LG Aachen: Haftung für Vorgänger wegen Übernahme einer Internetplattform?

veröffentlicht am 6. November 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Aachen, Urteil vom 08.05.2009, Az. 6 S 226/08
§§ 323 Abs. 1, 346, 433 BGB, § 25 HGB

Das LG Aachen hat entschieden, dass derjenige, der eine Internetplattform von einem Dritten erwirbt und fortführt, nicht nach den Grundsätzen der Firmenfortführung (§ 25 HGB) für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers haftet. Die Firma der Plattform sei ohne weiteres nicht identisch mit der Bezeichnung des Unternehmensträgers, insbesondere wenn dieser eine andere Rechtsform als der Vorgänger habe. Im vorliegenden Fall war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ursprünglichen Betreibergesellschaft mangels Masse abgelehnt worden. Die Gesellschaft war aufgelöst worden und in der Folge erloschen. Ein Kunde der alten Betreibergesellschaft verlangte nunmehr von ihrer Nachfolgerin die Erstattung seines Kaufpreises und scheiterte mit diesem Ansinnen.

Der tragende Gesichtspunkt für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Mithaftung des Nachfolgers für die im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten seines Vorgängers liege in der Kontinuität des Unternehmens, die durch die Fortführung der bisherigen Firma nach außen in Erscheinung trete (vgl. LG Bonn NJW-RR 2005, 1559). Die (Weiter-) Nutzung der Internetplattform durch die Beklagte habe indes keine Fortführung in diesem Sinn dargestellt. Vielmehr handele es sich bei der Internetplattform lediglich um das „Geschäftslokal“ in dem nunmehr die Beklagte ihre Waren anbiete. Nicht jede Bezeichnung, unter der ein Kaufmann auftrete, sei aber eine Firma. Es sei daher im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB stets zu prüfen, ob es sich bei der gewählten Bezeichnung überhaupt um eine Firma im rechtlichen Sinne handele. Insbesondere verwendeten Gewerbetreibende und Freiberufler häufig werbewirksame sog. Geschäfts- bzw. Etablissementbezeichnungen. Diese bezeichnen im Gegensatz zur Firma nicht den Unternehmensträger, sondern das Handelsgeschäft / Geschäftslokal.

Es kommt auch keine analoge Anwendung des § 25 HGB in Betracht. Eine hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke im Gesetz könne im vorliegenden Zusammenhang nicht festgestellt werden: Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Reform des Firmenrechts trotz der bekannten Kritik an der Fassung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB keine Veranlassung gesehen, diese Norm im Zuge der Handelsrechtsreform neu zu fassen. Dies hätte aber nahegelegen, wenn der Gesetzgeber der bisherigen Rechtsprechung, welche der Zulässigkeit eines Analogieschlusses auf Geschäfts- und Etablissementbezeichnungen stets ablehnend gegenüberstand, eine Absage hätte erteilen wollen.

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