KG Berlin: Modifizierte Unterlassungserklärung, die den Zusatz „wie“ streicht, ist nicht ausreichend / 2023

veröffentlicht am 3. Juli 2023

Kerngleicher Verstoß
KG Berlin, Beschluss vom 10.03.2023, Az. 5 W 3/23

§ 91a ZPO

Das Kammergericht hat entschieden, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, in welcher der Zusatz „wie“ aus der vorformulierten Unterlassungserklärung gestrichen ist, zum Ausdruck bringt, dass der Unterlassungsschuldner sich in Bezug auf kerngleiche Rechtsverletzungen nicht zur Unterlassung verpflichten will, sondern nur in Bezug auf die in Rede stehenden Angebote, die „konkrete Verletzungsform“. Eine Rechtsverletzung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr jedoch nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Selbst wenn der Unterlassungsschuldner mit der Streichung dies nicht beabsichtigt haben sollte, wäre die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt gewesen. Denn für den Unterlassungsgläubiger sind von vornherein Beschränkungen in der Unterlassungserklärung unzumutbar, die zu unklaren Grenzen und damit zu einer Grauzone führen, in der zweifelhaft ist, ob der vertragliche oder gesetzliche Anspruch besteht. Durch die Streichung des Wortes „wie“ sei – mindestens – eine solche Unsicherheit erzeugt worden, die der Antragsteller nicht akzeptieren musste. Zum Volltext der Entscheidung:

Kammergericht Berlin

Beschluss

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch im Tenor zu 1) des Beschlusses der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2022 – 103 O 82/22 – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, §§ 91a Abs. 2; 567 Abs. 1 Nr. 2; 569 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 ZPO. Über sie ist durch den Senat in der gemäß § 122 Abs. 1 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Kollegialorgan zu entscheiden. Den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht durch den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen getroffen. Der nach § 349 Abs. 2, Abs. 3 ZPO an Stelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist nicht Einzelrichter im Sinne von § 568 Satz 1 ZPO, sondern verkörpert bei seiner Alleinentscheidung „als Vorsitzender“ die Kammer (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 – II ZB 27/02 –, Rn. 10, juris).

2.
Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg, da das Landgericht zu Recht dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auferlegt hat.

a) Die Verfahrensbeteiligten haben das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung übereinstimmend für erledigt erklärt.

b) Das Gericht hat deshalb gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann (vgl. Althammer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 91a Rn. 24, 27), denn die Frage der Kostenlast rechtfertigt nur eine abgekürzte, Zeit und Arbeitskraft ersparende Behandlung und Entscheidung (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 – X ZR 176/02 –, Rn. 17, juris – Staubsaugersaugrohr; Beschluss vom 25. Februar 1986 – X ZR 8/85 –, Rn. 2, juris – Schweißgemisch). Damit verbietet es sich regelmäßig, hierbei alle rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen (BGH, aaO). Dabei ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht – wie ein Anerkenntnis – zu einer automatischen Kostenbelastung der Antragsgegnerin führt; vielmehr ist auch in diesem Fall das Bestehen des Unterlassungsanspruchs zu prüfen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 12 Rn. 1.34).

c) Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen, da er voraussichtlich unterlegen wäre und keine sonstigen Umstände ersichtlich sind, die es rechtfertigen würden, bei der Kostenentscheidung nicht maßgeblich auf die Erfolgsaussichten abzustellen.

aa) Der Antragsteller konnte sich auf die in der Antragsschrift genannten Normen berufen, die die geltend gemachten Unterlassungsansprüche tragen.

bb) Die Erklärung des Antragsgegners vom 15. September 2022 (Anlage A 7) hat die aufgrund des Wettbewerbsverstoßes vermutete (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 –, Rn. 80, juris – WarnWetter-App; Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 117/15 –, Rn. 52, juris – YouTube-Werbekanal II) Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen, da der Antragsgegner hinsichtlich einer Beanstandung eine Unterlassungsverpflichtungserklärung (nachfolgend auch nur: „Unterlassungserklärung“) überhaupt nicht und hinsichtlich der übrigen Beanstandungen keine die Wiederholungsgefahr ausräumende Unterlassungserklärung abgegeben hat.

(1) Was den mit dem Antrag zu I.5 gerügten Verstoß gegen die Vorschriften zur Nährwertdeklaration angeht, hat der Antragsgegner keine Unterlassungserklärung abgegeben, obwohl der Antragsteller auch insoweit einen entsprechenden Unterlassungsanspruch aus den in der Antragsschrift genannten Normen hatte.

(2) Hinsichtlich der übrigen Beanstandungen gilt: Eine Unterlassungserklärung lässt nur dann die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn sie der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung dadurch dient, dass sie nicht nur eindeutig und hinreichend bestimmt ist und den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lässt, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen, sondern auch den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang vollständig abdeckt (BGH, Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 92/14 –, Rn. 34, juris – Smartphonewerbung; vgl. aus jüngerer Zeit auch BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 117/15 –, Rn. 53, juris – YouTube-Werbekanal II). Für den Gläubiger von vornherein unzumutbar sind dabei Beschränkungen, die zu unklaren Grenzen und damit zu einer Grauzone führen, in der zweifelhaft ist, ob der vertragliche oder gesetzliche Anspruch besteht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 6 W 107/16 –, Rn. 21, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – 2 W

46/15 –, Rn. 18, juris; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 192). An den Fortfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen; bestehen an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung auch nur geringe Zweifel, ist sie grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 – I ZR 62/95 –, Rn. 27, juris – Der M.-Markt packt aus; Senat, Urteil vom 27. Mai 2014 – 5 U 76/12 –, Rn. 12, juris).

(3) Unter Anlegung dieser Maßstäbe konnte die Erklärung des Antragsgegners die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen. Denn der Antragsteller durfte an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung erhebliche Zweifel haben, da die Unterlassungserklärung des Antragsgegners den dem Antragsteller zustehenden Unterlassungsanspruch nicht abdeckte.

(a) Durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkreten Angebote mit dem Vergleichspartikel „wie“ hat der Antragsteller deutlich gemacht, dass Gegenstand des Antrags allein die in Rede stehenden Angebote, die „konkrete Verletzungsform“, sein sollen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09 –, Rn. 17, juris – Leistungspakete im Preisvergleich; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08 –, Rn. 34, juris – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer). Trotz dieser Beschränkung begründet aber eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – I ZR 146/20 –, Rn. 11, juris – Werbung für Fernbehandlung; Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 92/14 –, Rn. 38, juris – Smartphone-Werbung).

(b) Durch das Streichen des Wortes „wie“ aus der vorformulierten Unterlassungserklärung hat der Antragsgegner bei der hier angezeigten objektiven Betrachtung zum Ausdruck gebracht, dass er sich hinsichtlich kerngleicher Verletzungshandlungen wie zum Beispiel Angeboten mit identischem Inhalt, die (nur) unter einer anderen URL angeboten werden, gerade nicht zur Unterlassung verpflichten wollte, sondern von der Unterlassungsverpflichtung nur Angebote umfasst sein sollten, die unter der in der Unterlassungserklärung genannten Subdomain veröffentlicht sind. Eine solche Unterlassungsverpflichtung deckt aber den dem Antragsteller zustehenden Unterlassungsanspruch nicht ab, da kerngleiche Verletzungshandlungen von einer solchen Unterlassungsverpflichtung gerade nicht umfasst wären. Selbst wenn der – anwaltlich vertretene – Antragsgegner mit der Streichung dies nicht intendiert haben sollte, wäre die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt gewesen. Denn für den Gläubiger von vornherein unzumutbar sind Beschränkungen in der Unterlassungserklärung, die zu unklaren Grenzen und damit zu einer Grauzone führen, in der zweifelhaft ist, ob der vertragliche oder gesetzliche Anspruch besteht. Durch die Streichung des Wortes „wie“ ist – mindestens – eine solche Unsicherheit erzeugt worden, die der Antragsteller nicht akzeptieren musste.

II.

1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

2.
Der Festsetzung eines Wertes des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, da für das vorliegende Beschwerdeverfahren eine Festgebühr nach Nr. 1810 KV-GKG anfällt und eine allein für die Bestimmung der Höhe der Rechtsanwaltsgebühren notwendige Wertfestsetzung einen hierauf bezogenen Antrag erfordert, § 33 Abs. 1 RVG.

3.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

I