BGH: Zur gerichtlichen Zuständigkeit für die Klage auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung

veröffentlicht am 1. August 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 18.01.2011, Art. X ZR 71/10
§ 21 ZPO, § 29 Abs. 1 ZPO; Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuG VVO

Der BGH hat entschieden, dass eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung wegen eines ausgefallenen Fluges in die USA mit einem US-amerikanischen Luftfahrtunternehmen vor einem deutschen Gericht geltend gemacht werden kann. Dies sei jedenfalls bei einem geplanten Abflug aus Deutschland der Fall. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich hierfür aus der ZPO. Der geplante Abflugort begründe insoweit den Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Zur Pressemitteilung Nr. 7/2011:

„Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen, das seinen Hauptsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, u. a. eine Ausgleichzahlung in Höhe von jeweils 600 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung.*

Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main in die USA. Wegen eines Defekts des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert und die Kläger konnten erst am nächsten Tag in die USA fliegen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich für international nicht zuständig gehalten hat. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hingegen bejaht und das beklagte Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Berufungsurteil hat das beklagte Luftfahrtunternehmen Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision in der Hauptsache zurückgewiesen. Wenn ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union gestützt auf die EU-Fluggastrechteverordnung auf Ausgleichszahlung in Anspruch genommen wird, sind bei einem geplanten Abflug aus Deutschland die hiesigen Gerichte zuständig. Die internationale Zuständigkeit ist in diesem Fall zwar regelmäßig nicht nach Unionsrecht und daher nicht nach der EU-Zuständigkeitsverordnung** zu bestimmen. Entscheidend sind vielmehr die Zuständigkeitsregeln der Zivilprozessordnung (ZPO). In Fällen, in denen – wie hier – der vertragsgemäße Abflug von einem Flughafen in Deutschland erfolgen sollte, besteht für den Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung an diesem Ort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 Absatz 1 ZPO***. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung ist nach Unionsrecht ausgestaltet und damit unabhängig von der der Beförderung zugrunde liegenden vertraglichen Beziehung. Daher ist die Frage, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, anhand unionsrechtlicher und nicht nach vertragsrechtlichen Maßstäben zu beantworten. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes ist deshalb der Rechtsgedanke von Artikel 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich der EU-Zuständigkeitsverordnung heranzuziehen. Danach kann die Klage auf Ausgleichszahlung gestützt auf die EU-Fluggastrechteverordnung am Ort der vertragsgemäßen Leistungserbringung und damit auch am Abflugort erhoben werden.“

Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. April 2009, Az. 29 C 2033/08 – 73
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. April 2010, Az. 16 U 84/09

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