BGH, Beschluss vom 07.08.2012, Az. I ZR 99/11
§ 24 Abs. 1 MarkenG und Art. 13 Abs. 1 GMV
Der BGH hat erneut darauf hingewiesen, dass die Voraussetzung einer Erschöpfung von Markenrechten grundsätzlich von demjenigen darzulegen und zu beweisen sind, der wegen einer Markenverletzung in Anspruch genommen wird. Die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs machten allerdings eine Modifizierung dieser allgemeinen Beweisregel notwendig, wenn sie es einem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen. Danach obliege dem Markeninhaber insbesondere dann, wenn er seine Waren im Europäischen Wirtschaftsraum über ein ausschließliches Vertriebssystem in Verkehr bringe, der Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden seien, wenn der von ihm wegen Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommene Dritte nachweisen könne, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte bestehe, falls er den Beweis der Erschöpfung zu erbringen habe. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Beschluss
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 07.08.2012 durch … einstimmig beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht (mehr) vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erforderlich. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 04.03.2010 2 U 86/09 (GRURRR 2010, 198) zugelassen. Das Berufungsgericht und das Oberlandesgericht Stuttgart haben die Frage unterschiedlich beurteilt, ob die jeweiligen beklagten Handelsunternehmen die Voraussetzungen der Erschöpfung beweisen müssen. Während das Oberlandesgericht Stuttgart aufgrund der Äußerungen des Geschäftsführers der deutschen Generalimporteurin der Klägerin, gegen zu niedrig erscheinende Preise vorzugehen und ein System von Vertragshändlern zu etablieren, von einer Umkehr der Beweislast wegen der Gefahr einer Marktabschottung ausgegangen ist, hat das Berufungsgericht die Äußerungen nicht zum Anlass genommen, von der grundsätzlichen Verteilung der Beweislast bei der Erschöpfung abzuweichen.
Die Divergenz besteht nicht mehr. Der Senat ist davon ausgegangen, dass sich aus den fraglichen Äußerungen des Geschäftsführers der deutschen Generalimporteurin der Klägerin keine Gefahr der Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten ergibt, und hat deshalb das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aufgehoben (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2012, Az. I ZR 52/10, GRUR 2012, 626 Rn. 37 f. = WRP 2012, 819 – CONVERSE I).
II.
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erschöpfung nach Art. 13 Abs. 1 GMV beweisbelastet ist.
1.
Die Voraussetzungen der Schutzschranke der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG und Art. 13 Abs. 1 GMV sind nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich von demjenigen darzulegen und zu beweisen, der wegen einer Markenverletzung in Anspruch genommen wird. Die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und 36 AEUV gebieten allerdings eine Modifizierung dieser allgemeinen Beweisregel, wenn sie es einem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen. Danach obliegt dem Markeninhaber insbesondere dann, wenn er seine Waren im Europäischen Wirtschaftsraum über ein ausschließliches Vertriebssystem in Verkehr bringt, der Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind, wenn der von ihm wegen Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommene Dritte nachweisen kann, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls er den Beweis der Erschöpfung zu erbringen hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 30 CONVERSE I; BGH, Urteil vom 15.03.2012, Az. I ZR 137/10, GRUR 2012, 630 Rn. 29 = WRP 2012, 824 CONVERSE II).
2.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht keine Gefahr einer Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten.
a)
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Klägerin habe ein ausschließliches Vertriebssystem aufgebaut, um in Westeuropa ein hohes Preisniveau sicherzustellen.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Klägerin die Waren nicht über ein ausschließliches Vertriebssystem vertreibe. Auch das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nicht behauptet, dass die Klägerin ihre Waren über ein ausschließliches Vertriebssystem absetze. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Annahme des Berufungsgerichts unzutreffend ist.
Der Revision verhilft in diesem Zusammenhang auch der Vortrag zum Herstellungsund Warenzeichen-Lizenzvertrag zwischen der CONVERSE Inc. und der CONVERSE Italia S.R.L. nicht zum Erfolg. Es handelt sich um neuen Vortrag in der Revisionsinstanz, der nicht mehr zu berücksichtigen ist (§ 559 ZPO).
b)
Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass sich aus den Äußerungen des Geschäftsführers der deutschen Generalimporteurin der Klägerin keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Gefahr einer Marktabschottung ergeben (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 37 f. – CONVERSE I).
c)
Die Beklagte hat nicht den Nachweis geführt, dass sich die Gefahr einer Marktabschottung aus dem System offizieller Vertragshändler in Deutschland ergibt. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Belieferung ausgewählter Fachhändler durch die deutsche Generalimporteurin der Klägerin allein auf den deutschen Markt bezieht. Ein Rückschluss auf die Gefahr einer Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten ergibt sich daraus nicht.
d)
Die Revision kann schließlich nichts für sie Günstiges aus der Entscheidung der Rechtsbank Assen vom 18. Mai 2011 Az. 73367 ableiten. Diese verhält sich zu der Frage, ob die CONVERSE Inc. dem Inverkehrbringen be-stimmter Partien von Schuhen zugestimmt hat. Schlussfolgerungen für die Gefahr einer Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten ergeben sich aus der Entscheidung nicht.
3.
Die Sache ist nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, zu der Frage vorzutragen, ob die in Rede stehenden Sportschuhe von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Die Beklagte hatte anders als im der Senatsentscheidung „CONVERSE I“ zugrundeliegenden Fall (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 41) hinreichend Anlass, in den Tatsacheninstanzen zu den Voraussetzungen der Erschöpfung vorzutragen.
III.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
IV.
Streitwert der Revision: 100.000 EUR.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2010, Az. 2a O 35/09
OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2011, Az. I-20 U 157/10