG dar (vgl. Harte-Henning/Omsels, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 10 Rn. 81; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 10.49; aA zu § 1 UWG aF OLG Bamberg, NJWRR 1993, 50).
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte mit seiner Werbung Kunden des Klägers nicht in unlauterer Weise abfängt. Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers ist deshalb erst gegeben, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine solche unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt insbesondere dann vor, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen, aufzudrängen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 I ZR 119/06, GRUR 2009, 876 Rn. 21 = WRP 2009, 1086 Änderung der Vor-einstellung II, mwN).
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt sich der Beklagte nicht zwischen die Taxiunternehmen und deren Kunden, sondern gleichsam neben diese, um den an einer Taxifahrt interessierten Verbrauchern sein Leistungsangebot als frei wählbare Alternative zu präsentieren. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass ein durchschnittlich verständiger Verbraucher wenn er auf der Suche nach der Telefonnummer eines Taxiunternehmens die beanstandeten Anzeigen wahrnimmt – durch die Werbeanzeige des Beklagten nicht davon abgehalten wird, die Einträge unter der Rubrik „Taxi“ in den Blick zu nehmen und auf dieser Basis seine geschäftliche Entscheidung zu treffen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
III.
Die Revision ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Kläger hat auch die Kosten des Streithelfers zu tragen (§ 101 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Limburg, Entscheidung vom 09.09.2009, Az. 5 O 20/09
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 20.07.2010, Az. 6 U 186/09