LG Bonn: Zertifikat über die Befähigung als „State-certified Engineer C“ für einen staatlich geprüften Techniker ist irreführend

veröffentlicht am 19. November 2014

LG Bonn, Urteil vom 15.05.2014, Az. 14 O 86/13
§ 8 UWG, § 3 UWG, § 5 Abs.1 UWG; § 1 IngGNRW

Das LG Bonn hat entschieden, dass ein Zertifikat über eine „ingenieurgemäße Ausbildung“ und die Eigenschaft als „State-certified Engineer C“ für einen staatlich geprüften Techniker irreführend und daher wettbewerbswidrig ist. Das Zertifikat erwecke den Eindruck, dass die Qualifikation eines stattlichen geprüften Technikers mit der eines Ingenieurs als Hochschulabsolvent gleichzusetzen sei. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen, so dass der Verkehr getäuscht werde. Daher sei die Erteilung eines solchen Zertifikats durch einen Bundesverband für Aufstiegsfortbildungen zu unterlassen. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Bonn

Urteil

Der Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1.
Staatlich geprüften Technikern die Erstellung einer Bescheinigung mit folgendem Inhalt anzubieten:

„Zertifikat / Certificate

Hiermit wird bescheinigt, dass

… (Name)

auf Grund seiner ingenieurgemäßen Ausbildung

befähigt ist, ingenieurgemäße Tätigkeiten auszuführen

State-certified Engineer C“

2.
zu behaupten, dass mit dem Zertifikat und dem Titel „State-certified Engineer C“

„Ihnen ermöglicht (wird), Ihre ingenieurgemäße … Ausbildung in Deutschland sowie im Ausland zu dokumentieren“,

soweit das geschieht, wie aus den nachfolgenden Abbildungen ersichtlich ist:

[Abb.]

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist wie folgt vorläufig vollstreckbar:

a)
betreffend den Ausspruch in der Hauptsache: gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,00;

b)
wegen der Kosten: gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin, als Ingenieurkammer durch Landesgesetz mit der Wahrung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder sowie der Regelung des Wettbewerbswesens betraut (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, 7 Baukammerngesetz NRW – BauKaG NRW), begehrt von dem Beklagten die Unterlassung der Ausgabe von Zertifikaten – wie Abbildung 1 zum Antrag – und deren Erläuterung (Abbildung 2); zentraler Inhalt des Zertifikats ist (in deutscher und englischer Sprache) die Bescheinigung, dass der Inhaber „befähigt ist, ingenieurgemäße Tätigkeiten auszuführen und (…) hiermit registriert“ ist „als State-certified Engineer C“.

Der Beklagte ist ein Bundesverband (kurz C genannt, vgl. § 1 Nr. 1 der Satzung, Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. ## d.A.), der ausweislich seiner Satzung

„die Förderung von Aufstiegsfortbildungen, die auf einer beruflichen Erstausbildung sowie auf zusätzlicher beruflicher Praxis und Erfahrung in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Gestaltung aufbauen sowie die Förderung der Weiterbildung der entsprechenden im Beruf stehenden Personen und die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Aufstiegsfortbildungen und die dazu gehörenden Berufe wie z.B. Staatlich geprüfter Techniker / Technikerin, Betriebswirt / Betriebswirtin, Gestalter / Gestalterin und andere“

bezweckt (§ 1 Nr. 3 der Satzung, a.a.O.).

Er hat es sich zum Ziel gemacht, die Transparenz des deutschen Ausbildungswesens im In- und Ausland zu erhöhen, insbesondere in Bezug auf Fachschulabsolventen; wegen der Einzelheiten wird auf Seiten 2ff. der Klageerwiderung verwiesen. Vor diesem Hintergrund stellt er die beanstandeten Zertifikate an Staatlich geprüfte Techniker – Berufsbezeichnung rechtlich geschützt – aus, wenn diese folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllen (vgl. Abbildung 2 zum Klageantrag, Bl. # d.A.):

– „Antrag

– Mitgliedschaft im C

– Nachweis der abgeschlossenen Berufsausbildung

– Nachweis der bestandenen Abschlussprüfung zum Staatlich geprüften Techniker […]

– Nachweis einer mindestens zweijährigen Berufspraxis

– Entrichtung der Bearbeitungsgebühr von 50,00 EUR auf das Konto […]“

In der von ihm, dem Beklagten, erstellten Erklärung zum „C-Zertifikat“ werden dessen Zielrichtung und Empfängerkreis näher erläutert (Abbildung 2 zum Klageantrag, a.a.O.):

„Um […] Transparenz und Anerkennung der beruflichen Aufstiegsfortbildung in den Bereichen zwischen Facharbeiter und Hochschulausbildung zu fördern, haben wir das mehrsprachige C-Zertifikat entwickelt, mit dem sie sich registrieren lassen können als „State-certified Engineer C“ […]

Das C-Zertifikat bietet momentan die einzige Möglichkeit die Qualifikation des Staatlich geprüften Technikers […] international zu verdeutlichen. […]

Bei einer Bewerbung – egal ob im In- oder Ausland – wird so ein Arbeitgeber direkt über Ihre berufliche Qualifikation informiert.

Mit den mehrsprachigen Zertifikaten und den international verständlichen Titeln „State-certified Engineer C“ […] wird Ihnen ermöglicht, Ihre ingenieurgemäße […] Ausbildung in Deutschland sowie im Ausland zu dokumentieren.“

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Berufsbilder des Ingenieurs als Hochschulabsolvent (§ 1 IngG, Anlage 3 zur Klageschrift, Bl ## d.A.) und des Staatlich geprüften Technikers als Fachschulabsolvent (§§ 7, 38 der Anlage E Apo-BK, Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. ##,## R d.A.) nicht identisch sind; der Beklagte behauptet, Qualifikationen und Fähigkeiten beider Berufsgruppen überschnitten sich, denn sie seien im gleichen Berufsfeld und in den gleichen Bereichen tätig; er hält die technische Ausbildung in den überschneidenden Bereichen für vergleichbar.

Die Klägerin meint, die Bescheinigung erwecke falsche Eindrücke, nämlich mit den Ausdrücken „ingenieurgemäße Ausbildung“ und „ingenieurgemäße Tätigkeiten“ deshalb, weil die Berufsbilder nicht gleichartig im Sinne einer Austauschbarkeit seien, sondern sich in der fachlichen Tiefe und Breite der Ausbildung sowie dem Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit unterschieden, während die mitgeteilte Registrierung der Berufsbezeichnung „State-certified Engineer C“ auf eine staatliche Prüfung, abgenommen durch den Beklagten, hinwiesen und/oder darauf, er, der Beklagte, sei zumindest berechtigt, das Bestehen einer solchen Prüfung zu bescheinigen. Die Zertifikate richteten sich nicht lediglich an informierte technische Arbeitgeber, sondern an den allgemeinen Verkehr im In- und Ausland, der keine besonderen Kenntnisse über die in Rede stehenden Berufsbilder aufweise. Die Klägerin behauptet, erst wenige Tage vor der Abmahnung vom 27.05.2012 erstmals von dem beanstandeten Zertifikat des Beklagten Kenntnis erlangt zu haben.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. Staatlich geprüften Technikern die Erstellung einer Bescheinigung mit folgendem Inhalt anzubieten:

„Zertifikat/Certificate

Hiermit wird bescheinigt, dass

… (Name)

auf Grund seiner ingenieurmäßigen Ausbildung


befähigt ist, ingenieurmäßige Tätigkeiten auszuführen.

State-certified Engineer C“

2. zu behaupten, dass mit dem Zertifikat und dem Titel „State-certified Engineer C“

„Ihnen ermöglicht (wird), Ihre ingenieurgemäße … Ausbildung in Deutschland sowie im Ausland zu dokumentieren“,

soweit das geschieht, wie aus den nachstehenden Abbildungen 1 und 2 ersichtlich ist“.

[Abb.]

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Gefahr der Irreführung für ausgeschlossen:

– wegen der Vergleichbarkeit von Qualifikationen und Berufsfeld,

– weil sich die Zertifikate nur an informierte Fachkreise, in technischen Branchen tätige Arbeitgeber, vor allem im Ausland, richteten.

Deren Geschäftsführer oder Leiter der Personalabteilungen seien aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Personalrekrutierung mit den Berufsbildern des Staatlich geprüften Technikers und des Ingenieurs, deren Gemeinsamkeiten und Unterschieden, im Detail vertraut und betrachteten die Zertifikat nicht nur flüchtig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn ist jedenfalls durch die rügelose Einlassung der Parteien begründet (§ 39 S. 1 ZPO).

II.
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr.1, 3 UWG. Der Beklagte hat mit der Ausgabe der Zertifikate in der konkreten Form eine irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen, die unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften und Fähigkeiten des Unternehmens des Beklagten sowie ihrer Mitglieder enthält.

1.
Die Klägerin ist klagebefugt und aktivlegitimiert, denn sie ist (als Körperschaft des öffentlichen Rechts) ein Verband zur Förderung selbstständiger Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, weil sie die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und bei der Regelung des Wettbewerbswesens mitzuwirken hat (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1, 7 BauKaG NRW), und damit berechtigt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Der Beklagte stellt die Zertifikate und die Erläuterung (Abbildungen 1, 2 zum Antrag) aus; er ist Schuldner und daher der richtige Anspruchsgegner (§ 8 Abs. 1 UWG).

2.
Die Ausstellung der Zertifikate und die in ihnen enthaltenen Aussagen in der konkret beanstandeten Form stellen einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot gemäß §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr.1, 3; 3 Abs. 1 UWG dar. Die Klägerin wendet sich – wie sie im Termin klargestellt hat – mit ihrem Unterlassungsantrag gegen die konkreten Verletzungshandlungen in den Veröffentlichungen wie in den Abbildungen 1, 2 zum Antrag.

a)
Die Ausstellung des Zertifikats als „State-certified Engineer C“ für Mitglieder, die die vorgegebenen formellen Voraussetzungen erfüllen, stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar; der Beklagte handelt damit zugunsten des eigenen und/oder fremder Unternehmer; dieses Verhalten weist einen Marktbezug auf. Er handelt einerseits im unternehmerischen Eigeninteresse, indem er die Zertifikate gegen Entgelt ausstellt und sich zusätzlich im Rechtsverkehr als Verleiher einer, in eigener Kompetenz verliehenen, Berufsbezeichnung, geriert, wie vor allem durch Hinzufügung der Abkürzung „C“ verdeutlicht wird. Hierdurch fördert er den Absatz seiner eigenen Dienstleistungen als Verband. Andererseits dienen die Zertifikate der Förderung des Absatzes der von den Mitgliedern, den Staatlich geprüften Technikern, auf dem Arbeitsmarkt angebotenen Dienstleistungen vor einem Geschäftsabschluss. Diese Förderung der Mitglieder als „Bundesverband C e.V.“ ist eine der Hauptfunktionen des Beklagten.

b)
Der Beklagte führt den Verkehr mit der Ausstellung des Zertifikats mit dem Inhalt wie Abbildung 1 zum Antrag in die Irre, denn er täuscht damit über die Merkmale seiner Dienstleistung und über seine Befähigung, Zertifikate mit diesem Inhalt auszustellen (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr.1, 3 UWG).

Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn die Vorstellungen, die sie nach ihrem Gesamteindruck bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmen. Die Zertifikate richten sich an inländische und ausländische Arbeitgeber, Institutionen, Personen und Unternehmen, die teilweise keine näheren Kenntnisse der im Zertifikat bescheinigten Ausbildung und Tätigkeit der Staatlich geprüften Techniker haben (aa). Vor diesem Hintergrund ist die Kammer nach ihren allgemeinen Kenntnissen und ihrem Erfahrungsschatz in der Lage eine Beurteilung der Vorstellungen der Verkehrskreise zu treffen, an die sich das Zertifikat richtet (bb). Der Beklagte erweckt durch die Wahl der Worte, mit denen er die Tätigkeit und Ausbildung der Staatlich geprüften Techniker als „ingenieurgemäß“ beschreibt, den Eindruck einer Gleichartigkeit dieses Berufsbildes mit dem eines Ingenieurs und mit der augenscheinlich von ihm verliehenen Bezeichnung als „State-certified Engineer C“ den Eindruck, eine staatliche oder staatlich anerkannte Prüfung stehe im Zusammenhang mit dieser Verleihung; diese konkreten Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise entsprechen nicht der Wirklichkeit (cc).

Zur Beurteilung der Frage, ob der Inhalt des Zertifikats gegen das Irreführungsverbot verstößt, ist seine konkrete Form, wie von dem Beklagten in den Verkehr gebracht, maßgeblich. Dabei kommt es auf den Gesamtzusammenhang der beidseitig bedruckten Urkunde an; da die zweisprachige Fassung, in englischer und deutscher Sprache angegriffen ist, müssen beide Versionen im Zusammenhang beurteilt werden.

aa)
Die ausgestellten Zertifikate richten sich an allgemeine Verkehrskreise im In- und Ausland. Angesprochen sind nicht nur technische Arbeitsgeber und Fachkreise, sondern der allgemeine Rechtsverkehr, der das Zertifikat seiner Bestimmung nach ohne Vorkenntnisse zu Informationszwecken nutzen soll.

Der Adressatenkreis bestimmt sich dabei nicht nur nach der Zweckbestimmung des Ausstellers. Dieser hätte es sonst in der Hand trotz Ausstellung eines allgemeinen Zertifikats in verschiedenen Sprachen dessen zu berücksichtigende Reichweite einseitig zu beschränken und somit die Annahme einer Irreführung zu verhindern, obwohl es, das Zertifikat, praktisch in einem wesentlich weiteren Empfängerkreis eingesetzt wird. Selbst bei einer Vergabe der Zertifikate nur zur Vorlage an Fachkreise liegt es außerhalb des Einflussbereiches des Beklagten, wer von ihnen Kenntnis erlangt (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 32. Aufl. 2014, § 5 Rn. 2.17) – etwa die Finanzbehörde im Rahmen der Prüfung zu § 18 EStG.

Deshalb kommt es bei der Bestimmung des Empfängerkreises auf objektive Anhaltspunkte an. Die Aussagen des Beklagten über den intendierten Adressatenkreis können dennoch herangezogen werden, auch soweit er sie nicht (nur) im vorliegenden Rechtsstreit zur Sache, sondern zu Werbezwecken an die potentiellen Nutzer des Zertifikats getätigt hat.

Ausweislich seines Internet-Auftritts – und auch unbestritten – ist Zweck der Zertifikate, die „Transparenz und Anerkennung der beruflichen Aufstiegsfortbildung in den Bereichen zwischen Facharbeiter und Hochschulausbildung zu fördern“ (Abbildung 2, Bl. # d.A.). In der Erwiderung zur Abmahnung lässt der Beklagte mit dem Schreiben vom 31.07.2013 mitteilen, dass „[d]ieses Zertifikat […] sowohl den Inhabern zur Dokumentation und internationalen Erläuterung ihrer Qualifikationen als auch den Adressaten zur Einordnung der Inhaber des Zertifikats“ hilft (Bl. ## d.A.). Unstreitig ist das Zertifikat an in- und ausländische Arbeitgeber gerichtet. Dabei beschränkt sich schon aus der Zweckrichtung der Information der Adressatenkreis nicht auf informierte, technische Arbeitgeber, die im Detail mit den Berufsbildern vertraut sind. Vielmehr folgt der Existenzgrund der Zertifikate gerade aus der Unübersichtlichkeit der Berufsbilder – auch im Verhältnis zueinander. Eine Ausstellung von solchen Zertifikaten – neben der Verleihungsurkunde (dem Diplom) für den Ingenieur und dem Fachhochschulzeugnis im Sinn von § 16 der Anlage E zur APO-BK – wäre überflüssig, wenn die potentiellen Adressaten bereits über hinreichende Informationen über die Ausbildung und die Tätigkeit der Staatlich geprüften Techniker verfügten. Der Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass und warum nur technisch versierte und informierte Arbeitgeber oder solche in Betrieben mit einer Arbeitsteilung, die dieses Wissen erlaubt, als Adressaten infrage kommen; Arbeitgeber in kleinen und mittelständischen Betrieben, bei denen solche Kenntnisse nicht ohne weiteres erwartet werden können, sind also ebenfalls als die angesprochenen Verkehrskreise mit in Betracht zu ziehen, ebenso aber auch der allgemeine Rechtsverkehr, weil nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass die Inhaber die Zertifikate auch gegenüber ihren (potentiellen) Kunden als Referenz oder Qualifikationsnachweis verwenden. Ebenso können die Arbeitgeber der Zertifikatinhaber die Zertifikate nutzen, um die Qualifikation ihrer Mitarbeiter nach außen zu dokumentieren und etwa hiermit bestimmte rechtlich erforderliche Fachkundenachweise gegenüber in- und ausländischen Institutionen zu erbringen. Der Beklagte beschreibt das Zertifikat selbst in seinem Schriftsatz vom 31.07.2013 als „internationaler Qualitätsnachweis an ausländische Institutionen oder Arbeitgeber“ (Bl. ## d.A.).

bb)
Bei der Beurteilung, ob die Gefahr der Irreführung durch den Inhalt der Zertifikate besteht, kommt es auf den Vergleich der Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise mit der tatsächlichen Sachlage an. Die Auslegung der Aussagen des Zertifikates aus dem Blickwinkel der Adressaten ist hauptsächlich eine Tatsachenfrage. Dabei kann die Kammer aufgrund ihrer eigenen Sachkunde beurteilen, wie diese Verkehrskreise die Zertifikate verstehen und ob eine Irreführung begründet ist, da es zur Feststellung der Verkehrsauffassung keiner besonderen Erfahrungen im Sinne einer besonderen Sachkunde bedarf (vgl. Bornkamm, a.a.O, § 5 UWG Rn. 3.11 f.). Die Kammer kann die Beurteilung unter Heranziehung ihrer allgemeinen Erfahrungen, ihrer durch die Handelsrichter als Geschäftsführer und durch den Handelsrichter N als Fachkraft für Arbeitssicherheit vermittelten Erfahrungen, ihres Sprachverständnisses und ihrer Sprachkenntnisse sowie ihres Allgemeinwissens vornehmen (vgl. OLG Köln, OLGR 2006, 375, 376). Die konkrete Beurteilung der vorliegenden Zertifikate erfordert auch keine besondere Sachkenntnis. Das erforderliche Verständnis der englischen Sprache ist vorhanden, soweit sich der Angriff der Klägerin nicht nur gegen die deutsche Version und den Begriff „ingenieurgemäß“ richten, sondern gegen den Begriff des „State-certified Engineers C“. Soweit sich der Inhalt der Zertifikate, z.B. als Referenz, an die allgemeinen Verkehrskreise richtet, sind die erkennenden Richter Teil der angesprochenen Adressaten.

cc)
Die Zertifikate enthalten eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr.1, 3 UWG, denn die Angaben über die Eigenschaften und die Befähigung des Beklagten, ggfs. des Inhabers des Zertifikats, sind geeignet, einen jedenfalls nicht unerheblichen Teil der angesprochenen, maßgeblichen Verkehrskreise zu täuschen. Es kann deshalb dahinstehen, ob (auch) § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. dem Anhang Nr. 2 Anwendung finden kann.

Prüfzeichen, Gütesiegel und Gütezeichen sind Zeichen dafür, dass die konkret beworbene (Dienst-)Leistung von einem neutralen Dritten mit entsprechender Kompetenz nach objektiven Kriterien geprüft worden ist (Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl. 2009 § 5 Rn. 260, 263). Der Rechtsverkehr setzt ein gesteigertes Vertrauen in derartige Gütezeichen. Die Verwendung eines Gütezeichens ist dann irreführend, wenn die mit diesem aufgestellten oder implizit darin enthaltenen Aussagen unrichtig sind (Peifer in Fezer, UWG, 2010, § 5 Rn. 309). Die Verwendung von Gütezeichen, die der Unternehmer selbst kreiert hat und nach eigener Prüfung vergibt, kann irreführend sein (Weidert, a.a.O., § 5 Rn. 263). Mit der Ausgabe des Zertifikats, das die beanstandeten Aussagen der „ingenieurgemäßen“ Ausbildung enthält und Befähigung mit dem Titel „State-certified Engineers C“ bescheinigt, führt der Beklagte den Verkehr in mehrerer Hinsicht in die Irre (vgl. auch: BGH NJW 2012, 235, 236):

– mit der Täuschung über seine Kompetenz, ein solches Qualitätsniveau der Ausbildung und Fähigkeiten zu zertifizieren, führt er über die Eigenschaften und Fähigkeiten seines eigenen Unternehmens in die Irre;

– mit der Ausstellung des Zertifikats suggeriert er die eigenverantwortliche Vornahme einer Prüfung, die über die (allein geprüften) formellen Kriterien hinausgeht, denn das Zertifikat tätigt gerade auch materielle Aussagen zu der Qualität der Ausbildung und Fähigkeiten der Zertifikatsinhaber;

– mit der Behauptung, die Inhaber der Zertifikate besäßen eine „ingenieurgemäße(n) Ausbildung“ und seien befähigt, „ingenieurgemäße Tätigkeiten“ auszuführen, führt der Beklagte über Fähigkeiten und Eigenschaften der Zertifikatsinhaber als Unternehmer in die Irre.

(1)
Der Begriff „ingenieurgemäß“ und die damit in Zusammenhang stehenden: „ingenieurgemäße Ausbildung“ und die Fähigkeit, „ingenieurgemäße Tätigkeiten auszuführen“, sind unrichtig. Die Verwendung des Begriffs „ingenieurgemäß“ beinhaltet rein sprachlich eine Gleichartigkeit zwischen dem Berufsbild des Staatlich geprüften Technikers und dem des Ingenieurs. Der Beklagte suggeriert damit, ohne eine Identität zu behaupten, dass die Kenntnisse des „State-certified Engineer C“ denen eines Ingenieurs „entsprechen“ (siehe Duden, , also „ingenieurgemäß“ sind. Der Begriff „entsprechen“ ist wiederum definiert als „mit etwas übereinstimmen“, „einer Sache gleichkommen“ und „gemäß sein“ (siehe Duden, . Die Zertifikate erwecken daher den Eindruck einer Substituierbarkeit der beiden Berufsgruppen. Dieser Eindruck wird dadurch unterstrichen, dass das gesamte Zertifikat nur von dem rechtlich nicht geschützten und dem Rechtsverkehr nicht bekannten „State-certified Engineer C“ spricht, aber weder auf der Vorderseite noch auf der Rückseite mit der genauen Beschreibung der Fähigkeiten den Begriff des Staatlich geprüften Technikers verwendet. Das Zertifikat präsentiert dem Rechtsverkehr damit eine neue, unbekannte und nicht definierte Berufsbezeichnung und stellt diese auf eine Stufe mit dem bekannten Berufsbild des Ingenieurs. Der Wortlaut der Zertifikate gibt dem Adressaten keine Gelegenheit, diesen Eindruck – etwa unter Zuhilfenahme des Berufsbildes des Staatlich geprüften Technikers – zu korrigieren. Eine nähere Beschreibung der Tätigkeiten der beiden Berufe, ihrer Unterschiede oder eine sonstige Klarstellung findet sich weder im Zertifikat, noch in den Erläuterungen und kann schon deshalb die Eignung zur Irreführung nicht beseitigen.

Dieser Eignung zur Irreführung steht nicht entgegen, wenn – wie an dieser Stelle unterstellt wird – hinreichend informierte Arbeitgeber die Unrichtigkeit erkennen. Die Zertifikate sind, wie oben beschrieben, auch zum Gebrauch im allgemeinen Rechtsverkehr bestimmt. Verbraucher können durch die Wortwahl der Täuschung unterliegen, der „State-certified Engineer C“ sei fachlich und nach den gesetzlichen Regelungen geeignet, die Aufgaben eines Ingenieurs, möglicherweise aufgrund einer gleichartigen Ausbildung im Ausland, übernehmen. Dieser Vorstellung wird dadurch Vorschub geleistet, dass der verliehene Titel im Zertifikat, auch in der deutschen Sprachversion – wie sich besonders eindrücklich auf der Rückseite in der linken Spalte erkennen lässt – lediglich auf englischer Sprache enthalten ist. Der Begriff des „State-certified Engineer C“ ließe sich ohne weiteres ins Deutsche übertragen. Bezeichnenderweise ist das gesamte Zertifikat einschließlich der Überschrift und Rückseite zweisprachig gehalten. Lediglich die eigentliche Berufsbezeichnung wird nicht ins Deutsche übertragen. Das Zertifikat enthält den Begriff des Staatlich geprüften Technikers nicht. Dies verschleiert, dass die Zertifikatinhaber Staatlich geprüfte Techniker sind. Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass ein Zertifikat mit der Bezeichnung des „Staatlich geprüften Technikers“ aufgrund des rechtlichen Schutzes der Bezeichnung nicht wirksam von der Beklagten verliehen werden könnte, denn dies rechtfertigt nicht die Irreführung anhand der englischen Sprachfassung, sondern ist vielmehr ein Indiz für das Problembewusstsein der Vertreter des Beklagten.

Der Einwand des Beklagten, der Begriff „ingenieurgemäß“ sei eine zutreffende Übersetzung des englischen Begriffs „engineer“, ist unerheblich. Die Zertifikate dienen gerade nicht der Übersetzung englischer Begrifflichkeiten ins Deutsche, sondern u.a. der Klarstellung auf internationalen Märkten, was unter bestimmten deutschen Berufsbezeichnungen zu verstehen ist. Die Übersetzung des Technikers als „engineer“ wird nicht beanstandet; vielmehr soll dieser Begriff nicht rückübersetzt und erst recht nicht als Argument für die Verwendung des Begriffes „ingenieurgemäß“ verwendet werden. Richtigerweise ist originär auf die deutsche Bezeichnung des Staatlich geprüften Technikers zu rekurrieren, dem eigentlichen Ausgangspunkt der Zertifikate. Eine Hin- und Herübersetzung darf diesen eindeutigen Ausgangspunkt nicht verwischen.

(2)
Die Aussagen des Zertifikats, wie sie aus dem Empfängerhorizont verstanden werden, sind auch inhaltlich unrichtig. Die Fähigkeiten und die Ausbildung des „State-certified Engineer C“ sind denen eines Ingenieurs nicht gleichartig und daher nicht „ingenieurgemäß“.

Das Berufsbild des Ingenieurs ist in den Ingenieurgesetzen der Länder abschließend geregelt, die Berufsbezeichnung darf nur innerhalb dieses rechtlichen Rahmens verwendet werden. § 1 IngG NRW (Anlage 3 der Klageschrift, Bl. ## d.A.) beispielsweise normiert, dass „(d)ie Berufsbezeichnung „Ingenieur/Ingenieurin“ … (nur führen darf), wer a) das Studium einer technischen oder naturwissenschaftlichen Fachrichtung an einer deutschen Hochschule, b) das Studium an einer deutschen öffentlichen oder ihr hinsichtlich des Studienabschlusses rechtlich gleichgestellten deutschen privaten Ingenieurschule oder c) einen Betriebsführerlehrgang einer deutschen staatlich anerkannten Bergschule mit Erfolg abgeschlossen hat oder … wem … das Recht verliehen worden ist, die Bezeichnung „Ingenieur (grad.)/Ingenieurin (grad.)“ zu führen.“ Demgegenüber berechtigt zur Führung der Berufsbezeichnung als Staatlich geprüfter Techniker der erfolgreiche Abschluss einer Fachschule (§ 38 S. 1 der Anlage E der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg, APO-BK, Anlage 2 der Klageschrift, Bl. ## d.A.). Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule sind nach § 5 der Anlage E der APO-BK eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem einschlägigen Ausbildungsberuf, der Berufsabschluss und eine Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf von mindestens einem Jahr, ersatzweise eine einschlägige Berufstätigkeit von mindestens fünf Jahren. Damit ergeben sich deutliche Unterschiede in den Ausbildungsvoraussetzungen und den erforderlichen Qualitätsnachweisen. Die Tätigkeit als Ingenieur setzt eine Hochschulausbildung voraus, die als Staatlich geprüfter Techniker eine Fachschulausbildung. Dementsprechend hat die Ingenieurausbildung eine größere Tiefe und Breite als die Ausbildung zum Staatlich geprüften Techniker. Weder die Ausbildung noch die Tätigkeit der beiden Berufe sind, wie der Inhalt der Zertifikate suggeriert, gleichartig. Der Staatlich geprüfte Techniker ist nicht ingenieurgemäß ausgebildet und tätig. Dementsprechend existieren gesetzliche Vorschriften, die vorschreiben, dass bestimmte Aufgaben nur von Ingenieuren übernommen werden dürfen, die eine Hochschulausbildung absolviert haben, wie beispielsweise §§ 60 Abs. 3, 70 Abs. 3, 80 Abs. 1 Landesbauordnung NRW. Diese Vorschriften sollen eine hohe Qualität der hier erforderlichen Arbeiten sicherstellen.

Auch die ständige Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Vergleichbarkeit der Berufsbilder des Ingenieurs und des Technikers aufgrund der unterschiedlichen Breite und Tiefe der Ausbildung und Tätigkeit nicht gegeben ist. Daher müssen Techniker, die sich bei der Bewerbung um eine höhere Einstufung im BAT und im Steuerrecht, darauf berufen, eine Ingenieuren gleichartige Tätigkeit auszuüben, den konkreten Nachweis über ihre individuellen Fähigkeiten erbringen (vgl. hierzu BAG, Urteil v. 24.10.1984, Az.: 4 AZR 386/82, juris, Rn. 18; LAG Köln, Urteil v. 11.05.1999, Az.: 13 Sa 1478/98, juris, Rn.27 f. – jeweils zur Einstufung in Vergütungsgruppen nach BAT; FG München, Urteil v. 21.11.2006, Az.: 13 K 670/99, juris, Rn. 28 ff.; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.11.2013, Az.: 1 K 1129/09 -jeweils zu § 18 EStG, juris Rn. 16-19).

Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die tatsächlichen Fähigkeiten eines Staatlich geprüften Technikers denen eines Ingenieurs entsprechen, weil der Staatlich geprüfte Techniker sich durch fachliche Praxis oder sonstige Fortbildungsmethoden weitergebildet hat, allerdings prüft der Beklagte vor der Übergabe des Zertifikats diese – mögliche – Gleichartigkeit im konkreten Einzelfall nicht nach. Die Vergabevoraussetzungen sind rein formeller Art. Es versteht sich von selbst, dass die Tatsache, dass Ingenieure und Staatlich geprüfte Techniker in einem sich überschneidenden Berufsfeld tätig sind und sich die Ausbildungsinhalte und ausgeführten Tätigkeiten in gewissem Umfang überschneiden, diese Berufsgruppen nicht gleichstellt. Die Berufslandschaft ist nicht nur horizontal, sondern gerade auch vertikal diversifiziert. In einem sachlich abgegrenzten Berufsfeld können verschiedenartige Berufe angesiedelt sein, und sind es typischerweise auch, die sich allein in der Qualität ihrer Ausbildung und dem Niveau der hierin erworbenen Fähigkeiten unterscheiden. In dieser Struktur können sich die Fähigkeiten und auch einzelne ausgeübte Tätigkeiten überschneiden (bei Gericht sind das z.B. Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, Rechtspfleger und Richter). Das ändert aber nichts daran, dass die so gegliederten Berufsgruppen gerade nicht deckungsgleich, gleichartig und austauschbar sind, sondern sich stufenartig unterscheiden. Das Gleiche gilt für die Ausbildungsinhalte. Selbst Fächer die unter der gleichen Bezeichnung an Berufsschulen, Fachschulen oder Universitäten gelehrt werden, können sich gravierend in den vermittelten Kenntnissen unterscheiden. Auch eine etwaige Gleichnamigkeit der Lehrveranstaltungen gibt keinen Aufschluss über das vermittelte Niveau, welches sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ausbildungsinhalte ergibt (vgl. LAG Köln, Urteil v. 26.04.1999, Az.: 4 Sa 1009/98, juris Rn. 30). Ein Staatlich geprüfter Techniker mag durchaus in der Lage sein, ein einfaches Bauvorhaben zu planen (wozu auch ein Ingenieur in der Lage ist), anders als ein Ingenieur möglicherweise aber nicht, ein schwieriges Bauprojekt umzusetzen. Dieser Unterschied ist essentiell.

Soweit der Beklagte ausführt, Staatlich geprüfte Techniker würden als Mittler zwischen dem Ingenieur und Facharbeiter sowie zur Unterstützung von Ingenieurteams eingesetzt, ist diese Funktion gerade Teil des abgestuften Qualifikations- und Tätigkeitsniveaus. Dennoch und gerade deshalb sind Staatlich geprüfte Techniker den Ingenieuren nicht gleich zu setzen. Der Unterschied zeigt sich auch in Wertungen, die den gesetzlichen Vorschriften zugrunde liegen, die für bestimmte, oft gefahrgeneigte Tätigkeiten, die Anwesenheit, Verantwortlichkeit oder Betrauung eines Ingenieurs erfordern. Entsprechende Differenzierungen kommen in den Zertifikaten nicht zum Ausdruck. Der Beklagte formuliert pauschal, der „State-certified Engineer C“ habe eine „ingenieurgemäße Ausbildung“ und führe „ingenieurgemäße Tätigkeiten“ aus.

Aus dem Deutschen Qualifikationsrahmen, der sowohl den Staatlich geprüften Techniker als auch den Ingenieur der Niveaustufe 6 der Klassifizierung zuordnet, folgt ebenso nicht, dass diese Berufsgruppen gleichartig, austauschbar sind. Der Deutsche Qualifikationsrahmen soll Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen und die Mobilität der Arbeitnehmer in Europa erhöhen, indem er die nationalen Bildungsqualifikationen den acht Niveaustufen des Europäischen Qualifikationsrahmens zuordnet. Allerdings erfordert jede rechtliche Klassifizierung ein gewisses Maß an Generalisierung. Die genauen Grenzsetzungen ergeben sich einerseits aus der Zielrichtung der Vorschrift und ihres Regelungsziels und andererseits aus der Anzahl der möglichen Differenzierungen. Der Deutsche Qualifikationsrahmen soll unter anderem auch die „Gleichwertigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung zum Ausdruck bringen“ (siehe die Internetseite des DQR, unter FAQ, http://www.dqr.de/content/2360.php, Antwort auf die Frage: „Welche Ziele werden mit dem DQR verfolgt?“). Die Einordnung von Fachwirten, Meistern, Technikern und Bachelor-Absolventen auf Niveaustufe 6 wird mit der Gleichwertigkeit der Qualifikationen begründet, die für Aufgaben eines gleichen Anforderungsniveaus qualifizieren sollen (Internetseite des DQR, aaO, Antwort auf die Frage: „Mit welchem Argument werden Meister/in, Fachwirt/in, Techniker/in und Bachelor demselben Niveau zugeordnet?“). Allerdings schränkt der Deutsche Qualifikationsrahmen diese Prämisse selbst wieder ein, indem er betont, dass die Qualifikationen zwar gleichwertig, nicht aber gleichartig sind, dass die Abschlüsse für unterschiedliche Aufgabe qualifizieren, dass sich die Tätigkeiten trotz gleicher Komplexität „nach ihren Inhalten und den zur Problemlösung erforderlichen Methoden deutlich unterscheiden“ (Internetseite des DQR, a.a.O., Antwort auf die Frage: „Mit welchem Argument werden Meister/in, Fachwirt/in, Techniker/in und Bachelor demselben Niveau zugeordnet?“ und auf die Frage: „Wenn die Qualifikationen Fachwirt/in, Meister/in und Techniker/in wie auch der Bachelor dem Niveau 6 des DQR zugeordnet werden, bedeutet das, dass ich als Absolvent/in ein Masterstudium aufnehmen kann, ohne einen Bachelorstudiengang absolviert zu haben?“) In den FAQ des DQR heißt es ausdrücklich: „In diesem Sinne unterscheiden sich die erforderlichen fachlichen und sozialen Kompetenzen bei Meister/in, Fachwirt/in, Techniker/in und Bachelor. Die Qualifikationen sind daher – z. B. bei Stellenbesetzungen – auch nicht gegeneinander austauschbar.“ (Internetseite des DQR, aaO, Antwort auf die Frage: „Lohnt sich überhaupt noch ein Studium, wenn Meister/in, Fachwirt/in, Techniker/in und Bachelor als gleichwertig eingestuft werden?“) Der Deutsche Qualifikationsrahmen hat auch nach eigener Aussage nicht das Zielsetzung, das Bildungssystem zu regulieren, neue Berechtigungen schaffen und Einfluss auf die Zulassung zum Hochschulstudium zu nehmen (Internetseite des DQR, a.a.O., Antworten auf die Fragen: „Erleichtert der DQR den Zugang zu Bildungsgängen, z. B. zu einem Hochschulstudium?“, „Welche Berechtigungen ergeben sich aus der DQR-Zuordnung einer Qualifikation?“).

Aus den von dem Beklagten vorgelegten Stellenanzeigen, in denen Unternehmen sowohl Ingenieure als auch Staatlich geprüfte Techniker suchen, folgt nicht, dass in der beruflichen Praxis aus Arbeitgebersicht beide Berufsgruppen austauschbar sind. Teilweise sind die vorgelegten Stellenanzeigen dem Wortlaut nach allgemein darauf ausgerichtet verschiedenartig qualifizierte Arbeitnehmer zu finden, ohne auf eine spezifische offene Position Bezug zu nehmen. Die Zusammenfassung in einer Stellenanzeige mag auf Effizienzgesichtspunkten zu beruhen, ist aber kein hinreichendes Indiz für die Austauschbarkeit der Berufsbilder. Auch soweit die Stellenanzeigen konkrete Positionen ausschreiben, ergibt sich hieraus nicht zwingend eine Gleichartigkeit der Berufsbilder. Die gesuchten Fähigkeiten können ohne weiteres auf der Stufe zu verorten sein, die dem Qualifikationsgrad des Staatlich geprüften Technikers entspricht, jedenfalls aber auch durch einen Ingenieur erfüllt werden kann bzw. sich im Schnittbereich zwischen der Tätigkeit des Ingenieurs und des Staatlich geprüften Technikers befinden.

(3)
Eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG liegt in der Verleihung der Berufsbezeichnung „State-certified Engineer C“ durch den Beklagten, denn diese erweckt den Eindruck, eine staatliche oder staatlich genehmigte Zertifizierung stehe in Zusammenhang mit ihm, dem Beklagten, er habe sie vorgenommen oder dürfe sie zumindest durch Hinzufügung des Kürzels „C“ bescheinigen. Während die Klägerin nicht grundsätzlich die Befugnis des Beklagten bestreitet, Zertifikate zu erteilen, wendet sie sich gegen die Verbindung der – rechtlich nicht geschützten – Berufsbezeichnung des „State-certified Engineer“ mit dem Zusatz „C“. Der Beklagte führt über seine eigene Befugnis irre, dem „State-certified Engineer C“ ein Zertifikat ausstellen zu dürfen, welches diesem eine „ingenieurgemäße“ Ausbildung und „ingenieurgemäße“ Fähigkeiten bescheinigt. Gleichzeitig bezieht sich die Irreführung auch auf die Eigenschaften und Befähigung der Zertifikatsinhaber, indem suggeriert wird, diese seien durch eine staatliche Prüfung bzw. staatlich genehmigte Prüfung ausgewiesen.

Der Begriff des „State-certified Engineer“ ist als solcher eine bloße Übersetzung der geschützten Berufsbezeichnung des „Staatlich geprüften Technikers“, welche bei Erfüllung der gesetzlich normierten Voraussetzungen durch staatliche Einrichtungen oder aufgrund einer staatlichen Beleihung vergeben wird (Zeugnis über die Fachschulausbildung: BASS Anlage E § 16, Bl. 39 Rückseite d.A.). Der Beklagte nimmt weder eine staatliche Prüfung ab, noch ist er ermächtigt, das Bestehen der staatlichen Prüfung als solche zu bescheinigen. Er knüpft vielmehr an ein bereits bestehendes Zeugnis an und verleiht einen eigenen Titel, anstatt eine Übersetzung des Fachschulzeugnisses oder die Ausstellung einer Mitgliedschaftsurkunde anzubieten. Eine materielle Prüfung der Fähigkeiten des einzelnen Zertifikatsinhabers nimmt er gerade nicht vor. Dennoch bescheinigt er, dass der Inhaber des Zertifikats „befähigt ist, ingenieurgemäße Tätigkeiten auszuführen“. In diesem Gesamtzusammenhang ergibt sich aus der Kombination der Begriffe „State-certified“ und „C“ der falsche Eindruck, der Beklagte, handelnd unter der Bezeichnung C, habe eine eigene Prüfung durchgeführt, welche staatlich anerkannt ist. Dies wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Abkürzung „C“ in den angesprochenen Verkehrskreisen, gerade auf internationaler Ebene, nicht allgemein bekannt und verständlich ist. Die optische Aufmachung des Zertifikats verstärkt die Irreführung über die Qualität der von dem Beklagten durchgeführten Prüfung. Das Zertifikat wird in Farbe ausgestellt und ist im oberen Viertel versehen mit Farbwiedergaben der Europaflagge, der deutschen Flagge sowie des Logos des Beklagten, mit einem Sternenkranz, ähnlich dem der Europaflagge, und der Buchstabenkombination C, was optisch den abgebildeten Flaggen ähnelt. Der – durch die Verbindung der Sprachversionen deutsch-englisch, die Bezeichnung als „State-certified“ und die Abbildung der Flaggen und des Logos erzeugte – Gesamteindruck lässt auf eine offizielle Bescheinigung schließen, nämlich auf ein staatlich ausgestelltes oder ein unter staatlicher Leitung oder mit staatlicher Vollmacht erstelltes Dokument.

3.
Die Ausstellung der Zertifikate ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern zu beeinträchtigen, denn die mit ihnen hervorgerufenen Fehlvorstellungen sind wettbewerbsrechtlich relevant. Mit der Ausstellung der Zertifikate können einerseits sonstige Marktteilnehmer, vor allem Arbeitgeber, dahingehend beeinflusst werden, wie es dem Sinn der Zertifikate entspricht, deren Inhaber zu bevorzugen und sie somit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Damit beeinträchtigen sie folglich auch die Interessen der Mitglieder der Klägerin in spürbarer Weise, die aufgrund der Irreführung im Geschäftsverkehr wettbewerbliche Nachteile erleiden können. Zwischen den Zertifikatsinhabern und den Mitgliedern der Klägerin besteht auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Dieses ist andererseits auch im Hinblick auf Mitbewerber des Beklagten gegeben. Deren Interessen können dadurch beeinträchtigt werden, dass der Beklagte seine Stellung im Rechtsverkehr durch das Angebot und die Ausgabe der Zertifikate verbessert.

4.
Aufgrund des festgestellten Wettbewerbsverstoßes wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr in Bezug auf identische und kerngleiche Verstöße vermutet.

III.
Die Androhung der Ordnungsmittel folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 25.000 €

I