BGH, Beschluss vom 09.02.2012, Az. I ZR 142/11
§ 26 Nr. 8 EGZPO, § 3 ZPO
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur Bemessung des Streitwerts in wettbewerbsrechtlichen Verfahren und zur Frage geäußert, ob mit den Streitwerten in den vorinstanzlichen Gerichtsverfahren zugleich der Streitwert für die Nichtzulassungsbeschwerde festgelegt ist. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Beschluss
in dem Rechtsstreit
…
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 09.02.2012 durch … beschlossen:
1.
Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
2.
Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt 20.000,00 EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin ist der Dachverband aller Verbraucherzentralen. Die Beklagte betreibt bundesweit SB-Warenhäuser. Sie warb in einem Prospekt für eine Matratze mit dem Logo der Stiftung Warentest. Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung sei irreführend und daher wettbewerbswidrig, weil die beworbenen Matratzen mit der Größe 100 x 200 cm und 140 x 200 cm nicht Gegenstand des Tests gewesen seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz pauschaler Abmahnkosten in Höhe von 200,00 EUR in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung der weitergehenden Klage hinsichtlich der Werbung für Matratzen mit der Größe 100 x 200 cm und der Abmahnkosten stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht der Klage unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die Revision nicht zugelassen. Die Beklagte beabsichtigt, dagegen Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Mit der Revision möchte sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt, den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorab festzusetzen.
II.
Die Klägerin hat zwar beantragt, den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen. Aus der Begründung ihres Antrags ergibt sich jedoch, dass sie in erster Linie eine Entscheidung über den Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer begehrt. Denn sie möchte Klarheit darüber gewinnen, ob das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde im Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO statthaft ist und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR übersteigt.
Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht zwangsläufig dem Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer. Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nach dem Interesse der Klägerin an einer Verurteilung der Beklagten. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich dagegen nach dem Interesse der Beklagten an einer Beseitigung dieser Verurteilung.
III.
Das Berufungsgericht hat den Streitwert für beide Instanzen auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um den Regelwert für eine durchschnittliche Wettbewerbsstreitigkeit im Rahmen eines Klageverfahrens; Umstände die ein Abweichen von diesem Regelwert rechtfertigten, seien dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen.
Es ist schon nicht ersichtlich und insbesondere von der Beschwerde nicht dargelegt, dass die Beklagte die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts beanstandet hat. Sie kann deshalb auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht mehr mit Einwänden gegen die Wertfestsetzung gehört werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZR 83/11, juris Rn. 1).
Davon abgesehen macht die Beschwerde zu Unrecht geltend, das Berufungsgericht hätte schon im Hinblick auf den der Klägerin neben dem Unterlassungsanspruch zusätzlich zuerkannten Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 200,00 EUR nicht von diesem Regelstreitwert ausgehen dürfen. Abmahnkosten erhöhen, wenn sie – wie hier – neben dem Hauptanspruch als Nebenforderung geltend gemacht werden, nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG weder den Streitwert noch den Beschwerdewert (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2007, Az. X ZB 7/06, NJW 2007, 3289 mwN; Beschluss vom 05.04.2011, Az. VI ZB 61/10, NJW-RR 2011, 1430; Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZR 83/11, juris Rn. 2).
IV.
Die Beschwer der Beklagten richtet sich zwar danach, wie sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt. Die Beklagte hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Interesse daran, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen, also weiter für die in Rede stehenden Matratzen wie geschehen mit dem Logo der Stiftung Warentest werben zu dürfen, höher zu bewerten ist als das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung.
Das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung entspricht allerdings nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten (BGH, Beschluss vom 24.02.2011, Az. I ZR 220/10, AfP 2011, 261 mwN). Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Gesichtspunkte bei der Bemessung des Streitwerts nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
Im Übrigen sind die von der Beklagten vorgetragenen Umstände – die Verbreitung der Werbung und die von der Beklagten hierfür aufgewandten Kosten – von vornherein nicht geeignet, eine höhere Beschwer der Beklagten darzutun. Die Parteien streiten nicht über die Kosten der von der Beklagten bereits verbreiteten Werbung. Der Beklagten ist es auch künftig nicht untersagt, für die von ihr vertriebenen Matratzen mit dem Logo der Stiftung Warentest zu werben, wenn diese Werbung nicht irreführend ist.
Vorinstanzen:
LG Mainz, Urteil vom 08.02.2011, Az. 10 KH O 65/10
OLG Koblenz, Urteil vom 06.07.2011, Az. 9 U 255/11