LG Berlin: Nicht jede Werbung mit dem Hinweis „FCKW-frei“ ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 17. Dezember 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Berlin, Beschluss vom 06.09.2011, Az. 15 O 332/11
§ 3 UWG, § 5 Abs. 1 UWG

Das LG Berlin hat entschieden, dass nicht jede Werbung mit dem Hinweis „FCKW-frei“ eine Irreführung darstellt, da es sich um einen gesetzlich bedingten Umstand und somit eine Selbstverständlichkeit handele. Dies sei vielmehr erst dann der Fall, wenn der Hinweis im Schriftbild hervorgehoben werde. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Berlin

Beschluss

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin am 06.09.2011 durch … beschlossen:

1. Der auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag vom 23.08.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

3 Der Verfahrenswert wird auf 6.666,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO statthaft, in der Sache indes auch mit dem zuletzt angekündigten Antrag nicht begründet.

I.
Der Antragsteller hat Folgendes vorgetragen:

Er und die Antragsgegnerin betrieben je einen Online-Handel, über den (auch) Haushaltsgeräte vertrieben werden. Anfang August 2011 habe ein Mitarbeiter des Antragstellers festgestellt, dass die Antragsgegnerin im Rahmen des von ihr betriebenen Online-Shops in die Produktbeschrei­bung für verschiedene Haushaltsgeräte (Kühlschränke) die Angabe „FCKW- und FKVV-frei“ auf­genommen hatte. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.08.2011 wies der Antragsteller die Antragsgegnerin darauf hin, dass es sich bei dieser Angabe aus seiner Sicht um eine irreführende Werbung handele und forderte sie – vergeblich – zur Abgabe einer strafbe­wehrten Unterlassungserklärung auf.

Der Antragsteller macht geltend, die Verwendung der Substanz „FCKW“ sei als Kältemittel bei der Produktion von Kühlschränken seit Inkrafttreten der sog. „Halon-Verbots-Verordnung“ im Jahre 1991, die mittlerweile durch die „Chemikalien-Ozonschichtverordnung“ abgelöst sei, im Geltungs­bereich dieser Verordnungen untersagt, so dass Kühlschränke, bei deren Herstellung auf „FCKW“ verzichtet werde, dem gesetzlich angeordneten Standard entsprächen. Auch die Verwendung der Substanz „FKW“ als Kältemittel sei wegen der negativen Auswirkungen dieser Substanz auf die Umwelt in Europa weitgehend geächtet, und der Handel mit dieser Substanz durch die Ver­ordnung EG Nr. 1005/2009 reglementiert. Gänzlich verboten sei diese Substanz als Kältemittel je­doch nicht.

Er ist der Auffassung, jedenfalls eine Bewerbung von Kühlschränken mit der Angabe „FCKW-frei“ sei als Werbung mit einer Selbstverständlichkeit irreführend und löse daher einen Unterlassungsanspruch aus.

II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch mit dem zuletzt angekündigten Antrag nicht begründet.

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass das Vorbringen des Antragstellers, der sich zur Begrün­dung seines Antrages auf die Rechtsprechung zu einer irreführenden Werbung mit Selbst­verständlichkeiten stützt, dahin verstanden werden muss, dass er das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt einer irreführenden Werbung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG angreifen will.

Die von dem Antragsteller beanstandete Angabe betreffend den Verzicht auf „FCKW und FKW“, die die Antragsgegnerin in die Produktbeschreibung verschiedener von ihr vertriebener Kühl­schränke aufgenommen hat, ist indes in ihrem Gesamtkontext und unter Berücksichtigung des Verkehrsverständnisses nicht als irreführende Werbung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG anzu­sehen.

Der Antragsteller hat nicht geltend gemacht, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin in die Produktbeschreibung aufgenommenen Angabe „FCKW- und FKW-frei“ um eine in der Sache un­zutreffende Beschreibung der von ihr angebotenen Produkte handele, so dass diese Angabe nicht objektiv unrichtig im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG ist.

Soweit der Antragsteller darauf verweist, bei der angegriffenen Angabe handele es sich zumindest hinsichtlich des Hinweises „FCKW-frei“ um eine irreführende Werbung mit Selbstverständlich­keiten, vermag dies bei der hier zur beurteilenden Fallgestaltung nicht zu überzeugen. Zwar ist an­erkannt, dass eine Werbung, die eine Selbstverständlichkeit herausstellt, trotz objektiver Rich­tigkeit der Angaben gegen § 5 UWG verstoßen kann, sofern das angesprochene Publikum an­nimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird (BGH Urteil vom 23.10.2008, Az.: I ZR 121/07 – irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten, zitiert nach juris, dort Rand­ziffer 2). Diese Grundsätze mögen ferner im Einzelfall auch für eine Produktwerbung unter Ver­wendung der Angabe „FCKW-frei“ gelten, wenn der Verkehr mit dieser Angabe im Gesamtkontext der Werbung eine Produkteigenschaft herausgestellt sieht, die ihn zu der – angesichts des ge­setzlichen Verbotes – irrigen Annahme bringt, die angepriesene Ware weise im Vergleich zu Kon­kurrenzprodukten eine besondere (positive) Eigenschaft (Umweltverträglichkeit) auf, aufgrund de­rer sie ihren Konkurrenzprodukten vorzuziehen sei (BGH a.a.O.).

Im hier zu entscheidenden Fall ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ein für die Be­gründung des Irreführungstatbestandes ausreichender Teil des Verkehrs in der Eigenschaft, der den von der Antragsgegnerin angebotenen Kühlschränken mit der von dem Antragsteller ange­griffenen Angabe zugemessen wird, irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, ins­besondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei der Konkurrenz erwarten kann.

Die Frage, in welchem Sinne eine Werbeaussage zu verstehen ist, ist nach dem Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH in GRUR 2003, 249 – 250 – Preis ohne Monitor, zitiert nach juris dort Randziffer 12 m. w. N.). Dabei ist der Be­deutungsgehalt einer Werbeaussage anhand des Gesamtkontextes, in den sie gestellt worden ist, zu ermitteln, so dass sich eine zergliedernde Betrachtungsweise, bei der einzelne Bestandteile einer zusammenhängenden Werbeaussage isoliert betrachtet und für sich genommen auf ihr Irre- führungspotential hin untersucht werden, verbietet.

Vorliegend hat die Antragsgegnerin in die Produktbeschreibung verschiedener von ihr beworbener Kühlschränke unter dem einleitenden Stichwort „umweltbewusstes Kühlen“ die Angabe „FCKW- und FKW-frei“ aufgenommen.

Diese Angabe wird von den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Mitglieder der Kammer zählen, zunächst dahin verstanden, dass bei der Produktion der von der Antragsgegnerin zum Kauf angebotenen Kühlschränke auf zwei potentiell umweltschädliche Stoffe, nämlich auf „FCKW“ und auf „FKVV“ verzichtet werde.

Mit dieser Vorstellung ist im hier zu entscheidenden Fall, indes nicht die – unzutreffende – Erwar­tung verbunden, dass sich das von der Antragsgegnerin mit dieser Angabe angepriesene Produkt insoweit von Konkurrenzprodukten unterscheide, als diese die angepriesene Eigenschaft nicht ohne weiteres aufweisen, obwohl dies tatsächlich anzunehmen ist, weil der Verzicht auf die ge­nannten Stoffe bei der Herstellung von Kühlschränken gesetzlich vorgeschrieben oder derart branchenüblich ist, dass – auch im Online-Handel – faktisch nur Geräte angeboten werden, die tat­sächlich nicht nur „FCKW-frei“ sondern auch „FKW-frei“ hergestellt worden sind.

Angesichts des Umstandes, dass sich hinsichtlich der Verwendung des Kältemittels „FKVV“ weder ein gesetzliches Verbot feststellen lässt, aufgrund derer die „FKW-freie“ Produktion von Kühl­schränken zu dem von den Herstellern geschuldeten Standard zählte, noch belastbare An­haltspunkte für einen allgemeinen und mittlerweile als selbstverständlich etablierten Verzicht der Hersteller auf seine Verwendung bestehen, kann in dem Hinweis darauf, dass ein Kühlschrank „FKVV-frei“ sei, keine potentiell zur Irreführung geeignete Angabe mit einer bei allen vergleich­baren Produkten ohnehin vorzufindenden Eigenschaft gesehen werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall auch der weitere Hin­weis auf den Verzicht auf den Stoff „FCKW“ als hinsichtlich der Umweltverträglichkeit positiv zu bewertende Produkteigenschaft nicht als unlautere Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar.

Denn selbst wenn unterstellt wird, dass ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise trotz des seit rund 20 Jahren bestehenden Verbots der Verwendung von „FCKW“ für verschie­denste Produkte und trotz der öffentlichen Diskussion über die umweltschädlichen Eigenschaften dieses die Ozonschicht angreifenden Stoffs, bei einer isolierten Anpreisung dieser Eigenschaft nicht erkennt, dass es sich hierbei um den als selbstverständlich vorauszusetzenden Standard handelt (vgl. hierzu Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 29. Aufl. 2001, Rn. 2.115 zu § 5 UWG), son­dern dass ein relevanter Teil des Verkehrs statt dessen zu der Auffassung gelangen kann, dass es sich bei dieser Angabe nicht nur um einen klarstellenden Hinweis auf eine vor dem Hintergrund der Umweltverträglichkeit bei der Produktion von Kühlschränken zu beachtende Eigenschaft, son­dern um ein besonderes Merkmal der angebotenen Produkte handeln müsse, liegt ein derartiges Verkehrsverständnis bei der hier angegriffenen Angabe eher fern.

Denn im vorliegenden Fall wird der Verkehr mit der Formulierung „FCKW- und FKW-frei“ vor allem darauf hingewiesen, dass bei der Produktion des angebotenen Kühlschrankes nicht nur auf den – bekanntermaßen – umweltschädlichen Stoff „FCKW“, sondern außerdem auch auf eine – mitt­lerweile ebenfalls als Treibhausgas erkannte aber gleichwohl noch nicht allgemein aus der Pro­duktion kühlender Gerätschaften verbannte – ersatzweise als Kältemittel genutzte Substanz mit der Bezeichnung „FKW“ verzichtet werde, so dass die den angesprochenen Verkehrskreisen mit dieser Angabe vermittelte positive Produkteigenschaft in erster Linie darin liegt, dass bei der Her­stellung des Kühlschrankes auch auf den Einsatz von „FKW“ als Ersatz für das allgemein ge­ächtete „FCKW“ verzichtet worden ist. Der angesprochene Verkehr geht mithin davon aus, dass die beworbene Rücksichtnahme auf Belange der Umwelt gerade durch das Fehlen beider klima­schädlicher Substanzen (FCKW und Austauschstoff) und nicht nur durch das Fehlen des allge­mein geächteten FCKW begründet wird. Mit einem Hinweis auf den gleichzeitigen Verzicht auf „FCKW‘ und auf den potentiellen Austauschstoff „FKW“ hebt die Antragsgegnerin daher nach Aktenlage keine Eigenschaft der von ihr beworbenen Produkte in unlauterer Art und Weise hervor, die der angesprochene Verkehr ohne weiteres bei allen in Betracht zu ziehenden Konkurrenz­produkten als selbstverständlich voraussetzen kann.

Insoweit ist bei der Beurteilung der Täuschungseignung und der Unlauterkeit der angegriffenen Werbeaussage auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das im Einzelfall eingreifende Ver­bot einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten nicht dazu führen darf, dass der Werbende daran gehindert wird, auf die objektiv zutreffenden Vorzüge seines Produktes hinzuweisen (vgl. hierzu Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 29. Aufl. 2011, Rdnr. 2.116 zu § 5 UWG) und dass sich in den Fällen, in denen – wie hier – die Täuschung des Verkehrs lediglich auf einem unrichtigen Ver­ständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruhen kann, grundsätzlich eine höhere Irre­führungsquote feststellen lassen muss, als im Falle einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben, wenn die werbende Angabe als unlauter untersagt werden soll (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996, Az : I ZR 76/94 – PVC-frei, zitiert nach juris, dort Randziffer 18).

Schließlich ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Hinweis darauf, dass ein Produkt nicht nur „FCKW“, sondern auch „FKVV-frei“ ist, angesichts der mit der Verwendung beider Kältemittel „FCKW“ und „FKW“ einher gehenden Umweltbelastungen auch einem Publikumsinteresse an einer Produkt­information Rechnung trägt, die erkennen lässt, auf welche umweltschädlichen Substanzen – sei es aufgrund gesetzlichen Verbots, sei es aufgrund einer freiwilligen Beschränkung – bei der Her­stellung eines Kühlschrankes verzichtet worden ist (BGH, Urteil vom 23.05.1996, Az. I ZR 76/94 – PVC-frei, zitiert nach juris, dort Randziffern 19 und 21).

Nach alledem ist jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall, in dem die Angabe „FCKW-frei“ nicht losgelöst von dem Gesamtkontext der Produktinformation betrachtet werden kann, nicht davon auszugehen, dass ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise der angegriffenen An­gabe irrtümlich die Bedeutung eines Hinweises auf eine besondere Produkteigenschaft beimisst, die den angebotenen Kühlschrank zu Unrecht als mit Vorteilen ausgestattet erscheinen lässt, die ohnehin bei jedem Kühlschrank anzutreffen sind.

Ein auf § 5 Abs. 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch des Antragstellers scheidet damit aus. Auch das Vorliegen weiterer Unlauterkeitstatbestände ist nicht ersichtlich, so dass es bereits an dem für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsanspruch fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und folgt der Angabe in der Antragsschrift (zwei Drittel von 10.000,00 EUR Haupt­sachewert).

Auf die Entscheidung hingewiesen hat der – Anfang Oktober 2011 verstorbene Kollege – RA Dennis Sevriens (hier).

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