KG Berlin, Urteil vom 12.10.2012, Az. 5 U 19/12
§ 3 Abs. 2 UWG, § 3 Abs. 1 UWG
Das KG Berlin hat entschieden, dass die Bezeichnung „Ginger Beer“ für ein Getränk, welches kein Bier enthält, irreführend ist. Der Verbraucher, der den Begriff „Beer“ zwanglos als „Bier“ übersetze, werde über den Inhalt getäuscht, was wiederum Einfluss auf seine Kaufentscheidung habe. Einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch könnten in diesem Fall auch Bierbrauereien und Bierhändler geltend machen, da deren Umsätze durch die Irreführung betroffen sein können. Zum Volltext der Entscheidung:
Kammergericht Berlin
Urteil
1.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 8. November 2011 (in berichtigter Fassung gemäß Beschluss vom 11. Januar 2012) – 103 O 77/11 – wird zurückgewiesen.
2.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu tragen.
Gründe
A.
Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht den Antragsteller als gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt angesehen, einen Verfügungsgrund gemäß § 12 Abs. 2 UWG bejaht und einen Verfügungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG angenommen. Der Senat stimmt den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil im Wesentlichen zu, verweist darauf und fügt diesen in Ansehung der Berufungsbegründung lediglich das Folgende hinzu:
I.
Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass dem Antragsteller eine i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
1.
Der Begriff der Waren gleicher oder verwandter Art ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Erforderlich ist das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses. Dafür reicht es aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (BGH GRUR 2006, 778, Tz. 19 – Sammelmitgliedschaft IV).
2.
Zu den sonach im Streitfall maßgeblichen Waren gehören auch Biere. Denn vorgeworfen wird das Suggerieren von Bier für ein Nicht-Bier. Ob der Vorwurf berechtigt ist oder nicht, ist Frage der Begründetheit. Befugt, den Vorwurf im Wege des § 8 Abs. 3 UWG zu erheben, ist aber (auch) der biervertreibende Unternehmer. Denn den Biervertreibern gereicht es – soweit der Vorwurf zutrifft – zum Nachteil, wenn ein Bierinteressent „Ginger Beer“ erwirbt, weil er meint, es handle sich um Bier. Entgegen der Berufung ist also in Konstellationen der vorliegenden Art bei der Frage des Vertriebs Waren gleicher oder verwandter Art nicht nur auf das vom Angegriffenen tatsächlich vertriebene Produkt, sondern auch auf das vom Angegriffenen suggerierte Produkt abzustellen. Es kommt mit anderen Worten (also auch) darauf an, auf welche Produkte sich die beanstandete Werbemaßnahme bezieht (vgl. BGH GRUR 2006, 778 Tz. 19 a.E. – Sammelmitgliedschaft IV; BGH GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; BGH GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee).
3.
Die Beteiligten müssen – entgegen den Ausführungen der Berufung – auch nicht auf der gleichen Wirtschafts- oder Handelsstufe stehen (vgl. BGH GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Denn auf jeder dieser Stufen verdient ein Unternehmer, sei er nun (beispielsweise) Hersteller, Großhändler, Einzelhändler oder – hier etwa auch – Gastronom, letztlich daran, dass Letztverbraucher das jeweilige Produkt nachfragen. Es ist also unerheblich, wenn die Antragsgegnerin – wie sie behauptet – nur Zwischenstufen beliefert bzw. beliefern will. Das nimmt beispielsweise einen Händler, der Bierprodukte an Endverbraucher verkauft, nicht aus dem Kreis ihrer Mitbewerber heraus.
4.
Aus allem Vorstehendem folgt, dass beispielsweise Bierbrauereien, die beim Antragsteller (unmittelbar oder mittelbar) Mitglied sind, für die Beurteilung von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG relevant sind.
5.
„Erheblich“ i.S. von § 8 Abs. III Nr. 2 UWG ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmer, bezogen auf den maßgeblichen Markt, in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Dies kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein. Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichem Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern repräsentativ sind, kommt es nicht an (BGH GRUR 2007, 809, Tz. 15 – Krankenhauswerbung). Gemessen an Vorstehendem ist im Streitfall besagte „Erheblichkeit“ (bereits) mit Blick auf die (unmittelbaren oder mittelbaren) Mitglieder des Antragstellers, so u.a. die R., die M., die r… und die 60 bayrischen Brauereien, ohne Weiteres anzunehmen.
II.
Gleichfalls mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Antragsteller nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband spricht eine tatsächliche Vermutung für die tatsächliche Zweckverfolgung, die der Gegner zu widerlegen hat (BGH GRUR 2000, 1093, 1095 – Fachverband). Bei einem jahrelang als klagebefugt anerkanntem Verband (wie dem Antragsteller) genügt hinsichtlich der tatsächlichen Zweckverfolgung daher ein bloßes Bestreiten nicht, da zu vermuten ist, dass diese Voraussetzungen weiter vorliegen (OLG Stuttgart GRUR-RR 2009, 343, 344). Wenn einem Angreifer auf dieser Grundlage bereits in der Vergangenheit die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen seiner Prozessführungsbefugnis zugebilligt worden ist, so macht auch das eine besondere Prüfung entbehrlich, soweit nicht – wie hier nicht – Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorgetragen oder ersichtlich sind (vgl. auch BGH GRUR 2000, 1093, 1095 – Fachverband). Die beim Antragsteller bisher stets (namentlich auch höchstrichterlich) bejahte (hinreichende finanzielle Ausstattung und) tatsächliche, satzungsgemäße Tätigkeit führt sonach im Streitfall ebenfalls zur vorstehend dargestellten Kontinuitätsvermutung, welche hier vom Angegriffenen zu widerlegen ist, was aber nicht geschehen ist.
III.
(Jedenfalls im Ergebnis) zutreffend ist auch die Beurteilung des Landgerichts, dass die vom Antragsgegner verwendete Darstellung der konkret in Rede stehenden Produkte als „Ginger Beer“ gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG unzulässig ist und dies sonach einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG auslöst. Denn es handelt sich insofern um eine unlautere, nämlich (jedenfalls) irreführende Handlung i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG. Der Annahme des Antragstellers, dass besagte Darstellung vom inländischen Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf Bier(bestandteile) verstanden wird, ist – zumindest im Eilverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – zuzustimmen. Die Glaubhaftmachungslast liegt hier bei der Antragsgegnerin, da die Irreführung aus der Wortbedeutung (Beer = Bier) folgt und die Antragsgegnerin es ist, die sich auf ein davon abweichendes Verständnis beruft. Eine solche Glaubhaftmachung ist nicht erfolgt. (Auch) die den angesprochenen Verkehrskreisen zugehörigen Mitglieder des erkennenden Senats hätten das in Rede stehende Produkt – bei fehlender Kenntnis vom Streitfall – aufgrund der angegriffenen Darstellung als ein bierhaltiges Getränk eingestuft.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.