BGH: Wann und warum eine Zusendung von E-Mails wettbewerbswidrig ist

veröffentlicht am 18. September 2008

BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az. I ZR 81/01
§ 1 UWG,
§ 823 Abs. 1 BGB

In diesem Urteil aus dem Jahr 2004 hat der BGH die Zusendung von unverlangten E-Mails als wettbewerbswidrig eingestuft. Es sei vor allem darauf abzustellen, dass das Internet eine weite Verbreitung gefunden habe und durch die Übermittlung per E-Mail eine billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit bestehe. Diese Werbeart sei daher, soweit sie nicht ohnehin schon einen erheblichen Umfang erreicht hat, auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt. Denn ohne Einschränkungen der E-Mail-Werbung sei aufgrund ihrer Vorteilhaftigkeit für den Werbenden mit einem Nachahmungseffekt bei denjenigen Mitbewerbern zu rechnen, die bislang nicht mittels E-Mail geworben haben, sich aus Wettbewerbsgründen jedoch hierzu gezwungen sehen. Eine Werbeart sei aber auch dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trage und zu einer daraus folgenden unzumutbaren Belästigung führe. Für den Empfang der E-Mail müsse eine Online-Verbindung zum Provider hergestellt werden, für die Telefongebühren und, falls nicht ein festes Entgelt vereinbart ist, eine Nutzungsgebühr für den Provider anfallen. Hinzu komme Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails verbunden sei. Zwar seien die Kosten für den Bezug einer einzelnen E-Mail gering. Gleiches gelte für den mit dem Löschen einer E-Mail verbundenen Zeitaufwand, wenn bereits aus der Angabe im “Betreff” der E-Mail ersichtlich ist, dass es sich um Werbung handele und deshalb eine nähere Befassung mit der E-Mail nicht erforderlich sei. Diese Beurteilung falle jedoch bei einer größeren Anzahl unerbetener E-Mails ganz anders aus. Eine solche Werbung sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der

Empfänger ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt habe, E-Mail-Werbung zu erhalten, oder wenn bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden könne. Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfängers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Werbende habe durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten komme.

Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2003 durch … für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21.12.2000 aufgehoben.

2.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Parteien erbringen Dienstleistungen für den Internet-Bereich.

Der Kläger ist Inhaber der Domain-Namen „i….de“ und „s…de“, unter denen er eine Reihe von E-Mail-Adressen eingerichtet hat. Im Jahre 1998 benutzte der Kläger bei der Absendung von E-Mails die Bezeichnung „mail@s .de“, während empfangene E-Mails unter verschiedenen mit den Domain-Namen gebildeten Adressen eingingen.

Die Beklagte verschickt per E-Mail ein wöchentlich erscheinendes, als „Newsletter“ bezeichnetes Rundschreiben, das Sachinformationen und Werbung enthält. Sie vertreibt das kostenlose Rundschreiben an Abonnenten, die es per E-Mail bestellen und jederzeit wieder abbestellen können.

In der Zeit von Anfang Mai bis 11.12.1998 erhielt der Kläger eine Vielzahl der Rundschreiben der Beklagten. Die wöchentlichen Sendungen der Beklagten gingen beim Kläger zunächst unter der E-Mail-Adresse „s @i .de“ ein. Dies nahm der Kläger zum Anlass, die Beklagte wiederholt aufzufordern, den Versand einzustellen, ohne zunächst allerdings die E-Mail-Adresse anzugeben, unter der er die Rundschreiben erhalten hatte. Nachdem die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass sie ohne genaue Angabe dieser E-Mail-Adresse den Eintrag nicht entfernen könne, teilte  ihr der Kläger die Adresse „s @i .de“ mit und wies darauf hin, alle E-Mails an „@s…de“ und „@i…de“ gehörten „direkt zu s…“. Die Beklagte entfernte daraufhin die Adresse „s..@i ….de“ aus ihrem Verteiler.  Am 05.09.1998 nahm die Beklagte die wöchentliche Versendung des Rundschreibens an den Kläger unter der E-Mail-Adresse „d..@i…de“ auf. Der Kläger kündigte darauf Mitte Oktober 1998 für den Fall, dass er weiter von der Beklagten belästigt werde, rechtliche Schritte an und ließ die Beklagte mit Schreiben vom 06.12.1998 abmahnen.

Die Beklagte wies die Abmahnung zurück und nahm – ihren Angaben im Schreiben vom 22.12.1998 zufolge nach Recherchen – die E-Mail-Anschrift „d…@i …de“ aus ihrem Verteiler. Sie richtete zudem einen Filter ein, um Bestellungen unter den Domain-Namen „s…de“ und „i….de“ auszusondern.

In der Zeit vom 05.09.1998 bis 11.12.1998 erhielt der Kläger insgesamt 15 Sendungen des Rundschreibens der Beklagten. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihm auch unter der E-Mail-Anschrift „d…@s…de“ ihr Rundschreiben zugesandt. Dieses schicke die Beklagte offensichtlich an erfundene E-Mail-Adressen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte im wesentlichen einen Unterlassungsanspruch gegen die unaufgeforderte Versendung von E-Mails mit Werbung, hilfsweise mit dem Rundschreiben der Beklagten, an beliebige Empfänger, weiter hilfsweise an den Kläger, geltend gemacht.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat vorgetragen, der Versendung der Rundschreiben an den Kläger lägen jeweils Bestellungen zugrunde, die mittels E-Mail erfolgt seien. So sei es zu der Versendung an die Anschrift „d @i .de“ dadurch gekommen, dass sich der Inhaber der E-Mail-Adresse •• d@in.de •• verschrieben habe, als er den Rundbrief der Beklagten abonniert habe.
Das Landgericht hat der Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verboten, E-Mails, nämlich sogenannte „Newsletter“, ohne vorherige Zustimmung des Klägers an diesen zu senden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat sie sich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den von ihr herausgegebenen Newsletter ohne Einverständnis des Klägers an dessen Domain „s…de“ oder „i…de“ zu versenden. In diesem Umfang haben die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Der Kläger hat – zu Protokoll und schriftsätzlich nachgereicht – beantragt, die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, die von ihr versandten Newsletter – Beispiele: Anlagen K4 und K16 – per E-Mail zu versenden, ohne dass das Einverständnis der Empfänger vorliegt, wobei hiervon Sendungen an den Kläger nicht umfasst sind.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hat die Klage weder aus § 1 UWG noch aus § 823 Abs. 1 BGB für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot erfasse den Versand von E-Mails an beliebige E-Mail-Adressen des Klägers ohne dessen vorherige Zustimmung. Die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung erledige den Rechtsstreit nicht vollständig. Sie erfasse nur mit den Domain-Namen „i….de“ und „s…de“ gebildete Anschriften.

Durch den in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Antrag habe der Kläger zu erkennen gegeben, dass er das Urteil des Landgerichts anfechten wolle. Die für eine Anschlussberufung erforderliche Form sei durch den Schriftsatz vom 30. November 2000 eingehalten, der eine zulässige Anschlussberufung des Klägers darstelle.

Die unbestellte Versendung des von der Beklagten herausgegebenen Rundschreibens verstoße unter dem Gesichtspunkt der Belästigung gegen § 1 UWG und auch gegen § 823 Abs. 1 BGB. Erst recht gelte dies, wenn die Beklagte gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Empfängers mit dem Versand fortfahre. Allerdings setze § 1 UWG die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände und § 823 Abs. 1 BGB ein Verschulden voraus. Daran fehle es vorliegend. Der Kläger habe den Beweis nicht geführt, dass die Beklagte ihren „Newsletter“ unverlangt versende. Es sei nicht auszuschließen, dass der Zusendung des Rundschreibens unter der Anschrift „s @i .de“ eine Bestellung aus dem Kreis derjenigen Personen zugrunde gelegen habe, die Zugang zum Computer des Klägers hätten. Die Beklagte habe, nachdem ihr die fragliche Internet-Adresse mitgeteilt worden sei, die Zusendung des Rundschreibens eingestellt. Zum Versand an den Kläger unter der E-Mail-Anschrift •• d@s.de.. sei der Vortrag der Parteien wenig substantiiert und teilweise widersprüchlich. Wie die Adresse
„d…@i…de“ in den Verteiler der Beklagten für das Rundschreiben geraten sei, habe der Kläger nicht dargelegt. Den Vortrag der Beklagten, es habe ein Schreibversehen eines Dritten bei der Bestellung des Rundschreibens vorgelegen, habe der für die fehlende Zustimmung zur Versendung beweispflichtige Kläger nicht widerlegt. Aufgrund der Mitteilung des Klägers vom 7. Juli 1998, alle E-Mails an •• @s.de •• und •• @i.de •• beträfen den Kläger, sei die Beklagte nur verpflichtet gewesen, mit diesen Domain-Namen gebildete Anschriften zu löschen, nicht aber neu eingehende Bestellungen auf eine entsprechende E-Mail-Adresse zu überprüfen.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.
a.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das von dem Kläger beantragte Verbot der Versendung von E-Mails mit dem Newsletter der Beklagten ohne Einverständnis der Empfänger. Ausgenommen von dem vom Kläger im Revisionsverfahren weiterverfolgten Unterlassungsanspruch ist nur die Versendung des Newsletter der Beklagten an E-Mail-Adressen, die die Domain-Namen „s .de“ und „i .de“ des Klägers enthalten, weil die Parteien nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten im Berufungsrechtszug den Rechtsstreit in diesem Umfang in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

b.
Den Unterlassungsanspruch hat der Kläger in diesem Umfang zum einen durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten mit Ausnahme des in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits und zum anderen durch den in der Berufungsinstanz gestellten Antrag geltend gemacht, mit dem der Kläger ein Verbot der Versendung von E-Mails mit dem Newsletter durch die Beklagte an andere Empfänger als den Kläger ohne deren Einverständnis erstrebt. Dass über den in der Berufungsinstanz gestellten Unterlassungsantrag des Klägers zu befinden ist, ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Kläger diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verlesen hat. Der Kläger konnte den Anspruch, mit dem er eine über das erstinstanzlich zuerkannte Verbot der Versendung von E-Mails an den Kläger hinausgehende Untersagung der unerbetenen Versendung von E-Mails an beliebige Empfänger erstrebte, nur mit der (Anschluss-)Berufung in der Berufungsinstanz zur Entscheidung stellen. Dazu gehört nach § 522a Abs. 1 ZPO a.F. die Anschlussschrift, die bei Antragsteilung in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2000 fehlte und ohne die eine wirksame Anschlussberufung nicht vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1988 -11 ZR 129/88, NJW-RR 1989, 441).

Eine wirksame Anschlussberufung des Klägers hat das Berufungsgericht aber mit Recht in dem am 30. November 2000 eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom selben Tage gesehen (§ 521 Abs. 1, § 522a Abs. 1, 3, § 519 Abs. 3 ZPO a.F.).

aa.
Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, dem Schriftsatz des Klägers könne nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß dieser sich der Berufung der Beklagten anschließen wollte. Ein Anschlussrechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu werden. In dem Schriftsatz muss nur klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommen, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils zugunsten des Rechtsmittelbeklagten zu erreichen (vgl. BGHZ 109, 179, 187). Das ist vorliegend der Fall. In dem Schriftsatz vom 30. November 2000 nahm der Kläger Bezug auf den in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gestellten Antrag. Dieser richtete sich gegen die Zurückweisung des vom Kläger bereits in erster Instanz verfolgten, vom Landgericht im angefochtenen Urteil jedoch nicht zuerkannten Verbots der Versendung des „Newsletter“ der Beklagten an beliebige Empfänger ohne deren Einverständnis. Dieses Rechtsschutzziel ist dem Schriftsatz vom 30. November 2000 auch unzweideutig zu entnehmen, weil der Kläger auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag Bezug genommen und um antragsgemäße Entscheidung nachgesucht hat. Danach verbleiben keine vernünftigen Zweifel, dass der Kläger sich dem Rechtsmittel der Beklagten anschließen und in weichem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung anfechten wollte.

bb.
Die Anschlussberufung hat der Kläger auch im übrigen form- und fristgerecht eingelegt. Sie lässt entgegen der Meinung der Revisionserwiderung erkennen, aus welchen Gründen er das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält (§ 522a Abs. 3, § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.). Nach dem Gesamtzusammenhang des Schriftsatzes vom 30. November 2000 hat der Kläger die Anschlussberufung darauf gestützt, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1 UWG gegen die Beklagte vorlagen und das begehrte Verbot rechtfertigten.

Die Anschlussberufung des Klägers ist fristgerecht eingelegt worden.

Zwar kann eine Anschlussberufung nicht mehr nach Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden (vgl. BGH NJW-RR 1989, 441). Das Berufungsgericht hatte jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2000 mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und den Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden durften, auf den 30. November 2000 bestimmt (§ 128 Abs. 2 ZPO). Dieser Zeitpunkt entspricht dem Schluss der mündlichen Verhandlung. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte daher eine Anschlussberufung nach § 522a ZPO a.F. zulässigerweise eingelegt werden.

2.
Das Berufungsgericht hat die gegen die Versendung von E-Mails an den Kläger und an Dritte ohne Zustimmung des Empfängers gerichteten Unterlassungsansprüche für nicht begründet erachtet. Dies rügt die Revision mit Erfolg.

a.
Der Kläger ist nach § 1 UWG befugt, Ansprüche wegen des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes geltend zu machen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stehen die Parteien bei dem Angebot von Internet-Dienstleistungen (Serviceleistungen rund um die elektronische Datenverarbeitung, insbesondere Consulting-Dienstleistungen) in Wettbewerb. Danach ist davon auszugehen, dass die Parteien gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben, so dass der Absatz der Dienstleistungen des Klägers durch den Absatz der Dienstleistungen der Beklagten beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 = WRP 2000, 1258 – Filialleiterfehler).

b.

aa.
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine unerbetene Zusendung des Werbung enthaltenden Rundschreibens der Beklagten mittels E-Mail gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt. Die Versendung von Werbung per E-Mail stellt eine unzumutbare Belästigung der angesprochenen Verkehrskreise dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unerbetene Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen grundsätzlich unzulässig (BGH, Urt. v. 27.1.2000 – I ZR 241/97, GRUR 2000, 818, 819 = WRP 2000, 722 – Telefonwerbung VI). Auch im geschäftlichen Verkehr hat der Bundesgerichtshof Telefonwerbung als unzulässig angesehen, solange der Anzurufende weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat und ein solches vom Anrufer aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände auch nicht vermutet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001 – I ZR 53/99, GRUR 2001, 1181, 1182 = WRP 2001, 1068 – Telefonwerbung für Blindenwaren). Entsprechende Grundsätze gelten für die Werbung durch Telefaxschreiben (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1995 – I ZR 255/93, GRUR 1996, 208, 209 = WRP 1996, 100 – Telefax-Werbung).

Allerdings sind die Gründe für das regelmäßige Verbot unerbetener Telefon- und Telefaxwerbung nicht ohne weiteres auf die E-Mail-Werbung übertragbar. Denn anders als der Telefonteilnehmer kann der E-Mail-Empfänger selbst bestimmen, wann er an ihn gesandte E-Mails abrufen will, so dass die unverlangte Zusendung von E-Mails nicht mit der Beeinträchtigung der Privatsphäre vergleichbar ist, wie sie bei der unerbetenen Telefonwerbung eintritt. Und die Kosten, die mit dem Abruf einer einzelnen E-Mail verbunden sind, sind ebenfalls nur gering (vgl. Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 1029 Rdn.296).

Gleichwohl entsteht durch die Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken eine Belästigung für den Empfänger, die dieser nicht hinzunehmen braucht, wenn er nicht ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt oder wenn – bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden – nicht aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.
Das Berufungsgericht hat zum Ausmaß der mit unerbetener E-Mail-Werbung einhergehenden Belästigungen für den Empfänger keine näheren Feststellungen getroffen. Dies ist indes unschädlich.

Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der E-Mail-Werbung ist maßgeblich darauf abzustellen, dass das Internet eine weite Verbreitung gefunden hat und durch die Übermittlung per E-Mail eine billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit besteht. Diese Werbeart ist daher, soweit sie nicht ohnehin schon einen erheblichen Umfang erreicht hat, auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt. Denn ohne Einschränkungen der E-Mail-Werbung ist aufgrund ihrer Vorteilhaftigkeit für den Werbenden mit einem Nachahmungseffekt bei denjenigen Mitbewerbern zu rechnen, die bislang nicht mittels E-Mail geworben haben, sich aus Wettbewerbsgründen jedoch hierzu gezwungen sehen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: BGHZ 103, 203, 208 f. – Btx-Werbung). Eine Werbeart ist aber auch dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trägt und zu einer daraus folgenden unzumutbaren Belästigung führt (vgl. BGH GRUR 1996, 208, 209 – Telefax-Werbung).

Für den Empfang der E-Mail muss eine Online-Verbindung zum Provider hergestellt werden, für die Telefongebühren und, falls nicht ein festes Entgelt vereinbart ist, eine Nutzungsgebühr für den Provider anfallen. Hinzu kommt der Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails verbunden ist. Zwar sind die Kosten für den Bezug einer einzelnen E-Mail gering. Gleiches gilt für den mit dem Löschen einer E-Mail verbundenen Zeitaufwand, wenn bereits aus der Angabe im „Betreff“ der E-Mail ersichtlich ist, dass es sich um Werbung handelt und deshalb eine nähere Befassung mit der E-Mail nicht erforderlich ist. Diese Beurteilung fällt jedoch bei einer größeren Anzahl unerbetener E-Mails ganz anders aus.

In der Rechtsprechung ist die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung daher ganz überwiegend unter dem Gesichtspunkt belästigender Werbung zu Recht als unzulässig angesehen worden (vgl. zu § 1 UWG: LG Traunstein NJW 1998, 1648; LG Hamburg WRP 1999, 250; LG Ellwangen MMR 1999, 675, 676; vgl. auch KG MMR 2002, 685 = eR 2002, 759; LG Berlin MMR 1999, 43; MMR 2000, 704).

Art. 13 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, ABI. Nr. L 201 v. 31.7.2002, S. 37) sieht vor, dass von den Fällen des Art. 13 Abs. 2 abgesehen, die im Streitfall keine Rolle spielen, E-Mails für Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Zustimmung des Teilnehmers gestattet sind, wenn dieser eine natürliche Person ist. Für die übrigen Teilnehmer haben die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie für einen ausreichenden Schutz vor unerbetenen Nachrichten zu sorgen.

bb.
Zu Unrecht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, den Kläger treffe die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Zusendung des Rundschreibens unverlangt erfolgt sei.

Die unerbetene E-Mail-Werbung ist regelmäßig gemäß § 1 UWG unzulässig (vgl. vorstehend 11 b aa). Deshalb hat die Beklagte (als Verletzer) diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1996 – I ZR 124/94, GRUR 1997, 229, 230 = WRP 1997, 183 – Beratungskompetenz; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 472). Zu diesen gehört bei E-Mail-Werbung das die Wettbewerbswidrigkeit ausschließende Einverständnis (vgl. zur Telefonwerbung: BGH GRUR 2000,818,819 – Telefonwerbung VI: zur E-Mail-Werbung: KG MMR 2002, 685; zum Einverständnis bei der Telefaxwerbung: OLG Koblenz WRP 1995, 1069 = ca 1996, 207; OLG Oldenburg NJW 1998, 3208).

cc.
Nicht entscheidend ist dagegen, dass die Beklagte nach ihrer Darstellung im allgemeinen ihren Rundbrief nicht unverlangt versendet. Denn die Beklagte darf den Rundbrief mittels E-Mail nur dann verschicken, wenn die Voraussetzungen hierfür in der Person des jeweiligen Empfängers vorliegen. Dabei hat sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt, etwa aufgrund unrichtiger Eingabe oder Speicherung von E-Mail-Adressen.

(1)
Den Versand des Rundschreibens unter der E-Mail-Adresse „s @i .de“ hat das Berufungsgericht zur Begründung eines Anspruchs aus § 1 UWG nicht ausreichen lassen. Das erweist sich im Ergebnis deshalb als zutreffend, weil ein auf § 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch nach § 21 UWG verjährt ist (dazu nachfolgend unter II 3).

(2)
Zu der Versendung von E-Mails durch die Beklagte mit dem Rundschreiben an die E-Mail-Anschrift •• d@s.de •• hat das Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen getroffen. Es hat es als wahrscheinlich angesehen, dass im Frühjahr 1998 an den Kläger unter dieser Adresse Rundschreiben der Beklagten versandt worden sind. In diesem Fall wäre ein daraus abgeleiteter Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1 UWG ebenfalls verjährt (vgl. Abschnitt II 3). Soweit es auf die Zusendung von Rundschreiben unter dieser E-Mail-Adresse noch ankommen sollte, wird das Berufungsgericht der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, noch im November/Dezember 1998 unter dieser Anschrift Rundschreiben erhalten zu haben (Schriftsatz vom 18. September 2000 S. 5).

(3)
Dagegen ist nach dem Vortrag der Parteien zur Versendung des Rundschreibens an die E-Mail-Adresse •• d@i.de •• in derZeit zwischen dem 05.09.1998 und dem 11.12.1998 unstreitig, dass ein Einverständnis des Klägers hierzu nicht vorlag. Nach der Darstellung der Beklagten handelte es sich um ein Schreibversehen eines Dritten bei der Angabe der E-Mail-Adresse für die Versendung des Rundschreibens. Da die Beklagte durch geeignete Maßnahmen – beispielsweise durch die Prüfung der Identität der angegebenen E-Mail-Adresse mit der den Newsletter anfordernden Stelle – sicherzustellen hat, dass es aufgrund derartiger Versehen nicht zu einer Versendung der E-Mail-Werbung kommt, vermag dies die Wettbewerbswidrigkeit nicht auszuschließen.

3.
Zur Verjährung des Unterlassungsanspruchs des Klägers hat das Berufungsgericht von seinem Standpunkt folgerichtig keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und des Vortrags der Parteien die Frage der Verjährung der an die E-Mail-Adressen „s @i .de“ und „d @i .de“ versandten Rundschreiben selbst beurteilen.

Ein auf die Versendung der Rundschreiben bis zum 07.09.1998 gestützter Unterlassungsanspruch des Klägers ist nach § 21 UWG verjährt. Nicht verjährt ist dagegen der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG, soweit er auf die zwischen dem 08.09.1998 und 11.12.1998 versandten Rundschreiben an die E-Mail-Adresse •• d@i.de •• gestützt wird.

Die Verjährungsfrist beträgt nach § 21 UWG sechs Monate von dem Zeitpunkt, in welchem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangte. Sie begann mit der jeweiligen Zusendung des Rundschreibens der Beklagten mittels E-Mail zu laufen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1984 – I ZR 195/81, GRUR 1984, 820, 822 = WRP 1984, 678 – Intermarkt 11; Baumbach/Hefermehl aaO § 21 Rdn. 11; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 21 Rdn. 22). Sie wurde durch die Einreichung der Klage am 8. März 1999 nach § 209 Abs. 1, § 217 BGB a.F., § 270 Abs. 3 ZPO a.F. unterbrochen. Dies gilt unabhängig von der zwischen den Parteien unterschiedlich beurteilten Bestimmtheit des Antrags in der Klageschrift vom 05.03.1999. Denn aufgrund dieses Antrags war jedenfalls klar, dass sich der Kläger gegen die Zusendung des Rundschreibens der Beklagten durch E-Mail an Empfänger wandte, die hierzu kein Einverständnis erklärt hatten. Dies reicht zur Verjährungsunterbrechung aus (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1997 – I ZR 123/95, GRUR 1998, 481, 483 = WRP 1998, 169 – Auto ’94).

Die Unterbrechung der Verjährung ist auch nicht nach § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. entfallen. Nach § 211 Abs. 1 BGB a.F. dauert die Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung fort, bis der Prozess rechtskräftig entschieden oder anderweitig erledigt ist. Gerät der Prozess infolge einer Vereinbarung oder dadurch in Stillstand, dass er nicht betrieben wird, so endet die Unterbrechung mit der letzten Prozesshandlung der Parteien oder des Gerichts (§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.). Allerdings hatte der Kläger nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils vom 06.04.2000 bis zur wirksamen Einlegung der Anschlussberufung am 30.11.2000 mehr als sechs Monate zugewartet. Die Anwendung des § 211 Abs.2 Satz 1 BGB a.F. ist jedoch grundsätzlich auf Fallgestaltungen beschränkt, in denen es auf eine Umgehung des § 225 BGB hinauslaufen würde, wenn das Nichtbetreiben eines anhängig gemachten Prozesses durch die Parteien die Unterbrechungswirkung der Klageerhebung unberührt ließe. Die Verjährungsunterbrechung endet deshalb gemäß § 211 Abs.2 Satz 1 BGB a.F., wenn ein Kläger sein Klagebegehren ohne triftigen Grund nicht mehr weiterbetreibt (BGH, Urt. v. 28.9.1999 – VI ZR 195/98, NJW 1999, 3774, 3775, m.w.N.). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn der Kläger hat in der Berufungsentgegnung vom 18.09.2000 zu erkennen gegeben, daß er an der Geltendmachung eines Anspruchs gegen die Beklagte, den Newsletter unaufgefordert zu versenden, festhält. Dies reichte aus, um einen Prozessstillstand seitens des Klägers zu verneinen (vgl. BGH NJW 1999, 3774, 3776).

4.
Nach § 1 UWG kann der Kläger von der Beklagten beanspruchen, dass diese es unterlässt, das Rundschreibens mittels E-Mail unter beliebigen E-Mail-Adressen an dritte Empfänger oder an den Kläger ohne Einverständnis der Adressaten zu versenden. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist nicht auf ein Verbot der Versendung von E-Mails mit dem Rundschreiben an diejenigen E-Mail-Adressen beschränkt, an die die Beklagte bislang bereits E-Mails versandt hat (E-Mail-Adressen unter Verwendung der Domains •• s.de •• und „i .de“). Denn der Anspruch umfasst nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern auch im Kern gleichartige Handlungen (vgl. BGH GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler).

Neben dem Verbot der Versendung unverlangter E-Mails an den Kläger umfasst der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG auch als eine im Kern gleichartige Verletzungshandlung das Versenden des Rundschreibens mittels E-Mail an andere Empfänger ohne deren Zustimmung.

III.
Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung verwehrt, weil die Beklagte zu der Anschlussberufung des Klägers in der Tatsacheninstanz bisher kein rechtliches Gehör erhalten hat. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I