Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in einem Interview mit dem Handelsblatt am 09.03.2012 unter dem Titel „Ich bin eine Piratin, aber keine Freibeuterin“ verdeutlicht, wie in Zukunft Verbraucher, die des illegalen Filesharings beschuldigt werden, vor ungebührlichen Kostenlasten bewahrt werden sollen.
In dem Interview finden sich direkte Seitenhiebe auf das Urheberrechtsverständnis der Piratenpartei, dem FDP-Wahlkonkurrenten Nr. 1. Dadurch wird der Eindruck genährt, die Bundesjustizministerin hebe ein letztes populistisches Wählerstimmenvehikel für ihre Partei auf die Schienen, ungeachtet des Umstands, dass für diese Partei, möchte man den derzeitigen Umfragewerten glauben, der Zug längst abgefahren ist. Diesen Eindruck mag man jedenfalls bekommen, wenn man die nebulösen Ausführungen zur zukünftigen Gesetzgebung für den Filesharing-Bereich konsumiert. Frau Leutheusser-Schnarrenberger spricht in dem Interview von „Abmahnmissbrauch im Urheber- und Wettbewerbsrecht“ und „Geschäftemachern“, die mit geringem technischen Aufwand im Internet gezielt Bagatellverstöße ermittelten und sodann die betreffenden Anschlussinhaber mit unangemessenen Kosten abmahnen würden. Die Regelung der Gebührendeckelung, also § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG, sei völlig fehlgelaufen. Zitat Leutheusser-Schnarrenberger: „Mein Vorschlag verzichtet auf hohe Hürden, über die niemand herüberkommt. Wir legen nun einen niedrigen Einheitsstreitwert fest, wenn der Abmahner vom Verletzer erstmals Unterlassung verlangt. Das bedeutet eine Kostenlast von unter hundert Euro. Wer unberechtigt abgemahnt wird, bekommt außerdem einen Gegenanspruch auf Ersatz seiner Verteidigungskosten.“ Zum Interview (hier).
Was wir davon halten? Niedrige Einheitsstreitwerte, wenn der erstmalig abgemahnte Verbraucher sich als First Seeder entpuppt? Es bedarf wohl der Differenzierung. Wo aber soll die liegen, wenn de lege lata verwendete Gesetzesformulierungen wie „in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“ (vgl. § 97a Abs. 2 UrhG) nicht die gewünschte Wirkung entfalten? Und „Ersatz seiner Verteidigungskosten“? Es ist zu befürchten, dass der Verbraucher nicht viel anwaltliche Unterstützung für seinen Regressprozess finden wird. Denn welcher Rechtsanwalt kann und will es sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erlauben, bei einem Streitwert von „unter hundert Euro“ für seinen Mandanten handwerklich sauber solch einen Anspruch bei der Gegenseite durchzusetzen? Oder möchte die Bundesjustizministerin mit zweierlei Maß hantieren und das Bundesverfassungsgericht erfreuen: Hohe Streitwerte für die Verteidiger, niedrige Streitwerte für die „Geschäftemacher“? Auf den Gesetzesentwurf darf man gespannt sein.