KG Berlin: Eine Gegendarstellung muss „im gleichen Teil“ des Druckwerks veröffentlicht werden wie der beanstandete Artikel

veröffentlicht am 2. Mai 2012

KG Berlin, Beschluss vom 08.03.2012, Az. 10 W 15/12
§ 888 Abs. 1 ZPO

Das KG Berlin hat entschieden, dass eine einstweilige Verfügung, die die Antragsgegnerin zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, nicht erfüllt ist, wenn diese nicht „in dem gleichen Teil des Druckwerks“ wie die Erstmitteilung veröffentlicht wird. Zwangsmittel wie Ordnungsgelder können die Folge sein. Vorliegend war der zuvor beanstandete Text in einem Teil der Münchener Ausgabe einer Regionalzeitung veröffentlicht worden, der sich auch mit lokalen Münchener Themen befasste. Die Gegendarstellung hingegen wurde in einem Teil veröffentlicht, der Meldungen aus ganz Deutschland und der Welt, Leseranfragen und das Impressum der Zeitung beinhaltete. Dies sei thematisch nicht der „gleiche Teil“. Zum Volltext der Entscheidung:


Kammergericht Berlin

Beschluss

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2012 – 27 O 758/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert der Beschwerde wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht Im Sinne von § 569 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat dem Antrag der Gläubigerin gemäß § 888 Abs. 1 ZPO zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses vom 17. Januar 2012 und den Nichtabhilfebeschluss vom 7. Februar 2012 wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO entsprechend Bezug genommen.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Voraussetzungen für das von der Gläubigerin beantragte Zwangsgeld gemäß § 888 Abs. 1 ZPO vorlagen, weil die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 29. November 2011 zum Abdruck der Gegendarstellung nicht nachgekommen ist.

Die in der Ausgabe der Zeitung B…, Regionalausgabe München, vom 27. Dezember 2011 auf Seite 16 veröffentlichte Gegendarstellung erfüllt den Anspruch nicht.

Der Schuldnerin ist mit der einstweiligen Verfügung vom 29. November 2011 aufgegeben worden, die Gegendarstellung „in dem gleichen Teil des Druckwerkes“ wie der beanstandete Text zu veröffentlichen. Mit dieser Anordnung soll sichergestellt werden, dass die Gegendarstellung möglichst einen gleichen Leserkreis und den gleichen Grad an Aufmerksamkeit wie die beanstandete Meldung erreicht. Dies folgt aus dem für das Recht der Gegendarstellung allgemein anerkannten Grundsatz der Waffengleichheit (vgl. Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., 7. Kap. Rn. 9 m.w.N.). Dabei ist die Frage, was der „gleiche Teil“ des Druckwerkes ist, vom Zweck der Gegendarstellung her zu bestimmen. Der „gleiche Teil“ bedeutet nicht notwendigerweise die „gleiche Seite“, jedoch muss die Gegendarstellung innerhalb des gleichen sachlichen Bereichs (Ressort) abgedruckt werden wie die Erstmeldung (vgl. Seitz/Schmidt, a.a.O., Rn 9). Nicht zulässig ist es hingegen, die Gegendarstellung in einer anderen Rubrik gleichsam zu „verstecken“.

Insoweit kommt es zwar nicht darauf an, dass die Erstmitteilung auf Seite 7 der insgesamt 16 Seiten umfassenden Samstagsausgabe, die Gegendarstellung hingegen auf Seite 16 der 28 Seiten umfassenden Dienstagausgabe abgedruckt war. Zu Recht weist die Gläubigerin jedoch daraufhin, dass sich die Erstmitteilung in einem Teil der Zeitung befand, die sich auch im Übrigen mit Lokalmeldungen aus München um Umgebung befasste. Dies ergibt sich bereits aus der Betrachtung der weiteren auf der Seite 7 befindlichen Artikel. Der links von der Erstmitteilung platzierte Beitrag befasst sich unter der Ortsangabe München mit dem Betreiber eines Münchner „Piercing-Ladens“, der sich zu einem zuvor in der Zeitung B… München abgedruckten Artikel über die Tätigkeit seiner Stiefgroßmutter als Prostituierte äußert. Rechts von der Erstmitteilung wird unter der Ortsbezeichnung München über einen „Disko-Gast“ berichtet, der versucht haben soll, die Türsteher der Diskothek „Insomnia“ in Brand zu setzen. Die letzte auf der Seite befindlichen Meldung befasst sich unter der Ortsangabe „Burgberg“ mit dem Unfalltod eines Rollstuhlfahrers. Damit ist – unabhängig davon, ob es sich bei dem der Erstmitteilung beigefügten Logo „München people“ um eine Rubrik im oben dargestellten Sinn handelt – erkennbar, dass diese in dem Teil abgedruckt war, der sich mit Lokalmeldungen befasst.

Von diesem Bereich der Zeitung (Münchner Lokalmeldungen) weicht der Teil der Zeitung, in dem am 27. Dezember 2011 die Gegendarstellung abgedruckt worden ist, ab. Denn in diesem Teil finden sich Meldungen aus Deutschland und der Welt, Leseranfragen und das Impressum der Zeitung. Die Seite enthält einen Artikel über eine Mieterin in Berlin, deren Badezimmerfenster vom Vermieter zugemauert wurde, einen Brand im Busdepot von Bottrop, einen Unglücksfall auf Rügen sowie Mitteilungen über Ereignisse in Windhoek, Helsinki, London und Paris. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Teil den gleichen Leserkreis und den gleichen Grad an Aufmerksamkeit erreicht wie die beanstandete Meldung.

Es kann daher dahinstehen, ob auch die weiteren Beanstandungen der Gläubigerin dazu führen, dass der Gegendarstellungsanspruch nicht erfüllt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanz:
LG Berlin, Az. 27 O 758/11

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de (hier).

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