BGH, Urteil vom 09.03.2011, Az. VIII ZR 266/09
§§ 323 Abs. 5 Satz 2, 363, 434, 437, 440 BGB
Der BGH hat entschieden, dass bei einem trotz Nachbesserungsversuch erneut auftretendem Mangel (hier: Motorstörung bei einem Pkw) der Käufer nicht nachweisen muss, dass dieser auf derselben Ursache wie der zuerst aufgetretene Mangel beruht. Er müsse lediglich nachweisen, dass der Mangel noch vorhanden sei. Anders sei dies nur, wenn das erneute Auftreten des Mangelsymptoms möglicherweise auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruhe. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Urteil
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2011 durch … für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg – 8. Zivilsenat – vom 26. August 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Leasingnehmer eines als Geschäftsfahrzeug genutzten A. Cabriolet. Die Beklagte verkaufte das Kraftfahrzeug zu einem Kaufpreis von 68.398,48 € an die A. Leasing GmbH, die es mit Leasingvertrag vom 25. Mai 2004 unter Abtretung sämtlicher ihr zustehender Ansprüche und Rechte gegen Dritte wegen Mängeln des Fahrzeugs an den Kläger verleaste.
Das bestellte Kraftfahrzeug wurde dem Kläger am 1. Juni 2004 von der Beklagten übergeben. Bereits kurze Zeit danach beanstandete der Kläger das Auftreten verschiedener Mängel, die zum Teil von der Beklagten behoben wurden. Es blieb jedoch ein Fehler des Motors, der sich in Zündaussetzern, sporadischem Leistungsverlust und Rütteln des Motors (unruhiger Lauf) zeigte. Die Beklagte führte insoweit Reparaturen am 7./8. Juli 2004 (Austausch eines Spannungsversorgungsrelais) und bei einem zweiwöchigen Werkstattaufenthalt des Fahrzeugs zwischen dem 15. und 30. September 2004 (Austausch des elektronischen Nockenwellenverstellers) aus.
Am 7. Oktober 2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Wertersatzes für Gebrauchsvorteile in Höhe von 1.622,41 €, somit in Höhe von 66.370,47 €, an die A. Leasing GmbH Zug um Zug gegen Übergabe des A. Cabriolet in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Das vom Kläger geltend gemachte Rücktrittsrecht gemäß § 437 Nr. 2, §§ 440, 439, 323 BGB bestehe nicht.
Soweit sich die Beklagte auf Nachbesserungsarbeiten eingelassen habe, könne sie später zwar nicht mehr in Abrede stellen, dass der Mangel bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer vorgelegen habe. Habe aber der Käufer die Kaufsache nach einer Nachbesserung des Verkäufers wieder entgegengenommen, trage er die Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung. Bleibe nach zweimaliger Nachbesserung ungeklärt, ob das erneute Auftreten eines Mangels auf den Misserfolg der Nachbesserung des Verkäufers oder auf eine neue Mängelursache zurückzuführen sei, so gehe dies zu Lasten des Käufers.
Zwar könne ein Anscheinsbeweis dafür sprechen, dass bei einem vergleichbaren äußeren Erscheinungsbild des Mangels die Nachbesserung nicht erfolgreich gewesen sei. Der Anscheinsbeweis führe jedoch nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Er könne durch ernsthafte Alternativursachen, die widerlegt werden müssten, erschüttert werden. Solche Alternativursachen kämen vorliegend ernsthaft in Betracht, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe. Danach könne in technischer Hinsicht nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob Zündaussetzer nach Übergabe mit den nunmehr aufgetretenen Zündaussetzern identisch seien. In Betracht kämen auch eine defekte Zündspule, eine defekte Zündkerze, ein defektes Einspritzventil, mechanische Defekte am Motor oder ein Wackelkontakt in der Motorelektrik. Die Alternativursachen habe der Kläger aufgrund der bei ihm verbleibenden Beweislast widerlegen müssen. Mangels Einzahlung des angeforderten Auslagenvorschusses von 7.500 € für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sei der Kläger jedoch für seine Behauptung beweisfällig geblieben, die nunmehr noch vorliegende Mangelerscheinung sei auf dieselbe Ursache zurückzuführen wie die kurz nach Fahrzeugübergabe aufgetretenen Mangelerscheinungen.
II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht gemäß §§ 398, 437 Nr. 2, §§ 323, 440, 346 Abs. 1, § 348 BGB gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises – abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile – in Höhe von 66.370,47 € an die A. Leasing GmbH Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs nicht verneint werden. Das Berufungsgericht verkennt, dass der Käufer grundsätzlich nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, auf welche Ursache ein Sachmangel der verkauften Sache zurückzuführen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn nach einer vorausgegangenen Nachbesserung durch den Verkäufer ungeklärt bleibt, ob das erneute Auftreten des Mangels auf der erfolglosen Nachbesserung oder auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruht (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341 Rn. 23). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
1.
Der Käufer ist beweisbelastet dafür, dass ein Mangel bei Übergabe der Kaufsache (§ 434 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 446 Satz 1 BGB) vorlag und dieser trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiter vorhanden ist. Die aus § 363 BGB folgende Beweislastverteilung gilt gleichermaßen, wenn der Käufer die Kaufsache nach einer erfolglosen Nachbesserung wieder entgegengenommen hat. In diesem Fall muss der Käufer das Fortbestehen des Mangels, mithin die Erfolglosigkeit des Nachbesserungsversuchs, beweisen (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, aaO Rn. 14 f.).
Diesen Beweis hat der Kläger jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geführt. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, die dieses auf der Grundlage der entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen getroffen hat, weist das A. Cabriolet auch nach den Nachbesserungsversuchen der Beklagten noch den – ebenso in der Fehlermeldung der Motorelektronik dokumentierten – Mangel „Verbrennungsaussetzer“ verbunden mit Rütteln und unrundem Lauf des Motors auf. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat zwar bei den ersten beiden Begutachtungen des Fahrzeugs keine Mängel in Bezug auf die Motorleistung feststellen können. Bei der dritten Begutachtung hat der Sachverständige jedoch zweimal einen geringen Leistungsverlust und leichtes Rütteln des Motors und damit verbunden einen unruhigen Lauf des Motors festgestellt. Auch hat er zweimal die Fehlermeldung „Verbrennungsaussetzer“ im Fehlerspeicher des Motorsteuergeräts gefunden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts obliegt es dem Kläger dagegen nicht nachzuweisen, dass die vom Sachverständigen bestätigten Verbrennungsaussetzer auf derselben Ursache wie die kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs aufgetretenen Motorstörungen beruhen. Das Berufungsgericht verkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Sachmangel möglicherweise auf eine neue Mangelursache zurückgeführt werden kann, wenn die Mangelursache allein im Fahrzeug zu suchen ist und nicht auf einer unsachgemäßen Behandlung seitens des Käufers oder eines Dritten beruhen kann. So ist es hier.
Anders als in dem der vorgenannten Entscheidung (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, aaO) zugrunde liegenden Fall kommen hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich Ursachen für die Verbrennungsaussetzer in Betracht, die im Fahrzeug selbst begründet liegen und nichts mit einer unsachgemäßen Behandlung durch den Käufer oder Dritte zu tun haben, nämlich „eine defekte Zündspule, defekte Zündkerze, defektes Einspritzventil, mechanische Defekte am Motor oder ein Wackelkontakt in der Elektrik des Fahrzeugs“. Auf welche dieser Ursachen die Verbrennungsaussetzer zurückzuführen sind, die der Kläger bereits kurz nach der Übernahme des Fahrzeugs im Juni 2004 bemängelte, ist unerheblich, weil jede einzelne der dafür in Frage kommenden Ursachen einen Sachmangel darstellt.
2.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
a)
Den Mangel eines zeitweiligen Leistungsverlusts verbunden mit Rütteln und unrundem Lauf des Motors zeigte der Kläger der Beklagten bereits kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs an, was zu den zumindest zwei Nachbesserungsversuchen im Juli und September 2004 führte. Bei dieser Sachlage kann, auch wenn mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs nicht die Vermutung des § 476 BGB zugunsten des Klägers eingreift, kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Sachmangel – die Ursache der damals aufgetretenen Mangelsymptome – bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs des Fahrzeugs vorlag. Ungeklärt geblieben ist allerdings, ob die später bei der Begutachtung des Fahrzeugs durch den vom Landgericht beauftragten Sachverständigen festgestellten Verbrennungsaussetzer auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind wie die anfänglich aufgetretenen Motorstörungen. Diese Ungewissheit geht indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu Lasten des Klägers. Der Käufer genügt seiner Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung durch den Nachweis, dass das Mangelsymptom – hier: zeitweiliger Leistungsverlust, Rütteln und unrunder Lauf des Motors – weiterhin auftritt. Anders verhält es sich nur dann, wenn das erneute Auftreten des Mangelsymptoms möglicherweise auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruht (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, aaO). Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
b)
Der Wirksamkeit des Rücktritts steht auch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht entgegen. Durch die vom Berufungsgericht festgestellten Verbrennungsaussetzer wird die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Nach den Angaben des Kraftfahrzeugsachverständigen W. in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2008, auf die das Berufungsgericht sich stützt, traten bei einer von dem Sachverständigen durchgeführten Probefahrt mehrmals in kurzer Folge Verbrennungsaussetzer auf, die zur Folge hatten, dass das Fahrzeug jeweils angehalten und neu gestartet werden musste. Derartige Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit, die nicht nur den Fahrkomfort schmälern, sondern je nach der Verkehrssituation, in der sie auftreten, darüber hinaus die Verkehrssicherheit beeinträchtigen können, stellen, auch wenn sie nur sporadisch auftreten, einen erheblichen Mangel dar.
Eine abweichende Beurteilung ist insoweit auch nicht deswegen geboten, weil der Mangel möglicherweise mit geringem Zeit- und Kostenaufwand behoben werden kann, wie die Beklagte in der Revisionsverhandlung unter Hinweis auf Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen geltend gemacht hat. Für die Beurteilung der Frage, ob die auf der Mangelhaftigkeit des gelieferten Fahrzeugs beruhende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (Senatsurteil vom 5. November 2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 19). Zu diesem Zeitpunkt war die Ursache der Fehlfunktion des Motors trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche der Beklagten noch nicht ermittelt. Ein solcher Befund ist regelmäßig als erheblicher Mangel einzustufen (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2008 – VIII ZR 166/07, aaO). Der somit im maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Mangel würde nicht dadurch zu einem geringfügigen Mangel im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, dass es bei weiteren Reparaturversuchen möglicherweise gelingt, die Mangelursache zu ermitteln und den Mangel mit geringem Aufwand zu beheben (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2008 – VIII ZR 166/07, aaO Rn. 20).
III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die erneute Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die vom Berufungsgericht für die Abfassung seines Urteils vom 26. August 2009 gewählte Form nicht den Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 177/07, WuM 2010, 97 Rn. 6 f.).
Vorinstanzen:
LG Hof, Entscheidung vom 03.11.2008, Az. 32 O 1297/04
OLG Bamberg, Entscheidung vom 26.08.2009, Az. 8 U 193/08