BPatG: Wenn das DPMA bei der Ablehnung eines Widerspruchs ein falsches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis zu Grunde legt

veröffentlicht am 28. Mai 2015

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBPatG, Beschluss vom 29.04.2015, Az. 29 W (pat) 512/15
§ 70 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass die Beschwerdegebühr gegen die Ablehnung eines Widerspruchs gegen eine Markeneintragung zurück zu zahlen ist, wenn das DPMA das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis einer falschen Marke (Parallelmarke) zu Grunde legt und damit einen „schwerwiegenden Verfahrensfehler“ begeht. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 015 029

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatengerichts im schriftlichen Verfahren am 29.04.2015 unter Mitwirkung … beschlossen:

1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 7. November 2014 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
Gegen die Eintragung der für Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 registrierten Wort-/Bildmarke 30 2012 015 029

Volution Sports

ist aus der für die Waren der Klasse 12 „Felgen“ eingetragenen Wortmarke 306 11 868 „VOLUTION“ am 27. Juli 2012 Widerspruch erhoben worden. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat am 2. Februar 2013 das Verzeichnis seiner Marke eingeschränkt, so dass dieses wie folgt lautet:

Klasse 35: Werbung, insbesondere Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Geschäftsführung; Unterneh-mensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: chemische Erzeugnisse, Anstrichmittel, Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren, Brennstoffe und Treibstoffe, Waren des Gesundheitssektors, Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, Elektrowaren und Elektronikwaren, Tonträger und Datenträger, sanitäre Anlagen, Feuerwerkskörper, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Druckereierzeugnisse, Papierwaren und Schreibwaren, Büroartikel, Täschnerwaren und Sattlerwaren, Einrichtungswaren und Dekorationswaren, Zelte, Planen, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel und Getränke, landwirtschaftliche Erzeugnisse, gartenwirtschaftliche Erzeugnisse und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Tabakwaren und sonstige Genussmittel;

Klasse 41: Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 7. November 2014 zurückgewiesen.

Nach den Entscheidungsgründen hat sie dem Waren- und Dienstleistungsvergleich auf Seiten der angegriffenen Marke folgende Waren

Klasse 03: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen sind; Christbaumschmuck,

zugrunde gelegt und auf dieser Grundlage wegen des deutlichen Warenabstands bzw. der Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr verneint.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie bringt vor, der angegriffene Beschluss leide an einem wesentlichen Mangel, weil er eine Begründung enthalte, die eine andere Marke, nämlich die Parallelanmeldung 30 2012 029 349 mit den Waren der Klassen 3, 25 und 28 in Bezug nehme. Der Beschluss sei daher schon nicht mit Gründen versehen.

Zwischen den Widerspruchswaren „Felgen“ und den tatsächlich hier relevanten Dienstleistungen der Klasse 35 und 41 sei Ähnlichkeit anzunehmen. Denn der Auto- und Motorsport zähle zu den sportlichen und kulturellen Aktivitäten, und zwar mit einer hohen Bekanntheit und Akzeptanz, wie beispielsweise Fernsehübertragungen zu Formel 1- Rennen immer wieder belegten. Derartige sportliche Aktivitäten würden wesentlich bestimmt durch die Reifen, die bei den Boxenstopps gewechselt werden. Dabei zählten zu den Reifen nicht nur die Reifendecken, sondern auch die Felgen. Es bestünden somit durchaus Berührungspunkte, wobei insoweit auch zu berücksichtigen sei, dass sich hier identische Marken gegenüberstünden.

Die Beschwerdeführerin beantragt zuletzt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuverweisen, und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Der Beschwerdegegner und Markeninhaber ist der Auffassung, dass zwischen den Vergleichsmarken wegen der Unähnlichkeit der für die angegriffene Marke geschützten Dienstleistungen und den Widerspruchswaren eine Verwechslungsgefahr von vornherein ausgeschlossen sei. Eine Zurückverweisung und somit eine Fortsetzung des Verfahrens, das zu weiterem Zeit- und Kostenaufwand führen würde, sollte daher vermieden werden.

II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass in der Sache selbst zu entscheiden ist, § 70 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG.

Das Bundespatentgericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das DPMA noch nicht in der Sache entschieden hat (§ 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG) oder das Verfahren vor dem DPMA an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Markenstelle ist in dem angegriffenen Beschluss bei der Prüfung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit vom Warenverzeichnis der parallel angemeldeten Marke Nr. 30 2012 029 349, mithin ersichtlich vom falschen Verzeichnis ausgegangen. Die Verzeichnisse sind zudem völlig unterschiedlich; es liegt daher ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor. Die Markenstelle hat damit letztlich auch in der Sache noch nicht entschieden.

Der Senat hält die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ohne Sachentscheidung für zweckmäßig, um einen Instanzverlust zu Lasten der Widersprechenden zu vermeiden.

Der Verfahrensfehler der Markenstelle rechtfertigt aus Billigkeitsgründen die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-lehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

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