LG Bielefeld: Apotheke darf keinen 5-EUR-Rabatt für Teilnahme an „Marktforschungsumfrage“ einräumen

veröffentlicht am 5. Juli 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Bielefeld, Urteil vom 11.01.2013, Az. 15 O 173/12
§ 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 7 Abs. 1 HWG

Das LG Bielefeld hat einer Apotheke verboten, mit dem Hinweis „Wir wollen Sie noch besser bedienen – bitte beantworten Sie uns dazu drei kurze Fragen, 5,00 EUR Marktforschungs-Rabatt für Ihre Antworten!“ zu werben. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich um einen Bar-Rabatt, der mit 5,00 EUR nicht mehr geringwertig ist und somit nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG bei europarechtlicher Auslegung verboten ist. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Bielefeld

Urteil

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird es dem Antragsgegner untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel mit den gemäß der Anlage A 1 ersichtlichen Versprechen.

„Wir wollen Sie noch besser bedienen – bitte beantworten Sie uns dazu drei kurze Fragen, 5,00 EUR Marktforschungs-Rabatt für Ihre Antworten!“

zu werben und/oder den angekündigten Rabatt zu gewähren. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei das einzelnen Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 EUR und die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Der Antragsgegnerin ist Apotheker; er führt eine Apotheke in S. und betreibt zugleich unter der Bezeichnung P.-apotheke eine Versandapotheke. Anfang Dezember 2012 warb der Antragsgegner für ausgewählte von ihm in seiner Versandapotheke angebotene Arzneimittel wie aus der Anlage A 1 ersichtlich. Bestandteil dieser Werbung ist unter der Überschrift „Wir wollen Sie noch besser bedienen – bitte beantworten Sie uns dazu drei kurze Fragen. 5,00 € Marktforschungs-Rabatt für Ihre Antworten!“ ein Fragebogen mit drei Fragen, für deren Beantwortung bei einer anschließend Bestellung 5,00 € als sog. Marktforschungsrabatt abgezogen werden. Wegen des Inhalts der Fragen und zur weiteren Ausgestaltung der Werbung wird auf die beigeheftete Anlage A 1 verwiesen.

Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner deswegen (und wegen anderer Punkte, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind) mit Schreiben vom 04.12.2012 ab und rügte einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG. Da der Antragsgegner der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachkam, hat der Antragsteller das vorliegende Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung angestrengt (Antragseingang: 20.12.2012), mit dem er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Antragsteller macht geltend: Der Marktforschungsrabatt sei eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG, da in der Beantwortung der Fragen keine vom Teilnehmer zu erbringende adäquate wirtschaftliche Gegenleistung liege. Werbegaben im Zusammenhang mit dem Erwerb von Arzneimitteln seien grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es liege einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 HWG vor. Das aber sei nicht der Fall: Bei Anwendung von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG fehle es an der dort geregelten Geringwertigkeit, die bei 5,00 € überschritten sei. Falls der Marktforschungsrabatt nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG (Barrabatt) zu beurteilen sei, müsse entsprechend den Bonustaler-Entscheidungen des BGH gleichfalls gefordert werden, die Geringwertigkeitsgrenze einzuhalten. Dies gelte mindestens im Hinblick auf eine gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 7 HWG; nach der Gintec-Entscheidung des EuGH sei die kostenlose Abgabe von Arzneimitteln als verboten anzusehen. Da einzelne in der Werbung des Antragsgegners beworbene Arzneimittel unter einem Preis von 5,00 € angeboten seien, sei faktisch ein kostenloser Erwerb durch Einsatz des Marktforschungsrabatts möglich.

Der Antragsteller beantragt, wie erkannt.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Er meint, dass die Werbung gemäß Anlage A 1 wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sei, und führt dazu aus: Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 HWG sei von vornherein nicht eröffnet, weil vom Empfänger des Marktforschungsrabatts eine Gegenleistung, nämlich die Teilnahme an einer Marktumfrage, erwartet werde. Aber selbst wenn § 7 Abs. 1 HWG anwendbar sei, sei die Werbung nicht angreifbar. Die Zulässigkeit folge aus § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG: Barrabatt, für den das Gesetz keine Geringwertigkeitsgrenze vorsehe. Die Rückausnahme -Unzulässigkeit von Geldrabatten, wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten- greife nicht ein, weil die angebotenen Produkte keine verschreibungspflichtigen und auch keine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgebbare Arzneimittel seien, sondern sog. OTC-Produkte, die so beworben werden dürften wie geschehen. Die Bonustaler-Rechtsprechung des BGH betreffe einen anderen Sachverhalt, nämlich Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel, bei denen Rabatte entgegen der Arzneimittelpreisverordnung gewährt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Neben dem aus der nicht widerlegten Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG abzuleitenden Verfügungsgrund ist auch ein Verfügungsanspruch gegeben. Er ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG; 3; 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich um einen Barrabatt, der mit 5,00 € nicht mehr geringwertig ist; die Geringwertigkeit ist zwar nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG nicht ausdrücklich vorgesehen, aber jedenfalls in richtlinienkonformer Auslegung zu beachten. Im Einzelnen:

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich bei dem ausgelobten Marktforschungsrabatt um eine nach § 7 Abs. 1 HWG zu beurteilende Zuwendung. Zwar müssen Fragen beantwortet werden, um den Rabatt zu verdienen. Da es sich aber eher um belanglose, banale Fragen handelt (Kauf auch bei anderen Versandapotheken? Wünsche an den Antragsgegner; Bestellung des Newsletters?), liegt keine adäquate Gegenleistung des Teilnehmers vor; es verbleibt bei einer Zuwendung (vgl. Brixius, in: Bülow u.a., HWG, 4. Aufl., § 7 RN 25/26).

Zuwendungen sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG grundsätzlich unzulässig; anders ist es nur, wenn nachfolgend geregelte Ausnahmetatbestände eingreifen. Das ist hier nicht der Fall:

Falls entsprechend der Argumentation des Antragstellers § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG anzuwenden wäre, scheitert die Zulässigkeit daran, dass eine Zuwendung von 5,00 € keine geringwertige Kleinigkeit ist (vgl. die von den Parteien diskutierte Bonustaler-Rechtsprechung des BGH, s. etwa BGH GRUR 2010, 1133 – Bonuspunkte).

Aber auch dann, wenn die Zulässigkeit der Werbung des Antragsgegners nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG zu beurteilen ist (was nach Ansicht des Gerichts näherliegt), ist die Geringwertigkeitsgrenze zu beachten und mit 5,00 € überschritten. Dies gilt unbeschadet dessen, dass in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG dem Wortlaut nach keine Beschränkung auf „geringwertige Kleinigkeiten“ vorgesehen ist. Dem Antragsgegner ist auch zuzugeben, dass die Bonustaler-Rechtsprechung des BGH den vorliegenden Sachverhalt nicht trifft, da -das steht zwischen den Parteien außer Streit- sog. OTC-Produkte beworben werden, für die keine arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften bestehen, mit der Folge, dass insoweit in praktisch unbegrenztem Umfang nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG Barrabatte möglich erscheinen. Die Differenzierung zwischen unbegrenzt zulässigen Barrabatten für nicht preisgebundene Arzneimittel (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG) und nur bei Geringwertigkeit erlaubten sonstigen Zugaben (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG) ist aber nicht nur unstimmig (vgl. Mand NJW 2010, 3681, 3684 f.), sondern durch richtlinienkonforme Auslegung dahin zu korrigieren, dass auch für Barrabatte in der Publikumswerbung die Geringwertigkeitsgrenze zu beachten ist. Das beruht auf folgendem:

Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 06.11.2001 (Humanarzneimittelkodex) hat unter anderem folgende Erwägungsgründe:

(45)
Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden können, könnte sich auf die öffentliche Gesundheit aus- wirken, wenn sie übertrieben und unvernünftig ist. Die Werbung muß, wenn sie erlaubt wird, bestimmten Anforderungen genügen, die festgelegt werden müssen.

(46)
Ferner ist die Abgabe von Gratismustern zum Zwecke der Verkaufs- förderung zu untersagen.

Nach Art. 87 der besagten Richtlinie muß die Arzneimittelwerbung einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt. In der „Gintec-Entscheidung“ des EuGH (vgl. GRUR 2008, 267 ff.) ist in dem Zusammenhang ausgeführt (RN 58, 59), dass die Werbung für ein Arzneimittel in Form einer im Internet angekündigten Auslosung verboten ist, weil sie die unzweckmäßige Verwendung dieses Arzneimittels fördert und zu seiner direkten Abgabe an die Öffentlichkeit sowie zur Abgabe von Gratismustern führt. Dem ist gleichzustellen, wenn im Rahmen einer Werbung außerhalb der Fachkreise mit einer Zuwendung in Form eines Barrabatts geworben wird, der im Ergebnis zum kostenlosen Erwerb eines Arzneimittels führt (vgl. auch Gröning, juris PR-WettbR 2/2008 Anm. 1, unter B a.E. sowie unter D a.E.). Dieser Ansatz gebietet es, im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG die Geringwertigkeitsgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG „hineinzulesen“, jedenfalls für die Publikumswerbung. Dass die richtlinienkonforme Auslegung damit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG je nach Anwendungsbereich (Publikumswerbung oder nicht) einen unterschiedlichen Inhalt gibt, steht diesem Ergebnis nicht entgegen (vgl. -wenn auch in anderem Zusammenhang- BGH, Urteil vom 17.10.2012, VIII ZR 226/11, RN 27/28).

Die Androhung der Ordnungsmittel hat ihre Grundlage in § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlaßt; die (vorläufige) Vollstreckbarkeit einer einstweiligen Verfügung liegt in der Natur der Sache.

I