BPatG, Beschluss vom 22.09.2011, Az. 28 W (pat) 28/11
§ 50 Abs. 1 MarkenG, § 8 Abs. 2 MarkenG
Das BPatG hat beschlossen, dass die Marke „BULLI“ für Waren und Dienstleistungen im Bereich Kraftfahrzeuge nicht zu löschen ist. Der Beschwerdeführer hatte gegen die Marke eingewandt, dass der Begriff im Lauf der Zeit zu einem allgemeinen Gattungsbegriff für Kleintransporter u.a. gleich welchen Herstellers geworden sei. Dies konnte das Gericht jedoch nicht bestätigen. Der Begriff „BULLI“ werde lediglich zur Bezeichnung eines Kleintransporters der Markeninhaberin und damit markenmäßig verwendet. Auch wenn der Begriff für eine Mehrzahl von Fahrzeugen desselben Herstellers verwendet werde, werde damit keine „Untergattung“ geschaffen. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundespatentgericht
Beschluss
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 305 56 573
(hier: Löschungsverfahren S 45/10)
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. September 2011 durch … beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 17. Januar 2011 den auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gestützten Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Februar 2010 auf Löschung der am 21. September 2005 angemeldeten und seit 2. Dezember 2005 im Register für
Motorgetriebene Radfahrzeuge mit einer durch die Bauart bedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 60 km/h, und deren Teile und Zubehör (soweit in Klasse 12 enthalten), Motoren für motorgetriebene Radfahrzeuge mit einer durch die Bauart bedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 60 km/h; Modellautos als Nachbildung der Kraftfahrzeuge Volkswagen Transporter, Volkswagen Bus, Volkswagen Multivan; Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Katalogversandhandels- und Versandhandelsdienstleistungen mit Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; das Zusammenstellen (ausgenommen deren Transport) verschiedener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugteile oder verschiedenen Kraftfahrzeugzubehörs für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und/oder Kraftfahrzeugzubehör; Umbau, Reparatur, Instandhaltung, Demontage, Wartung, Pflege, Reinigung und Lackierarbeiten von Radfahrzeugen, von Motoren für motorgetriebene Radfahrzeuge und deren jeweiligen Teilen, einschließlich Reparatur von Radfahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; Veredelung und Tuning von Radfahrzeugen, soweit in Klasse 37 enthalten eingetragenen Wortmarke
BULLI
zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt: Der Begriff „Bulli“ sei weder eine Gattungsbezeichnung noch eine übliche Bezeichnung für die im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen stehenden, für die angegriffenen Marke eingetragenen Waren und Dienstleistungen. Er werde vielmehr ausschließlich als Hinweis auf einen von der Antragsgegnerin hergestellten Transporter und somit markenmäßig verwendet, nämlich als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, nicht aber als allgemeiner Begriff für einzelne Waren und Dienstleistungen. Dies ergebe sich auch aus einer Internetrecherche der Markenabteilung. Hinweise, dass sich der Begriff zu einer üblichen Bezeichnung für Kleintransporter oder Lieferwagen gleichwelchen Herstellers entwickelt habe, fänden sich dagegen nicht. Damit sei aber keine Verkehrsüblichkeit feststellbar, so dass der Marke nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entgegen gestanden habe bzw. stehe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er meint, eine Gattungsbezeichnung läge schon dann vor, wenn der Begriff für eine Mehrzahl von Fahrzeugen desselben Herstellers – mithin für eine „(Unter-)Gattung“ – verwendet werde, was vorliegend der Fall sei. Die vom Patentamt durchgeführte Internetrecherche sei als Beleg für die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke nicht geeignet. Dass der Verkehr die angegriffene Marke als Gattungsbezeichnung verstehe, könnte ggf. mit einer von Amts wegen einzuholenden Verkehrsbefragung nachgewiesen werden, was er hiermit beantrage.
Darüber hinaus lägen Gründe für eine Löschung wegen Verfalls i. S. d. § 49 MarkenG vor, welche er ebenfalls beantrage.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Januar 2011 aufzuheben und die Marke 305 56 573 zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der insoweit beweisbelastete Antragsteller habe auch keine Sachverhaltsumstände vorgetragen, die eine andere Sichtweise rechtfertige. Der weitere Löschungsantrag nach § 49 MarkenG sei unzulässig.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, weil der Beschwerdeführer keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den zulässigen Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung der angegriffenen Marke nach §§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil dieser keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich eine fehlende Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung und Eintragung ergab, die auch jetzt noch fortbestehen würde.
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen übliche Bezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gehandelt habe bzw. noch handelt, hat die Markenabteilung zutreffend nicht feststellen können. Zwar fallen unter dieses Schutzhindernis auch sogenannte Gattungsbezeichnungen; hierunter sind aber nur solche Begriffe zu verstehen, die für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen selbst allgemein sprachgebräuchlich oder verkehrsüblich sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 8 Rn. 367 m. w. N.). Ein Begriff ist daher nur üblich i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, wenn er sich auf die konkrete Waren selbst bezieht, nicht aber, wenn damit nur einzelne Waren eines bestimmten Herstellers bezeichnet werden. Vorliegend bedeutet das, dass der in der angegriffenen Marke enthaltene Begriff „BULLI“ nur dann üblich i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG wäre, wenn er als Bezeichnung z. B. für die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke genannten Waren „Motorgetriebene Radfahrzeuge“ ungeachtet der Frage, von wem diese angeboten werden, allgemein gebräuchlich wäre. Dies wäre etwa der Fall, wenn Kleintransporter – die unter diesen allgemeinen Begriff fallen – allgemein mit „Bulli“ bezeichnet würden, also auch solche Kleintransporter, die nicht von der Beschwerdegegnerin, sondern von ihren Mitbewerbern hergestellt oder angeboten werden. Dass dies der Fall sei, hat selbst der Antragsteller nicht behauptet. Soweit er stattdessen meint, auch die für ein bestimmtes Modell eines einzigen Herstellers gebräuchliche Bezeichnung sei ein „Gattungsbegriff“, verkennt er grundlegende markenrechtliche Grundsätze. Danach bezieht sich der Begriff der „Ware“ i. S. d. Markengesetzes, wie er etwa in § 3 Abs. 1 MarkenG genannt wird, auf Sachen, die grundsätzlich von einer Vielzahl von Anbietern angeboten werden können. Einzelne Modelle eines bestimmten Herstellers sind daher keine „Ware“ i. S. d. Markengesetzes. Deren Bezeichnungen sind vielmehr in aller Regel Marken, während die hiermit gekennzeichnete Waren regelmäßig nach den allgemein (d. h. herstellerunabhängig) gebräuchlichen technischen Begriffsbildungen bezeichnet werden. Das schließt zwar nicht aus, dass eine bislang als Marke für bestimmte Waren geschützte Bezeichnung zum Gattungsbegriff werden kann; Voraussetzung hierfür wäre aber, dass diese Marke mittlerweile vom Verkehr nicht nur als Bezeichnung der Produkte des (bisherigen) Markeninhabers, sondern allgemein für die auf dem Markt erhältlichen Produkte aller Hersteller verwendet wird. Genauso wenig, wie „iphone“ eine Ware ist (die Ware wird hier vielmehr mit „Mobiltelefon“, „Handy“ oder „Smartphone“ bezeichnet, während „iphone“ das Handymodell eines bestimmten Herstellers ist), ist der Begriff „Bulli“, der auch nach dem Vortrag des Antragstellers allein für bestimmte Kleintransportermodelle der Beschwerdegegnerin, nicht aber für ähnliche Modelle anderer Hersteller verwendet wird, nicht die Bezeichnung einer Ware, die (u. a.) mit „Bulli“ bezeichnet würde, sondern die von einem bestimmten Unternehmen (hier der Beschwerdegegnerin) als Marke verwendete Bezeichnung für die von ihr angebotenen Waren „Kleintransporter“.
Da der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür genannt hat, dass der Begriff „BULLI“ als allgemeine (d. h. herstellerunabhängige) Bezeichnung für „motorgetriebene Radfahrzeuge“, insbesondere nicht für „Kleintransporter“, im Verkehr üblich geworden ist, scheidet auch eine Verkehrsbefragung ungeachtet der von der Beschwerdegegnerin zutreffend dargelegten Darlegungs- und Beweislast eines Antragstellers im Markenlöschungsverfahren von vornherein aus.
Soweit der Antragsteller meint, dass die angegriffene Marke auch nach § 49 MarkenG zu löschen sei, ist sein hierauf gerichteter Antrag, der nach § 53 Abs. 1 MarkenG nur „beim Patentamt“ gestellt werden und im Falle des Widerspruchs des Markeninhabers gegen die beantragte Löschung nur im Wege der Zivilrechtsklage nach § 55 MarkenG weiterverfolgt werden kann (vgl. § 53 Abs. 4 MarkenG), im vorliegenden Beschwerdeverfahren, das allein die Frage der Löschung der angegriffenen Marke nach § 50 MarkenG zum Gegenstand hat, nicht verfahrensgegenständlich, so dass weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.
Dafür, dass die angegriffene Marke aus sonstigen Gründen nach § 8 Abs. 2 MarkenG nicht schutzfähig sei, hat der Antragsteller ebenfalls weder etwas vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich.
Da somit tatsächliche oder rechtliche Umstände, die geeignet wären, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung der Markenabteilung in Frage zu stellen sind, nicht ersichtlich sind, war die Beschwerde des Antragstellers gegen den offensichtlich zutreffenden Beschluss der Markenabteilung zurückzuweisen.
Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 MarkenG bestehen keine Gründe, sodass es beim allgemeinen Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zu verbleiben hat, dem zu Folge jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt.