BPatG: Bei unveranlasster Nichtigkeitsklage trägt der Kläger die Kosten

veröffentlicht am 6. April 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBPatG, Beschluss vom 26.01.2011, Az. 5 Ni 25/10
§ 93 ZPO

Das BPatG hat entschieden, dass der Kläger einer Nichtigkeitsklage bei sofortigem Anerkenntnis des Beklagten die Kosten des Verfahrens tragen muss. Als sofortiges Anerkenntnis sei das Verhalten des Beklagten zu werten, wenn der Beklagte das Anerkenntnis sofort nach Zustellung der Klage ausspreche und der Beklagte bei einer vorherigen Verzichtsaufforderung durch die Klägerin (welche hier nicht stattfand) sowie Nennung des entgegenstehenden Standes der Technik auch ohne Erhebung der Nichtigkeitsklage auf das Streitpatent verzichtet hätte. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent 196 10 840

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 26. Januar 2011 durch … beschlossen:

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 19. März 1996 angemeldeten deutschen Patents 196 10 840, dessen Erteilung am 13. April 2000 veröffentlicht worden ist. Es trägt die Bezeichnung „Verfahren zum Laden von elektronischen Spielen auf ein mobiles Kommunikationsendgerät eines Mobil-Kommunikationsnetzes“.

Mit ihrer am 7. Juni 2010 bei Gericht eingegangenen Nichtigkeitsklage begehrte die Klägerin die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG. Die Klage wurde der Beklagten mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Juli 2010 übermittelt. Mit Schriftsatz vom 20. August 2010, bei Gericht eingegangen am selben Tage, erklärte die Beklagte, dass sie der Klage nicht widerspreche. Mit Schreiben vom gleichen Tage habe sie gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt auf das Streitpatent verzichtet. Gegenüber der Klägerin erklärte sie, auf alle Ansprüche aus dem Streitpatent auch mit Wirkung für die Vergangenheit zu verzichten.

Darauf hat die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser Erklärung angeschlossen. Die Parteien beantragen nunmehr, jeweils dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin trägt hierzu vor, die Verzichtserklärung der Beklagten vom 20. August 2010 erfülle nicht die Voraussetzung eines sofortigen Anerkenntnisses. Soweit diese behaupte, die gerichtliche Verfügung vom 19. Juli 2010 erst am 22. Juli 2010 erhalten zu haben, werde dies bestritten. Zudem habe die Beklagte Veranlassung zur Erhebung der Klage i. S. v. § 93 ZPO gegeben, indem sie die Klägerin nicht über die erfolgte Nichtigerklärung des Streitpatents durch ein Urteil des Bundespatentgerichts informiert habe, wozu sie jedoch nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin verpflichtet gewesen wäre. Das Verhalten der Beklagten könne aus Sicht einer vernünftigen Partei nur dahingehend ausgelegt werden, dass sie von vornherein beabsichtigt habe, das Streitpatent in jedem Falle zu verteidigen, so dass es für die Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, vor der Klageerhebung eine Verzichtsaufforderung auszusprechen.

Die Beklagte trägt vor, sie sei über die Klage mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Juli 2010 informiert worden, die sie am 22. Juli 2010 erhalten habe. Selbst wenn man jedoch mit der Klägerin auf den 20. Juli 2010 als dem frühestmöglichen Zeitpunkt einer Zustellung abstellen wolle, sei ihr „sofortiges Anerkenntnis“ vom 20. August 2010 in jedem Fall noch innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat erfolgt. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, sie habe keinerlei Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben. Zu keinem Zeitpunkt habe sie Ansprüche aus dem Streitpatent geltend gemacht, sondern lediglich mit Schreiben vom 24. November 2009 eine Berechtigungsanfrage an die Klägerin gestellt. Hierbei sei von ihr auch auf eine bereits erfolgte Lizenzvergabe an Dritte hingewiesen worden. Die Klägerin habe auf die Anfrage mit Schreiben vom 22. Februar 2010 reagiert und unter Hinweis auf ein paralleles Nichtigkeitsverfahren (Az. 4 Ni 57/06) geltend gemacht, dass ihrer Meinung nach eine erneute Nichtigkeitsklage zwar das Patent vollständig oder zumindest teilweise vernichten werde, sie aber trotzdem das Lizenzangebot prüfen und sich anschließend wieder melden wolle. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage sei nicht angedroht worden, weshalb die Beklagte davon hätte ausgehen dürfen, dass die Klägerin nochmals auf die Angelegenheit zurückkommen werde, um in Verhandlungen einzutreten oder jedenfalls mitzuteilen, dass Verhandlungen nicht in Frage kämen. Stattdessen sei sie ohne weitere Vorankündigung mit der Klage überfallen worden.

II.
Nachdem die Parteien den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a ZPO), hat das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei dieser Entscheidung ist der auch im Nichtigkeitsverfahren anzuwendende Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen, wonach die Beklagte dann keine Kosten zu tragen hat, wenn sie keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat. Dies ist hier der Fall, denn das sofortige Anerkenntnis nach Zustellung der Nichtigkeitsklage stellt für den Senat ein deutliches Anzeichen dafür dar, dass die Beklagte bei einer Verzichtsaufforderung durch die Klägerin sowie Nennung des entgegenstehenden Standes der Technik auch ohne Erhebung der Nichtigkeitsklage auf das Streitpatent verzichtet hätte.

Der Auffassung der Klägerin, eine derartige Verzichtsaufforderung sei ihr im Hinblick auf das vorprozessuale Verhalten der Beklagten nicht zumutbar gewesen bzw. sie habe eine derartige Verzichtsaufforderung als fruchtlos ansehen müssen, vermag der Senat nicht beizupflichten. Bei Auswertung der von den Parteien vorgelegten vorgerichtlichten Korrespondenz ergibt sich, dass die Beklagte die Klägerin vor Erhebung der Nichtigkeitsklage weder aus dem Streitpatent verwarnt oder gar eine Verletzungsklage erhoben hat. Sie hat lediglich eine Berechtigungsanfrage an die Klägerin gestellt. Von Seiten der Klägerin ist eine Aufforderung zum Verzicht auf das Streitpatent an die Beklagte unstreitig nicht erfolgt. Ob bzw. wann die Beklagte die Klägerin über das bereits in der Vergangenheit gegen das Streitpatent durchgeführte, durch Klagerücknahme beendete Nichtigkeitsverfahren informiert hat, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da selbst ein „Verschweigen“ der Nichtigkeitsklage – wie dies die Klägerin geltend gemacht hat – die Klägerin nicht berechtigt hätte, ohne vorherige Verzichtsaufforderung die Nichtigkeitsklage zu erheben. Selbst eine Verwarnung aus dem Patent oder die Erhebung einer Verletzungsklage rechtfertigen nicht die sofortige Erhebung einer Nichtigkeitsklage, vielmehr ist es auch in diesen Fällen grundsätzlich erforderlich, dass ein Kläger den Beklagten zuvor unter substantiierter Angabe der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und mit angemessener Fristsetzung erfolglos zum Verzicht auf das Schutzrecht aufgefordert hat. Erst dann kann nach ständiger Rechtsprechung von einer Veranlassung zur Klage ausgegangen werden (vgl. BPatGE 22, 33/35; BPatGE 25, 138; BPatG GRUR-RR 2009, 325; sowie Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl. § 81 Rdn. 38). Eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Erfordernis der Verzichtsaufforderung kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht, die hier aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vorliegen, da selbst ein Verschweigen der früheren Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent hierfür keinesfalls ausreichend wäre. Die Vermutung der Klägerin, die Beklagte hätte auf eine Verzichtsaufforderung schon deshalb nicht reagiert, weil ihr Verhalten insgesamt als bedingungsloses Festhalten am Streitpatent zu werten gewesen sei, erscheint nach den Gesamtumständen eher spekulativ. Die Tatsache, dass die Beklagte nach Klageerhebung die Verzichtserklärung tatsächlich vorbehaltlos abgegeben und die Klägerin umfassend klaglos gestellt hat, widerlegt gerade diese Vermutung.

Die Beklagte hat den Klageanspruch auch entsprechend § 93 ZPO sofort anerkannt, indem sie innerhalb der Widerspruchsfrist gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt den Verzicht auf das Streitpatent erklärt sowie darüber hinaus auf sämtliche etwaige Ansprüche gegenüber der Klägerin für die Vergangenheit verzichtet hat. Dies genügt, um die erforderliche Sicherungswirkung für die Klägerin herbeizuführen. Soweit die Klägerin geltendmacht, die fraglichen Erklärungen seien nicht fristgerecht abgegeben worden, folgt der Senat dieser Wertung nicht. Zwar ist ein Zustellungsnachweis nicht zur Akte gelangt, die Beklagte hat aber schlüssig dargelegt, dass ihr die gerichtliche Verfügung vom 19. Juli 2010 am 22. Juli 2010 zugegangen ist. Belastbare Anhaltspunkte, die diese Darlegung entkräften könnten, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Die fraglichen Erklärungen der Beklagten wurden somit innerhalb der maßgeblichen Frist abgegeben.

I