LG Dortmund: Die Werbung für eine Lotion mit „straffender“ Wirkung ist irreführend, wenn ein wissenschaftlicher Nachweis nicht existiert

veröffentlicht am 11. April 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Dortmund, Urteil vom 24.08.2012, Az. 25 O 178/12
§ 2 Abs.1 UKlaG; § 5 Abs. 3 UWG

Das LG Dortmund hat entschieden, dass die Werbung für eine Lotion mit u.a. folgenden Slogans „Wohlgeformten Busen in 28 Tagen“, oder „Tests beweisen: N wirkt wie ein unsichtbarer BH, indem es die Haut an Brust und Dekolletee strafft, glättet und stärkt“, irreführend ist, soweit ein wissenschaftlicher Nachweis nicht existiert. Die Verfügungsbeklagte konnte eine erforderliche Placebo-Studie für die behaupteten Wirkungen nicht vorlegen. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Dortmund

Urteil

Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „N Lotion“ zu werben mit einer busenformenden, busenstraffenden und / oder einer busenhebenden Wirkung, insbesondere zu werben mit:

1. „Wohlgeformten Busen in 28 Tagen“,

2. „für 74 %: Hautstraffung und Anhebung der Brustwarzen um 1,2 cm“,

3. „für 66 %: Wohlformung des Busens“,

4. mit den Abbildungen und / oder dem Text:

[Abb.]

5. „Tests beweisen: N wirkt wie ein unsichtbarer BH, indem es die Haut an Brust und Dekolletee strafft, glättet und stärkt“,

6. „Bringen Sie Ihren Busen wieder in Form !“,

7. „Die durchgeführten Test an 45 Frauen im Alter von 30 bis 55 Jahren beweisen: N bringt den Busen wieder in Form – und das bereits nach 28 Tagen“,

8. „N“ wirkt wie ein unsichtbarer BH, indem die Haut an Brust und Dekolletee signifikant gestärkt wird. Als Folge davon findet eine Anhebung der Brustwarzen Richtung Kinn sowie eine Wohlformung des Busens statt“,

9. „Ja, ich will einen schöneren, besser geformten Busen. Deshalb bestelle ich …“

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin richtet sich gegen eine Werbemaßnahme der Verfügungsbeklagten für das Produkt „N Lotion“.

Der Vereinszweck der Verfügungsklägerin besteht u.a. in der Wahrung der Regeln des unlauteren Wettbewerbs. Ausweislich der als Anlage A 5, Blatt 22 ff. d.A., zur Akte gereichten Mitgliederliste befinden sich unter den Mitgliedern verschiedene Unternehmen aus dem Bereich des Gesundheitswesens sowie pharmazeutische Unternehmen und Unternehmen, die den Handel mit pharmazeutischen Produkten betreiben.

Die Verfügungsbeklagte bewirbt das Produkt „N Lotion“. Eine von der Verfügungsbeklagten geschaltete Anzeige erschien am 19.07.2012 in der Zeitschrift „G“, Heft 29, Seite 49. In dieser Anzeige warb die Verfügungsbeklagte mit den im Klageantrag genannten Aussagen. Das Produkt „N Lotion“ ist zur äußerlichen Anwendung bestimmt und soll der Beeinflussung der Körperformen dienen, u.a. durch Straffung des Hautgewebes im Brust- und Dekolleteebereich bis hin zur Wohlformung des Busens und Anhebung der Brustwarzen. Das Produkt „N Lotion“ ist nicht als Arzneimittel gemäß §§ 2, 21 AMG zugelassen.

Mit Schreiben vom 19.07.2012 forderte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte unter Fristsetzung bis zum 26.07.2012 auf, die vorgenannte Werbung zu unterlassen.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass die durch die Verfügungsbeklagte versprochene Wirkung nicht erzielbar sei. Ab dem 30. Lebensjahr verliere das Bindegewebe an der weiblichen Brust zunehmend an Elastizität, mit zunehmendem Alter bilde sich auch die weibliche Brustdrüse zurück, was wiederum zu einem Hängebusen führe. Um das von der Verfügungsbeklagten versprochene Ergebnis zu erzielen, müsste die weibliche Brustdrüse in der Tiefe gestrafft werden. Dies ist bei der lokalen Anwendung einer Lotion, wie es bei dem hiesigen Produkt der Fall ist, nicht möglich.

Die Verfügungsklägerin ist daher der Ansicht, dass es sich vorliegend um eine vorsätzlich grob täuschende Werbung handele. Zudem liege ein Verstoß gegen das Strengepinzip vor. Im Fall der Gesundheitswerbung bestünden erhöhte Anforderungen an Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage. Auch dies sei hier nicht gewahrt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „N Lotion“ zu werben mit einer busenformenden, busenstraffenden und / oder einer busenhebenden Wirkung, insbesondere zu werben:

1. „Wohlgeformten Busen in 28 Tagen“,

2. „für 74 %: Hautstraffung und Anhebung der Brustwarzen um 1,2 cm“,

3. „für 66 %: Wohlformung des Busens“,

4. mit den Abbildungen und / oder dem Text:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

5. „Tests beweisen: N wirkt wie ein unsichtbarer BH, indem es die Haut an Brust und Dekolletee strafft, glättet und stärkt“,

6. „Bringen Sie Ihren Busen wieder in Form !“,

7. „Die durchgeführten Test an 45 Frauen im Alter von 30 bis 55 Jahren beweisen: Megastar Bust bringt den Busen wieder in Form – und das bereits nach 28 Tagen“,

8. „N“ wirkt wie ein unsichtbarer BH, indem die Haut an Brust und Dekolletee signifikant gestärkt wird. Als Folge davon findet eine Anhebung der Brustwarzen Richtung Kinn sowie eine Wohlformung des Busens statt“,

9. „Ja, ich will einen schöneren, besser geformten Busen. Deshalb bestelle ich …“

jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 1 wiedergegeben.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, dass das von ihr vertriebene Produkt „N Lotion“ die in der vorbezeichneten Werbung versprochene Wirkung tatsächlich erziele.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2012 hat das Gericht der Verfügungsbeklagten rechtliche und tatsächliche Hinweise erteilt. Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 938 Abs. 1, 936, 920 ZPO zulässig und in der Sache begründet.

Die Verfügungsklägerin ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugt. Ihrem Vereinszweck nach dient sie der Förderung gewerblicher sowie beruflicher Interessen. Ausweislich der eingereichten Mitgliederliste der Verfügungsklägerin zählt sie auch Unternehmen, deren Geschäftsbereiche im pharmazeutischen Vertrieb / Herstellung sowie im Gesundheitswesen anzusiedeln sind, zu ihren Mitgliedern. Soweit hier ein Produkt zur Straffung des Hautgewebes an Brust und Dekolletee vertrieben wird, sind die beruflichen Interessen der vorgenannten Unternehmen betroffen. Zweifel an der finanziellen Ausstattung der Verfügungsklägerin bestehen nicht.

Der Antrag ist zudem begründet.

Der Verfügungsanspruch folgt aus § 2 Abs.1 UKlaG i.V.m. § 5 Abs. 3 UWG. Die Vorschriften des UWG, die der Umsetzung der UGP-Richtlinie dienen, darunter auch § 5 UWG, sind als Verbraucherschutzgesetze i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 anzusehen, soweit sie Verbraucher schützen (so Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 2 UKlaG, Rn. 11a).

Vorliegend ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1, Abs. 3 UWG glaubhaft gemacht.

Unlauter handelt danach, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Nach § 5 Abs. 3 UWG stellt Werbung für ein Produkt, welches vom Werbenden vertrieben wird, eine geschäftliche Handlung dar. Die Verfügungsbeklagte wirbt hier für das von ihr vertriebene Produkt „N Lotion“. Diese Werbung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie u.a. Vorteile, Zwecktauglichkeit etc. enthält. Angaben sind insoweit Aussagen oder Äußerungen eines Unternehmens, die sich auf Tatsachen beziehen und daher inhaltlich nachprüfbar sind (Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 5 Rn. 2.37). Dabei legt der Verkehr mit Blick auf die Brauchbarkeit des Angebots für den verfolgten Zweck maßgebliche Bedeutung auf die Aussagen über die Wirkung oder die Verwendungsmöglichkeit einer Ware oder Leistung. Entscheidend ist die Verkehrsauffassung, d.h. die Wirkung, die der Verkehr der Werbeangabe entnimmt (BGH GRUR 1997, 537, 538; GRUR 2003, 631, 632). Derartige Angaben unterliegen zum Schutz des Verbrauchers strengen Anforderungen und Aufklärungspflichten (BGH GRUR 1980, 797, 799; GRUR 1993, 756, 757; GRUR 2002, 182, 185). Wird dabei in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen, gelten besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen (BGH GRUR 2002, 182, 185). Wer hierbei im geschäftlichen Verkehr mit Wirkungsaussagen Werbung betreibt, die wissenschaftlich ungesichert sind, hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Angaben zutreffend und richtig sind (BGH GRUR 1958, 458).

Es bestehen jedenfalls Zweifel daran, dass die von der Verfügungsbeklagten vertriebene Lotion die behauptete Wirkung, insbesondere Tiefenwirkung mit Straffung und Wohlformung des Busens, tatsächlich erzielen kann. Ausweislich einer von der Verfügungsklägerin zur Akte gereichten gutachterlichen Stellungnahme des M (Anlage A 2 zur Antragsschrift) müssten, um eine Wohlformung und Anhebung des Busens zu erreichen, nicht nur die Bindegewebsfasern und elastischen Fasern der Haut, sondern auch die weibliche Brustdrüse in der Tiefe gestrafft werden. Dies sei bei lokaler Anwendung eine Unmöglichkeit.

Wenngleich dieses Gutachten aus 1992 stammt und nicht zu dem hier vertriebenen Produkt erstellt wurde, so können jedenfalls die wissenschaftlichen Aussagen zu den körperlichen Veränderungen, die erfolgen müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen, übertragen werden. Denn insoweit stimmen das hiesige und das begutachtete Produkt überein. In beiden Fällen soll eine sichtbare Veränderung des weiblichen Busens und eine Straffung des Hautgewebes bewirkt werden.

Mit den im Klageantrag genannten Angaben wird eine Brauchbarkeit des Produkts behauptet, die von der Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht wurde. Hierfür hat die Verfügungsbeklagte trotz des Hinweises in der mündlichen Verhandlung keinen Beweis angetreten. Das von der Verfügungsbeklagten in französischer Sprache vorgelegte Gutachten ist insoweit nicht geeignet, die vorgenannten Zweifel auszuräumen. Abgesehen davon, dass die Gerichtssprache Deutsch ist und das Gutachten schon von daher nicht eingeführt werden kann, geht aus dem Gutachten bei oberflächlicher Durchsicht auch nicht hervor, dass es sich hierbei um eine Vergleichsstudie mit Placebo-Produkten handelt. Eine solche wäre aber erforderlich, um eine gesicherte Aussage zur Wirkung des Produkts tätigen zu können. Die Wirksamkeit ist damit auch anhand dieser Studie nicht glaubhaft gemacht.

Damit bestehen jedenfalls Zweifel an der behaupteten busenformenden, busenstraffenden und/oder busenhebenden Wirkung schon dem Grunde nach. Die Angaben sind auch geeignet, den Verbraucher über die Wirksamkeit des Produktes zu täuschen.

Das Versprechen einer busenformenden, busenstraffenden und/oder busenhebenden Wirkung in einer nur sehr kurzen Anwendungszeit von 28 Tagen ist, soweit die Wirkung selbst noch umstritten ist, in diesem Zusammenhang besonders irreführend. Gleiches gilt für die behaupteten Aussagen zur Wirkung in Ziffer 2 – 6 des Klageantrages. Hier wird sämtlich der Eindruck einer tatsächlichen Wirkung erweckt, obwohl dies wissenschaftlich jedenfalls nicht nachgewiesen ist. Dies gilt insbesondere für die Abbildung in Ziffer 4 des Klageantrages. Dort wird eine sichtbare Vergrößerung des Busens, hervorgerufen durch die Anwendung der „N Lotion“, dargestellt. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, ob eine derart sichtbare Vergrößerung des Busens allein durch eine äußerliche Anwendung einer Lotion erzielt werden kann. Soweit die Verfügungsbeklagte mit den unter Ziffer 7 der Antragsschrift genannten Werbeaussagen einen Vergleich mit einer eigenen Testreihe heranzieht, so erweckt auch dies den Anschein einer wissenschaftlichen Kontrolle der Wirkweise. Damit soll offensichtlich bewusst darüber getäuscht werden, dass in einer Vielzahl der Fälle, der versprochene Erfolg eingetreten sei. Darüber, dass die behauptete Wirkweise jedenfalls umstritten ist, wird hingegen nicht aufgeklärt. Dieselben Bedenken bestehen letztlich auch gegen die in Ziffer 8 und Ziffer 9 des Klageantrags beschriebenen Werbeaussagen. Unter Ziffer 9 wird der Verbraucher zudem direkt angesprochen, seine Bestellung in direktem Zusammenhang mit der erhofften Wirkung der N Lotion abzugeben.

Durch die Vergleiche mit anderen Frauen laut Antrag der Verfügungsklägerin unter Ziff. 2 und 3 (74 % und 66 %) wird zudem der Eindruck des Wirkungsgrades noch erhöht, wobei schon zweifelhaft ist, inwieweit ein Studie mit nur 45 Personen aussagekräftig ist. Zudem ist nicht erkennbar, ob es sich hierbei um die erforderliche Vergleichsstudie mit einem Placebo-Produkt handelte.

Schließlich dient der mit § 5 UWG bezweckte Schutz vor falschen Angaben auch dem Verbraucherschutz. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, wenn es, wie hier, um Wirkungsweisen am Körper des Verbrauchers geht.

Darüber hinaus ist auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Nr. 5 UKlaG i.V. mit §§21 AMG, 2 Abs. 5 Satz 2 LFGB glaubhaft gemacht. Im Umkehrschluss zu § 2 Abs. 5 Satz 2 LFGB handelt es sich bei der „N Lotion“ nicht um ein Kosmetikum, sondern um ein Arzneimittel gemäß § 2 Abs.1 Nr.2a AMG, da die Lotion mit der behaupteten Hautstraffung, Busenformung und Busenanhebung auf die Beeinflussung physiologischer Funktionen abzielt.

Damit wird hier für ein Arzneimittel geworben, für welches unstreitig die Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG fehlt. Zudem sind gerade bei Arzneimitteln besonders strenge Anforderungen an die Wahrheit und Richtigkeit der Werbeaussage zu stellen. Wie bereits ausgeführt, bestehen allerdings erhebliche Zweifel an der Wirkung des hier vertriebenen Produkts.

Eine gesonderte Darlegung eines Verfügungsgrundes ist gemäß § 5 UKlaG i.V. mit § 12 Abs. 2 UWG nicht erforderlich. Im Übrigen hat die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 19.07.2012 abgemahnt. Die Verfügungsklägerin hat die Werbung mit dem Produkt „N Lotion“ bislang nicht eingestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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