KG Berlin: Flugpreisangabe, zu welcher der Kunde noch Steuern und Kerosin-Zuschläge addieren muss, ist irreführend

veröffentlicht am 20. Februar 2012

KG Berlin, Urteil vom 04.01.2012, Az. 24 U 90/10
§ 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, 8 Abs. 1 UWG; Art. 23 LuftverkehrsdiensteVO

Das KG Berlin hat entschieden, dass die Angabe von Flugpreisen bei Onlinebuchungen in einer tabellarischen Darstellung ohne obligatorisch zu entrichtende Zuschläge für Steuern, Gebühren und Kerosin unzulässig ist. Jedenfalls ein deutlicher Hinweis, dass es sich nicht um Endpreise handele, müsse erfolgen, was vorliegend nicht geschehen sei. Die hier einschlägige Luftverkehrsdienste-Verordnung lege fest, dass der zu zahlende Endpreis stets auszuweisen sei und den anwendbaren Flugpreis sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar seien, einschließen müsse. Kurz zuvor hatte das KG bereits in diesem Urteil zur Transparenz von Bearbeitungsgebühren bei Flugbuchungen entschieden. Zum Volltext der Entscheidung:

Kammergericht Berlin

Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. April 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 16 O 27/09 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung wegen der Unterlassung in Höhe von 30.000,00 EUR und wegen der Kosten in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger ist ein Verein, der nach § 2 seiner Satzung u.a. den Zweck verfolgt, die Verbraucherinteressen wahrzunehmen und den Verbraucherschutz zu fördern, und seit dem 16.Juli 2002 in die ursprünglich vom Bundesverwaltungsamt und inzwischen vom Bundesjustizamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen ist. Er nimmt die Beklagte, ein Luftbeförderungsunternehmen, auf Unterlassung bezüglich der Art und Weise der Darstellung von Flugpreisen im Rahmen ihres Internetbuchungssystems in Anspruch. Nach Zurücknahme eines weiteren Antrags beanstandet er (noch) die nach der (im ersten Buchungsschritt erfolgenden) Auswahl von Datum, Abflugs- und Zielort des bzw. der gewünschten Flüge (im zweiten Buchungsschritt) erscheinende tabellarische Aufstellung möglicher Flüge, soweit die zu den einzelnen Flügen jeweils angegebene Flugpreise ohne Einrechnung obligatorisch zu entrichtender Zuschläge (hier für Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag) angegeben werden (Antrag zu 1.) und soweit die Flugpreise ohne Einrechnung der bei der Buchung eines der Flüge zu entrichtenden Service Charge (hier 10,- EUR) angegeben werden (Antrag zu 2.). Weiter verlangt er Ersatz vorgerichtlicher pauschaler Abmahnkosten nebst Zinsen. Die dem Antrag zu 1. zugrunde liegende Gestaltung der im zweiten Buchungsschritt erscheinenden Unterseite in ihrer am 27. Juli 2008 aufgerufenen Fassung („Anlage Antrag“, Bd. I Bl. 16 d.A.) mahnte der Kläger mit Schreiben vom 31. Juli 2008 (Anlage K5, Bd. I Bl. 27f. d.A.) wegen Verstoßes gegen § 1 Preisangabenverordnung (i.F. PAngV) und nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1 008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (EU-Luftverkehrsdienste-VO, ABI. L 293 vom 31. Oktober 2008, S.3-20, i.F. LVO) am 1.November 2008 wegen Verstoßes gegen deren Art. 23 Abs. 1 mit Schreiben vom 17. November 2008 (Anlage K8, Bd.1 Bl. 33f. d.A.) ab. Die Beklagte ließ beide Abmahnungen zurückweisen. Die mit dem Antrag zu 1. beanstandete Gestaltung der Unterseite war noch am 31. Dezember 2008 auf der Internetseite vorhanden (Anlage K2, Bd.1 Bl. 19f. d.A.).

Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Gewährung einer Umstellungsfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils (unter 3.) verurteilt,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstand der persönlich haftenden Gesellschafterin

zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www.a…b…com im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung die Preise für ausgewählte Flüge, in die obligatorisch zu entrichtende Zuschläge (hier Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag) nicht eingerechnet sind, darzustellen wie nachfolgend ersichtlich:

(es folgt die Abbildung der „Anlage Antrag“, Bd. I Bl. 21 d.A.),

2. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstand der persönlich haftenden Gesellschafterin

zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www.a…b…com im Buchungsschritt 2 die Preise für Flüge, die nach den im Buchungsschritt 1 genannten Suchkriterien in einer tabellarischen Aufstellung präsentiert werden, so anzugeben, dass eine bei der Buchung eines der dargestellten Flüge zu entrichtende „Service Charge“ (hier 10,- €) in den in der Tabelle angegebenen Preis nicht eingerechnet ist, wie aus dem nachfolgend wiedergegebenen Ausdruck ersichtlich:

(es folgt die Abbildung der „Anlage Antrag 2“, Bd. I Bl. 121f. d.A.),

4. an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.April 2009 zu zahlen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie rügt und trägt weiter vor:

Das Landgericht habe die LVO, auf die es die tenorierten Unterlassungsansprüche gestützt habe, zu Unrecht als verbraucherschützende Marktverhaltensregelung angesehen. Der Gesetzgeber habe zu deren Einhaltung vielmehr ein rein verwaltungsrechtliches Sanktionensystem geschaffen, nämlich den neuen Bußgeldtatbestand des § 108 Abs. 5 LuftVZO.

Bezüglich des im Tenor zu Ziff. 1 wiedergegebenen Buchungsschritts fehle es an einer Wiederholungsgefahr, da sie diesen nur bis zum Inkrafttreten der LVO verwendet habe und vorher ein Verstoß gegen diese nicht möglich gewesen sei.

Das Landgericht habe den Begriff „stets“ in Art. 23 LVO überinterpretiert, indem es innerhalb des als Einheit anzusehenden Buchungssystems auch bei Zwischenschritten jeweils die Angabe des Endpreises verlangt habe. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur PAngV und müsse auch für Art. 23 LVO gelten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die EU-Kommission ihre – der Beklagten – Preisdarstellung ausdrücklich gebilligt habe, und das Oberlandesgericht Wien im Urteil vom 11. Mai 2009 – 5 R 103/09t – (Anlage B20) ein vergleichbares Buchungssystem einer anderen Fluggesellschaft als mit der LVO vereinbar angesehen habe. Jedenfalls fehle es an einer spürbaren Beeinträchtigung der Verbraucherbelange, da der Endpreis unmittelbar anschließend ausgewiesen werde.

Sie sei aus kartellrechtlichen Gründen gehalten, ihr Service-Entgelt separat auszuweisen. Das Bundeskartellamt habe in seinem Tätigkeitsbericht 2003/2004, S. 155 re.Sp.u. (Anlage B21) die Neuordnung des Vertriebssystems der Lufthansa unter Abschaffung an Reisebüros gezahlter Grundprovisionen nur deshalb gebilligt, weil die Lufthansa für ihren Eigenvertrieb einen Zuschlag auf den Netto-Flugpreisschein erhebe, was es den Reisebüros ermögliche, eigene Service-Entgelte durchzusetzen. Aus diesem Grund verbiete sich die vollständige Einbeziehung der Service-Charge in den Flugpreis.

Abmahnkosten stünden dem Kläger nicht zu. Die Revision sei zuzulassen, da klärungsbedürftig sei, ob die zum Zweck von „effektiven Vergleichsmöglichkeiten“ aufgestellten Preisangabenregelungen der LVO strenger zu bewerten seien als solche der PAngV für „optimale Vergleichsmöglicbketten“. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei im Hinblick darauf geboten, dass das Oberlandesgericht Wien bei einer gleichartigen Preisdarstellung einen Verstoß gegen Art. 23 LVO verneint habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall, dass der Senat ihren Anträgen nicht vollständig stattgebe wolle,

die Revision zuzulassen, oder

das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorzulegen:

(es folgt die Vorlagefrage Bd. II Bl. 71 d.A.).

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus:

Die Schaffung eines Ordnungswidrigkeitstatbestands stehe der Bewertung der LVO als Marktverhaltensregelung nicht entgegen. Nach dem Kontext der Gesamtregelung des Art. 23 Abs. 1 LVO, die gerade für Internetbuchungssysteme gelte, sei der Begriff „stets“ im Sinne von „immer“ zu verstehen, was auch durch die Verwendung des Begriffs „jederzeit“ im Erwägungsgrund 16 bestätigt werde. Wenn die Beklagte bereits im zweiten Buchungsschritt Preise nenne, sei sie auch verpflichtet, Endpreise anzugeben, um dem Verbraucher die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Angebote zu erleichtern. Auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur PreisAngV könne für die Auslegung der LVO nicht abgestellt werden. Auch nach Inkrafttreten der LVO habe die Beklagte an der tabellarischen Darstellung von Flugpreisen ohne Ausweis der Gesamtpreise festgehalten und lediglich die Hinweise im „Kasten“ geändert. Die Verteidigung ihrer Darstellungsweise als rechtskonform sei auch nicht allein zur Rechtsverteidigung erfolgt.

Die Überprüfung des Internetbuchungssystems der Beklagten durch die EU-Kommission bedeute nicht dessen Genehmigung. Das Oberlandesgericht Wien habe weder über die Frage zu entscheiden gehabt, ob eine tabellarische Preisdarstellung ohne Ausweis sämtlicher Kostenbestandteile der LVO entspreche, noch könne ihm gefolgt werden, soweit es die Service Gebühr als unvorhersehbaren Kostenbestandteil ansehe. Die Wertentscheidung des EU-Gesetzgebers im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Flugpreisen sei auch bei der Beurteilung der Spürbarkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu berücksichtigen. Im Übrigen stehe ihm – dem Kläger – ein Unterlassungsanspruch auch gemäß § 2 UKlaG zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen, hinsichtlich des Gangs des Berufungsverfahrens auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

B.

Die Berufung ist zulässig, nämlich an sich statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht keine Veranlassung.

Das Landgericht hat die streitgegenständlichen Flugpreisdarstellungen mit Recht als gegen Art. 23 Abs. 1 LVO verstoßend und daher als unlautere Wettbewerbshandlun9 gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in der bis 29. Dezember 2008 geltenden Fassung und gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG in der am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen geänderten Fassung angesehen und den Anspruch des Klägers als Verbraucherschutzverband auf deren Unterlassung gemäß § 8 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG (alte und neue Fassung) mit zutreffenden Erwägungen bejaht. Die Berufungsbegründung zeigt weder Rechtsfehler auf, auf denen das angefochtene Urteil beruht (§ 513 in Verbindung mit § 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

I.
Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach den genannten Vorschriften mit Recht bejaht, soweit ihr Internetauftritt in der dem Klageantrag zu 1. zugrunde liegenden Gestaltung am 28. Juli 2008 nach Eingabe von Datum, Abflug- und Zielort eine tabellarische Darstellung möglicher Flüge mit Preisangaben anzeigt, zu denen noch Steuern, Gebühren und Kerosinzuschlag zu addieren sind, wobei der sich daraus ergebende Flugpreis erst für den voreingestellten bzw. den durch Anklicken ausgewählten Flug unterhalb der Tabelle angezeigt wird.

1.
Da der geltend gemachte, auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, kommt es für seine Begründetheit darauf an, ob die beanstandete Darstellung sowohl auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts als auch im Zeitpunkt ihrer Begehung einen Unterlassungsanspruch des Klägers begründet (vgl. BGH GRUR 2010,652/653 – Costa del Sol- Tz. 10 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.

a)
Im Zeitpunkt der Feststellung der streitgegenständlichen tabellarischen Darstellung von Flugpreisen ohne obligatorisch zu entrichtende Zuschläge für Steuern, Gebühren und Kerosin war allerdings die LVO noch nicht in Kraft getreten, weshalb die erste Abmahnung des Klägers noch auf einen Verstoß gegen § 1 PreisAngV gestützt war. Für eine Berechtigung dieser Abmahnung spricht jedenfalls das Fehlen eines den Preisangaben vorangestellten klaren und unmissverständlichen Hinweises darauf, dass es sich noch nicht um Endpreise handelt, wie er im dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3.4.2003 – I ZR 222/00 – Internet-Reservierungssystem – (GRUR 2003, 889) zugrunde liegenden Sachverhalt gegeben worden war. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn der Kläger hat die beanstandete Preisdarstellung nach Inkrafttreten der LVO unter Berufung auf Art. 23 LVO erneut abgemahnt und auf diese Bestimmung seinen Unterlassungsanspruch seither gestützt. Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat ihre Darstellung in diesem Punkt noch am 31. Dezember 2008 unverändert belassen (vgl. Anlage K2, Bd. I Bl. 19f.d.A.). Auch der am 16. Mai 2009 gefertigte Bildschirmausdruck (Anlage K12a, Bd. I Bl. 113 d.A.) weist in der Tabelle selbst Flugpreise ohne Einrechnung von Steuern, Gebühren und Kerosinzuschlag aus. Mithin ist die erforderliche Wiederholungsgefahr auch in Ansehung eines Verstoßes gegen Art. 23 LVO gegeben.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die LVO als speziellere Regelung zur Preistransparenz im Flugverkehr die Regelungen der PreisAngV konkretisiert (vgl. LG Leipzig WRP 2010, 959/960; Ernst GPR 2009, 18/19; Deutsch, GRUR 2011, 187/190), die ebenfalls ihre Grundlage im Gemeinschaftsrecht hat (vgl. BGH a.a.O. – Costa del Sol – Tz. 11f.).

b)
Soweit am 30. Dezember 2008 die – der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende – geänderte Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3.Juli 2004 in Kraft getreten ist, bleibt dies vorliegend ohne Auswirkung, da § 4 Nr. 11 UWG nach bisherigem wie nach neuem Recht vorliegend anwendbar ist. Bei Art. 23 Abs. 1 LVO handelt es sich auch um eine dem Gemeinschaftsrecht angehörende Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Denn Preisangaben sollen durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und -klarheit gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber den Unternehmern stärken und fördern (vgl. zu Vorstehendem Thüringer OLG MD 2011, 651/652; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rdn. 11.24 und 11.142 m.w.N.).

Der Verbraucher schützende Charakter des Art. 23 Abs. 1 LVO wird auch durch Erwägungsgrund (16) deutlich, der lautet:

„Die Kunden sollten in der Lage sein, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen Daher sollte der vom Kunden zu zahlende Endpreis für aus der Gemeinschaft stammende Flugdienste jederzeit ausgewiesen werden, einschließlich aller Steuern, Gebühren und Entgelte. Den Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sollte ferner nahe gelegt werden, den Endpreis für ihre Flugdienste aus Drittländern in die Gemeinschaft auszuweisen.“

Der Umstand, dass Art. 24 LVO Sanktionen zur Einhaltung der LVO anordnet und in Umsetzung dieser Vorschrift schuldhafte Verstöße gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 oder Satz 3 LVO als Ordnungswidrigkeit gemäß § 108 Abs. 5 LuftVZO sanktioniert werden können, schließt ein Vorgehen nach den §§ 3, 4 Nr. 11 i.V.m. §§ 8ff. UWG nicht aus (vgl. Köhler a.a.O. Rdn. 11.185).

2.
Die beanstandete Preisdarstellung verstößt gegen Art. 23 Abs. 1 LVO.

Nach Satz 1 dieser Vorschrift schließen die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise, die in jedweder Form – auch im Internet – für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, angeboten oder veröffentlicht werden, die anwendbaren Tarifbedingungen ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen (S. 2). Neben dem Endpreis ist mindestens Folgendes auszuweisen:

a) der Flugpreis, b) die Steuern, c) die Flughafengebühren und d) die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen, soweit die unter den Buchstaben b, c und d genannten Posten dem Flugpreis hinzugerechnet wurden (S.3).

Bei den Zuschlägen für Steuern, Gebühren und Kerosin, um deren Darstellung es vorliegend geht, handelt es sich um unvermeidbar und im Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar vom Kunden zu entrichtende Zuschläge. Sie sind daher in den nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 LVO stets auszuweisenden Endpreis einzurechnen. Dies gilt auch für die im Rahmen des zweiten Buchungsschritts – nach Auswahl von Datum und Flugroute – angezeigte tabellarische Darstellung möglicher Flüge und deren Preise. Für eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass der Endpreis einschließlich obligatorischer und vorhersehbarer Zuschläge bei jeglicher Darstellung von Preisen und nicht erst zum Abschluss eines in mehreren Schritten verlaufenden Buchungsvorgangs anzuzeigen ist, spricht die Verwendung des Adverbs „stets“ im deutschen Wortlaut der Vorschrift, die weiter gestützt wird durch den Begriff „jederzeit“ im oben zitierten Erwägungsgrund (16). Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine Pflicht zur Angabe des Endpreises bereits zu Beginn der Buchung. Denn sie soll es den Kunden ermöglichen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen. Ein effektiver Vergleich erfordert eine möglichst frühzeitige Angabe des tatsächlich vom Kunden zu entrichtenden Flugpreises. Eine zunächst erfolgende Angabe eines zu niedrigen, gar nicht buchbaren Preises hindert den Kunden gerade an einem effektiven Vergleich, indem sie ihn durch den mit dem besonders günstig erscheinenden Angebot verbundenen Anlockeffekt veranlasst, den Buchungsvorgang weiter zu betreiben und möglicherweise abzuschließen, ohne noch weitere Preisvergleiche vorzunehmen. Für alle in der Tabelle für die dort aufgelisteten Flüge genannten Flugpreise mit Ausnahme der voreingestellt angeklickten oder selbst angeklickten werden die Angaben ohnehin nicht einmal durch die nur auf den so ausgewählten Flug bezogenen nachfolgenden Angaben zu Hinzukommendem bis hin zum (End-) Preis korrigiert.

3.
Der Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 LVO erfüllt den Beispielstatbestand des § 4 Nr. 11 UWG einer unlauteren Wettbewerbshandlung im Sinne von § 3 UWG a.F. bzw. einer geschäftlichen Handlung § 3 Abs. 1 UWG n.F. Er ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher nicht nur unerheblich (§ 3 a.F.) bzw. spürbar (§ 3 n.F.) zu beeinträchtigen.

Bei Verstößen gegen die PreisAngV ist Spürbarkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG n.F (und entsprechend eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung) generell dann zu bejahen, wenn der Verstoß den Verbraucher irreführt oder ihm die Möglichkeit des Preisvergleichs erheblich erschwert wird (vgl. BGH GRUR 2001, 1166/1169 – Fernflugpreise; Köhler a.a.O. § 3 Rdn. 147a m.w.N.). Erst recht hat dies bei Verstößen gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 LVO zu gelten, der bereits die effektive Vergleichsmöglichkeit von Preisen sicherstellen soll (vgl. Deutsch a.a.O. S. 151f.).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass ein effektiver Preisvergleich dem Verbraucher durch die zu Beginn des Buchungsvorgangs erfolgende Angabe des weitaus niedrigeren „Flugpreises“ tatsächlich erheblich erschwert wird, da sie ihn dazu veranlassen kann, den Buchungsvorgang weiter zu betreiben und abzuschließen, und so von weiteren Preisvergleichen abhalten kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im Bereich der sog. Billigflüge die nach Art. 23 Abs. 1 LVO einzubeziehenden Zuschläge und Gebühren verhältnismäßig stark ins Gewicht fallen.

4.
Dem Kläger steht nach allem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG a.F. bzw. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. zu. Die aufgrund des Wettbewerbsverstoßes vermutete Wiederholungsgefahr konnte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfallen, deren Abgabe die Beklagte abgelehnt hat; eine bloße Änderung der Gestaltung ihres Internetauftritts reichte nicht aus (vgl. dazu Bornkamm, a.a.O. § 8 Rdn. 1.32ff. m.w.N.).

II.
Das Landgericht hat mit Recht auch in Ansehung der in der modifizierten Darstellung im Buchungsschritt 2 nicht in den tabellarisch aufgeführten Flugpreis einbezogenen „Service Charge“ einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 LVO und einen darauf bezogenen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG (n.F.) bejaht.

1.
Bei der „Service Charge“ handelt es sich um ein Entgelt, das unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar ist, da es bei jedem Buchungsvorgang anfällt und lediglich der Höhe nach variiert. Es ist daher in den anzugebenden Endpreis einzurechnen, während seine ausnahmsweise Nichterhebung einen Rabatt darstellt, auf den gesondert hingewiesen werden kann.

Der Einbeziehung der „Service Charge“ in den stets anzugebenden Endpreis steht auch nicht entgegen, dass sie lediglich für die Buchung und nicht für den „eigentlichen“ Flug erhoben wird. Denn nach Art. 2 Ziff. 18 LVO sind „Flugpreise“ im Sinne der LVO die Preise, die für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr an Luftfahrtunternehmen oder deren Bevollmächtigte oder an andere Flugscheinverkäufer zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden. Wenn demnach sogar Zahlungen an bloße Vermittler von Flugdiensten einzubeziehen sind, muss dies erst recht für die an das Luftfahrtunternehmen zu zahlende Buchungsgebühr geiten.

Diese Auslegung wird bestätigt durch die inzwischen erfolgte Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eines Reisevermittlers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. August 2010 – 14 U 551/10 – mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. August 2011 – I ZR 168/10 -, der damit bestätigt hat, dass die von dem Reisevermittler bei Online-Buchung zusätzlich zum Flugpreis verlangte Service-Gebühr in den stets anzugebenden Endpreis einzubeziehen ist (so a. bereits LG Leipzig, WRP 2011, 959/961; Deutsch a.a.O. S. 190).

2.
Der Umstand, dass das Schreiben der EU-Kommission an die Beklagte vom 21.April 2009 (Anlage B19, Bd. I Bl.186ff. d.A.) hinsichtlich der Gestaltung ihrer Webseite Ende März 2009 keine Beanstandungen zu Preisangaben enthielt, steht der vorliegend dargestellten Würdigung nicht entgegen, zumal es für die Gerichte rechtlich nicht bindend ist.

Der Auffassung des Oberlandesgerichts Wien im Urteil vom 11. Mai 2009 – 5 R 103/09t (Anlage B20), wonach die von der dort beklagten Fluggesellschaft erhobene „Service Charge“ weder vorhersehbar noch unvermeidbar sei, kann jedenfalls für die hier zugrunde liegende Fallgestaltung nicht gefolgt werden. Schließlich kann der Buchungsvorgang technisch so gestaltet werden, dass Anfall oder Nichtanfall bereits vor Anzeige der tabellarischen Übersicht feststehen.

Der Beklagten wird es damit nicht verwehrt, ihre Service-Charge auch separat auszuweisen, zumal sie dazu gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 LVO auch verpflichtet ist. Ob ein gesonderter Ausweis kartellrechtlich geboten ist, kann dahinstehen. In jedem Fall besteht daneben ihre Verpflichtung zur Angabe des zu zahlenden Endpreises nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 S. 2 LVO, also einschließlich aller unvermeidbaren und vorhersehbaren Entgelte.

3.
Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch des Klägers ist nach allem gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11, § 8 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG (n.F.) begründet. An der Erheblichkeit des Wettbewerbsverstoßes besteht aus vorstehend unter Ziff. 1.3. dargelegten Gründen kein Zweifel.

III.
Der Zahlungsanspruch ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet. Die Berechtigung der außergerichtlichen Abmahnungen des Klägers ergibt sich aus Vorstehendem. Die beanspruchte Kostenpauschale von 200,- Euro ist auch der Höhe nach als angemessen schlüssig begründet und nicht wegen der erstinstanzlich erfolgten teilweisen Klagerücknahme zu reduzieren (vgl. Bornkamm a.a.O. § 12 Rdn. 1.98f. m.w.N.). Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

C.

I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat schätzt den möglichen Schaden und entsprechend die Beschwer der Beklagten durch eine Unterlassungsvollstreckung auf 30.000,00 EUR.

II.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht geboten.

Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Nach dessen Rechtsprechung muss ein letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass sie bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Die Entscheidungserheblichkeit beurteilt allein das nationale Gericht (vgl. zu Vorstehendem BVerfG GRUR 2010, 999/1000 Rdn. 46f.; Karpenstein in: Grabitz/ Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 267 Rdn. 57, jew. m.w.N.).

Vorliegend bestehen in Ansehung der Service Charge keine vernünftigen Zweifel an der vorstehend dargestellten Auslegung des Art. 23 LVO. Dieser Auffassung ist ersichtlich auch der Bundesgerichtshof, wie die bereits erwähnte Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 17. August 2011 – I ZR 168/10 – betreffend die von einem Reisevermittler bei Online-Buchung zusätzlich zum Flugpreis verlangte Service-Gebühr zeigt. Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es übergeht auf S. 16, dass Art. 23 Abs. 1 Satz 2 LVO verbindlich vorschreibt, dass der Endpreis stets (nach Erwägungsgrund 16 jederzeit) einschließlich aller unvermeidbaren und vorhersehbaren Steuern, Gebühren, Zuschläge und Entgelte auszuweisen ist. Zumindest drängt es diesen Gesichtspunkt mit Hilfe des Wortes „letztlich“ viel zu stark zurück. Der Vorlagebeschluss des Oberlandesgericht Köln vom 2. Mai 2011 – I-6 U 147/10 – bezieht sich nur auf die Frage der Einbeziehung von fakultativen Reiserücktrittskostenversicherungen, um die es hier nicht geht.

III.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat aus vorstehend dargelegten Gründen weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Ernsthafte Auslegungszweifel bestehen hinsichtlich der Subsumption der streitgegenständlichen Flugpreisbestandteile unter Art. 23 Abs. 1 LVO nicht.

Vorinstanz:
LG Berlin, Az. 16 O 27/09

Auf das Urteil hingewiesen hat openjur.de (hier).

I