LG Amberg: Werbung für E-Zigarette mit gesundheitlicher Unbedenklichkeit ist unzulässig

veröffentlicht am 20. Dezember 2012

LG Amberg, Urteil vom 15.10.2012, Az. 41 HK O 303/12
§ 3 UWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 8 UWG

Das LG Amberg hat entschieden, dass die Werbung für eine E-Zigarette mit „xxx E-Zigarette – Die gesündere Art zu „rauchen“ … Ohne Nikotin und Teer“ irreführend und daher wettbewerbswidrig ist. Dem Verbraucher werde vermittelt, dass der Konsum gesundheitlich völlig unbedenklich sei. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Zwar sei es nicht erforderlich, in der Werbung über alle nur denkbaren Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken zu informieren, aber die bestehenden Risiken dürften auch nicht verharmlost werden. Vorliegend habe der Verbraucher erst nach dem Kauf durch Studium der Anleitung feststellen können, dass die Zigarette für bestimmte Zielgruppen (z. B. Schwangere) nicht vorbehaltlos geeignet sei. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Amberg

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Unlauteren Wettbewerb

erlässt das Landgericht Amberg -Kammer für Handelssachen- durch den Vorsitzenden Richter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2012 folgendes Endurteil

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen wie nachfolgend abgebildet für die E-Zigarette „Clever Smoke“ werben bzw. werben zu lassen.

Abb.

2.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ord­nungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an der Ge­schäftsleitung, angedroht.

3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2012 zu zahlen.

4.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000,– € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagte war auf der Seite 1 eines Werbeblattes, gültig von Donnerstag, 02.02.2012 bis Samstag 04.02.2012, für die E-Zigarette „Clever Smoke“ mit folgendem Slogan:

Clever Smoke E-Zigarette
Die gesündere Art zu „rauchen“.
Die geniale Alternative für den vollen Rauchgenuss.

Im unteren Drittel des Werbeblattes finden sich folgende Aussagen:

Ohne Nikotin und Teer
Aromen auf Unbedenklichkeit GEPRÜFT
Geprüft von einem unabhängigen Sachverständigen (siehe www.daprod.De).


In der Verpackung des geworbenen Produktes findet sich eine Produktbeschreibung, die auf Seite 3 unter dem Stichwort „für ihre Gesundheit“ folgende Hinweise enthält:

„Alle Inhaltsstoffe wurden getestet und als sicher bewertet. Die verwendeten Aromen wer­den bereits in der Zigarettenindustrie eingesetzt. Allerdings sind wir verpflichtet, sie darauf hinzuweisen, dass die Inhaltsstoffe nicht auf ihre Langzeitwirkung bei Inhalation getestet wurden.

Die in den Aromakapseln (Mundstücken) enthaltende Flüssigkeit enthält Alkohol bzw. alko­holähnliche Stoffe. Folgende Personengruppen sollten vor der Benutzung des Produkts un­bedingt einen Arzt konsultieren:
– Schwangere und stillende Frauen,
– Trockene Alkoholiker,
– Personen, die allergisch auf Propylenglykol oder Aromastoffe reagieren,
– Personen, die gesundheitliche Probleme mit den Atemwegen (z. B. eine vorgeschädigte
Lunge, den Gefäßen oder dem Herz – Kreislauf – System haben.

Vermeiden sie den direkten Kontakt von Haut, Augen und Schleimhäuten mit der in der Aromakapsel (Mundstück) enthaltenen konzentrierten Flüssigkeit. Die Inhalation des Damp­fes ist davon ausgeschlossen.

Flüssigkeit in den Kartuschen, die als Aerosol vom Konsumenten inhaliert, besteht zu 90 % aus Propyfenglykol und kann zu Atemwegsreizungen führen.“

Die Klägerin trägt vor, die Werbung erwecke den Eindruck, dass das Rauchen der E-Zigarette gesundheitlich völlig unbedenklich sei. Der Durchschnittsverbraucher gehe aufgrund der Anzeige davon aus, dass der Gebrauch der E-Zigaretten gesundheitlich völlig unbedenklich sei. Diese ge­sundheitliche Unbedenklichkeit sei aber nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzu­setzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an der Geschäftsleitung zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen wie nachfolgend abgebildet für die E-Zigarette „Clever Smoke zu werben bzw. werben zu lassen:

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, ein Verstoß gegen § 5 a UWG liege nicht vor. Sowohl im Print- als auch in Online-Medien sei über die E-Zigarette sehr viel berichtet worden. Hierbei sei auch auf die Gefah­ren von E-Zigaretten hingewiesen worden, welche aber ausschließlich im Zusammenhang mit E-Zigaretten bestünden, die Nikotin und Teer enthalten. Nikotin und Teer sei aber gerade nicht Be­standteil der E-Zigarette „Clever smoke“. Ein Nachteil des Inhaltsstoffes Propylenglykol bestehe für Verbraucher nicht.

Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher wisse, dass die Auslobung als Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten zu verstehen sei. Da die E-Zigarette Clever Smoke weder Nikotin, Teer noch andere Schadstoffe beinhalte, sei sie im Ver­gleich zur konventionellen Zigarette „gesünder“. Die Auslobung sei daher nicht irreführend.

Ein Hinweis auf die Risikogruppen sei in der Werbung nicht erforderlich. Der Unternehmer müsse nicht über alle möglichen Umstände seines Angebots oder Geschäfts informieren. Ihn treffe keine generelle Aufklärungspflicht. Die Offenlegung aller Eigenschaften einer beworbenen Ware werde vom Verkehr gerade nicht erwartet.

Eine generelle Aufklärungspflicht bestehe nicht. Der durchschnittliche Verbraucher verstehe die Werbeauslobung auch nicht aufgrund der Werbeaussage „die gesündere Art zu rauchen, die geniale Alternative für den vollen Rauchgenuss“ dahingehend, dass die E-Zigarette für alle Personen vollständig unbedenklich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der eingereichten Anla­gen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 24.09.2012 verwiesen. Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist voll umfänglich begründet.

I.
Die Klägerin ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG klagebefugt. Sie ist in der vom Bundesamt für Jus­tiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

II.
Der Unterlassungsanspruch ist gem. §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 UWG hinsichtlich der streitgegen­ständlichen Werbung für die E-Zigarette „Clever Smoke“ begründet.

Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vor­nimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unter anderem zur Täuschung ge­eignete Angaben hinsichtlich der Risiken enthält.

Grundsätzlich besteht keine generelle Aufklärungspflicht bei allen nur denkbaren Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken, da dies der Verkehr nicht erwartet. Der Unternehmer muss grundsätzlich nicht über alles alle möglichen Umstände seines Angebotes oder Geschäfts informieren.

Die Offenlegung aller Eigenschaften einer beworbenen Ware einschließlich der weniger vorteil­haften wird zwar nicht erwartet, die Schwelle zu Unlauterkaut ist jedoch dann überschritten, wenn die bestehenden Sicherheits- oder Gesundheitsrisiken verharmlost werden oder der unzutreffen­de Eindruck der gesundheitlichen Unbedenklichkeit des Produkts erweckt wird (vgl. Köhler I Bor­nekamm, UWG, Randnummer 11. 117 zu § 4 UWG mit weiteren Nachweisen).

Die streitgegenständliche Werbung vergleicht die Clever-Smoke E-Zigarette ausdrücklich mit der Filterzigarette. Der Gesamteindruck der Werbeaussagen, „die gesündere Art zu rauchen, ohne Nikotin und Teer, Aroma nach Unbedenklichkeit geprüft“, erweckt für den durchschnittlichen Ver­braucher den Eindruck, dass das Produkt gesundheitlich völlig unbedenklich sei.

Erst nach dem Kauf kann durch Studium der Anleitung durch die Verbraucher festgestellt werden, dass die Zigarette für bestimmte, von der Werbung umfasste Zielgruppen (z. B. Schwangere) nicht vorbehaltlos geeignet ist.

Auch trockene Alkoholiker werden erst durch das Studium der Anleitung darauf hingewiesen, dass die Flüssigkeit Alkohol bzw. alkoholähnliche Stoffe enthält und damit für diese Risikogruppe nicht geeignet ist.

Die konkrete Aufmachung der Werbung erweckt den Anschein, dass die „Clever-Smoke“ Zigaret­te gesundheitlich völlig unbedenklich ist, und verschleiert damit, wie aus der Gebrauchsanwei­sung ersichtlich, bestehende Risiken für bestimmte Verbrauchergruppen, wie zum Beispiel Schwangere oder trockene Alkoholiker, die auch Zielgruppe der Werbung sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Beklagtenpartei, da die Hinweise in der Bedienungsanleitung ausreichend seien. Die von der Beklagten aufgeführten Beispiele bewer­ben ihre Produkte gerade nicht mit dem Eindruck, dass ihre Produkte gesundheitlich völlig unbe­denklich seien.

Die streitgegenständliche Werbung erweckt aber gerade bewusst den Eindruck, dass die E-Ziga­rette keinerlei Nachteile und Risiken mit sich bringt.

Beim durchschnittlich aufgeklärten informierten Verbraucher kann durch die Werbung der Eindruck entstehen, er könne dieses Produkt unbedenklich anwenden und verzichte auf die bekannten gesundheitlichen Nachteile des Zigarettenkonsums, ohne neue Gefahren einzugehen. So wird für schwangere Frauen, die auch Zielgruppe der Werbung sind, aus der Werbung nicht ersichtIich, dass sie gegebenenfalls ein neues, nicht unerhebliches Risiko eingehen.

Damit verstößt die Werbung gegen das Irreführungsverbot des § 5 UWG‘, so dass der Unterlas­sungsanspruch gem. §§ 8, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG begründet ist.

III.
Die Beklagte ist zudem verpflichtet, die Abmahnkosten in Höhe von 214,– Euro gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu zahlen. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf § 2918GB.

Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Voll­streckbarkeit § 709 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (hier).

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