BGH, Urteil vom 07.03.2013, Az. III ZR 231/12
§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB, § 626 Abs. 1 BGB, § 818 Abs. 1 BGB; § 45i Abs. 2 TKG, § 97 Abs. 1 TKG
Der BGH hat entschieden, dass ein DSL-Anschlussvertrag aus wichtigem Grund durch den Kunden gekündigt werden darf, wenn bei einem Wechsel der neue Anbieter des DSL-Anschlusses zusagt, die Rufnummermitnahme zu bewerkstelligen, der alte Anbieter es aber versäumt, die Teilnehmerdatenbank zu aktualisieren, so dass der Kunde nach dem Anbieterwechsel nicht aus allen Netzen erreichbar ist. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Urteil
…
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 07.03.2013 durch … für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 50 des Landgerichts Berlin vom 20.06.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin bietet Telekommunikationsdienste an. Sie verlangt von dem Beklagten Entgelte für die Bereitstellung und Nutzung eines DSL-Anschlusses von Januar bis Juli 2010.
Der Beklagte unterhielt den in seiner Wohnung in B. befindlichen Anschluss zunächst bei dem Anbieter A. . Er entschloss sich, zur Klägerin zu wechseln. Diese stellte auf ihren Internetseiten unter der Überschrift „So werden Sie Kunde bei V. – ganz einfach in nur drei Schritten!“ das Procedere eines Anbieterwechsels zu ihr wie folgt dar:
„1. Sie wählen Ihr individuelles DSL-Produkt aus: …
2. Sie beauftragen Ihr individuelles DSL-Produkt: …
3. Wir erledigen dann alles Weitere für Sie: …“
Unter der Nummer 3 war folgender Text abgebildet: „Kündigung Ihres bisherigen Anschlusses, Rufnummernmitnahme in vielen Gebieten möglich und bereits inklusive, Einrichtung des V. -Anschlusses …“. Der Beklagte wählte einen Pauschaltarif (Flatrate) für Telefon und Internetnutzung von 29,89 € pro Monat einschließlich Umsatzsteuer mit einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten. Seine bisherige Rufnummer sollte übernommen werden. Der Anbieterwechsel wurde Ende 2009 vollzogen.
Anfang Dezember 2009 bemerkte der Beklagte, dass sein Telefonanschluss nur aus dem Netz der Klägerin, nicht aber aus denen anderer Diensteanbieter, insbesondere nicht aus dem der D. AG und seines bisherigen Teilnehmernetzbetreibers aus erreichbar war. Er teilte dies der Störungsstelle der Klägerin per E-Mail am 7. Dezember 2009 mit. Diese riet ihm mit elektronischer Post vom Folgetag, einen Neustart des DSL-Modems durchzuführen. Nachdem dies nicht den gewünschten Erfolg gehabt und der Beklagte die Klägerin hiervon in Kenntnis gesetzt hatte, unterrichtete ihn diese davon, dass sein Anliegen an die Technikabteilung weitergeleitet worden sei und sich dort im Bearbeitungsprozess befinde, um das „Routingproblem“ prüfen zu lassen. Als am 15. Dezember 2009 der Anschluss des Beklagten immer noch nicht aus den Fremdnetzen erreichbar war, sprach er in einer Geschäftsstelle der Klägerin in B. -S. vor. Dort wurde ihm erläutert, es handle sich um einen „Routingfehler“. Er möge sich noch einige Tage gedulden. Der Beklagte erwiderte, seine Geduld sei bereits am Ende und er werde den Vertrag kündigen, wenn die Störung nicht binnen einer Woche behoben sei.
Nachdem der Fehler auch nach den Weihnachtstagen nicht beseitigt war, erklärte der Beklagte mit am 29. Dezember 2009 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben die außerordentliche fristlose Kündigung des Vertrags. Die Klägerin schaltete den Anschluss des Beklagten gleichwohl nicht ab. Dieser nutzte ihn in der Folgezeit noch gelegentlich. Er ging davon aus, ein erneuter Anbieterwechsel scheitere daran, dass die Klägerin, die die Kündigung nicht akzeptierte, die Rufnummer nicht „freigebe“. Im Januar 2010 war der Telefonanschluss auch aus den Fremdnetzen erreichbar. Im April 2010 verzog der Beklagte nach H. N. .
Die Klägerin stellte ihm weiterhin das regelmäßig anfallende monatliche Entgelt für die Monate Januar bis Juli 2010, die darüber hinaus in Anspruch genommenen Gesprächseinheiten für Telefonate in das Mobilfunknetz sowie eine „Sperrgebühr“, insgesamt 233,07 €, in Rechnung. Schließlich kündigte sie das Vertragsverhältnis ihrerseits wegen des nach ihrer Ansicht bestehenden Zahlungsrückstands des Beklagten fristlos.
Sie hat behauptet, die Ursache für die fehlende Erreichbarkeit des Anschlusses des Beklagten aus den Fremdnetzen sei ein Fehler von A. im Rahmen der Übertragung der Rufnummer gewesen. Dieses Unternehmen habe es unterlassen, die so genannte Portierungsdatenbank zu aktualisieren. Sie hat die Auffassung vertreten, dieses Versäumnis falle nicht in ihren Risikobereich. Vielmehr sei es der rechtlichen Sphäre des Beklagten zuzuordnen, da dessen früherer Teilnehmernetzbetreiber sein Vertragspartner gewesen sei und eine nachvertragliche Pflicht verletzt habe. Aus diesem Grunde habe der Beklagte keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertrags gehabt.
Das Amtsgericht hat die auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der oben genannten Summe gerichtete Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 32,59 € verurteilt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Restforderung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin keinen Zahlungsanspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Der Beklagte habe diesen wirksam gekündigt. Das von der Klägerin behauptete Versäumnis des früheren Teilnehmernetzbetreibers falle in ihren Risikobereich. Sie habe angepriesen, sie werde bei dem Anbieterwechsel alles für den Beklagten erledigen. Dies könne nur dahin verstanden werden, dass sie sämtliche Schritte, auch im Verhältnis zum alten Anbieter, übernommen habe und damit auch das Risiko von irgendwie gearteten Problemen bei der Umstellung. Die Kündigung des Beklagten sei innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt. Nach allem schulde der Beklagte auch nicht die Sperrgebühr.
Selbst wenn der Risikobereich des Beklagten betroffen gewesen sein sollte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Dieser habe bestritten, dass es sich um ein Routingproblem in der Sphäre von A. gehandelt habe. Die Klägerin habe keinen geeigneten Beweis angetreten. Ihr Beweisangebot „Sachverständigengutachten“ sei nicht ausreichend. Die reine Behauptung der Fehlerursache ohne eine Darstellung der Bemühungen, den Fehler zu finden und abzustellen, sei im Übrigen unsubstantiierter Vortrag.
Wegen der Teilnutzung des Anschlusses nach der Kündigung stehe der Klägerin jedoch ein Wertersatz gemäß §§ 812, 818 BGB in Höhe von 32,59 € zu. Dass die Klägerin dem Beklagten mangels Speicherung von Einzelverbindungen nicht nachweisen könne, welche Leistungen er in der maßgeblichen Zeit noch in Anspruch genommen habe, stehe einer Verurteilung zur Zahlung von Wertersatz nicht entgegen. Da zwischen den Parteien eine Flatrate vereinbart gewesen sei, sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, die Verkehrsdaten der unter diesen Tarif fallenden Verbindungen zu speichern. Der Wert der vom Beklagten nach der Kündigung in Anspruch genommenen Dienstleistungen sei auf der Basis der üblichen Vergütung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen, wobei der Vertragsinhalt Anhaltspunkt für deren Bemessung sein könne. Dementsprechend könne der vereinbarte Pauschaltarif als Ausgangswert herangezogen werden. Der Wert der in Anspruch genommenen Leistungen könne aber nicht zwangsläufig mit diesem identisch sein, da der Beklagte nach seinen unbestrittenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung den Anschluss als Zugang zum Internet nur „ab und zu“ verwendet habe. Das Telefonfestnetz habe er gar nicht genutzt. Für Januar, als der Beklagte noch nicht vollständig erreichbar gewesen sei, seien 10 % der Flatrate für den Festnetzanschluss und 25 % des Pauschaltarifs für den Internetzugang anzusetzen. Für die Monate Februar bis April 2010 belaufe sich der Wertersatz auf 25 % beider Pauschaltarife. Weiterhin hat das Berufungsgericht die einzeln berechneten Entgelte für Anrufe in das Mobilfunknetz hinzugerechnet. Für die Zeit ab Mai sei kein Wertersatz mehr geschuldet, da der Beklagte aus B. fortgezogen sei und den Anschluss nicht mehr habe nutzen können.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Vertragliche Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der vereinbarten Entgelte scheiden aus, da der Beklagte den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag wirksam fristlos gekündigt hat. Mit Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin am 29.12.2009 war das Vertragsverhältnis aufgelöst.
a)
Der Senat neigt dazu, den Vertrag, durch den sich der Anbieter von Telekommunikationsleistungen verpflichtet, einem Kunden den Zugang zum Telefonfestnetz und Internet herzustellen, als Dienstvertrag zu qualifizieren (vgl. Urteil vom 11. November 2010 – III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 8; Beschluss vom 23. März 2005 – III ZR 338/04, NJW 2005, 2076). Er hat die Frage bisher offen lassen können. Auch jetzt muss sie nicht entschieden werden. Ob sich das Recht des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags mit der Klägerin nach § 626 BGB oder nach § 314 BGB richtet, kann auf sich beruhen. Denn die Anforderungen an einen wichtigen Grund zur Kündigung des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 und des § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB sind, wie sich aus dem Wortlaut der beiden Vorschriften ergibt, inhaltlich im Wesentlichen gleich (Senatsurteil vom 11. November 2010 aaO).
Für die Kündigungsfristen gelten zwar unterschiedliche Regelungen (§ 314 Abs. 3 und § 626 Abs. 2 BGB). Sie führen im vorliegenden Fall aber nicht zu verschiedenen Ergebnissen (siehe unten Buchstabe c).
b)
Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann (z.B. Senatsurteil vom 11. November 2010 aaO Rn. 9 mwN; zu § 314 BGB z.B.: BGH, Urteil vom 9. März 2010 – VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874 Rn. 15; siehe ferner zu § 313 BGB z.B.: BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 42/07, BGHZ 181, 77 Rn. 72). Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen (Senatsurteil vom 11. November 2010 aaO und BGH, Urteil vom 9. März 2010 aaO mwN). Wird der Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung (Senat aaO). Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (Senat aaO und BGH, Urteil vom 09.03.2010 aaO mwN).
aa)
Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht dem Beklagten einen wichtigen Grund zur Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zugebilligt, wobei sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff des wichtigen Grunds richtig erfasst, ob er aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob er in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat (Senatsurteil vom 11.11.2010 aaO Rn. 10).
(1)
Das von der Klägerin behauptete Versäumnis des früheren Teilnehmernetzbetreibers des Beklagten bei der Aktualisierung der Portierungsdatenbanken fällt nach dem Vertrag in den Risikobereich der Klägerin. Zutreffend hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung die Darstellung der Klägerin in ihrer Internetanzeige über den Ablauf des Anbieterwechsels berücksichtigt. Zwar mag deren Inhalt nicht ausdrücklich in die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen einbezogen worden seien. Insoweit fehlen Vortrag der Parteien und dementsprechend Feststellungen der Vorinstanz. Jedoch auch wenn die Erläuterung der Klägerin nur Bestandteil einer invitatio ad offerendum gewesen sein sollte, sind die darin enthaltenen Angaben bei der Bestimmung der Risikobereiche zu berücksichtigen, da die Klägerin davon ausgehen musste, dass der Beklagte seine Erklärung auf der Grundlage ihrer Darstellung des Verfahrensablaufs abgab (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 – VIII ZR 79/04, WM 2005, 659, 660 f).
Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Erläuterung dahin gewürdigt, dass die Klägerin die gesamte Abwicklung des Anbieterwechsels, einschließlich der Mitnahme der bisherigen Rufnummer für den Beklagten übernahm. Darin enthalten war auch die Auseinandersetzung mit dem bisherigen Anbieter. Dies folgt daraus, dass sich die Klägerin berühmte, nach Beauftragung eines von ihr angebotenen DSL-Produkts „alles Weitere“ für den Kunden zu erledigen. Aus dieser sämtliche erforderlichen Maßnahmen erfassenden Wendung folgt, dass die Klägerin es auch übernahm, die Verwendbarkeit der bisherigen Rufnummer zu gewährleisten und die dafür notwendigen Schritte gegenüber dem vormaligen Teilnehmernetzbetreiber zu ergreifen. Unterstrichen wird dies dadurch, dass die Klägerin ihre Kunden auch von der Kündigung gegenüber dem bisherigen Anbieter entlastete. Mit der Übernahme all dessen, was zur Rufnummernmitnahme zu veranlassen war – und zwar auch im Verhältnis zum bisherigen Diensteanbieter -, trat die Klägerin in das Risiko von Versäumnissen des vormaligen Anbieters bei diesem Vorgang ein.
Unbeachtlich ist, ob, wie die Klägerin geltend macht, in technischer Hinsicht zwischen der Übertragung der Rufnummer des Kunden von dem alten auf den neuen Anschluss (Portierung) und dem so genannten Routing, das heißt der Festlegung der Wege für die Nachrichtenübermittlung, zu unterscheiden ist. Es mag auch sein, dass das Routing zu dem neuen Teilnehmernetzbetreiber von dem bisherigen Anbieter durch eine Aktualisierung der Rufnummerndaten-banken zu veranlassen ist. Diese, von der Klägerin behauptete technische Unterscheidung zwischen Portierung und Routing ist nicht in den Vertrag zwischen den Parteien eingeflossen. Diese Differenzierung ist einem durchschnittlichen Kunden, der nicht über fernmeldetechnisches Spezialwissen verfügt, nicht geläufig. Sie findet in dem von der Klägerin verwendeten Begriff der „Rufnummernmitnahme“, die sie für ihre Anschlussnehmer zu erledigen versprach, auch keinen Ausdruck. Der normal gebildete Anschlussnehmer versteht diese Zusage dahin, dass die Klägerin für ihn sämtliche Maßnahmen – auch gegenüber dem bisherigen Anbieter – veranlasst, die notwendig sind, damit er seine gewohnte Rufnummer für abgehende und ankommende Verbindungen auch nach dem Wechsel zur Klägerin verwenden kann.
Da das behauptete Versäumnis von A. bei der Rufnummernmitnahme in den Risikobereich der Klägerin fällt, kommt es auf die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts für den Fall, dass dies nicht zutrifft, und die insoweit erhobenen Rügen der Revision nicht mehr an.
(2)
Die mehrwöchige Nichterreichbarkeit des Anschlusses des Beklagten aus den Netzen anderer Telekommunikationsdiensteanbieter als dem der Klägerin stellt einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertrags dar, da damit eine wesentliche Funktion des Telefons, mithin ein entscheidender Teil der von der Klägerin geschuldeten Leistung, ausfiel (siehe bereits Senatsurteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12, juris Rn. 15, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Im vorliegenden Fall tritt – ohne dass es hierauf noch ankommt – hinzu, dass die Klägerin ein vergleichsweise kleines Netz unterhält und insbesondere Anrufe aus dem Netz der D. AG, die nach wie vor mit Abstand der größte Teilnehmernetzbetreiber ist, den Beklagten nicht erreichen konnten.
bb)
Entgegen der Ansicht der Revision hat der Beklagte seine Kündigungserklärung auch rechtzeitig (§ 314 Abs. 3, § 626 Abs. 2 BGB) abgegeben. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt, zu dem der Beklagte Kenntnis davon erhielt, dass sein Anschluss aus Fremdnetzen nicht erreichbar war. Dieser Umstand allein hätte noch nicht einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dargestellt. Vielmehr war der Klägerin Gelegenheit zu geben, diesen Mangel binnen angemessener Frist abzustellen (§ 314 Abs. 2 BGB; zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB siehe z.B. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 626 Rn. 18). Der wichtige Grund, der den Beklagten zur fristlosen Kündigung berechtigte, war vielmehr das ergebnislose Verstreichen der der Klägerin gesetzten Frist zur Behebung des Fehlers. Der Beklagte hatte der Klägerin bei seiner Vorsprache in deren Geschäftsstelle in B. -S. am 15. Dezember 2009 eine Woche Zeit gegeben, die umfassende Erreichbarkeit seines Anschlusses herzustellen. Die nach Ablauf dieser Frist am 22.12.2009 der Klägerin am 29.12.2009 zugegangene Kündigungserklärung des Beklagten erfolgte sowohl innerhalb der in § 626 Abs. 2 BGB bestimmten zweiwöchigen als auch innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB.
2.
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin auf der Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., § 818 Abs. 2 BGB einen Wertersatz für die Nutzung des Anschlusses in der Zeit nach der Auflösung des Vertragsverhältnisses bis zum Umzug des Beklagten lediglich in Höhe von 32,59 € zuerkannt hat, weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf.
a)
Der Beklagte erlangte durch die – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch wahrgenommene – Möglichkeit, den von der Klägerin bereitgestellten Zugang zum Telekommunikationsnetz nach der wirksamen Kündigung des Vertrags weiterhin zu nutzen, Vorteile, für die ein Rechtsgrund nicht bestand. Maßgeblich sind die tatsächlich gezogenen Nutzungen (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 12. September 2006 – XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119 Rn. 25; vom 12. Mai 1998 – XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2530; vom 8. Oktober 1991 – XI ZR 259/09, BGHZ 115, 268, 270 und vom 8. Oktober 1987 – VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, 47). Allerdings soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung, soweit die Nutzungen – wie im vorliegenden Sachverhalt – primärer Bereicherungsgegenstand und nicht nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind, der Kondiktionsschuldner unabhängig vom Umfang der tatsächlich erlang-ten Nutzungen zur Erstattung des objektiven Werts der Nutzungsmöglichkeit verpflichtet sein (Erman/Buck-Heeb, BGB, 13. Aufl., § 818 Rn. 10; MünchKomm BGB/Lieb, 4. Aufl., § 812 Rn. 357 ff, 369, § 818 Rn. 12 ff, Staudinger/Lorenz, BGB [2007] § 818 Rn. 13 sowie Bamberger/Roth/Wendehorst, BGB, 3. Aufl., § 818 Rn. 18, die unabhängig davon, ob die Herausgabe von Nutzungen primär geschuldet wird oder als Folgeanspruch nach § 818 Abs. 1 BGB den Wert der Nutzungsmöglichkeit für maßgeblich hält; aA: MünchKommBGB/Schwab, 5. Aufl., § 818 Rn. 20 ff, 27; Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 818 Rn. 10; Prütting/Wegen/Weinreich/Leupertz, BGB, 7. Aufl., § 818 Rn. 5, 7).
Dieser Ansicht ist jedoch nicht beizutreten. Sie widerspricht dem Zweck des Bereicherungsrechts, das – von den Ausnahmefällen der § 818 Abs. 4, § 819 BGB abgesehen – lediglich darauf gerichtet ist, eine tatsächlich erlangte rechtsgrundlose Bereicherung abzuschöpfen und sie demjenigen zuzuführen, dem sie nach der Rechtsordnung gebührt (z.B. Bamberger/Roth/Wendehorst aaO § 812 Rn. 4 f; Erman/Buck-Heeb aaO Vor § 812 Rn. 2; Palandt/Sprau aaO Einf v § 812 Rn. 1). Danach kann von einer Bereicherung im Sinne der §§ 812 ff BGB in der Regel nur gesprochen werden, wenn und soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung erfahren hat (BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131). Deshalb gilt als allgemein anerkannter Grundsatz, dass die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den wirklichen Betrag der Bereicherung hinaus führen darf (BGH aaO mwN). Damit wäre der von Teilen der Literatur befürwortete Bereicherungsausgleich von Nutzungen ohne Rücksicht auf die tatsächlich gezogenen Vorteile nicht zu vereinbaren. Überdies steht diese Auffassung im Widerspruch zu § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1, § 292 Abs. 2 und § 987 Abs. 2 BGB, nach denen Ersatz für nicht gezogene Nutzungen lediglich der bösgläubige oder verklagte Schuldner zu leisten hat und dies auch nur, soweit ihn ein Verschulden trifft.
Da die Herausgabe der vom Beklagten (tatsächlich) gezogenen Nutzungen in natura nicht möglich ist, hat er gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dieser richtet sich nach dem objektiven Verkehrswert des Erlangten (st. Rspr. z.B. Senatsurteil vom 21. März 1996 – III ZR 245/94, BGHZ 132, 198, 207; BGH, Urteil vom 5. Juli 2006 – VIII ZR 172/05, BGHZ 168, 220 Rn. 39 jew. mwN). Dieser Wert findet in der am Markt üblichen oder – in Ermangelung einer solchen – in der angemessenen Vergütung seinen Ausdruck, die bei ordnungsgemäßer Inanspruchnahme des in Rede stehenden Rechtsguts zu entrichten ist (aaO mwN). Begrenzt wird der Anspruch jedoch durch das vereinbarte Entgelt (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 – VII ZR 336/89, BGHZ 111, 308, 314), hier den Pauschaltarif. Zur Bestimmung des danach von dem Kondiktionsschuldner zu leistenden Betrags sind der Umfang der tatsächlich gezogenen Nutzungen und die hierfür übliche beziehungsweise angemessene Vergütung festzustellen.
b)
Das Berufungsgericht konnte zur Bemessung des Umfangs der Inanspruchnahme des Anschlusses durch den Beklagten und des Werts dieser Nutzungen eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen. Eine solche liegt im pflichtgemäßen Beurteilungsermessen des Tatrichters und ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt dahingehend nachprüfbar, ob die Vorinstanz erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (z.B. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427 Rn. 65 und Versäumnisurteil vom 17. Mai 2011 – VI ZR 142/10, NJW-RR 2011, 1109 Rn. 7 mwN). Derartige Rechtsfehler zeigt die Re-vision nicht auf und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
aa)
Das Berufungsgericht hat seiner Schätzung des Werts der vom Beklagten gezogenen Nutzungen im Ausgangspunkt den vereinbarten Pauschaltarif zugrunde gelegt und hiervon aufgrund seiner Feststellungen zum Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme des Anschlusses einen prozentualen Anteil in Ansatz gebracht. Diese Berechnungsmethode ist, da § 287 ZPO eine bestimmte Schätzungsgrundlage nicht vorgibt (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Mai 2011 aaO), nicht zu beanstanden. Auch die Revision erhebt hiergegen keine Rüge.
bb)
Soweit das Berufungsgericht bei seiner Schätzung auf der Basis der Angaben des Beklagten davon ausgegangen ist, dieser habe seinen Telefonfestnetz- und Internetanschluss nur noch in geringem Umfang genutzt, ist dies im Ergebnis ebenfalls nicht zu bemängeln.
Allerdings hat das Berufungsgericht unzutreffend angenommen, die Klägerin sei entsprechend § 45i Abs. 2 TKG von der insoweit ihr obliegenden Darlegungslast befreit gewesen, weil sie wegen des vereinbarten Pauschaltarifs die Verkehrsdaten nicht habe speichern dürfen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kunde die Leistung des Diensteanbieters in Anspruch genommen hat, trägt Letzterer (Senatsurteil vom 24. Juni 2004 – III ZR 104/03, NJW 2004, 3183). Ferner trägt er, obgleich dies nicht ausdrücklich im Gesetz gere-gelt ist, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die richtige Berechnung der Telekommunikationsdienstleistung, für die er das Entgelt beansprucht (Senatsurteil vom 7. Februar 2013 – III ZR 200/11, Rn. 26 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Gemäß § 45i Abs. 2 TKG entfällt die Nachweispflicht des Anbieters für die erbrachten Verbindungsleistungen, wenn aus technischen Gründen keine Verkehrsdaten gespeichert wurden, diese unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig gelöscht wurden oder der Teilnehmer nach einem Hinweis auf den Fortfall der Nachweispflicht verlangt hat, die Verkehrsdaten zu löschen oder nicht zu speichern. Dies dürfte entsprechend gelten, wenn der Diensteanbieter zur Verwendung der angefallenen Verkehrsdaten nicht berechtigt ist (vgl. §§ 96, 97, 100 TKG). Es mag auch unterstellt werden, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, dass die Klägerin im Hinblick auf die mit dem Beklagten getroffene Pauschaltarifvereinbarung zunächst nicht gemäß § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 TKG befugt war, die Verkehrsdaten zu verwenden, soweit sie sich auf Verbin-dungen bezogen, die unter diesen Tarif fielen (siehe jedoch Senatsurteil vom 13.01.2011 – III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 17, 18, 23 ff).
Mit der wirksamen Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags durch den Beklagten war jedoch die Flatrateabrede entfallen. Die Klägerin, die den Anschluss trotz der Kündigung nicht abschaltete, kann für dessen Nutzung deshalb ein Entgelt nur noch in Form des kondiktionsrechtlichen Wertersatzes (§ 818 Abs. 2 BGB) verlangen, welcher sich nach den von dem Beklagten konkret gezogenen Nutzungen richtet, begrenzt durch den vereinbarten Pauschaltarif (siehe oben Buchstabe a). Zur Ermittlung deren Umfangs und des daraus folgenden Entgeltanspruchs war die Klägerin auf die Erfassung der einzelnen Verbindungen, die vom Anschluss des Beklagten aus hergestellt wurden, und deshalb auf die Erfassung und Speicherung der Verkehrsdaten angewiesen. Damit war sie gemäß § 97 Abs. 1 TKG zu deren Verwendung berech-tigt, so dass eine entsprechende Anwendung von § 45i Abs. 2 TKG ausscheidet. Rechtlich unbeachtlich ist, ob die Klägerin davon ausging, die Pauschaltarifvereinbarung gelte wegen Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten fort, so dass sie zu einer Speicherung der Verkehrsdaten nicht befugt sei. Eine solche Auffassung würde auf einem von der Klägerin selbst zu verantwortenden Rechtsirrtum beruhen, der in ihr Risiko fiele und nicht zu Lasten des Beklagten gehen dürfte. Dementsprechend konnte sich die Klägerin entgegen ihrer Auffassung zum schlüssigen Vortrag ihrer Forderung nicht auf die Behauptung beschränken, der Beklagte habe ihre sämtlichen Leistungen auch nach der Kündigung in Anspruch genommen.
Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts hat sich jedoch nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Die Vorinstanz hat trotz des Fehlens der erforderlichen substantiierten Angaben der Klägerin über die konkrete Nutzung des Anschlusses nach dem 29.12.2009 bis zu dem Umzug des Beklagten einen Wertersatz auf der Grundlage von dessen Angaben zuerkannt.
cc)
Bei der Bemessung der Nutzungsvorteile ist neben dem Wert des einzelnen aktiven Nutzungsvorgangs, das heißt dem der Herstellung der einzelnen Verbindung durch den Teilnehmer, auch ein Betrag für die – im konkreten Fall im Laufe des Januars 2010 vollständig hergestellte – Erreichbarkeit des Telefonanschlusses mit zu berücksichtigen. Auch dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Dies ergibt sich daraus, dass das Berufungsgericht für Januar 2010 unter Hinweis auf die eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Telefonanschlusses zunächst nur 10 % des Pauschaltarifs für diesen Teil der Leistungen der Klägerin angesetzt und die Quote für die Folgemonate auf 25 % erhöht hat
Zumindest im Ergebnis unbegründet ist in diesem Zusammenhang die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht als unstreitig angesehen, dass der Beklagte seinen Telefonanschluss seit der Kündigung nicht mehr benutzt hat. Zwar mag die von der Revision hierzu angeführte Formulierung im Berufungsurteil insoweit durch die Verwendung des Indikativs statt des Konjunktivs missverständlich sein. Wie sich aus der Differenzierung, die das Berufungsgericht zwischen Januar 2010 und den Folgemonaten in Bezug auf den zuerkannten Anteil an dem Pauschaltarif für das Telefon vorgenommen hat, ergibt, ist es jedoch auch von einer aktiven Nutzung des Telefonanschlusses durch den Beklagten ausgegangen, die es mit 15 % bemessen hat.
Die geschätzten Quoten von 25 % des Internettarifs und von 10 beziehungsweise 25 % für den Telefonfestnetztarif halten sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums, so dass die Schätzung des Berufungsgerichts auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die aufgrund des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 03.05.2012 (BGBl. I S. 958) in § 46 Abs. 2 Satz 2 TKG getroffene Regelung, dass bei nicht rechtzeitig vollzogenem Anbieterwechsel der bisherige Diensteanbieter einen Zahlungsanspruch in Höhe von 50 % des ursprünglich vereinbarten Anschlussentgelts hat, ist für den Streitfall noch nicht anwendbar, so dass sich auch eine Erörterung des Verhältnisses dieser Bestimmung zu den kondiktionsrechtlichen Anspruchsgrundlagen erübrigt.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, es müsse eine über die zugebilligte Summe hinaus gehende „Grundgebühr“ angesetzt werden, hat sie es versäumt, durch Vortrag dazu, in welcher Höhe eine solche Gebühr bei Fehlen einer Pauschaltarifabrede üblich ist, dem Berufungsgericht die Grundlage zur Schätzung eines höheren als des zuerkannten Betrags an die Hand zu geben.
c)
Zutreffend hat das Berufungsgericht den Wertersatzanspruch der Klägerin auf die Zeit bis zum Umzug des Beklagten von B. nach H. N. begrenzt, da er den Anschluss seither nicht mehr nutzen konnte. Zu Unrecht verweist die Revision für ihre gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 11.11.2010 (III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 12). Diese Entscheidung ist nicht einschlägig. Danach hat der Inhaber eines DSL-Anschlusses kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen. Im vorliegenden Sachverhalt war zum Zeitpunkt des Umzugs das Vertragsverhältnis bereits gelöst, so dass eine vereinbarte Laufzeit nicht mehr bestand.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 06.01.2012, Az. 209 C 57/11
LG Berlin, Urteil vom 20.06.2012, Az. 50 S 13/12