LG Düsseldorf: AGB-Klausel eines Reisebüros, welche bei Zahlungsrückstand des Kunden die Stornierung der Reise vorsieht, ist ungültig

veröffentlicht am 18. Juni 2012

LG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.2011, Az. 12 O 435/10
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG,
§ 1 UKlaG; § 307 ff BGB

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Reisebüro die AGB-Klausel „Bei verspätetem oder unvollständigem Zahlungseingang kann das A.-Reisebüro die angegebene Reise zu Lasten des Anmeldenden kostenpflichtig stornieren.“ nicht mehr verwenden darf. Die Klausel laufe dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zum Vertragsrücktritt zuwider. Ein einfacher Zahlungsrückstand rechtfertige die Vertragsauflösung nicht; ein Rücktrittsrecht bestehe grundsätzlich nur dann, wenn der Unternehmer dem Verbraucher erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung mit Ablehnungsandrohung gesetzt habe. Daran fehle es bei Verwendung der o.g. Klausel. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Düsseldorf

Urteil

1)
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in allgemeinen Bedingungen bei der Vermittlung von Reiseleistungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

„Bei verspätetem oder unvollständigem Zahlungseingang kann das A.-Reisebüro die angegebene Reise zu Lasten des Anmeldenden kostenpflichtig stornieren.“

2)
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot nach Ziffer 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3)
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2010 zu zahlen.

4)
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

5)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Im April 2005 gründete Herr B. die „C. Beteiligungsgesellschaft mbH“. Daneben betrieb er das „Reisebüro D. e.K.“, auf dessen Internetseite am 14.09.2005 unter anderem folgende Reisebedingungen veröffentlicht waren:

„Bei verspätetem oder unvollständigem Zahlungseingang kann das A.-Reisebüro die angemeldete Reise zu Lasten des Anmeldenden kostenpflichtig stornieren. Gebühren für diese Stornierung gehen zu Lasten des Reisenden.“

Wegen Verwendung dieser Klausel mahnte die Klägerin das „Reisebüro D. e.K.“ mit Schreiben vom 26.09.2005 ab und forderte es zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Am 14.10.2005 erklärte das „Reisebüro D. e.K.“ gegenüber der Klägerin:

„1.

Es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in allgemeinen Bedingungen bei der Vermittlung von Reiseleistungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

„Bei verspätetem oder unvollständigem Zahlungseingang kann das A.-Reisebüro die angegebene Reise zu Lasten des Anmeldeten kostenpflichtig stornieren“;

2.

„für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von

4.000 EUR (viertausend)

zu zahlen“.

Durch Beschluss vom 26.08.2008 wurde eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinsichtlich der Umfirmierung der „B. Beteiligungsgesellschaft mbH“ in „Reisebüro C. GmbH“ bestimmt. Durch Vertrag vom gleichen Tag wurde die Ausgliederung des Unternehmens „Reisebüro D. e.K.“ aus dem Vermögen des Inhabers und die Eingliederung in die Beklagte beschlossen. Am 29.10.2008 wurde die Firma „Reisebüro D. e.K.“ sodann aus dem Handelsregister gestrichen.

Nach dem Tod des Herrn B. am 26.02.2009 ist die Beklagte auf die Tochter und Erbin des Herrn A., Frau E., übergegangen, die nunmehr die Geschäftsführerin der Beklagten ist.

Am 06.09.2010 stellte die Klägerin fest, dass die in Rede stehende Klausel erneut auf der Internetseite der Beklagten zu finden war. Mit Schreiben vom 07.09.2010 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 EUR bis zum 17.09.2010 auf.

Die Klägerin beantragt,

1.) die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei der Vermittlung von Reiseleistungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

„Bei verspätetem oder unvollständigem Zahlungseingang kann das A.-Reisebüro die angemeldete Reise zu Lasten des Anmeldenden kostenpflichtig stornieren“,

2.) der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen,

3.) die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vom „Reisebüro D. e.K.“ abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung für sie nicht bindend sei.

Die Klage ist der Beklagten am 19.10.2010 zugestellt worden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, deren Klagebefugnis aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG folgt.

Die Klage ist auch begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG zu. Nach dieser Vorschrift kann auf Unterlassen in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

In den Reisebedingungen der Beklagten heißt es, dass die Beklagte bei einem verspäteten oder unvollständigen Zahlungseingang das Recht hat, die angemeldete Reise zu Lasten des Anmeldenden kostenpflichtig zu stornieren.

Diese Klausel verstößt gegen § 307 BGB, da sie den Verbraucher in unangemessener Weise benachteiligt. Die Regelung weicht vom wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), nämlich den Vorschriften zur Ausübung des Rücktrittsrechts. Ein einfacher Zahlungsrückstand rechtfertigt die Vertragsauflösung nicht. Vielmehr besteht ein Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur dann, wenn der Unternehmer dem Verbraucher erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat.

Auch eine Wiederholungsgefahr ist zu bejahen. Zwar wurde diese durch die Abgabe der Unterlassungserklärung zunächst beseitigt. Wird wie im hier vorliegenden Fall aber erneut gegen die gesetzliche Regelung verstoßen, so lebt die Wiederholungsgefahr wieder auf.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 4.000,- EUR aufgrund des von der Firma „Reisebüro D. e.K.“ abgegebenen Vertragsstrafeversprechens vom 14.05.2005 zu.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nach §§ 25, 27 HGB in die strafbewehrte Unterlassungserklärung des „Reisebüro D. e.K.“ eingetreten.

Wer ein unter lebendes erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Nach § 27 HGB gilt diese Haftung nach § 25 HGB auch für denjenigen, der ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortführt.

Die „Reisebüro D. e.K.“ ist durch den Gesellschaftsvertrag vom 26.08.2008 in die Beklagte, die „Reisebüro C. GmbH“ eingegliedert worden, die nach dem Tod des Herrn B. schließlich von dessen Tochter Frau E. geerbt und weiter betrieben wurde. Bei der Übernahme des „Reisebüro D. e.K.“ durch die Beklagte und der Übernahme der Beklagten durch Frau E. wurden sowohl das Handelsgeschäft als auch die Firma „Reisebüro D. e.K.“ fortgeführt im Sinne von § 25 HGB.

Wie die Beklagte selbst vorträgt, hat sie die Handelsgeschäfte des „Reisebüro D. e.K.“ nach Übernahme und dem Tod des vormaligen Inhabers weiter geführt. Gleiches gilt für die Firma. Von einer Firmenfortführung ist nämlich dann auszugehen, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Auflage 2010, § 25 Rn. 7). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Prägender Teil der alten Firmenbezeichnung war die Verwendung des Namens „B.“ in der alten Firmenbezeichnung. Dieser Name findet sich auch im Namen der Beklagten wieder. Der Umstand, dass die alte Firma nach der Einverleibung in die Beklagte in einer neuer Rechtsform aufgegangen ist und fortan den Zusatz „GmbH“ führte, ändert daran nicht. Für die Frage der Fortsetzung ist nämlich allein die Sicht des Verkehrs maßgeblich und für diesen stellt sich die Beklagte als Fortführung des „Reisebüro D. e.K.“ dar.

Auch an dem Umstand, dass eine Unterlassungsverpflichtung auf den Erwerber übergehen kann mit der Folge, dass im Falle einer eigenen Zuwiderhandlung der Erwerber selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, bestehen keine Zweifel. § 25 Abs. 1 HGB macht hinsichtlich der Art der im Geschäftsbetrieb begründeten Verbindlichkeiten nämlich keine Einschränkungen, erfasst also auch solche, die in einem Unterlassen bestehen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 608).

Unstreitig hat die Beklagte mit Abbildung der in Rede stehenden Klausel auf ihrer Internetseite am 06.09.2010 gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Mit diesem Verstoß hat sie auch die Pflicht zur Vertragsstrafe ausgelöst.

Auch die Vertragsstrafenverpflichtung geht nämlich als an die Hauptpflicht angelehnte Nebenpflicht nach §§ 25, 27 HGB auf den Geschäftserwerber über. Dies gilt selbst dann, wenn die Vertragsstrafenverpflichtung wie hier im Zeitpunkt der Übernahme noch nicht verwirkt war (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 608).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist daneben auch nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG begründet. Nach dieser Vorschrift hat die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers die Wirkung, dass das Vermögen der übertragenden Rechtsträger einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Durch die mit Vertrag vom 26.08.2008 beschlossene Ausgliederung des Unternehmens „Reisebüro D. e.K.“ aus dem Vermögen des Inhabers und deren Eingliederung in die Beklagte hat letztere auch die Unterlassungspflicht des „Reisebüro D. e.K.“ übernommen.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 7.000,- EUR

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