BGH: Zum Verkauf von EU-Import-Neuwagen, deren Garantiezeit bereits zu laufen begonnen hat

veröffentlicht am 27. Mai 2015

BGH, Urteil vom 15.07.1999, Az. I ZR 44/97
§ 3 UWG;
Art. 28 EG

Der BGH hat in dieser älteren Entscheidung entschieden, dass ein Händler, der in Printanzeigen für fabrikneue EU-Import-Fahrzeuge wirbt, und bei denen die Herstellergarantie wegen einer im Ausland erfolgten Erstzulassung („Tageszulassung“) bereits zu laufen begonnen hat, auf diesen Umstand nur dann hinweisen muss, wenn die Garantiezeit zum Zeitpunkt der Werbung bereits um mehr als zwei Wochen angelaufen ist. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21.01.1997 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und im übrigen teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 23.05.1996 in der Weise abgeändert, daß der im Berufungsurteil neu gefaßte Verbotsausspruch wie folgt ergänzt wird:

„… zu werben, es sei denn, es handelt sich nur um eine geringfügige Verkürzung der Frist um bis zu zwei Wochen“.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 3/4, die Klägerin 1/4 zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin stellt Kraftfahrzeuge der Marke „Ford“ her und vertreibt sie über Vertragshändler im In- und Ausland, u.a. auch in Leipzig. Beim Kauf eines neuen Ford leistet sie für die Dauer eines Jahres ab Auslieferung an den Endverbraucher Gewähr für die Fehlerfreiheit des Fahrzeugs (Herstellergarantie).

Die Beklagte, die nicht zum Vertriebssystem der Klägerin gehört, handelt mit Ford-Fahrzeugen, die sie aus dem EG-Ausland nach Deutschland importiert und hier als „EG-Neuwagen“ oder „EG-Neufahrzeuge“ verkauft. Diese Fahrzeuge werden im Ausland vor ihrer Auslieferung an die Beklagte zumindest für einen Tag zum Verkehr zugelassen (Tageszulassung). Die einjährige Werksgarantie der Klägerin beginnt an diesem Tag.

Ende November 1995 warb die Beklagte mit der nachfolgend wiedergegebenen Anzeige in der „Leipziger Volkszeitung“ für von ihr aus Südeuropa eingeführte Ford-Fahrzeuge:

(Vom Abdruck wurde abgesehen)

Als ein Testkäufer der Klägerin das Verkaufslokal der Beklagten am 1. Dezember 1995 aufsuchte, bot ihm die Beklagte den in der Anzeige beschriebenen Ford Fiesta 1,3i zum Preis von 17.990 DM an. Dieses Fahrzeug hatte eine Tageszulassung für den 18. Juli 1995.

Die Klägerin hat die Werbeanzeige als irreführend beanstandet, weil die Kaufinteressenten nicht hinreichend deutlich darüber informiert würden, daß die einjährige Herstellergarantie bereits mit der Zulassung im Ausland zu laufen beginne.

Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, für Ford-Neufahrzeuge zu werben, bei denen die Gewährleistungsfrist schon mit der Auslieferung der Fahrzeuge durch den letzten Ford-Vertragshändler zu laufen begonnen hat, ohne auf die verkürzte Gewährleistungsfrist hinzuweisen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat darauf verwiesen, daß sie in ihrer Anzeige mit den Worten „Garantiestart ab Datum der Auslieferung Ausland bzw. Erstzulassung“ ausdrücklich auf den vorverlagerten Beginn der Garantiezeit hingewiesen habe.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Dresden GRUR 1997, 231 = WRP 1997, 197), den Verbotsausspruch jedoch neu gefaßt und es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für aus dem EG-Ausland in die Bundesrepublik Deutschland importierte Ford-Neufahrzeuge, bei denen die Gewährleistungsfrist schon mit der Auslieferung der Fahrzeuge durch den letzten Ford-Vertragshändler zu laufen begonnen hat, ohne Hinweis auf die verkürzte Gewährleistungsfrist zu werben.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat in der beanstandeten Werbung einen Wettbewerbsverstoß nach § 3 UWG erblickt, weil sie geeignet sei, den Verbraucher über das Bestehen einer zeitlich vollen Herstellergarantie zu täuschen. Der Verkehr gehe bei einer Werbung für „EG-Neuwagen“ oder „EG-Neufahrzeuge“ davon aus, daß ihm über die Fabrikneuheit hinaus die volle Herstellergarantie zugute komme. Das Verständnis des Verbrauchers werde bei einer Werbung für Neuwagen durch die Vorstellung geprägt, er werde im Erwerbsfalle in den Genuß aller Vorteile eines Neuwagens kommen, zu denen auch eine volle, uneingeschränkte und zeitlich ungeschmälerte Herstellergarantie gehöre. Diese Erwartung sei beim Kauf eines aus dem EG-Ausland importierten Ford-Neuwagens nicht gerechtfertigt. Die Ford-Fahrzeuge, die die Beklagte aus dem EG-Ausland beziehe, würden dort im Rahmen einer sogenannten Tageszulassung zum Verkehr zugelassen; von diesem Zeitpunkt an laufe die einjährige Werksgarantie der Ford-Werke. Bei dem Angebot des Ford Fiesta aus der beanstandeten Werbung seien daher schon mehrere Monate der Garantiefrist verstrichen gewesen; es sei auch denkbar, daß wegen Fristablaufs gar keine Herstellergarantie mehr bestehe.

Zur Vermeidung einer Täuschung müsse die Beklagte daher hinreichend deutlich auf die Abkürzung der Garantiefrist hinweisen. Dem genüge die beanstandete Werbung auch dann nicht, wenn man nicht auf einen flüchtigen, sondern auf einen kritisch lesenden Verbraucher abstelle. Die erfolgte Täuschung sei auch geeignet, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen. Die wettbewerbsrechtliche Relevanz entfalle nur, wenn die Irreführung einen für die Kaufentscheidung ganz nebensächlichen Punkt betreffe. Bei der Werksgarantie für Neufahrzeuge könne hiervon nicht die Rede sein.

Art. 30 EGV (jetzt Art. 28 EG) stehe dem Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht entgegen, weil das beantragte Verbot nicht waren-, sondern allein absatzbezogen sei. Es betreffe daher eine bloße Verkaufsmodalität, die im übrigen auch nicht diskriminierend wirke, weil sie den Absatz inländischer Erzeugnisse ebenso betreffe wie den von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten.

II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend für die konkret beanstandete Anzeige eine Irreführung bejaht. Aus § 3 UWG läßt sich indessen keine Verpflichtung ableiten, auf jede auch noch so geringe Einschränkung der Garantiezeit bereits in der Zeitungswerbung hinzuweisen.

1.
Ohne Erfolg zieht die Revision die Klagebefugnis der Klägerin in Zweifel. Sie verkennt, daß die Parteien zueinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen und daß daher die Klägerin als unmittelbar Betroffene aus § 3 UWG vorgehen kann, ohne sich für ihre Sachbefugnis auf die Bestimmung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG stützen zu müssen (BGH, Urt. v. 5.3.1998 – I ZR 229195, GRUR 1998, 1039 = WRP 1998, 973 – Fotovergrößerungen). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist bereits dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren innerhalb derselben Endverbraucherkreise abzusetzen suchen, auch wenn sie dies auf verschiedenen Stufen des Vertriebsablaufs tun (BGH, Urt. v. 20.2.1986 – I ZR 202/83, GRUR 1986, 618, 620 = WRP 1986, 465 – Vorsatz-Fensterflügel; Urt. v. 26.11.1992 – I ZR 108/91, GRUR 1993, 563, 564 = WRP 1993, 390 – Neu nach Umbau; Urt. v. 23.4.1998 – I ZR 2/96, GRUR 1999, 69, 70 = WRP 1998, 1065 – Preisvergleichsliste II). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, so daß sich auch die – von der Revision vermißte – Erörterung der Frage erübrigte, ob das beanstandete Verhalten geeignet war, den Wettbewerb auf dem fraglichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.

2.
Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die konkrete von der Klägerin beanstandete Werbeanzeige verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG.

a)
Im Streitfall steht – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist – nicht eine täuschende Werbeangabe durch positives Tun in Rede; vielmehr richtet sich der Vorwurf darauf, daß die Beklagte in ihrer Werbung einen für die Kaufentscheidung wesentlichen Umstand verschwiegen hat. Hierin kann nur dann eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG liegen, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller – auch der weniger vorteilhaften – Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1989 – I ZR 141/87, GRUR 1989, 682 f. = WRP 1989, 655 – Konkursvermerk; Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 132/91, WRP 1993, 239 – Sofortige Beziehbarkeit; Urt. v. 20.6.1996 – I ZR 113/94, GRUR 1996, 793, 795 = WRP 1996, 1027 – Fertiglesebrillen; Urt. v. 3.12.1998 – I ZR 63/96, WRP 1999, 839 f. – Auslaufmodelle I). Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden beachtet werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerläßlich ist (vgl. BGH GRUR 1989, 682, 683 – Konkursvermerk; WRP 1999, 839, 840 – Auslaufmodelle I; Urt. v. 3.12.1998 – I ZR 74/96, WRP 1999, 842, 843 – Auslaufmodelle II; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 199 f.; Gloy/Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 49 Rdn. 47).

b)
Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Verkehr erwarte bei einem als „EG-Neuwagen“ beworbenen Fahrzeug grundsätzlich eine uneingeschränkte Herstellergarantie. Zwar erscheint es nicht fernliegend, daß die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund eigener Erfahrungen und infolge der Berichterstattung in den Medien in hinreichendem Maße Kenntnis davon erlangt haben, daß als „EG-Neuwagen“ oder „EG-Autos“ beworbene parallelimportierte Fahrzeuge nicht vollständig mit den Fahrzeugen übereinstimmen, die von Vertragshändlern angeboten werden. Da das Angebot, was bei Neuwagen nicht der Regel entspricht, von einem Händler stammt, der – für den Verkehr erkennbar – nicht in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingebunden ist, mag es jedenfalls für einen Teil der Interessenten darüber hinaus naheliegen, daß für die Herstellergarantie Besonderheiten gelten können und daß hier gewisse, mehr oder weniger einschneidende Einbußen hinzunehmen sind. Doch kann mit diesen Erwägungen, die sich lediglich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen können, die tatrichterliche Feststellung des Berufungsgerichts, ein beachtlicher Teil des Verkehrs rechne gleichwohl mit einer vollen, uneingeschränkten und insbesondere zeitlich ungeschmälerten Werksgarantie, nicht nachhaltig in Zweifel gezogen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 20.2.1986 – I ZR 149/83, GRUR 1986, 615, 617 = WRP 1986, 324 – Reimportierte Kraftfahrzeuge).

c)
Diese Erwartung des Verkehrs wird enttäuscht, wenn die Herstellergarantie bei den von der Beklagten beworbenen Fahrzeugen bereits seit einiger Zeit läuft. Daß die einjährige Werksgarantie, die die Klägerin gewährt, nach den Bestimmungen des zwischen ihr und den Erwerbern zustande kommenden Vertrages (vgl. BGHZ 78, 369, 372 f.) mit der Erstzulassung zu laufen beginnt, auch wenn es sich dabei um eine „Tageszulassung“ im Ausland handelt, hat das Berufungsgericht – insoweit von der Revision unbeanstandet – ausdrücklich festgestellt. Eine solche Bestimmung über den Fristbeginn liegt auch nahe, da die Fahrzeuge nach der Erstzulassung aus dem vom Hersteller noch zu überblickenden und zu überwachenden Bereich ausscheiden.

Die Revision möchte darauf abstellen, daß die Ausgestaltung der Herstellergarantie mit der Bestimmung über den Fristbeginn auf eine Erschwerung von Parallelimporten abziele. Dieser Umstand könnte jedoch nur insoweit von Bedeutung sein, als damit die Wirksamkeit der Händlerverträge, die die Klägerin mit ihren Vertragshändlern abgeschlossen hat, in Frage gestellt wäre (Art. 81 EG [früher Art. 85]). Hierfür ist indessen nichts ersichtlich. Im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems, das mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages im Einklang steht und insbesondere die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1475/95 erfüllt, ist es zulässig, die Herstellergarantie auf bei Vertragshändlern erworbene Kraftfahrzeuge zu beschränken (vgl. EuGH, Urt. v. 13.1.1994 – Rs. C-376/92, Slg. 1994, I-15 = GRUR 1994, 300, 302 Tz. 32 f. – Metro/Cartier). Ist diese Beschränkung zulässig, ist nichts dagegen einzuwenden, daß die Garantiezeit mit dem Erwerb beim Vertragshändler zu laufen beginnt.

d)
Es ist der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihrer Interessen grundsätzlich zumutbar, auf die vom Verkehr nicht erwarteten, in der verkürzten Herstellergarantie liegenden Nachteile ihres Angebots hinzuweisen. Dies gilt uneingeschränkt für die Werbeanzeige, die der Klägerin Anlaß für ihre Beanstandung gegeben hat. Geht es darum, daß zum Zeitpunkt der Werbung oder des Vertragsangebots infolge der im Ausland erfolgten „Tageszulassung“ bereits ein erheblicher Teil der Garantiezeit – hier fast 4 1/2 Monate – verstrichen ist, kann ein berechtigtes Interesse der Beklagten, einen solchen Mangel zu verschweigen, nicht anerkannt werden. Es handelt sich insoweit um einen erheblichen, mit dem beworbenen Fahrzeug verbundenen Nachteil, der auch in der Anzeigenwerbung nicht verschwiegen werden darf. Auf eine unzumutbare Erschwerung der Werbung für parallel- oder reimportierte Kraftfahrzeuge kann sich die Beklagte bei einer solchen Sachlage nicht berufen.

e)
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die beanstandete Anzeige enthalte keinen ausreichenden Hinweis darauf, daß die Herstellergarantie bereits seit mehreren Monaten laufe.

In der Anzeige findet sich allerdings in der rechten Spalte ein Sternchenhinweis. Bezogen auf den Text „Verkauf und Vermittlung von EG-Neuwagen“ heißt es dort:

„* Garantiestart ab Datum der Auslieferung Ausland bzw. Erstzulassung“.

Mit Recht hat das Berufungsgericht diesen Hinweis nicht als ausreichend erachtet. Es hat rechtsfehlerfrei darauf verwiesen, daß gerade der sorgfältige Leser der Anzeige versuchen werde, zwischen „Auslieferung Ausland“ und „Erstzulassung“ einen Unterschied zu erkennen, und daß er geneigt sei, unter letzterem die – noch ausstehende – Zulassung im Inland zu verstehen. Zusätzlich hätte das Berufungsgericht darauf abstellen können, daß der viel deutlichere Hinweis in der unteren linken Ecke der Anzeige auf eine

„Einheitliche Neuwagengarantie bei Fahrzeugen vom EG-Markt“

den unzutreffenden Eindruck einer vollständigen oder jedenfalls nahezu vollständigen Herstellergarantie noch verstärkt.

f)
Entgegen der Auffassung der Revision steht Art. 28 EG (früher Art. 30 EGV) einem Verbot der beanstandeten Werbung nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob ein solches Verbot in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt oder ob es sich dabei – wie das Berufungsgericht gemeint hat (anders OLG Karlsruhe WRP 1996, 584, 586 und NJW-RR 1997, 1472) – um eine bloße Verkaufsmodalität im Sinne der Keck-Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften handelt, die – wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt und den Absatz der inländischen und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt – grundsätzlich nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern (EuGH, Urt. v. 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 = GRUR 1994, 296, 297 Tz. 16 – Keck und Mithouard; Urt. v. 15.12.1993 – Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 = GRUR 1994, 299, 300 Tz. 21 – Hünermund). Auch bei Anwendung von Art. 28 EG sind – neben den im Vertrag ausdrücklich aufgeführten Rechtfertigungsgründen des Art. 30 EG (früher Art. 36) – zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu berücksichtigen, die Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen können. Zu diesen Allgemeininteressen zählen insbesondere der Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz (EuGH, Urt. v. 13.12.1990 – Rs. C-238/89, Slg. 1990, I-4827 = GRUR Int. 1991, 215, 216 Tz. 12 – Pall/Dahlhausen; Urt. v. 18.5.1993 – Rs. C-126/91, Slg. 1993, I-2361 = GRUR 1993, 747 f. Tz. 12 – Yves Rocher; Urt. v. 2.2.1994 – Rs. C-315/92, Slg. 1994, I-317 = GRUR 1994, 303, 304 Tz. 15 – Clinique). Ob für ein nach dem autonomen Recht eines Mitgliedstaates auszusprechendes Verbot zwingende Gründe sprechen, ist eine grundsätzlich von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu beantwortende Frage (EuGH, Urt. v. 9.7.1997 – Rs. C-34/95, C-35/95 und C-36/95, Slg. 1997, I-3843 = GRUR Int. 1997, 913, 917. Tz. 52 – De Agostini, zu Art. 49 EG [früher Art. 59]).

Im Streitfall ist das Verbot der beanstandeten Werbung durch derartige zwingende Gründe des Allgemeininteresses, hier des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Lauterkeit des Handelsverkehrs, gerechtfertigt. Der Umstand, daß ein nicht unerheblicher Teil der Herstellergarantie bereits abgelaufen ist, stellt eine gewichtige Abweichung von den bei einem Neuwagen erwarteten Eigenschaften dar, auf die bereits in der Werbung hingewiesen werden muß, um ein unlauteres Anlocken möglicher Interessenten zu vermeiden. Die Freiheit des Warenverkehrs wird dadurch nicht über Gebühr beeinträchtigt; denn die Beklagte trifft eine Aufklärungspflicht nicht schon bei jeder, auch nur geringfügigen Verkürzung der Garantiefrist (dazu sogleich unter 3.).

3.
Der in der konkreten Verletzungshandlung liegende Wettbewerbsverstoß rechtfertigt jedoch nicht das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot, das sich auch auf Fälle bezieht, in denen die Garantiezeit nur um wenige Tage oder Wochen verkürzt ist. Das Verbot ist in der Weise zu beschränken, daß es nicht eingreift, wenn die Herstellergarantie infolge der „Tageszulassung“ im Ausland nur unwesentlich – um bis zu zwei Wochen – verkürzt ist.

a)
Die Verurteilung der Beklagten geht über das Verbot der zunächst beanstandeten Werbeanzeige deutlich hinaus. Sie umfaßt neben der konkreten Verletzungsform, die durch die Werbung für ein Fahrzeug geprägt ist, bei dem bereits mehr als ein Drittel der Garantiezeit verstrichen ist, auch alle anderen Fälle einer Werbung für parallel- oder reimportierte Ford-Fahrzeuge, bei denen zwischen der „Tageszulassung“ im Ausland und der Werbung bzw. der Zulassung im Inland möglicherweise nur wenige Tage liegen.

b)
Eine derart weitreichende Pflicht des Parallel- oder Reimporteurs, bereits in der Zeitungswerbung auf jede auch noch so geringe zeitliche Einschränkung der Werksgarantie hinzuweisen, kann nicht angenommen werden. Soweit der – in diesem Punkt nicht differenzierenden – Senatsentscheidung „Reimportierte Kraftfahrzeuge“ vom 20. Februar 1986 (BGH GRUR 1986, 615) etwas anderes entnommen werden kann, hält der Senat daran mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nicht fest.

Wie bereits dargestellt, kann die Frage, ob bereits in der allgemeinen Publikumswerbung auf negative Eigenschaften eines Angebots hingewiesen werden muß, nicht ohne Berücksichtigung auch der berechtigten Interessen des Werbenden beantwortet werden (s. oben unter II.2.a). Im Rahmen der danach erforderlichen Interessenabwägung muß dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Beklagte als außerhalb des Vertriebssystems des Herstellers stehende Parallelimporteurin durchweg darauf angewiesen ist, Fahrzeuge anzubieten, die bereits eine „Tageszulassung“ im Ausland aufweisen und bei denen daher die Werksgarantie – wenn auch nur um wenige Tage – verkürzt ist. Eine Verpflichtung, bereits in der Zeitungswerbung jede auch noch so geringe Verkürzung der Garantiezeit zu offenbaren, träfe sie besonders hart. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Parallel- und Reimporte innerhalb der Europäischen Union einen gewissen gemeinschaftsrechtlichen Schutz genießen. Denn sie können dadurch, daß sie einer Abschottung der nationalen Märkte entgegenwirken, die Entwicklung des Warenaustauschs begünstigen und den Wettbewerb verstärken (vgl. EuGH, Urt. v. 16.1.1992 – Rs. C-373/90, Slg. 1992, I-131 = WRP 1993, 233 f. Tz. 12 – Nissan; vgl. auch EuGH, Urt. v. 10.12.1985 – Rs. 31/85, Slg. 1985, 3933 = WuW/E EWG/MUV 723, 724 – Swatch-Quarzuhren). Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem die Irreführungsrichtlinie (Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung) betreffenden Fall, in dem es ebenfalls um die aus dem Irreführungsverbot abzuleitende Aufklärungspflicht des Parallelimporteurs über nachteilige Eigenschaften seines Angebots ging, das Verbot der irreführenden Werbung (dort aus Art. 4 Abs. 1 i.V. mit Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie) zurücktreten lassen, soweit einerseits die beim Verbraucher hervorgerufenen, nicht als besonders gravierend erscheinenden Fehlvorstellungen regelmäßig vor der Kaufentscheidung ausgeräumt werden und andererseits ein Verbot die Tätigkeit von Parallelimporteuren nicht unerheblich beeinträchtigen würde (EuGH Slg. 1992, I-131 = WRP 1993, 233, 234 Tz. 13 ff. – Nissan; dazu Tilmann, Festschrift Piper, 1996, S. 481, 487; ferner OLG Karlsruhe WRP 1996, 584, 586; Bornkamm in Schwarze [Hrsg.], Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 134, 145).

Dieser Gesichtspunkt wirkt sich im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung unmittelbar auf die Frage aus, ob sich aus dem Verbot der irreführenden Werbung des § 3 UWG eine Aufklärungspflicht für die Beklagte ergibt oder nicht. Ihre Beantwortung ist somit nicht abhängig davon, ob ein solches Verbot, wenn es nach dem autonomen deutschen Recht bestünde, als eine Maßnahme gleicher Wirkung nach Art. 28 EG anzusehen wäre oder als bloße Verkaufsmodalität nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fiele.

c)
Um einerseits den Parallel- und Reimport von Kraftfahrzeugen nicht über Gebühr zu beschränken und dem gut organisierten Händler die Möglichkeit einzuräumen, auch ohne den Hinweis auf eine negative Eigenschaft der angebotenen Fahrzeuge zu werben, und um andererseits das durch § 3 UWG geschützte Interesse der Verbraucher und der Mitbewerber an der Unterbindung einer irreführenden Werbung möglichst weitgehend zu wahren, ist eine Aufklärungspflicht des Händlers erst dann anzunehmen, wenn zum Zeitpunkt der Werbung bereits mehr als zwei Wochen der Herstellergarantie verstrichen sind. Eine sich in diesem Rahmen haltende Verkürzung der Werksgarantie wiegt für den Kunden noch nicht so schwer, daß ein Hinweis in der Zeitungswerbung unter allen Umständen zwingend erforderlich erscheint. Zwei Wochen sind auf der anderen Seite ein Zeitraum, innerhalb dessen erfahrungsgemäß der Transport aus dem Importland bewerkstelligt und eine Zeitungsanzeige geschaltet werden kann. Gelingt es dem Händler nicht, den Bezug von Neuwagen aus dem EG-Ausland so zu organisieren, daß er das importierte Fahrzeug innerhalb von zwei Wochen nach dem Beginn der Garantiezeit bewerben kann, muß er ausdrücklich auf die Verkürzung hinweisen.

4.
Durch die angeführten Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sind die sich bei der Auslegung von Art. 28 EG stellenden Fragen so weit geklärt, daß ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG (früher Art. 177 Abs. 3) nicht geboten ist.

5.
Soweit danach das ausgesprochene Verbot Bestand haben kann, steht dem der Einwand der Revision nicht entgegen, in der Urteilsformel des angefochtenen Urteils sei unzutreffend von der verkürzten Gewährleistungsfrist die Rede. Aus dem zur Auslegung des entsprechenden Klageantrags heranzuziehenden Parteivorbringen sowie aus den bei der Auslegung des Tenors zu berücksichtigenden Entscheidungsgründen ergibt sich unzweideutig, daß es im Streitfall nicht um die (gesetzliche) Gewährleistung des Verkäufers, sondern um die gesondert vereinbarte Herstellergarantie geht.

III.
Nach alldem ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben. Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot ist in der Weise zu beschränken, daß es nicht für Fälle gilt, in denen es lediglich um eine geringfügige Verkürzung der Garantiezeit um bis zu zwei Wochen geht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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