LG Bochum: Lieferfrist von 3 Wochen für eine Kinderfußdecke ist zu lang / Zur irreführenden Verwendung der Begriffe „Warenverfügbarkeit“, „Versandfertigkeit“ und „Lieferzeit“

veröffentlicht am 14. Januar 2015

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Bochum, Urteil vom 03.07.2013, Az. I-13 O 55/13
§ 308 Nr. 1 BGB, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Das LG Bochum hat entschieden, dass eine Lieferfrist von 3 Wochen für eine einfache Kinderfußdecke zu lang ist und dies als Wettbewerbsverstoß abgemahnt werden kann. Zudem stellte die Kammer fest, dass der Verbraucher nicht zwischen Warenverfügbarkeit, Versandfertigkeit und Lieferzeit unterscheide. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Bochum

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandtung vom 03.07.2013 durch … für Recht erkannt:

I.
Der Beklagten wird esunter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jedoch insgesamt aufgrund dieses Urteils Ordnungshaft von höchstens 2 Jahren untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Fernabsatzhandels mit Kinderwäqen, Kinderschalen und Kinderautositzen jeweils nebst Zubehörwaren alternativ oder kumulativ
a. Lieferfristen nicht klar und verbindlich anzugeben;
b. sich Lieferfristen von mehr als 21 Tagen vorzubehalten.
wie am 26.02.2013 und nachfolgend wiedergegeben auf der Handelsplattform Amazon geschehen:

Lieferfristen

II.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von … EUR freizustellen.

III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Seide Parteien bieten online Waren an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.03.2013 (Anlage …), auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, mahnte die Klägerin die Beklagte wegen eines auf der Handelsplattform Amazon eingestellten Angebots einer Fußdecke ab.

Die Klägerin trägt vor:

Die Parteien seien Wettbewerber im Bereich des Handels mit Kinderwagen, Kinderschalen und Kinderautositzen. Die Beklagte habe am 26.02.2013 auf der Verkaufsplattform Amazon eine Fußdecke für beworben und hierbei widersprüchliche Angaben gemacht. Einerseits habe sie in der Artikelübersicht angegeben,

„Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag! Sie erhalten … “

Andererseits stehe in der VerkäuferinformatIon „gewöhnlich versandfertig in 3-5 Wochen.“ In der hinterlegten Händlerinformation habe die Beklagte angegeben:

„Die von Ihnen bestellte Ware wird, soweit in der Artikelbeschreibung nichts anderes vennerkt, innerhalb von 1 bis 2 Werktagen auf dem schnellsten Weg (z.Zt. durch DHL) direkt zu Ihnen nach Hause geliefert.“

Die Angaben seien widersprüchlich. Sämtliche Angaben zu den Lieferzeiten stellten Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Nach § 308 Nr. 1 BGB seien Klauseln unwirksam, mit denen der Verwender sich unangemessen lange Fristen für die Erbringung seiner Leistung vorbehalte. Im übrigen sei anhand der Angaben der Beklagten zur Lieferzeit des Artikels nicht feststellbar, wann der Verbraucher mit der Lieferung rechnen könne. Die Verwendung unzulässiger Vertragsklauseln stelle einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG dar.

Die Klägerin beantragt,
1. Der Beklagten wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jedoch insgesamt aufgrund dieses Urteils Ordnungshaft von höchstens 2 Jahren untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Fernabsatzhandels mit Kinderwägen, Kinderschalen und Kinderautositzen jeweils nebst Zubehörwaren, alternativ oder kumulativ
a. Lieferfristen nicht klar und verbindlich anzugeben;
b. sich Lieferfristen von mehr als 21 Tagen vorzubehalten.
wie am 26.02.2013 und nachfolgend wiedergegeben auf der Handeisplattform Amazon geschehen:

Lieferfristen

II. (Hinweis: Fehler im Urteil, richtig wohl: „2.“)

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von … EUR
freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Sie bestreite, dass sie am 26.02.2013 in der monierten Form geworben habe. Die Klägerin habe das Wettbewerbsverhältnis nicht dargelegt, weil sie sich auf das Angebot für eine Fußdecke für Kinderanhänger beziehe. Die von der Beklagten auf der Amazon-Seite verwendete Klausel

„Die von Ihnen bestellte Ware wird, soweit in der Artikelbeschreibung nichts anderes vermerkt, innerhalb von 1 bis 2 Werktagen auf dem schnellsten Weg (z.Zt. durch DHL) direkt zu Ihnen nach Hause geliefert.“

stehe ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer anderslautenden Angabe in der jeweiligen Artikelbeschreibung. Da die Beklagte in der monierten Artikelbeschreibung eine Waremverfügbarkeit von 3-5 Wochen angegeben habe, könne es beim verständigen Verbraucher nicht zu einer Fehlvorstellung gekommen sein. Mit der Aussage

„Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt- noch am selben Tag! ( … )“

habe die Beklagte keine Lieferzeitbestimmung getroffen, sondern nur mitgeteilt, wie schnell eine vorrätige Ware in den Versand gebracht werden könne. Bei der Mitteilung, dass die Ware erst in 3-5 Wochen versandfertig und damit verfügbar wäre, handele es sich nicht um eine Lieferzeitangabe, sondern um die Mitteilung der Verfügbarkeit der Ware. Bei der Mitteilung zur Verfügbarkeit bzw. zum Zeitpunkt der Versendung handele es sich nicht um Vertragsbedingungen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten nach §§ 5, 8 UWG Unterlassung der beanstandeten Werbung verlangen.

Die Klägerin hat ein Wettbewerbsverhältnis ausreichend dargelegt. Den Umstand, dass die Beklagte eine Fußdecke für die Kinderwagen angeboten hat, während die Klägerin Anhänger für die Beförderung von Kindern anbietet, steht dem nicht entgegen, da der durch eine optional erhältliche Kupplung, die die Beklagte selbst vertreibt, zur Ankopplung an Fahrräder umgerüstet werden kann.

Soweit die Beklagte bestritten hat, wie behauptet, am 26.02.2013 in der monierten Form geworben zu haben, hat die Klägerin in der Sitzung vom 03.07.2013 als Anlage 1 zu Protokoll einen kompletten Ausdruck des Angebots vorgelegt sowie als Anlage … den Ausdruck der Angebotsübersicht.

Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf Verspätung berufen, zumal Gegenstand ihres pauschalen Bestreitens ohnehin ein eigenes Angebot der Beklagten war, so dass das Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig ist.

Nach Auffassung der Kammer sind die Angaben der Beklagten zum Versand widersprüchlich. Die Differenzierung der Beklagten zwischen Lieferfrist, Warenverfügbarkeit und Versandfertigkeit überzeugt die Kammer nicht. Vielmehr ist aus Sicht des Verbrauchers entscheidend, wann die Ware beim Verkäufer eintrifft. Nach Auffassung der Kammer differenziert der im Angebot angesprochene Kunde nicht zwischen Warenverfügbarkeit, Versandfertigkeit und Lieferzeit.

Die Aussage der Beklagten in der Angebotsübersicht

„Bestellen Sie Werktags bis 11 Uhr und wir versenden die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am sei ben Tag! Sie erhalten … “

ist aus Sicht des angesprochenen nicht in Einklang zu bringen mit der Information „gewöhnlich versandfertig in 3-5 Wochen“. Der Kunde kann hieraus nicht entnehmen, wann die Ware bei ihm eintrifft. Diese widersprüchlichen Angaben erfüllen den Tatbestand einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da aus Sicht der Verbraucher die Verfügbarkeit und Lieferung nicht eindeutig zu erkennen sind.

Nach Auffassung der Kammer ist die Werbung der Beklagten auch insoweit irreführend i.S.d. § 5 UWG und damit wettbewerbswidrig, als der Kunde bei Gegenständen des alltäglichen Bedarfs wie einer Kinderfußdecke im Onlinehandel davon ausgeht, dass diese innerhalb absehbarer Zeit geliefert wird. Ein Zeitraum vom 21 Tagen erscheint hierfür angemessen. Da die Beklagte sich eine längere Frist vorbehält, ist dies im Zusammenhang mit der Klausel „wenn die Ware – Verfügbarkeit vorausgesetzt – noch am selben Tag“ ebenfalls irreführend.

Soweit die Beklagte moniert, dass der Antrag zu weit gefasst sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.

Der Antrag wird begrenzt durch die Konkretisierung „wie am 26.02.2013 und nachfolgend wiedergegeben auf der Handelsplattform Amazon geschehen: … „,

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

I