BGH: Vorlagebeschluss an EuGH zur Angabepflicht einer Telefonnummer im Impressum

veröffentlicht am 15. August 2007

BGH, Beschluss vom 26.04.2007, Az. I ZR 190/04
§§ 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 5 Satz 1 Nr. 2 TMG, Art. 5 Abs. 1 lit. c der EU-RL 2000/31, Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EGV

Nachdem das OLG Köln (? Klicken Sie bitte auf diesen Link: Urteil vom 13.02. 2004, Az. 6 U 109/03) entschied, dass ein Impressum eine Telefonnummer aufzuweisen habe, das OLG Hamm (? Klicken Sie bitte auf diesen Link: Urteil vom 17.03.2004, Az. 20 U 222/03) diese Rechtsauffassung aber nicht teilte, hat sich nunmehr der Bundesgerichtshof dieser Rechtsfrage annehmen können und dem Europäischen Gerichtshof mit der Bitte um eine Vorabentscheidung vorgelegt.

Bundesgerichtshof

Beschluss

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann beschlossen:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist ein Diensteanbieter nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie verpflichtet, vor Vertragsabschluss mit einem Nutzer des Dienstes eine Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle Kontakt- aufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu ermöglichen?

2. Falls die Frage zu 1 verneint wird:

a) Muss ein Diensteanbieter neben der Angabe der Adresse der elektronischen Post vor einem Vertragsschluss mit einem Nutzer des Dienstes nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie einen zweiten Kommunikationsweg eröffnen?

b) Bejahendenfalls: Reicht es für einen zweiten Kommunikationsweg aus, dass der Diensteanbieter eine Anfragemaske einrichtet, mit der der Nutzer sich über das Internet an den Diensteanbieter wenden kann, und die Beantwortung der Anfrage des Nutzers durch den Diensteanbieter mittels E-Mail erfolgt?

Gründe:

I.
Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet Kraftfahrzeugversicherungen an. Sie wirbt Kunden ausschließlich über das Internet. Auf ihren Internetseiten gibt die Beklagte ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse, nicht aber ihre Telefonnummer an. Individuelle Fragen kann ein Interessent über eine Internet-Anfragemaske an die Beklagte richten. Die Antworten versendet die Beklagte per E-Mail. Ihre Telefonnummer teilt sie Kunden erst nach Abschluss eines Versicherungsvertrags mit.

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., hat geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, im Rahmen ihres Internetauftritts ihre Telefonnummer anzugeben. Nur so sei die gesetzlich vorgesehene unmittelbare Kommunikation zwischen einem Interessenten und der Beklagten gewährleistet.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,

1.
Endverbrauchern im Internet unter der Adresse www.d. .de Angebote von Versicher- ungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen anzubieten, ohne durch Angabe einer Telefonnummer die unmittelbare Kommunikation des Verbrauchers mit dem Versicherer zu ermöglichen,

hilfsweise

2.
auf der Internetseite mit der Adresse www.d. .de Angebote von Versich- erungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versich- erungsverträgen anzubieten, wie in der Anlage K 2a-K 5b wiedergegeben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Hamm NJW-RR 2004, 1045).

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Verurteilung der Beklagten weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurück- zuweisen.

II.
Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung zu den im Beschlusstenor gestellten Fragen einzuholen.

1.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bereitstellung einer telefonischen Kontaktaufnahme sei nicht zwingend erforderlich, um eine unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Diese sei auch über die bereitgestellte Anfragemaske und die Beantwortung der Fragen von Interessenten durch Mitarbeiter der Beklagten per E-Mail möglich. In die Kommunikation zwischen den Interessenten und der Beklagten seien selbständig tätige Dritte nicht zwischengeschaltet. Auch in zeitlicher Hinsicht werde eine unmittelbare Kommunikation mit der Beklagten erreicht. Diese beantworte Anfragen nach eigenen Angaben innerhalb von 30 bis 60 Minuten. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei eine von diesem gestellte Probeanfrage innerhalb weniger Minuten von der Beklagten beantwortet worden.

2.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1 u. 2 Nr. 2 UKlaG und aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu, wenn die Beklagte nach § 5 Satz 1 Nr. 2 TMG zur Angabe einer Telefonnummer im Rahmen ihrer Internetpräsentation verpflichtet ist.

a.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Verbraucherschutzgesetze i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG u.a. die Bestimmungen zur Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 2000/31/EG. Hierzu zählt die Bestimmung des § 5 TMG, die an die Stelle des wortgleichen § 6 TDG getreten ist (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr [Elektronischer Geschäftsverkehr – Gesetz EGG] BT-Drucks. 14/6098, S. 21; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.7.2006 – I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Tz 15 = WRP 2006, 1507 – Anbieterkennzeichnung im Internet).

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG müssen Diensteanbieter den Nutzern des Dienstes und den zuständigen Behörden Angaben, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten, die es ermöglichen, schnell mit dem Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu kommunizieren. Diese Bestimmung ist im deutschen Recht durch § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG (= § 6 Abs. 1 Nr. 2 TDG a.F.) umgesetzt worden. Sowohl Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG als auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG erfordern nach ihrem Wortlaut keine Angabe einer Telefonnummer, unter der der Diensteanbieter erreichbar ist.

b.
Die Angabe einer Telefonnummer könnte jedoch nach Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG erforderlich sein, um eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer zu ermöglichen.

In der deutschen Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, ob die Möglichkeit zu einer unmittelbaren Kommunikation zwingend voraussetzt, dass eine telefonische Kontaktaufnahme eröffnet wird (von der Notwendigkeit der Angabe einer Telefonnummer gehen aus: OLG Köln GRUR-RR 2005, 24; Fezer/Mankowski, UWG, § 4-S 12 Rdn. 149; Spindler in Spindler/Schmitz/ Geis, TDG, 2004, § 6 Rdn. 25; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdn. 372; Wüstenberg, WRP 2002, 782, 783; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; Ernst, GRUR 2003, 759; Stickelbrock, GRUR 2004, 111, 113; a.A. Härting, DB 2001, 80, 81; Föhlisch in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht (Stand August 2006), Kap. 13.4 Rdn. 127 f.). Auch die Begründung zum Regierungsentwurf des EGG (BT-Drucks. 14/6098, S. 21) sieht es als erforderlich an, dass der Diensteanbieter eine Telefonnummer angibt, um eine unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Für diese Ansicht spricht, dass nur telefonisch und nicht per E-Mail oder Telefax eine Kommunikation in Form von Rede und Gegenrede im Sinne eines echten Dialogs möglich ist. Zudem erleichtert die Einrichtung eines Telefonanschlusses dem Nutzer die Kontaktaufnahme, der so nicht allein auf eine schriftliche Kommunikation mit dem Diensteanbieter verwiesen wird.

Andererseits könnten E-Mail, Computer- und Telefax auch den Anforderungen genügen, die an eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu stellen sind. Entsprechend wird in der Rechtsprechung angenommen, dass neben der E-Mail-Adresse die Angabe einer Telefaxnummer ausreicht (österreichischer OGH, Urt. v. 18.11.2003 – 4 Ob 219/03, MMR 2004, 599, 601 = CR 2004, 684). Die Notwendigkeit, telefonische Anfragen von Interessenten zu beantworten, würde die Beklagte zwingen, ihr Geschäftskonzept einer Kundenakquisition ausschließlich über das Internet zu ändern. Die Beklagte würde in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt, obwohl die Richtlinie 2000/31/EG nach ihren Erwägungsgründen 4 bis 6 gerade auf den Abbau von Hemmnissen, auf die Weiterentwicklung der Dienste der Informationsgesellschaft in der Gemeinschaft und auf die Nutzung der Chancen des Binnenmarktes durch den elektronischen Geschäftsverkehr abzielt. Zudem würde die Einrichtung eines Telefonanschlusses nicht notwendigerweise eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zwischen Nutzer und Diensteanbieter erlauben. Wird die Telefonnummer als Mehrwertdienstenummer eingerichtet, könnten potentielle Nutzer durch die damit verbundenen zusätzlichen Kosten von einer Kontaktaufnahme abgehalten werden. Einschränkungen der Erreichbarkeit in zeitlicher und kapazitätsmäßiger Hinsicht könnten die Kontaktaufnahme erschweren und weitere Reglementierungen erfordern.

3.
Ist die Beklagte zur Angabe einer Telefonnummer nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG nicht verpflichtet, wäre das mit dem Hilfsantrag zu 2 verfolgte Verbot auszusprechen, wenn die Beklagte nach dieser Bestim-mung der Richtlinie verpflichtet wäre, neben der Kontaktmöglichkeit im Wege der elektronischen Post einen weiteren Kommunikationsweg zu ihr zu eröffnen und die von ihr eingerichtete Anfragemaske diesen Anforderungen nicht genügt.

a.
Die Notwendigkeit, einen zweiten Kommunikationsweg zu eröffnen, ist in Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Auch der Formulierung „einschließlich seiner Adresse der elektronischen Post“ lässt sich das Erfordernis eines zweiten Kommunikationswegs neben der Angabe der E-Mail-Adresse nicht zwingend entnehmen. Allerdings hat der österreichische Oberste Gerichtshof zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 des österreichischen E-Commerce-Gesetzes (öECG), durch das die Richtlinie 2000/31/EG umgesetzt worden ist (§ 31 Abs. 2 öECG), angenommen, neben der Angabe der elektronischen Postadresse sei mindestens ein anderer individueller Kommunikationsweg erforderlich (öOGH MMR 2004, 599, 601).

b.
Sollte ein zweiter Kommunikationsweg nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG vom Diensteanbieter eingerichtet werden müssen, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls darauf an, ob neben der Angabe der E-Mail-Adresse die Einrichtung einer Anfragemaske, mit der sich der Nutzer über das Internet mit schriftlichen Anfragen an den Diensteanbieter wenden kann, der diese nach seiner Ankündigung innerhalb einer Stunde per E-Mail beantwortet, den Anforderungen an eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare und effiziente Kommunikation i.S. von Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG genügt. Zwar hat nicht jeder Internetnutzer eine eigene E-Mail-Adresse. Gleichwohl spricht für eine solche Auslegung, dass von einem Internetnutzer erwartet werden kann, dass er über die für die Kommunikation im Internet üblichen Empfangseinrichtungen verfügt, wenn er sich an einen nach seinem Geschäftsmodell vor Vertragsschluss nur im Internet präsenten Diensteanbieter wenden will.

Bornkamm
v. Ungern-Sternberg
Pokrant
Büscher
Bergmann

Vorinstanzen:
LG Dortmund, Urteil vom 09.07.2003, Az. 5 O 120/03
OLG Hamm, Urteil vom 17.03.2004, Az. 20 U 222/03

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