BGH, Beschluss vom 04.09.2014, Az. I ZR 30/14
§ 719 Abs. 2 ZPO
Der BGH hat entschieden, dass bei einem Wirtschaftsprüfervorbehalt für die Erbringung von urheberrechtlich geschuldeten Auskünften allein der Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnimmt, kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO ist. Auch das die Auskünfte Geheimhaltungsinteressen der Beklagten verletzten, sei kein Kriterium für die Einstellung der Zwangsvollstreckung; das Interesse der Beklagten sei durch den Wirtschaftsprüfervorbehalt gewahrt. Hintergrund des Antrags: Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen worden ist, Revision eingelegt, ordnet das Revisionsgericht auf Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Beschluss
…
in der Zwangsvollstreckungssache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 04.09.2014 durch … beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17.01.2014 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beklagte betreibt einen privaten Fernsehsender. In ihrem Hauptprogramm wird seit dem Jahr 1996 die Serie „Alarm für Cobra 11 Die Autobahnpolizei“ ausgestrahlt. Der Kläger war für diese Serie als Drehbuchautor und als mit der Buchentwicklung und Koordination der Beiträge anderer Autoren befasster „Headwriter“ tätig. Für seine Leistungen und die Einräumung von Nutzungsrechten erhielt er Pauschalvergütungen. Mit seiner Stufenklage beansprucht der Kläger eine weitere angemessene Beteiligung an den Erträgnissen und Vorteilen der Beklagten aus der Nutzung seiner Werke.
Das Landgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte auf der ersten Stufe verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Bruttoeinnahmen, erhaltene Finanzierungshilfen sowie über Daten, Uhrzeiten und Sendeplätze der im einzelnen bezeichneten Sendefolgen (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 323). Es hat der Beklagten gestattet, die Auskunft und Rechnungslegung gegenüber einer vom Kläger auszuwählenden und von der Beklagten zu bezahlenden, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Person zu erbringen, die berechtigt und verpflichtet ist, dem Kläger die mit den Serienfolgen erzielten Bruttoeinnahmen der Beklagten mitzuteilen und Fragen zu ihrer Ermittlung und Überprüfung zu beantworten. Das Berufungsgericht hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und ausgesprochen, dass die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden kann, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet.
Nachdem die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die vom Berufungsgericht festgesetzte Sicherheit geleistet hatte, hat der Kläger seinerseits die geforderte Sicherheit geleistet und die Beklagte unter Fristsetzung aufgefordert, die ausgeurteilte Auskunft zu erteilen. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist hat der Kläger die Zwangsvollstreckung angekündigt.
Die Beklagte, die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht Beschwerde eingelegt hat, beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil.
Der Kläger ist dem Antrag entgegengetreten.
II.
Der Einstellungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
1.
Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen worden ist, Revision eingelegt, ordnet das Revisionsgericht auf Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Bei Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist diese Bestimmung entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (BGH, Beschluss vom 25. April 2012 I ZR 136/11, GRUR 2012, 959 Rn. 5 Regalsystem für den Ladenbau).
2.
Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass die Vollstreckung des Urteils des Berufungsgerichts für sie einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
a)
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ein nicht zu ersetzender Nachteil liege darin, dass die Vollstreckung des Auskunftstenors die vollständige Vorwegnahme der Hauptsache bedeute und ihre Folgen auch bei einem Erfolg der zuzulassenden Revision nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Allein der Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, ist kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1979 I ZR 55/79, GRUR 1979, 807 = WRP 1979, 715 Schlumpfserie; Beschluss vom 9. November 1995 I ZR 220/95, GRUR 1996, 78 = WRP 1996, 107 Umgehungsprogramm; Beschluss vom 28. März 1996 I ZR 14/96, GRUR 1996, 512 = WRP 1996, 743 Fehlender Vollstreckungsschutzantrag II; Beschluss vom 8. Januar 1999 I ZR 299/98, NJWE-WettbR 1999, 238, 239).
b)
Ohne Erfolg macht die Beklagte auch geltend, die geforderten Auskünfte beträfen Geschäftsgeheimnisse der Beklagten. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass einem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten durch die Gestattung Rechnung getragen wird, die Auskunft und Rechnungslegung gegenüber einer vom Kläger auszuwählenden zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Person zu erbringen. Ein solcher Vorbehalt ist grundsätzlich hinreichend, um ein Geheimhaltungsinteresse des Schuldners zu wahren (vgl. BGH, GRUR 1997, 807 Schlumpfserie; BGH, Beschluss vom 15. Mai 1997 KZR 11/97, NJWE-WettbR 1997, 230, 231; BGH, NJWE-WettbR 1999, 238, 239).
c)
Die Beklagte hält den vom Berufungsgericht ausgesprochenen Vorbehalt allerdings für unzureichend, weil die Auskunft und Rechnungslegung gegenüber einer vom Kläger auszuwählenden und zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Person zu erbringen sei. Sie macht insoweit geltend, der Kläger habe eine mit ihm gewiss gut bekannte Rechtsanwältin benannt, zu der sie, die Beklagte, in keinerlei Kontakt oder gar vertraglichen Beziehungen stehe. Nichts gewährleiste ihr, dass ihrem Geheimhaltungsinteresse Genüge getan werde, wenn sie der vom Kläger benannten Rechtsanwältin die gewünschte Auskunft erteile und Rechnung lege.
Damit dringt die Beklagte nicht durch. Das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners wird durch die Verschwiegenheitsverpflichtung der Empfangsperson gewährleistet. Greifbare Anhaltspunkte, dass die vom Kläger benannte Rechtsanwältin ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung zuwiderhandeln wird, hat die Beklagte weder dargetan noch gemäß § 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 07.05.2013, Az. 33 O 836/11
OLG Köln, Urteil vom 17.01.2014, Az. 6 U 86/13