LG Dortmund: Bei ähnlicher Grundform, aber erheblichen Unterschieden der Einzelmerkmale besteht keine unlautere Leistungsübernahme einer Handtasche

veröffentlicht am 11. Februar 2014

LG Dortmund, Urteil vom 17.01.2014, Az. 3 O 204/13 § 8 Abs. 1 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr. 9a UWG, § 4 Nr. 9b UWG

Das LG Dortmund hat entschieden, dass der Vertrieb einer Handtasche keine unlautere Leistungsübernahme eines bereits vorhandenen Produkts darstellt, wenn zwar die Grundform und die Funktionsweise (faltbar) ähnlich sind, aber in den Einzelmerkmalen erhebliche Unterschiede bestehen. Die Tasche der Klägerin erwecke einen eleganten Eindruck, während die der Beklagten eher sportiv-flexibel wirke. Da eine Nachahmung schon nicht vorliege, könne eine Herkunftstäuschung ebenfalls ausgeschlossen werden. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Dortmund Urteil

Das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die die Beklagte trägt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über wettbewerbswidrige Leistungsübernahme durch den Vertrieb von Damenhandtaschen durch die Beklagte. Die Klägerin begehrt Unterlassung und Schadensersatz aus ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

Die Klägerin stellt her und vertreibt in Deutschland die nachfolgend dargestellten Taschen in unterschiedlichen Farben und Formen unter der Bezeichnung „M“ unter den Artikelnummern 1621, 1623, 1624, 1625, 2605, 1899/2724.

[Abb.]

Die Faltbarkeit der Tasche geht auf ein U.S.-amerikanisches Patent Nr. 0.000.000 vom 15.09.1925 zurück. Die Klägerin meldete zwei Taschenmodelle unter der Geschmacksmuster-Nummer M 0000000.0 am 29.06.1994 an und ging hieraus wegen Geschmacksmusterverletzung gegen einen Mitkonkurrenten erfolglos vor dem Landgericht München im Jahr 1996 und dem Oberlandesgericht München im Jahr 1997 vor. Die Tasche der Klägerin war Gegenstand der Berichterstattung von Modezeitschriften und Illustrierten, die sie im Zusammenhang mit der Ehefrau des britischen Thronfolgers erwähnen.

Die Beklagte betreibt ein im Gewerberegister eingetragenes Einzelhandelsgeschäft in E, in dem sie u.a. Taschen zum Kauf anbietet.

Ein Testkäufer der Klägerin kaufte die streitgegenständliche, im Antrag abgebildete Tasche bei der Beklagten zu einem Preis in Höhe von 24,95 €. Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 19.04.2013 ab und forderte sie auf, bei Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 30.04.2013 die Tasche nicht mehr anzubieten oder zu bewerben sowie in der genannten Frist Auskunft über Herkunft und Vertrieb der Tasche zu geben.

Die Klägerin behauptet Umsätze der Tasche „M“ in Höhe von 900.000,00 € in Deutschland im Jahr 2001, in Höhe von 1.400.000,00 € im Jahr 2002, 2003 in Höhe von 2.900.000,00 € und in den folgenden Jahren von über 3 Millionen €. Im Jahr 2009 seien mehr als 150.000 Stück, im Jahr 2010 mehr als 200.000 Stück, im Jahr 2011 mehr als 250.000 Stück und im Folgejahr mit weiterer Steigerung abgesetzt worden. Sie behauptet, dass es sich damit um die meistverkaufte Tasche der Welt handele, u.a. die Ehefrau des britischen Thronfolgers Trägerin der Tasche sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, die wettbewerbliche Eigenart als Voraussetzung für die Herkunftstäuschung ergebe sich aus dem trapezförmigen Nylonkorpus, den an der Oberseite angebrachten Tragegriffen, einem zwischen diesen befindlichen Überschlag – dabei aus jeweils den Korpus kontrastierendem Leder – und der Faltbarkeit, die durch den Überschlag und dem Druckknopf auf der Rückseite fixiert werde.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,

1. der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die nachfolgend abgebildeten Taschen anzubieten oder zu bewerben oder anbieten oder bewerben zu lassen,

[Abb.]

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot zu Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen,

3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus den oben unter Ziff. 1 genannten Verletzungshandlungen jeweils entstanden ist oder noch entstehen wird,

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Herkunft und den Umfang des Vertriebs der von ihr in Deutschland angebotenen Taschen gemäß Ziff. 1 und zwar unter Angabe

a. von Namen und Anschrift des oder der Lieferanten,

b. der von ihr bezogenen Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, den Bezugszeitpunkten sowie den jeweiligen Einkaufspreisen,

c. der von ihr abgesetzten Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, Filialen, Vertriebshandlungen im Wege des Fernabsatzes und den jeweiligen Kalenderdaten des Verkaufs sowie den jeweils erzielten Verkaufspreisen,

jeweils unter Vorlage von Rechnungen als Nachweis,

5. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.374,35 zu bezahlen.“

Auf den Antrag der Klägerin hin ist nach Zustellung der Klage am 14.08.2013 an den Beklagtenvertreter, der im Anschluss das Mandat niedergelegt, ohne dass ein anderer Anwalt seine Bestellung angezeigt hat, und später wieder aufgenommen hat, ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren am 30.08.2013 ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Beklagtenvertreter am 09.09.2013 zugestellt worden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 23.09.2013, eingegangen bei Gericht am 23.09.2013, Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne – hilfsweise gegen – Sicherheitsleistung einzustellen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege keine Herkunftstäuschung vor, da die „M“ nur über eine geringe wettbewerbliche Eigenart verfüge und die Unterschiede zwischen den beiden Taschen eine Verwechslungsgefahr ausschließen würden; weiter ist sie der Ansicht, dass eine Ausnutzung der Wertschätzung ausgeschlossen sei, da weder ein besonderer Ruf der Klägerin noch ein Ausnutzen vorlägen; zudem hindere die mittlerweile eingetretene Verwirkung die Geltendmachung der Ansprüche.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Versäumnisurteil vom 30.08.2013 war daher auf den Einspruch der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Einspruch ist zulässig, insbesondere ist er form- und fristgemäß nach §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.

Die Klage ist unbegründet, da die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung des künftigen Anbietens und Bewerbens resp. Anbieten-/Bewerbenlassens geltend machen kann. Ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 9a, 9b UWG ist unbegründet. Eine Verletzung der Regelungen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes ergibt sich weder aus dem Aspekt der vermeidbaren Herkunftstäuschung, § 4 Nr. 9a UWG, noch der Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung, § 4 Nr. 9b UWG. Damit sind auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ausgeschlossen.

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9a UWG liegen nicht vor. Die unlautere Handlung nach § 4 Nr. 9a UWG besteht in dem Anbieten von Waren, die eine Nachahmung der Originalwaren mit wettbewerblicher Eigenart sind, und welches eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Vorausgesetzt werden also eine wettbewerbliche Eigenart, zweitens eine Nachahmung und zuletzt besondere wettbewerbliche Umstände, die nach § 4 Nr. 9 UWG die Wettbewerbswidrigkeit begründen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2007 – I ZR 198/04 Rn. 22). Vorliegend fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal der Nachahmung.

Neben der Kenntnis des Herstellers von dem Original als Vorbild zum Zeitpunkt der Produkterstellung ist eine Übereinstimmung des Produkts mit dem Originalprodukt erforderlich. Das Produkt muss dem Originalprodukt zumindest derart ähneln, dass es in ihm wiedererkannt werden kann (Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.34). Das ist vorliegend nach Inaugenscheinnahme durch die erkennende Kammer nicht der Fall. Bei der streitgegenständlichen Tasche handelt es sich nach der Beweisaufnahme weder um eine identische noch um eine nachschaffende Nachahmung. Die Taschen ähnlich sich nur entfernt (vgl. so schon bei Vergleich von „M“ und streitgegenständlicher Tasche: D, Urt. v. 13.09.2013 – 12/12204; LG Hamburg, 312 O 174/07).

Von einer identischen oder nahezu identischen Nachahmung kann bei der streitgegenständlichen Tasche in keiner Weise ausgegangen werden. Eine derartige wäre allein dann zu bejahen sein, wenn die fremde Leistung ohne oder mit allein geringfügiger Veränderung übernommen worden ist und die im Gesamteindruck keine erheblichen Abweichungen von dem Original zeigt (BGH, Urt. v. 06.05.1999 – I ZR 199/96 Rn. 48 f.; BGH, Urt. v. 15.04.2010 – I ZR 145/08 Rn. 25). Bei einer nachschaffenden Nachahmung wird die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt und bei zeitgleicher eigener Leistung nachschaffend wiederholt. Erforderlich ist, dass das Produkt der Beklagten wiedererkennbare wesentliche Elemente der Vorlage beinhaltet (Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.37).

Hier bestehen hingegen nach Inaugenscheinnahme der beiden Taschen durch die erkennende Kammer im Gesamteindruck erkennbare Unterschiede, die einen ausreichenden Abstand begründen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2007 – I ZR 198/04 Rn. 33).

Die Kammer hat bei der Inaugenscheinnahme der beiden Taschen – sowohl in entfaltetem als auch zusammengefaltetem Zustand – unterstellt, dass die von der Klägerin hergestellte Tasche eine gewisse Bekanntheit bei nicht unbeachtlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH, Urt. v. 28.10.2004 – I ZR 326/01 Rn. 31; BGH, Urt. v. 24.05.2007 – I ZR 104/04 Rn. 16, 25, 31).

Ferner hat die erkennende Kammer in ihre Erwägungen einbezogen, dass die Taschen nicht zeitgleich wahrgenommen werden, der Konsument die Ware nicht unmittelbar, sondern aufgrund seiner Erinnerung miteinander vergleicht. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass Übereinstimmungen deutlicher als Unterschiede hervortreten, letztere also in der Beurteilung hinter erstere zurücktreten (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2013 – I ZR 136/11 Rn. 34).

Bei den Gemeinsamkeiten hat die erkennende Kammer neben der gemeinsamen Faltbarkeit insbesondere die Ähnlichkeit in der Grundform des Korpus und in der Kombination von Henkel und Überschlag, die sich in Material und Farbe von dem Taschenkörper jeweils absetzen, erkannt. Nach Inaugenscheinnahme unterscheiden sich die Taschen allerdings derart deutlich, dass „M“ nicht in der streitgegenständlichen Tasche wiedererkannt werden kann. Der Gesamteindruck ist wie von Klägerseite vorgetragen entscheidend. Gleichwohl sind entgegen der Ansicht der Klägerin einzelne Merkmale, die das Gesamtprodukt gestalten, durchaus relevant, da sie den Gesamteindruck ergeben. Diese prägenden Merkmale genügen nicht, um den Eindruck zu erwecken, die Tasche stamme von der Klägerin. Insbesondere weisen die fünf Aspekte von Material, Korpus, Henkel, Besatzstück und Überschlagform erhebliche Unterschiede auf.

1. Das Material beider Taschen beinhaltet zwar Nylonanteile. Allerdings besteht das Produkt der Klägerin neben einem großflächigen Nylonbereich aus einem nicht unbeachtlichen Lederanteil, die von der Beklagten angebotene Handtasche hingegen ausschließlich aus Nylon/nylonartigem Kunststoff. Ausschließlich bei der klägerischen Originaltasche ergibt sich ein Kontrast von Leder und Nylon. Gerade diese Kombination von Leder und – meist einfarbig glänzend gehaltenem – Nylon ist für die Tasche der Klägerin bezeichnend, dient dem benannten Verkehrskreis als erstes Unterscheidungsmerkmal, und wird von der Beklagten nicht imitiert. Zudem handelt es sich nach den haptischen Eindrücken der erkennenden Kammer bei „M“ um ein feines Nylonmaterial, während die Tasche der Beklagten einen gerauten Stoff aufweist.

2. Der Korpus der streitgegenständlichen Tasche ist ähnlich geformt, allerdings von einer für eine modische Einkaufstasche, einen Shopper, nicht untypisch großflächigen länglichen querformatigen rechteckigen Form. Lediglich bei der Tasche der Beklagten befindet sich auf der Rückseite ein aufgesetztes kleines, mit Reißverschluss zu bedienendes Außenfach. Tatsächlich ist das Ende der „Lederohren“ bei dem nachgeahmten Produkt durch die „Nylonohren“ nachgeahmt. Abgesehen davon, dass zahlreiche andere, in Deutschland vertriebene Taschen die gleiche Kombination aufweisen, handelt es sich bei diesen Endstücken auch um ein zweckmäßig funktionales Element, das bei der Betätigung des Reißverschlusses einen stabilisierenden Effekt beinhaltet. Diese Enden unterscheiden sich zudem hinsichtlich Material – Leder oder Nylon – und Farbe – braun oder schwarz. Auch in den Maßen bestehen Unterschiede, insbesondere ist die Tasche der Beklagten ca. 12 cm länger als die der Klägerin. In ausgefaltetem, gefülltem Zustand zeigt sich bei der Tasche der Klägerin eine stabile Trapezform, die Konturen der ausgefalteten Tasche der Beklagten sind nicht so deutlich ausgeprägt. Die Trapezform wird aufgrund der zahlreichen Abrundungen nicht in gleicher Weise erkennbar (so auch LG Hamburg, 312 O 174/07).

3. Die Henkel von Original- und nachgeahmter Tasche unterscheiden sich durch das Material erheblich. Der stabile, hochwertige Lederhenkel des Originalprodukts ist zudem schmal geschwungen, in stets brauner Färbung und mündet auf dem Korpus mit einem „schildförmigen“ Stück, während das nachgeahmte Produkt den Henkel aus schwarzem Nylon bzw. nylonähnlichem Kunststoff auf den gestreiften Korpus mit einem viereckigen Stück aufsetzt.

4. Die Besatzstücke und modischen Kennzeichen unterscheiden sich ebenfalls. Der für das Originalprodukt markante goldene Druckknopf nebst Emblem-Anhänger am Reißverschluss fehlt der Tasche der Beklagten gänzlich. Sie imitiert diese Merkmale nicht, sondern setzt ihnen vielmehr die Kennzeichnung als „scorlan by B“ im rechten unteren Bereich der Tasche entgegen.

5. Der Überschlag weicht in Form und Material bei den beiden Taschen deutlich voneinander ab. Er ist bei dem Originalprodukt aus einem hochwertigen braunen Leder in einer rechteckig-abgerundeten Form, während das streitgegenständliche Produkt eher trapezförmig aus schwarzem Nylon/nylonähnlichem Kunststoff gefertigt ist. Die Form des Überschlags kann bei der klägerischen Tasche nicht genau in Form eines Rechtecks oder Halbkreises gefasst werden, die untere Kante ist im Gegensatz zu den gerade verlaufenden Seitenkanten bogenförmig geschwungen, die Tasche ist eher breit als hoch (ebenfalls LG Hamburg, 312 O 174/07). Der Überschlag der Tasche der Beklagten zeichnet sich hingegen durch eine größere Höhe mir geraden Kanten aus (so auch LG Hamburg, 312 O 174/07).

Ähnliche Unterschiede hat auch der Tribunal des Grande Instance de Paris (3. Chambre, 4. Section) hinsichtlich Laschen, Griffen, Taschenverschluss und Material festgestellt (D, Urt. v. 13.09.2013 – 12/12204). Eine Verwechslungsgefahr wurde auch dort angesichts der Verschiedenheit ausgeschlossen.

Berücksichtigt hat die Kammer ferner die Tatsache, dass die Tasche der Klägerin nicht nur als alltäglicher Gebrauchsgegenstand, sondern auch als ggf. kostspieligeres Modeaccessoire erworben wird. Angebote der Klägerin bewegen sich bezüglich „M“ derzeit weitgehend in der Preisklasse von ca. 70 bis 160 €. Der Interessent, der eine derartige Tasche erwerben möchte, wird sich intensiv mit dieser Investition beschäftigen und sie nicht mit der Tasche der Beklagten verwechseln, die der Testkäufer für 24,95 € erworben hatte.

Beide Taschen können außerdem mit der gleichen Falttechnik auf ein Format, nicht sehr viel größer als der Überwurf, minimiert werden. Das Merkmal der Faltbarkeit scheidet allerdings als Ansatzpunkt für eine rechtswidrige Imitation aus, da die Faltbarkeit als funktionales Element nebst Überschlag und Druckknopf unstreitig seit 1925 auf ein US-Patent zurückgeht. Der erforderliche Abstand wird durch die Wahl verschiedener Materialien, Produktbezeichnungen und das feste Anbringen von Herkunftskennzeichnungen gewahrt (in Bezug auf Vermeidbarkeit einer Täuschung BGH, Urt. v. 20.02.1976 – I ZR 64/74 Rn. 23; BGH, Urt. v. 08.12.1999 – I ZR 101/97 Rn. 21 ff.). Die Voraussetzungen zur Verschiedenheit der ästhetischen Gestaltung werden durch Trends, Moden und Stile bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1971 – I ZR 25/70 Rn. 14; OLG Köln, Urt. v. 14.06.2002 – 6 U 175/01 Rn. 40 ff.). Die in diesem Rahmen typischerweise angeregten Maßnahmen wie Wahl eines anderen Materials werden durch den durchgehenden Nylonstoff bzw. nylonähnlichen Kunststoff und die Produktbezeichnung durch die Bezeichnung an der rechten unteren Ecke der Tasche bereits umgesetzt. Bei ihrer Bewertung hat die erkennende Kammer berücksichtigt, dass sich die gestalterische Eigenart der Tasche zudem in Kombination mit den Eigenarten der Kleidung und anderer mitgeführter Gegenstände ergibt. Bei der Auswahl eines Produkts wird der Konsument auch dieses Zusammenwirken in seine Kaufentscheidung einbeziehen (so ausdrücklich LG Hamburg, 312 O 174/07). Vor diesem Hintergrund wird ein Interessent für die elegante Tasche der Klägerin nicht auf die preisgünstigere und dem Gesamteindruck nach eher sportiv-flexibel wirkende Tasche der Beklagten ausweichen.

Da es sich schon nicht um eine Nachahmung handelt, ist eine Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9a UWG ausgeschlossen. Die Tasche der Beklagten weicht derart deutlich von der der Klägerin ab, dass keine Täuschungsgefahr besteht. Auch eine unangemessene Ausnutzung/Beeinträchtigung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware, § 4 Nr. 9b UWG, kommt nicht in Betracht. Eigenständige Bedeutung gewinnt die Variante gegenüber der Herkunftstäuschung, wenn lediglich Dritte, nicht der Käufer selbst, von der Echtheit der Nachahmung ausgehen (Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.53). Dies ist nur dann der Fall, wenn eine tatsächliche Bezugnahme zu dem Originalprodukt erkennbar wird (BGH, Beschl. v. 02.12.2004 – I ZR 273/01 Rn. 24; BGH, Urt. 02.12.2003 – I ZR 30/02 Rn. 35). Eine Prestigezerstörung ist angesichts des beschriebenen Abstands der Produkte ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 11.01.2007 – I ZR 198/04 Rn. 48). Das ist vorliegend nicht der Fall, da es nach den Feststellungen der Kammer aufgrund der Inaugenscheinnahme schon an einer Nachahmung der Tasche fehlt. Eine ausnahmsweise Bejahung einer wettbewerbswidrigen Nachahmung jenseits von § 4 Nr. 9 a)-c) UWG ist damit ebenfalls ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2007 – I ZR 198/04 Rn. 51). Auch über die von der Beklagten vorgetragenen Verwirkung war vorliegend nicht mehr zu entscheiden.

Weitere Ansprüche aus §§ 42 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 DesignG bestehen nicht. Die Klägerin trägt nicht vor, dass es sich bei der Tasche um ein eingetragenes Design im Sinne von §§ 1 Nr. 1, 38 Abs. 1 S. 1 DesignG handelt (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2004 – I ZR 142/01 Rn. 15). Die Klägerin macht etwaige Ansprüche hieraus nicht geltend.

Der Feststellungsantrag ist mangels Schadensersatzpflicht der Beklagten unbegründet.

Ein Auskunftsanspruch nach § 8 Abs. 5 UWG i.V.m. § 13 UKlaG entfällt, da die Klägerin schon nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten, namentlich der qualifizierten Einrichtungen, rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern, § 13 Abs. 1 UKlaG, zählt. Ein Auskunftsanspruch aus gesetzlichem Schuldverhältnis i.V.m. § 242 BGB (Köhler/Bornkamm, UWG, § 9 Rn. 4.5) ist mangels Wettbewerbsverstoßes ausgeschlossen.

Mangels Pflichtverstoßes durch die Beklagte sind auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten und die Kosten für den Testkauf nicht zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 344 ZPO. Hinsichtlich der Bedenken der Beklagten bezüglich der Gesetzmäßigkeit des Versäumnisurteils ist auf die Voraussetzungen zum Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO zu verweisen, die zum Zeitpunkt des Erlasses vorlagen. Es bleibt bei der Kostenregelung nach § 344 ZPO. An der Gesetzmäßigkeit des Versäumnisurteils besteht kein Zweifel. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Beklagten die Zustellung der Klage und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nebst Hinweisen auf §§ 331 Abs. 3, 276 Abs. 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 14.08.2013 wirksam erfolgt, entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich damit um ein nun rechtshängiges Gerichtsverfahren, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO. Zum Zeitpunkt der Zustellung war der Beklagtenvertreter wirksam bestellter Prozessbevollmächtigter, da er den Klägervertreter formlos per E-Mail von seiner Prozessvollmacht benachrichtigt hatte (Zöller, ZPO, § 172 Rn. 6). Hinsichtlich der Ausführungen der Beklagten zur anschließenden Niederlegung des Mandats sei auf die gesetzliche Regelung der §§ 172, 87 ZPO verwiesen. Die Zustellung muss, um wirksam zu sein, an den Prozessbevollmächtigten erfolgen, auch wenn er das Mandat niedergelegt hat, solange – wie vorliegend – sich kein neuer Rechtsanwalt gemeldet hat (Zöller, § 87 und § 172 Rn. 11).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

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