EuGH: Rote Schnürsenkelenden sind nicht als Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig – Zur Unterscheidungskraft von dreidimensionalen Marken

veröffentlicht am 7. November 2014

EuGH, Beschluss vom 11.09.2014, Az. C-521/13
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009

Der EuGH hat entschieden, dass ein aus roten Schnürsenkelenden bestehendes Zeichen nicht als Gemeinschaftsmarke angemeldet werden kann. Es sei auf Grund mangelnder Unterscheidungskraft nicht eintragungsfähig. Bei solchen dreidimensionalen Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen und grafische oder Wortelemente fehlen, schließe der Durchschnittsverbraucher gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Ware. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Marke erheblich von der Norm oder der Üblichkeit der Branche abweiche. Letzteres sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Zum Volltext der Entscheidung:


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

In der Rechtssache C?521/13 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. September 2013,

Think Schuhwerk GmbH mit Sitz in Kopfing (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Gail,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund sowie der Richter A. Ó Caoimh und E. Jaraši?nas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Think Schuhwerk GmbH (im Folgenden: Think Schuhwerk) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union, Think Schuhwerk/HABM (Rote Schnürsenkelenden) (T?208/12, EU:T:2013:376, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 23. Februar 2012 (Sache R 1552/2011-1) über die Anmeldung eines aus roten Schnürsenkelenden bestehenden Zeichens als Gemeinschaftsmarke (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2 Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) bestimmt:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind

b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“.

Sachverhalt

3 Am 10. Mai 2010 meldete Think Schuhwerk beim HABM eine Gemeinschaftsmarke an.

4 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Zeichen:

[Abb.]

5 In der Anmeldung wird die Marke folgendermaßen beschrieben: „Schutz wird beansprucht für Schuhe mit Schnürsenkeln, an deren Schnürsenkelenden rote Nadeln angeordnet sind.“

6 Für die Anmeldung wurden „Schuhwaren, insbesondere Schnürsenkel“ in Klasse 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beansprucht.

7 Mit Entscheidung vom 22. Juni 2011 wies der Prüfer die Anmeldung für alle Waren mit der Begründung zurück, die betreffende Marke besitze keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

8 Am 26. Juli 2011 legte Think Schuhwerk gegen die Entscheidung des Prüfers beim HABM Beschwerde ein.

9 Mit der streitigen Entscheidung wies die Erste Beschwerdekammer des HABM (im Folgenden: Beschwerdekammer) die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer vertrat die Auffassung, dass die Verwendung von roten Schnürsenkelenden keinen von der üblichen Gestaltung von Schnürschuhen erheblich abweichenden Eindruck erzeuge. Vielmehr erkenne der Verbraucher darin nur eine weitere Variante im Schuhdesign und verstehe die angemeldete Marke somit nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren. Im Ergebnis weise die Marke daher nicht das Mindestmaß an Unterscheidungskraft auf, das nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 erforderlich sei.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

10 Mit Klageschrift, die am 18. Mai 2012 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Think Schuhwerk eine Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Zur Stützung dieser Klage machte sie vier Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Begründungsmangel im Sinne von Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens einen Verstoß gegen Art. 76 dieser Verordnung, drittens die fehlerhafte Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend machte.

11 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

12 Think Schuhwerk beantragt,

– das angefochtene Urteil aufzuheben,

– den in der ersten Instanz gestellten Anträgen stattzugeben und

– dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13 Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Think Schuhwerk die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

14 Nach Art. 181 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof das Rechtsmittel, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.

15 Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall anzuwenden.

16 Think Schuhwerk stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügt sie, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es den Begründungsmangel der streitigen Entscheidung nicht festgestellt habe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht sie einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und mit dem vierten Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verletzung des rechtlichen Gehörs

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

17 Think Schuhwerk macht geltend, das Gericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verkannt. Sie weist insoweit darauf hin, dass das Gericht ihr eine Frist zur Stellungnahme zum Fortgang des Verfahrens im Hinblick auf Art. 122 der Verfahrensordnung des Gerichts gesetzt habe, nachdem das HABM im Verfahren vor dem Gericht nicht fristgerecht eine Stellungnahme auf die Klageschrift eingereicht habe. Daraufhin habe sie den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Das Gericht habe in dem angefochtenen Urteil jedoch weder über die Säumnis des HABM hinsichtlich der Abgabe einer Stellungnahme noch über den Antrag von Think Schuhwerk auf Erlass eines Versäumnisurteils entschieden. Außerdem sei ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, um ihre Auffassung bezüglich der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke darlegen zu können.

18 Das HABM macht geltend, dieser Rechtsmittelgrund sei offensichtlich unbegründet, da das Gericht nicht verpflichtet sei, den Parteien den Fortgang des Verfahrens zu erläutern.

Würdigung durch den Gerichtshof

19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 9 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass Think Schuhwerk mit am 2. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben gemäß Art. 122 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts Versäumnisurteil beantragt habe. Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund rügt Think Schuhwerk jedoch der Sache nach, dass das Gericht diesem Antrag nicht stattgegeben und ohne mündliche Verhandlung entschieden habe.

20 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 122 § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts der Kläger Versäumnisurteil beantragen kann, wenn der Beklagte, gegen den ordnungsgemäß Klage erhoben ist, seine Klagebeantwortung nicht form- und fristgerecht einreicht. Nach Art. 122 § 1 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung wird der Antrag dem Beklagten zugestellt, und das Gericht kann die Eröffnung der mündlichen Verhandlung über den Antrag beschließen.

21 Art. 122 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts stellt klar, dass das Gericht vor Erlass eines Versäumnisurteils zum einen prüft, ob die Klage ordnungsgemäß erhoben und zulässig ist, und zum anderen, ob die Anträge des Klägers begründet erscheinen.

22 Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass das Gericht, wenn es der Ansicht ist, dass es über ausreichende Informationen für den Erlass eines Versäumnisurteils verfügt, und wenn an der ordnungsgemäßen Erhebung und der Zulässigkeit der Klage kein Zweifel besteht, die Begründetheit der Anträge des Klägers prüft und das Urteil erlässt, ohne jedoch verpflichtet zu sein, diesen Anträgen stattzugeben. Außerdem ist festzustellen, dass Art. 122 der Verfahrensordnung des Gerichts weder die Möglichkeit vorsieht, dass die ein Versäumnisurteil beantragende Partei die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt, noch die Verpflichtung des Gerichts, eine solche abzuhalten.

23 Im Übrigen steht fest, dass Think Schuhwerk ihre Argumente bezüglich der streitigen Entscheidung und insbesondere der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke mit ihrer Klage vor dem Gericht vorbrachte und dass das Gericht sein Urteil unter Berücksichtigung dieses Vorbringens erlassen hat.

24 Unter diesen Umständen ist der vorliegende Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verkennung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

25 Think Schuhwerk vertritt die Ansicht, das Gericht habe es versäumt, einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen die Begründungspflicht festzustellen. Die Beschwerdekammer habe sich nämlich in der streitigen Entscheidung auf Tatsachen gestützt, die sich aus der allgemeinen praktischen Erfahrung im Handel mit gängigen Konsumartikeln wie Schuhen ergäben, aber nicht erläutert, weshalb die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft aufweisen solle. So habe sie weder die Tatsachen angegeben, die sich aus dieser praktischen Erfahrung ergäben, noch benannt, welche Konsequenz diese Tatsachen für die Unterscheidungskraft der Marke hätten.

26 Das HABM macht geltend, dass diese Rüge offensichtlich unbegründet sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und deren Art. 169 Abs. 2, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteil Knauf Gips/Kommission, C?407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28 Diesem Erfordernis entspricht ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, aber keinerlei Ausführungen speziell zur Bezeichnung des Rechtsfehlers enthält, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll. Ein solches Rechtsmittel stellt nämlich in Wirklichkeit nur einen Antrag auf erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage dar, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. u. a. Beschluss Abbott Laboratories/HABM, C?21/12 P, EU:C:2013:23, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29 Außerdem sind die Argumente eines Rechtsmittels, mit denen nicht das vom Gericht infolge eines Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung erlassene Urteil beanstandet wird, sondern die Entscheidung, deren Aufhebung vor dem Gericht beantragt wurde, nicht zulässig (vgl. Beschluss Getty Images/HABM, C?70/13 P, EU:C:2013:875, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30 Da sich das auf eine Verkennung der Begründungspflicht gestützte Vorbringen von Think Schuhwerk gegen die streitige Entscheidung richtet und somit darauf abzielt, eine erneute Prüfung der beim Gericht erhobenen Klage zu erreichen, ist der zweite Rechtsmittelgrund im vorliegenden Fall als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz

Vorbringen der Parteien

31 Think Schuhwerk macht geltend, das Gericht habe verkannt, dass die Beschwerdekammer gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen habe. Bezüglich absoluter Eintragungshindernisse müsse das HABM den Sachverhalt gemäß Art. 76 der Verordnung Nr. 207/2009 von Amts wegen ermitteln. Das HABM habe jedoch die Ansicht vertreten, dass Think Schuhwerk keine Nachweise vorgelegt hätte, aus denen sich ergebe, dass die angemeldete Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der Ware verstanden werde. Think Schuhwerk weist insoweit darauf hin, dass sie im Verfahren vor dem HABM diverse Unterlagen vorgelegt habe, auf deren Grundlage das HABM hätte nachweisen müssen, aus welchen Gründen eine Unterscheidungskraft für diese Marke nicht gegeben sei.

32 Das HABM macht geltend, das Gericht habe über den Klagegrund eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz entschieden. Da sich aber Think Schuhwerk auf die Unterscheidungskraft eines von ihr als Marke angemeldeten Zeichens berufe, sei es nach ständiger Rechtsprechung ihre Sache, darzulegen, dass dieses Zeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge.

Würdigung durch den Gerichtshof

33 Es ist festzustellen, dass sich der vorliegende Rechtsmittelgrund in Wirklichkeit gegen Erwägungen richtet, die die Beschwerdekammer in der streitigen Entscheidung, oder allgemein das HABM, angestellt oder versäumt habe und die nicht im angefochtenen Urteil enthalten sind. Außerdem hat Think Schuhwerk nicht in klarer Weise aufgezeigt, worin der Rechtsfehler bestehen soll, den das Gericht angeblich begangen hat, indem es den Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gerügt hatte, zurückgewiesen hat.

34 Folglich ist der vorliegende Rechtsmittelgrund nach der in den Rn. 27 bis 29 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

Vorbringen der Parteien

35 Think Schuhwerk trägt vor, das Gericht habe dadurch, dass es den Verstoß des HABM gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht festgestellt habe, seinerseits gegen diese Vorschrift verstoßen.

36 Sie macht erstens geltend, dass die in den Rn. 31 bis 33, 37 und 38 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung, die Zeichen betreffe, welche aus dem Erscheinungsbild der von der Anmeldung erfassten Waren selbst bestünden, und insbesondere für dreidimensionale Marken gelte, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst oder der Verpackung der Ware bestünden, im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Im Gegensatz zur Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke seien Schnürsenkelenden nicht untrennbarer Bestandteil eines Schuhs. Daher habe das Gericht, indem es sich auf diese Rechtsprechung gestützt habe, verkannt, dass die roten Schnürsenkelenden die Funktion erfüllen könnten, die Herkunft der Ware zu kennzeichnen. Insoweit betont Think Schuhwerk, dass das Zeichen auch für Schuhe als Marke angemeldet worden sei und es nicht nachvollziehbar sei, weshalb das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Urteils lediglich zu den Schnürsenkeln Ausführungen mache.

37 Ebenso wenig sei die Rechtsprechung zu Positionsmarken anwendbar, da im vorliegenden Fall auch der „Aspekt der Farbe“ der angemeldeten Marke zu betrachten sei, der die Unabhängigkeit dieser Marke gegenüber der gekennzeichneten Ware und damit ihre Unterscheidungskraft bestätige.

38 Folglich habe das Gericht, ebenso wie die Beschwerdekammer, unter Verstoß gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Unrecht strengere Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft angewandt, als sie für Wort- und Bildmarken gälten.

39 Zweitens hätten sowohl die Beschwerdekammer als auch das Gericht unzutreffenderweise angenommen, dass der Grad an Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise in Bezug auf Modeartikel wie Schuhe nicht hoch sei.

40 Drittens macht Think Schuhwerk geltend, das Gericht habe verkannt, dass es bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft des als Marke angemeldeten Zeichens nicht darauf ankomme, dass dieses erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweiche. Insoweit habe das Gericht zu Unrecht einerseits ihr Vorbringen zu dem Markt für Schuhe als irrelevant betrachtet, aber andererseits befunden, dass die Beschwerdekammer diesen Markt bei ihrer Prüfung zutreffenderweise berücksichtigt habe. Auch habe sie entgegen der Behauptung des Gerichts in Rn. 49 des angefochtenen Urteils durchaus Darlegungen gemacht, aus denen sich ergebe, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Einfärbung von bestimmten Teilen von Schnürsenkeln gewöhnlich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware wahrnähmen.

41 Viertens macht Think Schuhwerk geltend, das Gericht habe verkannt, dass das HABM gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, indem es in der streitigen Entscheidung Eintragungen von der angemeldeten Marke vergleichbaren Marken nicht berücksichtigt habe. Insoweit habe das Gericht zwar in Rn. 57 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Beschwerdekammer die Eintragung im Ergebnis zu Recht für mit der Verordnung Nr. 207/2009 unvereinbar erachtet habe, aber dies nicht begründet.

42 Das HABM macht geltend, dass das Vorbringen zur gestalterischen Vielfalt von Schuhen und Schnürsenkeln auf dem Markt und zum Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise die Tatsachenwürdigung betreffe und folglich als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen sei. Auch das Vorbringen, wonach das Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verkannt habe, sei unzulässig, da es auf eine Neubewertung des Sachverhalts abziele.

Würdigung durch den Gerichtshof

43 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsmittel gemäß Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs auf Rechtsfragen beschränkt ist. Allein das Gericht ist für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und der Beweismittel ist somit, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. u. a. Urteile Mag Instrument/HABM, C?136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 39, und Les Éditions Albert René/HABM, C?16/06 P, EU:C:2008:739, Rn. 68).

44 Es ist festzustellen, dass das Vorbringen von Think Schuhwerk zu den Fragen, ob Schnürsenkelenden ein untrennbarer Bestandteil von Schuhen sind und ob der Grad an Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise hoch ist, die Tatsachenwürdigung betrifft, die der Zuständigkeit des Gerichts vorbehalten ist. Folglich ist dieses Vorbringen als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

45 Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Think Schuhwerk mit ihrem ersten und dritten Argumentationszug nicht nur der Feststellung des Gerichts entgegentritt, wonach die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 besitze, sondern auch die Einschlägigkeit der Rechtsprechung bestreitet, auf deren Grundlage das Gericht ihren auf einen Verstoß gegen diese Bestimmung gestützten Klagegrund zurückgewiesen hat.

46 Insoweit ist erstens zu beachten, dass sich das Gericht bei seiner Prüfung auf seine vorangehenden Feststellungen in den Rn. 35 und 36 des angefochtenen Urteils gestützt hat, wonach die Enden der Schnürsenkel für Schnürschuhe untrennbar zu den Schuhen gehörten und die fragliche Marke mit dem Erscheinungsbild der Ware, für die sie angemeldet worden sei, verschmelze. Hierbei handelt es sich um Tatsachenfeststellungen, die der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen sind.

47 Ferner ist die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteil Audi/HABM, C?398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung wird eine Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen jedoch nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist, da die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren schließen, wenn grafische oder Wortelemente fehlen; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (vgl. Urteil Henkel/HABM, C?144/06 P, EU:C:2007:577, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49 Der Gerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung auch befunden, dass unter solchen Umständen nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Üblichkeit der Branche abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 besitzt. Diese Rechtsprechung, die für dreidimensionale Marken entwickelt wurde, welche aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, ist ebenfalls einschlägig, wenn die angemeldete Marke eine Bildmarke ist, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht, denn auch in einem solchen Fall besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist (vgl. Urteil Henkel/HABM, EU:C:2007:577, Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Wie aus den Rn. 32 bis 34 sowie 37 bis 39 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat das Gericht indessen genau diese Rechtsprechung resümiert und auf den vorliegenden Fall angewandt. Auf dieser Grundlage hat es die streitige Entscheidung rechtsfehlerfrei bestätigt, da es – wie in Rn. 46 des vorliegenden Beschlusses erwähnt – im Rahmen seiner freien Tatsachenwürdigung festgestellt hatte, dass die Enden von Schnürsenkeln für Schnürschuhe untrennbar zu den Schuhen gehörten und die fragliche Marke mit dem Erscheinungsbild der von der Anmeldung erfassten Ware selbst verschmelze.

51 Folglich ist das Vorbringen, wonach das Gericht zur Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke falsche rechtliche Kriterien angewandt habe, offensichtlich unbegründet.

52 Soweit sich Think Schuhwerk mit ihrem fraglichen Vorbringen gegen die Feststellung des Gerichts wendet, dass der Marke die Unterscheidungskraft fehle, genügt zweitens der Hinweis, dass diese Feststellung auf einer Würdigung der Tatsachen beruht und Think Schuhwerk keine Verfälschung der Tatsachen oder Beweismittel geltend gemacht hat. Somit ist dieses Vorbringen nach der in Rn. 43 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung offensichtlich unzulässig.

53 Soweit Think Schuhwerk drittens dahin argumentiert, dass das Gericht die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke nicht im Hinblick auf die in der Anmeldung beanspruchten Waren geprüft und zu Unrecht angenommen habe, es sei von Think Schuhwerk nichts zum Beleg dafür vorgebracht worden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise farbige Schnürsenkelenden gewöhnlich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware wahrnähmen, ist festzustellen, dass ihr Vorbringen auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht.

54 Zum einen lässt sich der Rn. 36 dieses Urteils entnehmen, dass das Gericht davon ausgegangen ist, dass es sich bei den von der Anmeldung erfassten Waren um Schuhe handelt, und dass die vom Gericht in dieser Randnummer verwendete Bezeichnung „Ware“ sich auf Schuhe bezieht, die mit Schnürsenkeln versehen sind.

55 Zum anderen hat das Gericht zwar in Rn. 49 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Think Schuhwerk „nichts vorgebracht [habe], was dafür spräche, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Einfärbung von bestimmten Teilen von Schnürsenkeln gewöhnlich als betrieblichen Herkunftshinweis wahrnähmen“. Jedoch ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Darlegungen des Gerichts in den Rn. 46 bis 49 seines Urteils, wobei in Rn. 49 das Ergebnis dieser Darlegungen formuliert ist, dass das Gericht mit diesen Darlegungen lediglich am Ende seiner in diesen Randnummern vorgenommenen Prüfung des Vorbringens von Think Schuhwerk zu dem Schluss gelangt ist, dass ihr Vorbringen und die von ihr vorgelegten Unterlagen eine Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht hätten belegen können. Das Gericht hat somit in keiner Weise festgestellt, dass Think Schuhwerk nichts vorgebracht hätte, um die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke darzutun.

56 Folglich sind der erste und der dritte Argumentationszug von Think Schuhwerk als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

57 Soweit Think Schuh schließlich einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Begründungspflicht rügt, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 55 und 56 des angefochtenen Urteils an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs erinnert hat, wonach das HABM im Rahmen seiner Prüfung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung gemäß den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung zwar die zu ähnlichen Anmeldungen bereits ergangenen Entscheidungen berücksichtigen muss, aber diese Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang zu bringen sind. Folglich muss insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein und in jedem Einzelfall erfolgen, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C?51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74 bis 77).

58 Da das Gericht festgestellt hat, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu der Schlussfolgerung gelangt sei, dass der fraglichen Anmeldung in Anbetracht der für sie beanspruchten Waren und der Wahrnehmung durch die beteiligten Verkehrskreise das Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 entgegenstand, konnte es somit den auf einen Verstoß gegen den genannten Grundsatz gestützten Klagegrund rechtsfehlerfrei zurückweisen.

59 Das auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützte Vorbringen von Think Schuhwerk ist somit offensichtlich unbegründet.

60 Da das Gericht den Klagegrund einer fehlerhaften Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in den Rn. 29 bis 53 des angefochtenen Urteils geprüft und in begründeter Weise zurückgewiesen hat, ist auch der behauptete Verstoß gegen die Begründungspflicht offensichtlich nicht dargetan.

61 Der vorliegende Rechtsmittelgrund ist somit als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

62 Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Kosten

63 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM beantragt hat, Think Schuhwerk zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Think Schuhwerk GmbH trägt die Kosten.

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