BGH: Zu den Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Sprungrevision zum Bundesgerichtshof / Der masturbierende Mann als Hinweis auf die Folgen globaler Vernetzung

veröffentlicht am 18. September 2012

BGH, Beschluss vom 16.08.2012, Az. I ZR 199/11
§ 566 Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1 ZPO

Der BGH hat in diesem Beschluss eine urheber- und äußerungsrechtlich motivierte Sprungrevision auf Grund formaler Mängel zurückgewiesen. Ein Lehrstück für diejenigen, die Gleiches im Sinne haben. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Beschluss

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2012 durch … beschlossen:

Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.

I.
Der Senat hat den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 27. September 2011 auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Er hat dies damit begründet, der Antrag sei unzulässig, weil es an der Darlegung eines Zulassungsgrundes fehle (§ 566 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 ZPO).

II.
Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, entgegen der Ansicht des Senats müsse der Zulassungsgrund als solcher nach § 566 Abs. 2 Satz 3 ZPO – im Gegensatz zu § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO – nicht dargelegt werden; es genüge vielmehr, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision dargelegt würden. Der Senat habe dann zu entscheiden, ob die geltend gemachten Voraussetzungen eine Zulassung unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung, Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geböten.

Nach Einführung der Zulassungsrevision durch die ZPO-Reform ist die Sprungrevision von einer Zulassung durch das Revisionsgericht abhängig, die an dieselben Zulassungskriterien wie die Revision anknüpft (BT-Drucks. 14/4722, S. 109). Im Antrag auf Zulassung der Sprungrevision müssen daher gemäß § 566 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision nach § 566 Abs. 4 Satz 1 ZPO – in gleicher Weise wie in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO – dargelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2009 – IX ZR 46/08, WM 2008, 2225 Rn. 4; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 566 Rn. 5; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 566 Rn. 6).

Entgegen der Ansicht der Beklagten weicht die Regelung des § 566 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach im Antrag auf Zulassung der Sprungrevision „die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision nach § 566 Abs. 4 Satz 1 ZPO“ darzulegen sind, der Sache nach nicht von der Regelung des § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO ab, wonach in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde „die Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO“ darzulegen sind. Voraussetzung für die Zulassung der Sprungrevision und für die Zulassung der Revision ist gleichermaßen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Im Antrag auf Zulassung der Sprungrevision ist daher wie auch in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, dass und welche Zulassungsgründe bestehen. Es ist nach der gesetzlichen Regelung auch bei der Sprungrevision nicht Sache des Revisionsgerichts, den Vortrag des – von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertretenen – Antragstellers auf das Vorliegen von Zulassungsgründen zu untersuchen.

III.
Die Beklagte macht vergeblich geltend, eine Zulassung der Sprungrevision sei allein schon deshalb geboten, weil sie in der Zulassungsschrift abschließend unter Ziffer IV ausdrücklich die Verletzung der Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1 GG gerügt habe. Es widerspräche den Intentionen des § 566 Abs. 2 und 4 ZPO, wenn die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Sprungrevision allein deshalb verneint würde, weil unter Ziffer IV der abschließende Satz fehle „Die vorstehenden Ausführungen gebieten gemäß § 566 Abs. 4 Nr. 2 ZPO die Zulassung der Sprungrevision zur Sicherung einheitlicher Rechtsprechung„; dies verstehe sich nach den Ausführungen in der Zulassungsschrift von selbst. Im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung wäre ein solcher Satz ausreichend, da ausdrücklich die Verletzung der Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 1 GG gerügt werde und Grundrechtsverstöße nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eo ipso die Zulassung der Revision geböten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt allein die Rüge, es seien bestimmte Grundrechte verletzt, nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die bloße Behauptung eines Zulassungsgrundes reicht zur Darlegung nicht aus. Vielmehr muss der Antragsteller in der Zulassungsschrift – wie der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift – den Zulassungsgrund benennen und zu seinen Voraussetzungen substantiiert vortragen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 185 f.; Beschluss vom 25. März 2010 – V ZB 159/09, NJW-RR 2010, 784 Rn. 5; Zöller/Heßler aaO § 544 Rn. 10a; Musielak/Ball aaO § 544 Rn. 17).

Auch das Vorbringen des Beklagten unter Ziffer III der Zulassungsschrift genügt diesen Anforderungen nicht. Die Beklagte hat dort vorgetragen:

§ 50 UrhG muss über den Wortlaut hinaus auch nach Sinn und Zweck der gewollten Privilegierung interpretiert werden. Damit streitet zu Gunsten der von der Beklagten vertretenen Auffassung insbesondere Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Berufsausübung) sowie Art. 12 Abs. 1 GG. Die durch Zufall erfolgte Zuschaltung des masturbierenden Mannes soll, wie die Eingangspassage des vorstehend zitierten Textes zeigt, auf die Folgen globaler Vernetzung hinweisen. Diese Intention wird durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt. Damit ist eine Verletzung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Grundrechte nicht substantiiert dargelegt.

IV.
Da die Beklagte keinen Zulassungsgrund substantiiert dargelegt hat, verstößt die Zurückweisung des Antrags auf Zulassung der Sprungrevision entgegen der Ansicht der Beklagten weder gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) noch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und verletzt sie auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Vorinstanzen:
LG Berlin, Urteil vom 27.09.2011, Az. 16 O 474/10

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