BGH: Zur Auslegung eines Unterlassungsantrags

veröffentlicht am 3. April 2012

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 07.04.2011, Az. I ZR 34/09
§ 5 Abs. 3 UWG, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG; § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass ein Unterlassungsantrag, der die zu unterlassende Handlung (hier: Werbeanzeige) abstrakt umschreibt, aber auf die beanstandete konkrete Anzeige Bezug nimmt (z.B. „wie geschehen …“), sich auf die konkrete Verletzungsform bezieht. Sei diese wettbewerbswidrig, sei ein Verbot auszusprechen, auch wenn die abstrakte Umschreibung innerhalb des Antrags den wettbewerbswidrigen Gesichtspunkt nicht aufgenommen habe. Zitat:

„Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand im Zivilprozess nicht nur durch das Klageziel, sondern auch durch den Klagegrund bestimmt. Der Streitgegenstand einer Unterlassungsklage wird dementsprechend nicht nur durch das im Antrag umschriebene Klageziel begrenzt, sondern auch durch den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. – Reinigungsarbeiten; Urteil vom 19. Februar 2009 – I ZR 195/06, BGHZ 180, 77 Rn. 18 – UHU; Urteil vom 11. Februar 2010 – I ZR 85/08, BGHZ 185, 66 Rn. 22 – Ausschreibung in Bulgarien).

b) Im vorangegangenen Parallelverfahren war das mit dem Hauptantrag zu 1 e geltend gemachte Unterlassungsbegehren darauf gerichtet, der Beklagten generell die Werbung mit unvollständigen – weil den Preis für den Kabelanschluss nicht berücksichtigenden – Endpreisen zu untersagen. Das ihr auf ihren Hilfsantrag vom Oberlandesgericht zugesprochene Verbot war auf Unterlassung der konkreten Verletzungsform beschränkt, die die Klägerin mit diesem Teil ihrer Klage beanstandet hatte. Dabei ging es um drei Zeitungsbeilagen, mit denen die Beklagte für die von ihr angebotenen Telefondienstleistungen geworben hatte und in denen bei der Preisangabe die Kosten des Kabelanschlusses nicht berücksichtigt worden waren. Das im vorliegenden Verfahren verfolgte Unterlassungsbegehren stimmt weder mit dem Gegenstand des damaligen Hauptantrags noch mit dem Gegenstand des damaligen Hilfsantrags überein.

aa) Im Streitfall erstrebt die Klägerin das Verbot eines konkret beanstandeten Werbevergleichs, mit dem dem Leistungspaket der Beklagten entsprechende Leistungspakete der Klägerin sowie zweier weiterer Wettbewerber gegenübergestellt worden sind. Dabei basiert das Angebot der Beklagten auf einem Kabelanschluss, während sich die anderen Angebote auf einen Festnetzanschluss beziehen. Diesen Werbevergleich hat die Klägerin bereits in der Klageschrift in zweierlei Hinsicht beanstandet: zum einen wegen der beim Angebot der Beklagten nicht einbezogenen Kosten für den Kabelanschluss, zum anderen wegen des Umstandes, dass der Werbevergleich bei der Klägerin lediglich ein Leistungspaket zum Preis von 70,89 € angibt, obwohl die Klägerin im fraglichen Zeitraum ein Leistungspaket zum Preis von 59,95 € angeboten hatte, das dem der Beklagten vergleichbar, hinsichtlich des Internet-Anschlusses sogar überlegen war. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass dieser zweite Gesichtspunkt nicht Gegenstand des Unterlassungsantrags sei.

Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsantrags ist die konkrete Verletzungsform. Der Klageantrag enthält zwar eine abstrakte Umschreibung („…einen Vergleich … unter Angabe von Preisen zu bewerben …, ohne auch den Grundpreis für den Kabelanschluss einzubeziehen …“). Der Antrag wird aber sodann durch einen Hinweis auf die konkret beanstandete Verletzungshandlung näher bestimmt („…wenn dies geschieht wie mit dem Preisvergleich, der auf Seite 3 der in Fotokopie in der Anlage K 1 beigefügten Werbung abgedruckt ist …“). Dies deutet bereits darauf hin, dass eine Werbeanzeige untersagt werden soll, die neben den abstrakt umschriebenen Merkmalen noch eine Reihe weiterer Eigenschaften aufweist. Anders als Antragsfassungen, die die konkrete Verletzungsform nur als Beispiel heranziehen, wird durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Werbeanzeige mit dem Vergleichspartikel „wie“ oder – so im Streitfall – durch einen Konditionalsatz („wenn dies geschieht wie …“) in der Regel deutlich gemacht, dass Gegenstand des Antrags allein die konkrete Werbeanzeige sein soll (BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Rn. 14 = WRP 2006, 84 – Aktivierungskosten II; Urteil vom 19. April 2007 – I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Rn. 18 = WRP 2007, 1337 – 150% Zinsbonus; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 36 = WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Rn. 34 = WRP 2011, 55 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Rn. 21 = WRP 2011, 459 – Irische Butter).

Zum Gegenstand eines solchen Klageantrags gehört auch der Lebenssachverhalt, mit dem das Klagebegehren begründet wird (vgl. BGH, GRUR 2006, 164 Rn. 15 = WRP 2006, 84 – Aktivierungskosten II, mwN). Werden in der Klage zur Begründung der Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Anzeige über die abstrakte Darstellung im Antrag hinaus weitere Sachverhalte vorgetragen, gehören sie ebenfalls zum Streitgegenstand. Mit Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen hat.“

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