LG Berlin: Hinweis auf das Widerrufsrecht durch Grafik oder Link „Rechtsbelehrung“ unzureichend

veröffentlicht am 1. November 2007

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Berlin, Beschluss vom 09.10.2007, Az. 137 C 293/07
§§ 242, 311 BGB, § 522 Abs. 2 ZPO

Das Landgericht Berlin ist der Auffassung, dass der gesetzlich geforderte deutliche Hinweis auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht erbracht wird, wenn die Widerrufsbelehrung allein unter Rubrik „mich“ oder unter einem sog. „sprechenden“ Link („Rechtsbelehrung“). Unter der Rubrik „mich“ vermute niemand Belehrungen, da die Belehrung über das Widerrufsrecht nicht verkäuferbezogen sei. Auch der Button „Rechtsbelehrung“ reiche insoweit nicht aus: Die Kennzeichung des Links muss klar erkennen lassen, dass überhaupt eine Widerrufsbelehrung aufgerufen werden kann, was sich aber aus dem schlichten Begriff „Rechtbelehrung“ keineswegs ergibt, da eine Vielzahl von Rechten denkbar ist, über die die Beklagte hätte belehren können wollen. Die Verwendung einer Grafik gewährleiste nicht, dass die Informationen unabhängig vom verwendeten Browser und auch für sehbehinderte Mitglieder abrufbar sei. Dies ergebe sich aus den verfahrensgegenständlichen Angaben von ebay.

Landgericht Berlin

Beschluss

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung
gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

1.
Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung haben keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis zu bestätigen, wenn auch mit einer anderen Bestimmung. Dies steht einer Zurückweisung gem. § 522 Abs. 2 ZPO indes nicht entgegen (OLG Hamburg,
NJW 2006, 71).

a)
Die Beklagte verstieß durch das Angebot vom 18.07.2006 gegen die Unterlassungserklärung. Es kann dahinstehen, ob – wie der Kläger behauptet – die (allerdings zutreffende) Belehrung lediglich auf der „mich“-Seite der Beklagten oder über de nicht weiter erläuterten Button „Rechtsbelehrung“ (so bereits in Anl.
K2, Bl. 10 dA) erreichbar war, oder ob – wie die Beklagte behauptet – auf diese Belehrung in einer Grafik
unter der Überschrift „Rückgaberecht“ (Anl. B1, Bl. 59 d.A.) hingewiesen worden war. Keine dieser Möglichkeiten genügt nämlich der in der Unterlassungserklärung vereinbarten Informationspflicht über die Rechtsfolgen des Widerrufs bzw. Rückgaberechts.

Unter der Rubrik „mich“ vermutet niemand Belehrungen, da die Belehrung über das Widerrufsrecht kaufbezogen und nicht verkäuferbezogen ist (OLG Hamm, NJW: 2005, 2319); auch im Streitfall befand sich das „mich“ aber nach dem Vortrag des Klägers unter der Rubrik „Angaben zum Verkäufer“. Auch der Button „Rechtsbelehrung“ reicht insoweit nicht aus: Die Kennzeichung des Links muss klar erkennen lassen, dass überhaupt eine Widerrufsbelehrung aufgerufen werden kann (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2006 – 6 U 129/06, Bl. 186ff d.A.), was sich aber aus dem schlichten Begriff „Rechtbelehrung“ keineswegs ergibt, da eine Vielzahl von Rechten denkbar ist, über die die Beklagte hätte belehren können wollen.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass der Hinweis auf die Rechtsbelehrung unter der Überschrift „Rückgaberecht“ (dort ist allerdings die Rede von der „nachfolgenden Rückgabebelehrung“) der Informationspflicht genügt, reicht dies wegen der Verwendung in einer Grafik nicht aus. Die Kammer hat davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen nicht gewährleistet, dass die Informationen unabhängig vom verwendeten Browser und auch für sehbehinderte Mitglieder abrufbar sind. Dies ergibt sich aus den Angaben von ebay (Anl. K9 Bl. 101 d.A.); auch das OLG Frankfurt hat wohl auf das mögliche Informationsdefizit bei der Nutzung des WAP-Portals von Ebay hingewiesen (Beschluss vom 6.11.2006 – 6 W 203/06, – offenbar nicht veröffentlicht). Angesichts dieser Umstände obliegt der Beklagten – entgegen Ihrer Ansicht – die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass auch bei Verwendung einer Grafik die Übermittlung der Information gewährleistet ist. Dieser Last ist sie nicht dadurch gerecht geworden, dass sie auf ihren als Anl. B1 vorgelegten Ausdruck verweist, da diese die geäußerten Bedenken nicht ausschließen kann.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger nicht aus der Unterlassungserklärung vorgehen könnte, da er nicht Mitbewerber sei. Denkbar wäre insoweit zwar eine Kündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 311 BGB) sowie der Einwand des Rechtsmissbrauchs; beides findet aber nur bei Gesetzesänderungen, Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder höchstrichterlicher Klärung einer umstrittenen Frage Anwendung (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 12 Rnr. 1.58ff; 1.62). Hier geht es indes lediglich um die – ohnehin streitige – Aktivlegitimation des
Klägers. Hinreichende Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) liegen nicht vor; der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 6.12.2006, dort S. 11 (Bl. 53 d.A.; nicht angepasster Serienbrief, keine Kenntnis des Klägers) reichen insoweit nicht aus.

b)
In der Belehrung vom 1.8.2006 über die Pflicht zum Wertersatz bei der durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung der Ware liegt kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte in der Unterlassungserklärung eine zutreffende Belehrung versprochen hatte und ob – bejahendenfalls – die tatsächliche Belehrung wegen Fehlens der Textform unrichtig war (dafür etwa: LG Berlin, Beschluss vom 15.03.2007 – 52 O 88/07). Denn jedenfalls setzt die Verwirkung einer Vertragsstrafe Verschulden voraus (s. nur etwa Bornkamm, aaO., Rnr. 1.150 mwNw). Im Streitfall lässt sich jedoch nicht einmal eine Fahrlässigkeit der Beklagten begründen. Am 1.8.2006 war nämlich lediglich die grundlegende Entscheidung des Kammergerichts vom 18.8.2006 zur Frage der Textform bei Ebay-Käufen ergangen, ohne dass man allerdings – schon wegen der bekannten Verzögerung bei der Veröffentlichung – von Gewerbetreibenden erwarten könnte, dass sie binnen etwa zwei Wochen davon Kenntnis nehmen und ihr Verhalten danach ausrichten. Dass die Beklagte vor Bekanntwerden dieser Rechtsprechung offenbar davon ausging, dass bei Ebay-Angeboten die Textform gewahrt sei, kann man ihr nicht vorwerfen.

2.
Die Sache hat keine grundlegende Bedeutung: auch ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2
Nr. 2 und 3 ZPO).

I