LG Aurich, Urteil vom 27.11.2009, Az. 2 O 979/08
§ 280 Abs. 1 BGB, § 254 Abs. 1 BGB; § 10 TMG
Das LG Aurich hat entschieden, dass der Betreiber eines Internetportals gegenüber Kunden von dort tätigen Anbietern grundsätzlich nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn ein Anbieter sich betrügerisch verhält. Hatte der Betreiber davon keine Kenntnis, bestehe im Verhältnis zum Kunden des Anbieters keine vertragliche Nebenpflicht, ihn aufzuklären bzw. bei unterlassener Aufklärung Schadensersatz zu leisten. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Aurich
Urteil
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen – ihrer Auffassung nach – unterlassener Überwachung von Anbietern auf ihrem Internetportal auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte zu 2) ist Betreiberin eines Internetportals), das als Marktplatz für Waren und Dienstleistungen aller Art dient, die – in der Regel im Rahmen von Versteigerungen – von Nutzern angeboten, vertrieben und erworben werden können. Die Beklagte zu 2), die selbst keine Artikel anbietet und nicht Vertragspartner der allein zwischen den Nutzern abgeschlossenen Verträge wird, bietet für Beträge ab 200,– EUR einen so genannten Treuhandservice an. Dieser bedeutet, dass der Käufer den Kaufpreis auf ein treuhänderisch verwaltetes Konto zahlt und das Geld erst dann an den Verkäufer weitergeleitet wird, wenn der Käufer die Ware in einwandfreiem Zustand erhalten hat.
Die Klägerin erwarb über die Website unter den Artikelnummern 15… und 15…am 16.10.2007 mehrere Krügerrand-Goldmünzen zum Preis von 5.310,– EUR und 5.280,– EUR. Verkäufer war Herr M. L., über dessen Vermögen im Januar 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Krügerrand-Goldmünzen erhielt die Klägerin nicht. Von seitens der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Sicherungsmaßnahmen wie dem Treuhandservice oder PayPal machte die Klägerin keinen Gebrauch.
Die Klägerin behauptet, sie habe den Kaufpreis in Höhe von 5.310,– EUR und 5.280,– EUR an M. L. gezahlt.
Sie nimmt die Beklagte zu 2) – nachdem sie die zunächst gegen die Beklagte zu 1) erhobene Klage auf gerichtlichen Hinweis zurückgenommen hat – auf Schadensersatz in Anspruch. Sie meint, die Beklagte zu 2) habe ihre Überwachungspflichten hinsichtlich unseriöser Kaufangebote verletzt. Die Klägerin behauptet, bereits vor dem 16.10.2007 habe die Beklagte zu 2) Warnungen anderer Käufer erhalten, zumal Herr L. als Anbieter bereits seit mindestens November 2006 in betrügerischer Absicht Gold unterhalb des Einkaufspreises veräußert habe. Schon seit Anfang 2007 seien Warnhinweise von anderen Teilnehmern an die Beklagten abgegeben worden. Die Beklagte zu 2) habe den Anbieter daher nicht erst am 12.11.2007 sperren dürfen (wie unstreitig zu diesem Zeitpunkt geschehen), sondern hätte bei Befolgung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bereits früher einschreiten müssen, so dass der ihr – der Klägerin – entstandene Schaden vermieden worden wäre.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 10.568,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, keine Pflichten aus dem Nutzervertrag mit der Klägerin verletzt zu haben. Ihr sei über den Anbieter M. L. lediglich bekannt geworden, dass er Anfang November 2007 Insolvenz angemeldet habe. Sie habe davon erstmals am 12.11.2007 durch ein anderes Mitglied anhand einer weitergeleiteten Mitteilung des Herrn L. vom 09.11.2007 erfahren. Zuvor und insbesondere vor dem 16.10.2007 habe sie keine Anhaltspunkte dafür erhalten, dass der Anbieter in Betrugsabsicht handelte, ihm die Insolvenz drohte oder er aus anderen Gründen seine über e. B. abgeschlossenen Handelsgeschäfte nicht so erfüllte, dass er für andere -Nutzer keine Gefahr darstellte.
Schließlich habe sich die Klägerin ein weit überwiegendes, eine Haftung der Beklagten zu 2) auf Schadensersatz ausschließendes Mitverschulden vorwerfen zu lassen, da sie die zur Verfügung gestellten Sicherungsmechanismen (PayPal und Treuhandservice), mit denen sich Käufer bei Kaufpreiszahlung vor einem Nichterhalt des Artikels schützen können, nicht genutzt habe, was als solche unstreitig ist.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, d.h. im Verhältnis zur Beklagten zu 2), nicht begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 2) keine Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus § 280 Abs. 1 BGB zu.
Dabei kann dahin stehen, ob die Klägerin – was die Beklagte zu 2) zulässigerweise mit Nichtwissen bestreitet und wofür die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 05.11.2009 keine unmittelbar beweiserheblichen Belege vorgelegt hat – die Kaufpreise in Höhe von 10.568,– EUR (entsprechend der Höhe der Klageforderung) bzw. von 10.590,– EUR (entsprechend der Summe der beiden vorgetragenen Kaufpreise) an Herrn L. entrichtet hat, so dass ihr ein Schaden (jedenfalls) in Höhe der Klageforderung entstanden wäre. Die im Termin vorgelegte Bestätigung des Insolvenzgerichts, der beglaubigte Auszug aus der Insolvenztabelle über die Feststellung einer Forderung der Klägerin über insgesamt 11.405,52 EUR (kaufvertragliche Forderung über 10.568,– EUR und Kosten von 837,52 EUR) stellt insoweit lediglich ein Indiz dar, ebenso wie entsprechende Angaben in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte. Denn selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin eine Zahlung in Höhe der Klageforderung an Herrn L. unterstellt, kann dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Die Klägerin hat den Beweis einer von der Beklagten zu 2) zu vertretenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten vor dem 16.10.2007 als dem Zeitpunkt des behaupteten Schadenseintritts nicht geführt. Zwar besteht zwischen den Parteien (der Klägerin als Nutzerin und der Beklagten zu 2) als Anbieterin der Website) ein als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizierendes Vertragsverhältnis, kraft dessen die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Im konkreten Fall umfasst diese Schutzpflicht insbesondere die Verpflichtung der Beklagten zu 2), ihre Vertragspartner vor betrügerischen Maßnahmen anderer Nutzer im Rahmen des ihr Möglichen zu schützen. Ob bei dem Anbieter (M. L.) ein betrügerisches Vorgehen gegenüber Käufern vorlag, was die Beklagte bestreitet, kann dabei ebenfalls offen bleiben. Denn selbst wenn dies zuträfe (die Hauptverhandlung über den entsprechenden Vorwurf der Staatsanwaltschaft wurde von dem angerufenen Amtsgericht W. bislang nicht eröffnet), hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte zu 2) hiervon vor dem 16.10.2007 bereits Kenntnis hatte. Die Beklagte zu 2) ist als Diensteanbieter gemäß § 10 TMG für fremde Informationen, die Nutzer ihrer Website in ihren Angeboten verbreiten und die die Beklagte zu 2) für die Nutzer speichert, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen oder Informationen hat und ihr im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder Information offensichtlich wird, oder sofern sie bei entsprechender Kenntniserlangung unverzüglich tätig geworden ist, um die Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.
Eine derartige Kenntnis der Beklagten zu 2) von einem betrügerischen Angebot von Goldartikeln durch M. L. vor den streitgegenständlichen Transaktionen vom 16.10.2007 hat die Klägerin bereits nicht schlüssig dargelegt. Ihr Verweis auf der Klageschrift beigefügte unleserliche Ausdrucke von angeblichen „Warnhinweisen“ anderer Teilnehmer an die Beklagten aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte (Bl. 6 f. d.A.) genügt hierfür nicht. Auf die wegen der schlechten Kopiequalität fehlende Lesbarkeit dieser Anlagen ist die Klägerin bereits mit richterlicher Verfügung vom 27.11.2008 (vgl. Bl. 17 d.A.) hingewiesen worden. Daraufhin hat sie lediglich vortragen lassen, bessere Ablichtungen aus der Strafakte lägen ihr nicht vor, sie wolle die Anlagen unaufgefordert nachreichen. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist das nicht geschehen, weil es ihr – wie sie vorträgt – trotz mehrfacher Versuche nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig Akteneinsicht zu erlangen. Auch ein Hinweis der Klägerin, wo in der im Termin vorliegenden Ermittlungsakte sich die betreffenden „Warnhinweise“ finden sollen, ist nicht erfolgt. Angesichts des aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlichen erheblichen Umfangs der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft R. hätte es näheren Vortrags der Klägerin zur Auffindbarkeit der behaupteten „Warnhinweise“ bedurft.
Wenn die Klägerin nunmehr mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.11.2009 unterstellt, es sei nach Beiziehung der Ermittlungsakte davon auszugehen, dass der klägerische Sachvortrag, der sich ganz überwiegend auf die Erkenntnisse des dortigen Verfahrens stützt, gerichtsbekannt war, verkennt das grundlegende Prinzipien des Zivilprozesses. Es wäre an der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin gewesen, spätestens auf den frühzeitigen Hinweis auf die Unleserlichkeit der mit der Klageschrift eingereichten Anlagen hin substantiiert dazu vorzutragen, aus welchen Vorgängen, Mitteilungen oder sonstigen Erkenntnissen sich die behauptete Kenntnis der Beklagten zu 2) vor dem 16.10.2007 ergeben soll und wo sich die vorgetragenen Belege in der Ermittlungsakte befinden. Die Klägerin wird nicht ernsthaft davon ausgehen wollen, mit einer beantragten Beiziehung der Ermittlungsakte und dem pauschalen Hinweis darauf, das Gericht habe folglich von sämtlichen Ergebnissen des dortigen Verfahrens Kenntnis genommen, habe sie ihrer Darlegungs- und Beweislast genügt! Es gibt daher entgegen der Mutmaßung der Klägerin auch keine „dort gewonnenen Erkenntnisse, die nunmehr als gerichtsbekannt anzusehen“ wären und – wie von der Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.11.2009 beantragt – den Prozessparteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt zu geben wären, geschweige denn Ablichtungen oder Vermerke aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte. Insbesondere zu der Frage, ab wann und in welcher Weise die Beklagte zu 2) durch Meldungen von Dritten von einer Unzuverlässigkeit des M. L. Kenntnis erlangte, liegen der Kammer schon deshalb keine weitergehenden Erkenntnisse vor, weil die Klägerin nicht aufgezeigt hat, aus welchem konkreten Inhalt der Ermittlungsakte sich diese ergeben sollen. Zumindest hinsichtlich der erklärtermaßen unleserlichen Kopien, die als Anlage zur Klageschrift eingereicht wurden, hätte es der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten möglich sein müssen und oblag es ihnen, Art und Fundstelle der Dokumente (Bl. 5-7 d.A.) anzugeben. Das ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht geschehen.
Soweit die Klägerin erstmals mit ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 17.11.2009 den Inhalt von Bl. 6 und 7 d.A. zitiert und darauf hinweist, die Kopien wiesen die handschriftlichen Blattnotierungen „256“ und „257“ auf (was auf den der Kammer als Teil der Gerichtsakte vorliegenden Kopien nicht lesbar, sondern allenfalls auf Hinweis nachvollziehbar ist), ist das jedenfalls verspätet geschehen. Die „Originale“ dieser Unterlagen hat das Gericht aus den bereits hinlänglich erörterten Gründen nicht zur Kenntnis genommen.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Ausdruck unter anderem einer Email eines namentlich nicht bekannten Verfassers, die am 19.09.2007 verschickt worden sei, vorgelegt hat, gilt nichts anderes. Daraus eine entsprechende Kenntnis der Beklagten zu 2) vor dem 16.10.2007 ableiten zu wollen, setzt den Zugang der Nachricht bei der Beklagten zu 2) oder einer von ihr in die Überwachung der Website eingeschaltete Stelle als Erfüllungsgehilfin voraus. Für den der Klägerin insoweit obliegenden Zugangsnachweis ist kein tauglicher Beweis angetreten worden. Es erschließt sich nicht, inwieweit der im Termin gestellte Antrag der Klägerin nach § 428 ZPO diesen Beweis (des Zugangs der Email bei der Beklagten zu 2)) zu erbringen geeignet sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, um welche Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO es sich handeln sollte (eine Privaturkunde nach § 416 ZPO, eine öffentliche Urkunde nach § 415, 417 oder 418 ZPO oder einen Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments nach § 416a ZPO?!). Wenn sich die Klägerin einen Ausdruck der betreffenden Email durch ihren Verfasser vorstellen sollte, wäre dies keine Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO. Selbst wenn es eine Urkunde wäre, so scheiterte eine Anordnung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO gegenüber einem Dritten schon daran, dass der Absender der Email nicht namentlich bekannt ist. In Betracht käme es allenfalls, der Klägerin als Beweisführerin zur Herbeischaffung eine Frist zu setzen, was die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch verzögern würde, obwohl die verspätete Vorlage von Belegen für die Kenntnis der Beklagten von betrügerischen Goldangeboten des M. L. vor dem 16.10.2007 auf grober Nachlässigkeit der Klägerin beruht. Denn obwohl ihr bereits im November 2008 aufgegeben worden war, die Anlagen zur Klageschrift (darunter auch Bl. 6 und 7 d.A., die in der Klageschrift als seit Anfang des Jahres 2007 abgegebene Warnhinweise an die Beklagte in Email-Form bezeichnet werden) in lesbarer Form vorzulegen, ist dies bis zur mündlichen Verhandlung vom 05.11.2009 nicht nachgeholt worden, obwohl es der anwaltlich vertretenen Klägerin innerhalb fast eines Jahres möglich gewesen sein muss, Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und damit lesbare Kopien zu erlangen. Dem Beweisantritt nach § 428 ZPO war damit unter mehreren Gesichtspunkten (keine Urkunde, Verspätung) nicht nachzugehen.
In inhaltlicher Hinsicht bietet die angeblich am 19.09.2007 versandte Email keinen ausreichend deutlichen Hinweis darauf, dass M. L. bereits zu diesem Zeitpunkt in betrügerischer Weise Kaufverträge mit Kunden abgeschlossen hatte, bei denen er zumindest in bedingt vorsätzlicher Weise billigend in Kauf nahm, dass er seine Lieferverpflichtung nicht würde erfüllen können. Wenn es ihm bis zu diesem Zeitpunkt immer noch möglich war, durch neue Kaufvertragsabschlüsse ausreichende Mittel zu akquirieren, um die bestehenden Verpflichtungen trotz entgegen seiner Erwartung steigenden Goldpreises zu erfüllen, bestand auch noch keine Veranlassung für einen gegen ihn gerichteten Betrugsvorwurf. So werden in der vorgelegten Email lediglich lange Lieferzeiten (!) von 25 Werktagen bzw. 30 Kalendertagen gerügt, Verkäufe unterhalb des tatsächlichen Goldpreises, Verstöße gegen die AGB von e.B. und unzutreffende Aussagen zur Bedeutung einer PayPal- bzw. Verifizierung des Anbieters. Es wird seitens des Verfassers damit allenfalls die Befürchtung geäußert, Kunden von e. B. könnten durch den Anbieter zu Schaden kommen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob sich daraus bereits eine hinreichende Veranlassung für die Beklagte zu 2) hätte ergeben müssen, den Anbieter zu sperren. Dies braucht jedoch angesichts des bestrittenen und von der Klägerin nicht bewiesenen Zugangs der Email in der Sphäre der Beklagten zu 2) nicht entschieden zu werden.
Selbst wenn man jedoch abweichend davon die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch seitens der Beklagten zu 2) unterlassene Sperrung des Anbieters vor dem 16.10.2007 annehmen wollte, scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin jedenfalls deshalb aus, weil sie die entscheidende Ursache für den behaupteten Schaden dadurch gesetzt hat, dass sie auf die Nutzung zur Verfügung gestellter Sicherungsmechanismen wie PayPal oder Treuhandservice verzichtet hat (§ 254 Abs. 1 BGB). Eine Nutzung dieser Mechanismen empfiehlt die Beklagte zu 2) ausdrücklich für Kaufpreiszahlungen von über 200,– EUR. Für die von der Klägerin behaupteten Kaufpreiszahlungen in insgesamt fünfstelliger Euro-Höhe wäre sie daher allemal angebracht gewesen. Hätte die Klägerin den Treuhandservice in Anspruch genommen und den Kaufpreis auf ein Treuhandkonto überwiesen, so wäre der ihrerseits behauptete Betrug durch Herrn L. nicht möglich gewesen, weil der Kaufpreis erst dann an ihn weitergeleitet worden wäre, wenn die Klägerin als Käufer die Ware in einwandfreiem Zustand erhalten hat. Der Klägerin wäre dann überhaupt kein Schaden entstanden. Durch die Nichtnutzung des Treuhandservices hat die Klägerin damit den behaupteten Schaden so überwiegend selbst verursacht, dass eine eventuell bestehende Mitverantwortlichkeit der Beklagten zu 2) demgegenüber vollständig zurückträte.
Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) besteht keine Veranlassung. Insoweit wird auf die Ausführungen, die sich oben im jeweiligen Kontext finden, verwiesen. Insbesondere hat die Kammer keine Hinweispflichten verletzt (mit der Folge einer zwingenden Wiedereröffnung, § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), wie die Klägerin mit ihrem Verweis auf die Kommentierung bei Zöller/Greger (ZPO, 27. Auflage 2009, § 296 Rn. 14a) suggeriert (danach fehlt es trotz Verspätung an einer Verfahrensverzögerung im Sinne von § 296 ZPO, wenn das Gericht bei sachgerechter Terminsvorbereitung die Verzögerung noch hätte verhindern können). Bereits vor fast einem Jahr ist die Klägerin mit richterlicher Verfügung vom 27.11.2008 (Bl. 17 d.A.) auf die unzureichenden Kopien zur Klageschrift hingewiesen worden. Im abschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.11.2009 hat das Gericht diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstandes lediglich noch einmal aufgegriffen. Die Klägerin hat es jedoch weder für erforderlich erachtet, einen Schriftsatznachlass auf diese vermeintlich neuen Hinweise zu beantragen, noch hat sie nähere (insbesondere konkrete) Verweise auf die im Termin vorliegende Ermittlungsakte vorgenommen. Diese Versäumnisse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kann die Klägerin nicht nunmehr durch ihre Anträge im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.11.2009 kompensieren. Dass der Sachverhalt „noch nicht hinreichend aufgeklärt“ sei, wie sie im Zusammenhang mit dem Wiedereröffnungsantrag meint, ist im Zivilprozess sicherlich nicht vom Gericht zu vertreten und bietet jedenfalls keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 10.568,– EUR festgesetzt.