LG Bielefeld: Uneingeschränkte Störerhaftung für Filesharing-Verstöße bei ungesichertem WLAN

veröffentlicht am 14. April 2010

II.
Die Kosten des Verfahrens waren dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen.

Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese waren dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, da ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich er unterlegen gewesen wäre (1) und auch keine sonstigen Umstände ersichtlich sind, die es rechtfertigten, trotz ihrer Erfolgsaussichten ausnahmsweise der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (2).

1.
Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ist davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin obsiegt hätte. Bis zu der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung durch den Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2009 waren sowohl ein Verfügungsanspruch (a) als auch ein Verfügungsgrund (b) gegeben.

a)
Der Verfügungsanspruch ergab sich aus § 97 Abs. 1 UrhG. Die Verfügungsklägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Leiters ihrer Rechtsabteilung hinreichend glaubhaft gemacht. Ihre Rechtsvorgängerin, die habe mit der Musikgruppe … am … einen so genannten Bandübemahmevertrag geschlossen, demzufolge ihr die exklusiven weltweiten und zeitlich unbegrenzten Verfielfältigungs- und Verbreitungsrechte u.a. an dem streitgegenständlichen Werk übertragen wurden.

Weiter hat die Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht, dass die Tonaufnahme … über den Internetanschluss des Verfügungsbeklagten in dem so genannten Peer-to-Peer-Protokoll „Direct Connect“ ohne entsprechende Erlaubnis der Verfügungsklägerin öffentlich zugänglich gemacht wurde. Hierzu hat sie zunächst eine eidesstattliche Versicherung des … vorgelegt, derzufolge dieser als Mitarbeiter und im Auftrag der … ermittelt hat, dass der Musiktitel … am 24. November 2008 zwischen 14.02.25 Uhr MEZ und 14.16.11 Uhr MEZ neben zahlreichen weiteren Titeln unter der IP-Adresse für die Nutzer des Filesharing-Protokolls „Direct Connect“ zum Herunterladen verfügbar gemacht worden ist. Er habe den Musiktitel zur Beweissicherung abgerufen und durch einen Hörvergleich auf den Inhalt hin überprüft. Des Weiteren hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage der Kopie einer Providerauskunft der Deutschen Telekom AG glaubhaft gemacht, dass die lP-Adresse zu dem fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Verfügungsbeklagten zugeordnet war.

Vor diesem Hintergrund konnte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten gemäß § 97 UrhG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Das Bereitstellen der Tonaufnahme der Musikgruppe zum elektronischen Abruf durch andere Internetnutzer verletzt die Urheberrechte der Verfügungsklägerin aus §§ 85, 19 a UrhG. Auf der Grundlage der im Rahmen einer Entscheidung nach § 91 a ZPO gebotenen summarischen Prüfung geht die Kammer davon aus, dass diese Urheberrechtsverletzung weder durch den Verfügungsbeklagten selbst noch durch dessen Familienangehörige, sondern durch einen unbekannten Dritten begangen worden ist, der sich widerrechtlich Zugang zu dem ungesicherten WLAN-Anschluss des Verfügungsbeklagten verschafft hat. Der Verfügungsbeklagte hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, zu dem fraglichen Zeitpunkt schon deswegen an einer Nutzung seines Internetanschlusses gehindert gewesen zu sein, weil er sich auf einer Fortbildung befunden habe. Seine Ehefrau habe den von ihm betriebenen Internetanschluss gar nicht genutzt und mit seinen Söhnen habe Einigkeit bestanden, dass im Internet keine verbotenen Handlungen und auch keine Urheberrechtsverletzungen begangen würden. Im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz mit der Verfügungsklägerin hat der Verfügungsbeklagte in Bezug auf seine Söhne darüber hinaus vorgetragen, dass sich der eine zum fraglichen Zeitpunkt bei der Bundeswehr und der andere im Rahmen seiner Berufsausbildung bei seinem Arbeitgeber befunden habe. Vor diesem Hintergrund verbleibt allein die Möglichkeit, dass ein unbekannter Dritter unerkannt auf den – nach den eigenen Angaben des Verfügungsbeklagten – zum fraglichen Zeitpunkt noch ungesicherten WLAN-Anschluss zugegriffen hat.

Auch wenn der Verfügungsbeklagte die Urheberrechtsverletzung demzufolge nicht selbst begangen hat, haftet er als Inhaber des bei der Verletzungshandlung genutzten Intemetzugangs zumindest nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Danach kann in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB auch derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zu der Verletzung des geschützten Rechtsguts beigetragen und dabei Prüf- oder Kontrollpflichten verletzt hat. Der Umfang dieser Pflichten bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen die betreffenden Prüfungen oder Kontrollen zuzumuten sind (BGH GRUR 2004, 860, 864). Auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Verletzung von Rechten Dritter so weit wie möglich verhindert werden, hat sich im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten (LG Hamburg MMR 2008, 686, 687).

Die danach erforderlichen Voraussetzungen einer Störerhaftung sind vorliegend erfüllt. Die Schaffung des Internetzugangs war für die begangenen Urheberrechtsgutsverletzungen adäquat kausal. Der Verfügungsbeklagte hat nicht sämtliche gebotenen Maßnahmen ergriffen, um den Zugriff auf so genannte Internettauschbörsen über seinen Internetanschluss zu verhindern. Denn dem Inhaber eines Internetanschlusses ist es zuzumuten, zumindest Standardmaßnahmen zur Verschlüsselung eines von ihm betriebenen WLAN zu ergreifen, um den ungehinderten Zugriff Dritter zu verhindern. Angesichts des Umstandes, dass einerseits die Möglichkeit eines solchen unbefugten Zugriffs mittlerweile der weit überwiegenden Zahl der Internetnutzer bekannt ist, andererseits der konkrete Zugriff aber in aller Regel unbemerkt bleibt, ist eine derartige Verschlüsselung auch dann zumutbar, wenn der Anschlussinhaber noch keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch durch Dritte hat. Unterlässt er entsprechende Maßnahmen, verschafft er Dritten die Möglichkeit, sich hinter seiner Person zu verstecken und im Schutz der von ihm geschaffenen Anonymität ohne Angst vor Entdeckung ungestraft Urheberrechtsverletzungen zu begehen (lG DOsseIdorf MMR 2008. 684, 685). Der Anschluss des Verfügungsbeklagten war nach seinen eigenen Angaben vollständig ungesichert. Er konnte als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Die für den Anspruch nach § 97 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr war durch die begangene Rechtsverletzung indiziert. Die Wiederholungsgefahr entfällt erst bei Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. Dreier in: UhrG, § 97 Rn. 42). Allein die mittlerweile erfolgte Installation einer Sicherheitssoftware war nicht ausreichend. Ohne Abgabe einer Unterlassungserklärung war der Verfügungsbeklagte nicht gehindert, etwa im Fall des Erwerbs und der Inbetriebnahme eines neuen Routers erneut von der Verwendung der erforderlichen Sicherheitssoftware Abstand zu nehmen oder den Musiktitel … auf andere als die bereits erfolgte Weise öffentlich zugänglich zu machen.

b)
Ferner war auch der erforderliche Verfügungsgrund gegeben. Eine vorläufige Sicherung der Ansprüche der Verfügungsklägerin im einstweiligen Verfügungsverfahren war notwendig, weil die Gefahr einer Erschwerung der Durchsetzung ihrer Rechte sowie weitere Rechtsverletzungen drohten. Der Verfügungsbeklagte war, nachdem er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, jederzeit in der Lage, seinen Internetanschluss erneut sanktionslos für unbefugte Dritte zugänglich zu machen. Angesichts des Umfangs des vorliegend öffentlich zugänglich gemachten Musikrepertoires und der Eigenart von Filesharing-Programmen wie dem Protokoll „Direct connect“ bestand die erhebliche Gefahr, dass weitere geschützte Musiktitel aus dem Repertoire der Verfügungsklägerin in Tauschbörsen zugänglich gemacht werden und ihr damit ein erheblicher Schaden entsteht, ohne dass sie die Möglichkeit hätte, sämtliche Schädiger im nachhinein zu identifizieren und Ansprüche gegen sie geltend zu machen.

2.
Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, aufgrund derer es billig wäre, trotz ursprünglich gegebener Erfolgsaussichten die Kosten des Verfahrens ausnahmsweise der Verfügungsklagerjn aufzuerlegen. Insbesondere eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO scheidet aus, da der Verfügungsbeklagte durch seine Reaktion auf die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung Veranlassung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben hat.

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