LG Bielefeld, Urteil vom 21.06.2013, Az. 1 O 227/12
§ 339 BGB
Das LG Bielefeld hat entschieden, dass ein wirksames Vertragsstrafeversprechen nicht zustande kommt, wenn nicht festgelegt wird, wer die Höhe der Vertragsstrafe zu bestimmen hat. Vorliegend hatte die Beklagte eine vorgeschlagene Unterlassungserklärung abgeändert und die Formulierung „es bei Vermeidung einer Vertragsstafe, deren Höhe vom zuständigen Landgericht zu überprüfen ist“ benutzt. Diese Änderung war von der Klägerin angenommen worden. Damit fehle es nach Auffassung des Gerichts an der Einigung über einen wesentlichen Vertragsbestandteil, so dass auch bei Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung keine Vertragsstrafe gefordert werden könne. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Bielefeld
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.100,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Urheberrechtsverletzung aufgrund einer Veröffentlichung von einem Kartenausschnitt in Anspruch.
Die Klägerin veröffentlicht unter der URL www.s.de Kartographien diverser deutscher Städte. Durch Anklicken dieser URL wird dem Benutzer der Internetseite ermöglicht, die von der Klägerin hergestellte Kartographie aufzurufen und im Rahmen der URL kostenlos zu nutzen. Zudem bietet die Klägerin an, einfache Nutzungsrechte an sogenannten Kartographie-Kacheln entgeltlich zu erwerben, damit der Erwerber den erworbenen Kartenausschnitt auf seiner Homepage verwenden kann. Wenn ein Unternehmer oder eine Privatperson eine oder mehrere Kacheln für sich zur Nutzung erwerben will, dann wird ein Vertrag über den Erwerb solcher Nutzungsrechte geschlossen. An dem Kartenmaterial besitzt die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte.
Der Beklagte betreibt im Internet eine Homepage unter der URL . Auf dieser Internetpräsenz veröffentlichte der Beklagte einen Ausschnitt des streitgegenständlichen Kartenmaterials ohne entsprechende Nutzungserlaubnis durch die Klägerin. Die Homepage enthielt einen Link, welcher beim Anklicken ein Fenster öffnete, das den urheberrechtlich geschützten Kartenausschnitt darstellte. Ein entsprechender Lizenzvertrag zwischen den Parteien wurde nicht abgeschlossen. Nachdem die Klägerin die Nutzung der vorbezeichneten Internetseite erstmals am 06.07.2007 feststellte, mahnte sie den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 16.07.2007 ab und forderte ihn auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und Schadensersatz in Höhe des Nutzungsentgelts, zuzüglich der entstandenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die diesem Anwaltsschreiben beigefügte Unterlassungserklärung hatte unter anderem folgenden Wortlaut:
„Hiermit verpflichtet sich Herr S. C., handelnd unter „Vermessungsbüro C.“, Q. Straße xx, xxxxx Z., es bei Vermeidung einer Vertragsstrafe, deren Höhe in jedem Fall von der Euro-Cities AG festzusetzen und gegebenenfalls vom Landgericht Berlin zu überprüfen ist, zu unterlassen, den nachfolgend dargestellten Kartenausschnitt künftig ohne einen mit der [Klägerin] geschlossenen Lizenzvertrag weder in digialisierter noch in gedruckter Form zum Zwecke der Eigennutzung oder Nutzung durch Dritte aus dem Internet herunterzuladen/herunterladen zu lassen und entgeltlich und/oder unentgeltlich zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen.“
Mit Schreiben vom 30.07.2007 gab der Beklagte eine Unterlassungserklärung mit folgendem Wortlaut ab:
„Hiermit verpflichtet sich Herr S. C., handelnd unter „Vermessungsbüro C.“, Q. Straße xx, xxxxx Z., es bei Vermeidung einer Vertragsstafe, deren Höhe vom zuständigen Landgericht zu überprüfen ist, zu unterlassen, den nachfolgend dargestellten Kartenausschnitt künftig ohne einen mit der [Klägerin] geschlossenen Lizenzvertrag weder in digitalisierter noch in gedruckter Form zum Zwecke der Eigennutzung aus dem Internet herunterzuladen oder durch Dritte von seiner Homepage herunterladen zu lassen und entgeltlich oder unentgeltlich zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen“.
Der Beklagte ließ daraufhin den Link entfernen, so dass dieser durch Anklicken nicht mehr das Fenster mit dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt öffnete. Eine Löschung der Datei mit der Graphikdatei der Karte erfolgte jedoch nicht. Dadurch war es für Kenner möglich, Karten aufzurufen, wenn man die Adresse www.c..de /images direkt eingegeben hätte. Diese Seite hätte man direkt in die Adresszeile des Browsers eingeben müssen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.01.2012, dem Beklagten zugegangen am 20.01.2012, forderte die Klägerin den Beklagten daraufhin auf, eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,– Euro zuzüglich Dokumentationskosten in Höhe von 95,– Euro und Anwaltskosten in Höhe von 358,– Euro zu zahlen. Unmittelbar nach Eingang dieses Schreibens beseitigte der Beklagte den Link auf seiner Internetseite.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin nunmehr einen Betrag in Höhe von 5.458,– Euro geltend, der sich aus einer angeblichen Schadensersatzforderung in Höhe von 5.100,– Euro sowie Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 358,– Euro zusammensetzt.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe die Vertragsstrafe verwirkt. Durch die direkte Eingabe der Adresse www.c..de/images sei der Kartenausschnitt weiterhin abrufbar gewesen. Dies sei für die öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19 a UrhG ausreichend, da es nicht darauf ankomme, ob das urheberrechtlich geschützte Werk tatsächlich abgerufen werde. Es liege zumindest ein fahrlässiges Handeln des Beklagten vor.
Die Klägerin meint zudem, die vom Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung beinhalte ihr Recht, die Vertragsstrafe festzusetzen. Dies verleihe ihr einen Ermessensspielraum bezüglich der Höhe der Strafe. Die geltend gemachten 5.100,– Euro seien unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der vergleichbaren Fälle in der Rechtsprechung, nicht überhöht.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.458,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, lediglich aus Versehen bzw. aus Unkenntnis der technischen Details sei die Datei mit der Graphikdatei der Karte nicht gelöscht worden. Die Adresse www.c.de/images sei niemandem bekannt gewesen. Nur mit Spezialkenntnissen hätte man die Karte aufrufen können.
Der Beklagte ist daher der Ansicht, dass der Tatbestand des Zugänglichmachens i. S. d. § 19 a UrhG nicht erfüllt sei. Jedenfalls sei bei Bejahung eines Verstoßes die verlangte Vertragsstrafe zu hoch angesetzt. Da vom Eingang des klägerischen Schreibens vom 18.01.2012 beim Beklagten am 20.01.2012 bis zur vollständigen Löschung des Kartenausschnitts nur wenige Stunden vergangen seien, stelle dies einen marginalen Verstoß dar, welcher höchstens eine Strafe von 250,– Euro rechtfertige.
Der am 02.04.2012 erlassene Mahnbescheid wurde dem Beklagten am 11.04.2012 zugestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.100,- € aus § 339 BGB in Verbindung mit einer Unterlassungserklärung.
Zwischen den Parteien ist ein wirksames Strafversprechen nicht zustande gekommen.
Zunächst hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 16.07.2007, mit welchem der Beklagte aufgefordert wurde, eine Unterlassungserklärung abzugeben, diesem ein Angebot auf Abschluss einer Vertragsstrafenvereinbarung unterbreitet. Dieses Vertragsangebot hat der Beklagte jedoch nicht angenommen. Denn er hat nicht die von der Klägerin verfasste Erklärung unterzeichnet, sondern vielmehr ein eigenes Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung gem. § 150 Abs. 2 BGB abgegeben und dieses unterschrieben an die Klägerin zurückgesandt. Die von ihm am 30.07.2007 unterschriebene und der Klägerin zugesandte Erklärung stimmt inhaltlich nicht mit der seitens der Klägerin für den Beklagten vorformulierten Unterlassungserklärung überein. Während nach der von der Klägerin vorformulierten Erklärung die Vertragsstrafe von der Klägerin festzusetzen und ggf. vom Landgericht Berlin zu überprüfen ist, ergibt sich aus der seitens des Beklagten unterschriebenen Erklärung bereits nicht, von wem die Höhe der Vertragsstrafe festzusetzen ist. Die Erklärung vom 30.07.2007 beinhaltet insoweit lediglich, dass die Höhe der Vertragsstrafe vom zuständigen Landgericht zu überprüfen ist. Insoweit unterscheiden sich die beiden Unterlassungserklärungen der Parteien in wesentlichen Punkten.
Eine Annahme kann erst in dem Schreiben der Klägervertreterin vom 18.01.2012, eingegangen bei dem Beklagten am 20.01.2012, gesehen werden, indem sie den Beklagten zur Zahlung des Geldbetrages auffordert.
Die zwischen den Parteien zustande gekommene Vertragsstrafenvereinbarung ist jedoch wegen fehlender Einigung über einen wesentlichen Vertragsbestandteil unwirksam.
In der seitens des Beklagten unterschriebenen Erklärung vom 30.07.2007 fehlt eine Regelung dazu, wer die Höhe der Vertragsstrafe festzusetzen hat. In Bezug auf die Frage des Bestimmungsberechtigten enthält die Vereinbarung der Parteien damit eine Vertragslücke.
Das Gericht hat daher grundsätzlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die von den Parteien gelassene Vertragslücke zu schließen. Hierbei hat es nicht rechtsgestaltend bei Abschluss und Ausfüllung des Vertrages mitzuwirken, sondern nach Wortlaut, Inhalt und Zweck des Vertrages eine Regelung festzustellen, die die Parteien gewollt hätten, wenn sie die Vertragslücke erkannt hätten.
Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte die seitens der Klägerin vorformulierte Erklärung entsprechend abgeändert hat, liegt es nahe, dass die Klägerin die Höhe der Vertragsstrafe gerade nicht festsetzen soll.
Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestimmung durch das Gericht erfolgen soll, zumal die Erklärung explizit festlegt, dass die Höhe vom zuständigen Landgericht „zu überprüfen“ ist. Die Parteien können auch nicht von vornherein die Festsetzung der Vertragsstrafe dem Gericht übertragen; ein entsprechendes Strafversprechen wäre unwirksam (vgl. BGH NJW 1981, 1799; Palandt-Grüneberg, 72. Auflage, § 339, Rdnr. 17).
Damit ist weder ersichtlich, dass die Bestimmung durch eine der Vertragsparteien noch durch einen Dritten erfolgen soll.
Auch über die Vorschrift des § 316 BGB lässt sich der Bestimmungsberechtigte nicht ermitteln. § 316 BGB ist, wie es in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich heißt und weithin anerkannt wird, als eine gesetzliche Auslegungsregel angedacht, der gegenüber, da sie nur „im Zweifel“ eingreift, die Auslegung den Vorrang hat (vgl. BGH NJW 85, 1895 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall muss jedoch gerade nach den vorstehenden Ausführungen angenommen werden, dass der Beklagte mit einem Bestimmungsrecht der Klägerin nicht einverstanden war.
Lässt sich auch über § 316 BGB der Bestimmungsberechtigte nicht ermitteln, ist der Vertrag wegen fehlender Einigung über einen wesentlichen Vertragsbestandteil unwirksam (vgl. auch jurisPK-BGB-Völzmann-Stickelbrock, 6. Aufl., Band 2, Rdnr. 3).
Mangels wirksamer Vertragsstrafenvereinbarung kann die Klägerin vom Beklagten weder Schadensersatz, noch Ersatz ihrer Rechtsanwaltsgebühren verlangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.