LG Düsseldorf: Zum Schutz des LEGO-Bausteins vor Nachahmungen

veröffentlicht am 26. Juli 2023

LG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2022, Az. 14c O 46/21
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UrhG, § 17 UrhG, § 97 Abs. 1 UrhG

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass dem dänischen Unternehmen LEGO gegen das Unternehmen Steingemachtes GmbH (www.steingemachtes.de) hinsichtlich der Bewerbung und des Inverkehrbringens von bestimmten Klemmbausteinen, die dem LEGO-System ähneln (vertrieben unter den Marken LinooS, Qman, KEEPPLEY und COGO), urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Vernichtungsansprüche zustehen. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Düsseldorf

Urteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft (Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren),

a.gegenüber der Klägerin zu 1) zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Spielzeugfiguren der nachfolgend dargestellten Gestaltung – unabhängig von der Farbgebung oder Bedruckung – zu bewerben, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, bzw. anbieten und/oder in den Verkehr bringen zu lassen:

und/oder

und/oder

b.einschließlich diese, wie insbesondere auf den nachfolgenden Abbildungen beispielhaft dargestellt, zur Bewerbung auf und von Spielzeugsets zu nutzen:

und/oder

und/oder

c.gegenüber der Klägerin zu 1) zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Spielzeugfiguren mit der nachfolgend dargestellten Gestaltung – unabhängig von der Farbgebung, Bedruckung, und jeweiligen Kombination der Einzelteile – zu bewerben, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, bzw. anbieten und/oder in den Verkehr bringen zu lassen

und/oder

und/oder

und/oder

und/oder

und/oder

d.einschließlich diese, wie insbesondere auf den nachfolgenden Abbildungen beispielhaft dargestellt, auf und zur Bewerbung von Spielzeugsets zu nutzen

und/oder

und/oder

und/oder

e.gegenüber der Klägerin zu 1) zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr Elemente mit der nachfolgend dargestellten Gestaltung zu bewerben, einzuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, bzw. anbieten und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu diesem Zwecke zu besitzen:

und/oder

f.gegenüber der Klägerin zu 2) zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die nachfolgend wiedergegebene Spielzeugverpackung anzubieten, zu bewerben und/oder zu vertreiben:

g.gegenüber der Klägerin zu 1) zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die nachfolgend wiedergegebenen Spielzeugprodukte anzubieten, zu bewerben und/oder zu vertreiben:

und/oder

und/oder

.

2. Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Klägerin zu 1) sämtliche gemäß Ziffer 1.a, 1.b, 1.c, 1.d, 1.e und 1.g rechtsverletzenden Waren, die sich im Besitz oder im Eigentum der Beklagten befinden, an einen von der Klägerin zu 1) beauftragten Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben sowie die erforderlichen Kosten der Vernichtung zu tragen.

3. Die Beklagte wird verurteilt,

a.der Klägerin zu 1) unter Vorlage geeigneter Belege Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der gemäß Ziffer 1.a, 1.b, 1.c, 1.d, 1.e und 1.g rechtsverletzenden Waren zu erteilen,

insbesondere

i.durch Angabe von Namen und Anschriften der Hersteller der rechtsverletzenden Waren sowie deren Lieferanten und der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über Preise, die für die betreffenden Waren bezahlt wurden,

ii.durch Angabe von Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer der rechtsverletzenden Waren und der Menge der ausgelieferten oder bestellten Waren sowie über Preise, die für die betreffenden Waren verlangt und erzielt wurden.

b.der Klägerin zu 2) unter Vorlage geeigneter Belege Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der gemäß Ziffer 1.f rechtsverletzenden Waren zu erteilen,

insbesondere

i.

durch Angabe von Namen und Anschriften der Lieferanten der rechts-verletzenden Waren und der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über Preise, die für die betreffenden Waren bezahlt wurden,

ii.

durch Angabe von Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer der rechtsverletzenden Waren und der Menge der ausgelieferten oder bestellten Waren sowie über Preise, die für die betreffenden Waren verlangt und erzielt wurden.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a.der Klägerin zu 1) jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser aufgrund der Handlungen nach Ziffer 1.a, 1.b, 1.c, 1.d, 1.e und 1.g bereits entstanden ist oder zukünftig entstehen wird,

b.der Klägerin zu 2) jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser aufgrund der Handlungen nach Ziffer 1.f bereits entstanden ist oder zukünftig entstehen wird.

5.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6.

Von den Gerichtskosten, den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 10 % und die Beklagte 90 %. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2).

7.

Das Urteil ist für die Klägerin zu 1) hinsichtlich des Tenors zu 1.a, der den unter 1.b zur Klarstellung tenorierten Unterlassungsanspruch einschließt, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 99.000,00 EUR, hinsichtlich des Tenors zu 1.c, der den unter 1.d zur Klarstellung tenorierten Unterlassungsanspruch einschließt, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 198.000,00 EUR, hinsichtlich des Tenors zu 1.e gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000,00 EUR, hinsichtlich des Tenors zu 1.g gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 99.000,00 EUR, hinsichtlich des Tenors zu 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.750,00 EUR, hinsichtlich des Tenors zu 3.a gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.750,00 EUR und hinsichtlich des Tenors zu 6. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Für die Klägerin zu 2) ist das Urteil hinsichtlich des Tenors zu 1.f gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.250,00 EUR und hinsichtlich des Tenors zu 3.b gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 700,00 EUR sowie hinsichtlich des Tenors zu 6. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Für die Beklagte ist das Urteil hinsichtlich des Tenors zu 6. gegen die Klägerin zu 1) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin zu 1) kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Tenors zu 6. gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1) ist die Muttergesellschaft der LEGO-Gruppe, die Spielzeug entwickelt, produziert und weltweit vertreibt.

Die Klägerin zu 2), ebenfalls ein Unternehmen der LEGO-Gruppe, ist als allein Vertriebsberechtigte für die Vermarktung und den Vertrieb von LEGO-Produkten in Deutschland zuständig.

Die Beklagte ist ein in Paderborn ansässiges Unternehmen, das Spielzeug über ein stationäres Fachgeschäft und über den unter der Internetadresse https://www.steingemachtes.de abrufbaren Onlineshop vertreibt.

Die Beklagte importiert, bewirbt, bietet an und vertreibt die nachfolgend dargestellten Spielzeugsets. In einigen Sets befinden sich Klemmbausteine, aus denen sich die abgebildeten Spielzeugfiguren, die grundsätzlich noch vom Erwerber zusammengesetzt werden müssen, zusammenbauen lassen:

LinooS-Figur – Variante 2

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 1

Qman Figur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 2

COGO Figur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 3

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 4

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 5

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 6

Qi Zhe Figuren

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 7

Ältere Qman CherryFigur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 8

Qi Zhe Figuren

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 9

Neuere Qman CherryFigur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 10

Ältere Qman PrincessFigur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 11

Neuere Qman PrincessFigur

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 12

im Folgenden:

angegriffene Ausführungsform 13

im Folgenden:

angegriffene Ausführungsform 14

im Folgenden:

Angegriffene Ausführungsform 15

im Folgenden:

angegriffene Ausführungsform 16

im Folgenden:

angegriffene Ausführungsform 17

im Folgenden:

angegriffene Ausführungsform 18

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 19

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 20

im Folgenden:angegriffene Ausführungsform 21

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine an die Beklagte adressierte Warensendung, die zollseitig angehalten wurde und Konstruktionsspielzeuge des Herstellers „Qman“ sowohl unter der Eigenmarke „Qman“ als auch unter der Marke „KEEPPLEY“ enthielt. Die Unternehmensgruppe der Klägerinnen hat zwischenzeitlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht alle beschlagnahmten Spielzeugsets freigegeben, mit Ausnahme der Spielzeugsets, die die Figur in der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform 2 enthalten.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Beklagte verletze sie durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 21 wie folgt in ihren Rechten:

Angegriffene Ausführungsform

Klägerin, Rechtsgrund

Angegriffene Ausführungsformen 1 bis 6

Klägerin zu 1),

Urheberrechte an Lego Minifigur

Angegriffene Ausführungsform 6

Zusätzlich Klägerin zu 2),

wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz

Angegriffene Ausführungsformen 7 bis 16

Klägerin zu 1),

Urheberrechte an Lego Friends Figur, hilfsweise mehrere Gemeinschaftsgeschmacksmuster gemäß Seite 8 des Schriftsatzes vom 12.09.2022 (Bl. 953 GA, Übersicht in Anlage K112)

Angegriffene Ausführungsform 17

Klägerin zu 1),

Gemeinschaftsgeschmacksmuster 01810532-0002 (im Folgenden: Klagemuster 1)

Angegriffene Ausführungsform 18

Klägerin zu 1),

Gemeinschaftsgeschmacksmuster 002137190-0004 (im Folgenden: Klagemuster 2)

Angegriffene Ausführungsformen 19 bis 21

Klägerin zu 1), Urheberrechte an BrickHeadz

Soweit die Klägerin zu 1) im hiesigen Verfahren urheberrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung ausschließlicher Nutzungsrechte an der Lego Minifigur, der Lego Friends Figur und den Lego BrickHeadz geltend macht, sind ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte jeweils von der LEGO System A/S, die Arbeitgeberin der einzelnen Schöpfer war und durch arbeitsvertragliche Regelungen zunächst Inhaberin der Rechte geworden ist, übertragen worden.

Die Lego Minifigur wurde spätestens im Jahr 1978 geschaffen, die Lego Friends Figur spätestens im Jahr 2011 und die BrickHeadz im Verlauf des Jahres 2015. Die Figuren sind wie folgt gestaltet:

Lego Minifigur

Lego Friends Figur

BrickHeadz

Bei der Lego Minifigur und der Lego Friends Figur können Gesichtsausdruck, Kleidung, Farbgebung und Haare variieren, wobei die grundsätzliche Form der Figuren gleich bleibt (s. zur Lego Minifigur Anlage K7 sowie Abbildungen unterschiedlicher Lego Friends Figuren auf Seiten 34, 48 (rechte Figur) und 50 (rechte Figur) der nach Abtrennung aus dem Ursprungsverfahren angepassten Klageschrift, Bl. 381, 395, 397 GA). Auch die Detail-Gestaltung der BrickHeadz variiert, wie aus Anlage K37 ersichtlich.

Die Klägerin zu 1) ist der Auffassung, Bewerbung, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 6 verletzten sie in ihren Urheberrechten an der Lego Minifigur, bei der es sich um eine persönlich geistige Schöpfung handele. Die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 stellten unzulässige Vervielfältigungsstücke der Lego Minifigur dar, deren Abbildungen auf den Verpackungen gemäß der angegriffenen Ausführungsformen 4 bis 6 unzulässigerweise zur Bewerbung von Spielzeugsets eingesetzt würden.

Weiter ist die Klägerin zu 1) der Ansicht, Bewerbung, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 16 verletzten sie in ihren Urheberrechten an der Lego Friends Figur, bei der es sich um eine persönlich geistige Schöpfung handele. Die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 stellten verbotene Vervielfältigungsstücke dar, deren Abbildungen auf den Verpackungen gemäß der angegriffenen Ausführungsformen 13 bis 16 unzulässigerweise zur Bewerbung von Spielzeugsets eingesetzt würden.

Schließlich ist die Klägerin zu 1) der Auffassung, Bewerbung, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 verletzten sie in ihren Urheberrechten an den BrickHeadz, bei denen es sich um eine persönlich geistige Schöpfung handele. Es handele sich jeweils um verbotene Vervielfältigungsstücke bzw. deren Abbildung.

Die Klägerin zu 1) ist überdies Inhaberin des am 25.01.2011 angemeldeten und in das Register des EUIPO eingetragenen Klagemusters 1, für das folgende Abbildungen hinterlegt und am 27.01.2011 veröffentlicht worden sind:

Das Klagemuster 1 steht in Kraft.

Die Klägerin zu 1) ist ebenfalls Inhaberin des am 16.11.2012 bei dem EUIPO angemeldeten und eingetragenen Klagemusters 2, für das die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen hinterlegt und am 27.11.2012 veröffentlicht worden sind:

Das Klagemuster 2 steht in Kraft. Einen gegen das Klagemuster 2 gerichteten Löschungsantrag der Guangdong Qman Toys Industry Co., Ltd. hat die Löschungsabteilung des EUIPO am 30.06.2022 zurückgewiesen (Anlage K101).

Eine Abbildung der angegriffenen Ausführungsform 17 befand sich auf einer Spielzeugverpackung, wie aus der Abbildung auf Seite 51 der angepassten Klageschrift (Bl. 398 GA) ersichtlich. Die abgebildete Spielzeugverpackung nebst Inhalt war in einer zollseitig angehaltenen, an die Beklagte adressierten Sendung enthalten, ist zwischenzeitlich freigegeben worden und liegt der Klägerin zu 1) nicht vor. Die Abbildung der angegriffenen Ausführungsform 18 stammt aus einem YouTube-Video, das die in dem angehaltenen Set enthaltenen Bausteine zeigt.

Die Klägerin zu 1) ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform 17 verletze das Klagemuster 1, die angegriffene Ausführungsform 18 verletze das Klagemuster 2.

Die Beklagte hat, ohne jeweils einen konkreten Antrag zu formulieren, bezüglich des Klagemusters 2 und des internationalen Designs 076470-0020, auf das die Klägerin zu 1) sich hilfsweise zur Begründung des auf die angegriffene Ausführungsform 7 bezogenen Antrags zu 1.c gestützt hat, Löschungswiderklagen angekündigt. Entsprechende Anträge hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Die Klägerin zu 2) ist der Ansicht, die Beklagte verletze sie mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 6 in ihren Rechten aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz mit Blick das nachfolgend wiedergegebene Spielzeugset „Lego Creator Surfermobil“:

Insoweit behauptet sie, die angegriffene Ausführungsform 6 sei weiterhin im Handel erhältlich. Dazu beruft sie sich auf Screenshots der unter www.amazon.de abrufbaren Internetseite (Seite 89 der Replik, Bl. 732 GA), einer über den Preisvergleichsanbieter idealo durchgeführten Recherche sowie von Internetseiten von Amazon und Lego (Anlage K100).

Im Laufe des Verfahrens und auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 06.09.2022 haben die Klägerinnen die ursprünglich angekündigten Anträge, deren Bezeichnung der Bezeichnung im Tenor des vorliegenden Urteils entspricht, letztlich wie folgt geändert:

Die Klägerin zu 1) hat den ursprünglich auf eine weitere Figur gerichteten Unterlassungsantrag zu 1.a sowie die darauf rückbezogenen Teile der Anträge zu 2., 3.a und 4.a zurückgenommen. Den Unterlassungsantrag zu 1.c hatte sie zunächst hauptsächlich auf Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht und hilfsweise auf Urheberrecht gestützt, wobei sie nun hauptsächlich Urheberrecht und hilfsweise Geschmacksmusterrecht geltend macht. Dementsprechend bezieht sie den Unterlassungsantrag nicht mehr auf Handlungen im geschäftlichen Verkehr und die ursprünglich – auch – geltend gemachten Benutzungshandlungen der Einfuhr und des Besitzes. Auch den Unterlassungsantrag zu 1.d und die darauf rückbezogenen Teile der Anträge zu 2., 3.a und 4.a hat sie im Hinblick auf eine zunächst in den Antrag aufgenommene weitere Verpackung zurückgenommen. Weiterhin hat die Klägerin zu 1) den Antrag zu 1.f sowie die darauf rückbezogenen Teile der Anträge zu 2., 3.a und 4.a zurückgenommen, so dass der Antrag zu 1.f nunmehr ausschließlich von der Klägerin zu 2) geltend gemacht wird.

Schließlich hat ein Parteiwechsel zwischen den Klägerinnen dahingehend stattgefunden, dass der Unterlassungsantrag zu 1.g sowie die darauf rückbezogenen Anträge (nunmehr als Teile der Anträge zu 2., 3.a und 4.a) von der Klägerin zu 1) anstelle der Klägerin zu 2) gestellt werden.

Die Klägerinnen beantragen nunmehr,

1. wie erkannt,

2. die Klägerin zu 1) darüber hinaus mit dem Antrag zu 3.a.i., die Beklagte zu verpflichten, auch Auskunft über erzielte Preise zu erteilen,

und

3. die Klägerin zu 2) darüber hinaus mit dem Antrag zu 3.b.i., die Beklagte zu verpflichten, auch Auskunft über die Hersteller der rechtsverletzenden Waren sowie über erzielte Preise zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung. Dazu führt sie an, die Klägerinnen begehrten in unzulässiger Weise eine Monopolisierung ihrer Technik und ihres Spielprinzips. Dazu gingen sie nach Zollbeschlagnahmen im Klagewege vor, um dadurch kleinere Unternehmen wie die Beklagte mittels Zollbeschlagnahme faktisch vom Markt zu nehmen, ohne an einer tatsächlichen Klärung der Rechtslage interessiert zu sein. Denn die Möglichkeit, nach der Beschlagnahme ein einstweiliges Verfügungsverfahren durchzuführen, das zu einer deutlich schnelleren Klärung führen würde, nutzten sie nicht. Die zur Aufrechterhaltung der Zollbeschlagnahme erhobene Klage enthalte falsche Tatsachenbehauptungen. So bezeichneten sie die Beklagte als Großimporteurin, obwohl die Beklagte lediglich Generalimporteurin, nicht Großimporteurin sei. Auch habe die Klägerin zu 1) den Antrag zu 1.d ursprünglich auf eine Verpackung bezogen, auf der gar keine der mit dem Antrag zu 1.c angegriffenen Figuren (angegriffene Ausführungsformen 7 bis 12) grafisch dargestellt sei. Dies sei kein Einzelfall, auch die angegriffene Ausführungsform 17 sei in dem zollseitig angehaltenen Set, dessen Verpackung die Klägerin zu 1) eingeblendet hat, nicht enthalten. Schließlich trage die Verfahrensführung der Klägerinnen, die bezüglich einiger Anträge die Klagebegründung geändert hätten, zur Verunsicherung der Beklagten bei, die dadurch gehindert werden solle, Waren nach Deutschland zu importieren.

Weiter ist die Beklagte der Auffassung, die Anträge zu 1.a und 1.b sowie die Anträge zu 1.c und 1.d seien wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig.

Dazu führt sie aus, eine der im Antrag zu 1.a wiedergegebenen Spielzeugfiguren habe einen kürzeren Hals und damit ein anderes Aussehen als die Figur, bezüglich derer abgemahnt worden ist. Durch den Rückbezug auf den Antrag zu 1.a sei auch der Antrag zu 1.b unzulässig. Es sei auch insgesamt nicht klar, welche Ausgestaltungen unter den Klageantrag fallen sollten. Denn die im Klageantrag zu 1.a wiedergegebenen Ausgestaltungen zeigten lediglich eine Möglichkeit eines grundsätzlich beliebigen Aufbaus. Es könne nicht sein, dass im Vollstreckungsverfahren zunächst geprüft werden müsse, ob sich die im Klageantrag abgebildeten Figuren aus den im Set enthaltenen Klemmbausteinen zusammenbauen ließen. Im Hinblick auf den Antrag zu 1.b komme hinzu, dass die grafischen Abbildungen der Figuren ein anderes Aussehen hätten, als die Figuren aus dem Klageantrag zu 1.a. Zudem zeigten die Abbildungen aus dem Antrag zu 1.b die Figuren in Positionen, die die Figuren aus dem Antrag zu 1.a tatsächlich nicht einnehmen könnten.

Bezüglich des Antrags zu 1.c bemängelt die Beklagte, dass die Gestaltungsmerkmale der Lego Friends Figur, auf die die Klage gestützt ist, nicht zutreffend wiedergegeben seien. Für sie, die Beklagte, sei so nicht ersichtlich, auf welches urheberrechtlich geschützte Werk die Klägerinnen sich stützen wollten. Im Hinblick auf den Antrag zu 1.d führt die Beklagte wiederum aus, die dortigen grafischen Abbildungen zeigten keine mit den Figuren aus dem Antrag zu 1.c. identischen Figuren. Diese Einwände würden auch bezüglich der nunmehr hilfsweise geltend gemachten geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche entsprechend gelten; es sei nicht klar, welchen Gesamteindruck die Klägerin zu 1) den Klagemustern zugrunde lege.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, auch der Antrag zu 1.g sei unzulässig. Die im Antrag zu 1.g abgebildeten Figuren habe sie – unstreitig – nicht in zusammengesetzter Form vertrieben.

Die Beklagte ist der Auffassung, es liege keine Verletzung von Urheberrechten oder Geschmacksmustern der Klägerin zu 1) vor. Auch Ansprüche der Klägerin zu 2) aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz bestünden nicht.

Zu den streitgegenständlichen Figuren, also den angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 sowie 7 bis 12, ist die Beklagte der Ansicht, eine Rechtsverletzung scheitere bereits daran, dass sie die Figuren – grundsätzlich unstreitig – nicht bereits zusammengesetzt vertreibt, wobei die Klägerin zu 1) bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 3 vorgetragen hat, dass diese sich bereits zusammengesetzt in einem bei einem Testkauf erworbenen Set befunden habe. Weiter ist die Beklagte der Auffassung, bei den vorgenannten angegriffenen Ausführungsformen handele es sich allenfalls um zulässige freie Bearbeitungen der Lego Minifigur bzw. der Lego Friends Figur. Zudem sei die Gestaltung jeweils technisch bedingt.

Im Hinblick auf die Abbildungen auf Verpackungen von Spielzeugsets (angegriffene Ausführungsformen 4 bis 6 und 13 bis16) ist die Beklagte der Auffassung, eine Verletzung von Rechten an der Lego Minifigur bzw. der Lego Friends Figur scheide aus, da die Verpackungen keine originalgetreuen Abbildungen der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 bzw. 7 bis 12 zeigen, sondern lediglich animierte Grafiken, die Figuren in Positionen abbilden, die die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 und 7 bis 12 – wiederum unstreitig – gar nicht einnehmen könnten.

Bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 17 bestreitet die Beklagte, dass diese sich in der Verpackung des in der Klageschrift abgebildeten Sets befunden habe. Sie trägt vor, ein solcher Klemmbaustein sei tatsächlich weltweit überhaupt nicht in blau erhältlich.

Im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 18 führt die Beklagte unter Verweis auf das vor dem EUIPO geführte Löschungsverfahren an, das Klagemuster 2 sei wegen ausschließlich technischer Bedingtheit sowie fehlender Eigenart löschungsreif.

Zu den angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 ist die Beklagte der Auffassung, eine Verletzung von Urheberrechten scheitere daran, dass sie – unstreitig – die angegriffenen Ausführungsformen nicht in zusammengebauter Form vertreibe. Sie argumentiert, sie verkaufe keine Spielzeugmodelle, sondern lediglich Klemmbausteine.

Soweit die Klägerin zu 2) wettbewerbsrechtliche Ansprüche bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 6 geltend macht, stellt die Beklagte in Abrede, dass das konkrete Produkt der Klägerin zu 2) weiterhin im Handel erhältlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2022 sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die verbliebene Klage der Klägerin zu 1) hat vollumfänglich, die der Klägerin zu 2) ganz weitgehend Erfolg. Die Klage ist zulässig und ganz weitgehend begründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

I.

Insbesondere genügen die in der mündlichen Verhandlung gestellten Unterlassungsanträge dem Bestimmtheitsgebot gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.05.2022, I ZR 69/21, Rn. 20 – Grundpreisangabe im Internet unter Verweis auf BGH, Urt. v. 09.09. 2021, I ZR 90/20, Rn. 19, m.w.N. – Influencer I). Die zu unterlassende Verletzungshandlung muss so genau wie möglich beschrieben werden, z.B. durch Aufnahme einer Abbildung in den Tenor bzw. Antrag (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1999, I ZR 117/97, Rn. 16, m.w.N. – Musical-Gala); auch durch Auslegung anhand der Klagebegründung oder des sonstigen Sachvortrags lässt sich unter Umständen die ausreichende Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags herbeiführen (BGH, Urt. v. 29.06.1995, I ZR 137/93, Rn. 21 – Verbraucherservice).

Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Klägerinnen haben in alle Unterlassungsanträge bildliche Darstellungen der angegriffenen Ausführungsformen eingefügt und dadurch die beanstandeten Gestaltungen hinreichend genau bestimmt. Dabei hat die Klägerin zu 1) in den beanstandeten Unterlassungsanträgen zu 1.a und 1.c durch den Zusatz „- unabhängig von der Farbgestaltung oder Bedruckung -“ klargestellt, dass sie die Rechtsverletzung allein in der Nutzung der äußeren Form sieht. Unerheblich ist insoweit auch, dass die Beklagte die in den Anträgen abgebildeten Figuren, was mit Ausnahme der angegriffenen Ausführungsform 3 unstreitig ist, nicht bereits zusammengesetzt in den Verkehr bringt. Unter Berücksichtigung des Klägervorbringens, das wie dargestellt zur Auslegung des Klageantrages berücksichtigt werden kann, richtet sich die Klage ersichtlich nicht nur gegen bereits zusammengesetzte Figuren, sondern auch gegen solche Klemmbausteine, aus denen die in den Anträgen abgebildeten Figuren bestimmungsgemäß zusammengebaut werden können. Auch die Anträge zu 1.b und 1.d sind hinreichend bestimmt. Sie beinhalten kein eigenständiges Verbot, sondern haben lediglich klarstellende Funktion. Durch diese Anträge verdeutlicht die Klägerin zu 1), dass sie die auf den Verpackungen aufgebrachten grafischen Abbildungen der beanstandeten Figuren als bereits von den Anträgen 1.a bzw. 1.c erfasste Bewerbung ansieht.

Schließlich bestehen auch bezüglich der Zulässigkeit des Antrags zu 1.g keine Bedenken. Dass die Beklagte auch insoweit nicht bereits aus Klemmbausteinen fertig zusammengesetzte Figuren vertreibt, sondern lediglich Klemmbausteinsets, mit denen sich die bildlich dargestellten angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 zusammensetzen lassen, steht der Zulässigkeit des Unterlassungsantrags nicht entgegen. Denn dieses Begehr ist jedenfalls durch Auslegung des Antrags unter Berücksichtigung des Klägervorbringens eindeutig zu ermitteln.

II.

Weiter sind die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Anträge zu 4.a und 4.b zulässig. Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da die Klägerinnen – bei Unterstellung eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach – wegen der Unkenntnis über Art und Umfang der Verletzungshandlung nicht zur Bezifferung der Schadensersatzansprüche in der Lage sind und die Feststellungsklage verjährungshemmende Wirkung hat.

B.

Die Klage ist weitestgehend begründet. Sämtliche in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2022 seitens der Klägerin zu 1) geltend gemachten Ansprüche stehen dieser gegen die Beklagte zu. Soweit sie im Klageantrag 3.a.i. auch Auskunft über erzielte Preise begehrt, handelt es sich lediglich um ein zu korrigierendes Redaktionsversehen, da die Klägerin zu 1) ersichtlich mit dem Bezug der Ware keine Preise erzielt hat. Die Klage der Klägerin zu 2) ist mit Ausnahme eines Teils der begehrten Auskunft begründet, wobei auch hier ersichtlich ein Redaktionsversehen vorliegt, soweit die Klägerin zu 2) im Klageantrag zu 3.b.i. Auskunft über erzielte Preise begehrt.

I.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte zunächst die mit dem Antrag zu 1.a geltend gemachten Unterlassungsansprüche bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3. Die Ansprüche folgen aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG.

1.

Die Klägerin zu 1) ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte im Sinne von § 31 Abs. 3 UrhG an der Lego Minifigur aktivlegitimiert. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu 1), nach dem die Urheberrechte bei der Lego System A/S entstanden sind und von dort wirksam auf die Klägerin zu 1) übertragen worden sind, in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt. Die Klägerin zu 1) ist demnach durch Übertragung von der Lego System A/S, die nach Schaffung der Lego Minifigur durch ihren Arbeitnehmer, Herrn L

Jens Nygaard Knudsen

, zunächst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte geworden war, selbst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Lego Minifigur geworden.

2.

Die Lego Minifigur genießt – unabhängig von der konkreten Farbgestaltung oder Bedruckung – Urheberrechtsschutz. Sie stellt unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben ein Werk der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar, das insbesondere die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Gestaltungshöhe aufweist.

a.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des „Werks“ als autonomer Begriff des Unionsrechts einheitlich auszulegen und anzuwenden (EuGH, Urt. v. 13.11.2018, Rs. C-310/17, Rn. 33 – Levola Hengelo; EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 29 – Cofemel). Danach muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Ein Gegenstand kann dabei erst bzw. bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 29 ff. – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 22 ff. – Brompton Bicycle). Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 31 – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 27 – Brompton Bicycle).

b.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. In zwei neueren Entscheidungen (BGH, Urt. v. 29.04.2021, I ZR 193/20, Rn. 57 – Zugangsrecht des Architekten; BGH, Urt. v. 07.04.2022, I ZR 222/20, Rn. 28 – Porsche 911) hat der Bundesgerichtshof sich unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH mit den Voraussetzungen des Schutzes von Werken im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG befasst. Danach ist eine persönliche geistige Schöpfung eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1983, I ZR 177/80, Rn. 14 – Brombeer-Muster; BGH, Urt. v. 10.12.1986, I ZR 15/85, Rn. 28 – Le-Corbusier-Möbel; BGH, Urt. v. 01.06.2011, I ZR 140/09, Rn. 31 – Lernspiele; BGH, Urt. v. 12.05.2011, I ZR 53/10, Rn. 17 – Seilzirkus; BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 143/12, Rn. 15 – Geburtstagszug). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH, Urt. v. 12.05.2011, I ZR 53/10, Rn. 36 – Seilzirkus; BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 143/12, Rn. 41 – Geburtstagszug).

c.

In der Sache entsprechen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden ist (BGH, Urt. v. 29.04.2021, I ZR 193/20, Rn. 58 – Zugangsrecht des Architekten; BGH, Urt. v. 07.04.2022, I ZR 222/20, Rn. 29 – Porsche 911; Hartwig, GRUR 2022, 1023 (1023); Müller/Pechan, WRP 2022, 1353 (1357)). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, Urt. v. 13.11.2018, Rs. C-310/17, Rn. 36 – Levola Hengelo; EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 29 – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 22 – Brompton Bicycle). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 30 f. – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 23 f. – Brompton Bicycle). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH, Urt. v. 13.11.2018, Rs. C-310/17, Rn. 37 – Levola Hengelo; EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, Rn. 29 – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 22 – Brompton Bicycle). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH, Urt. v. 12.09.2019, Rs. C-683/17, 32 – Cofemel; EuGH, Urt. v. 11.06.2020, Rs. C-833/18, Rn. 25 – Brompton Bicycle), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH, Urt. v. 13.11.2018, Rs. C-310/17, Rn. 40 – Levola Hengelo).

Allgemein gilt, dass bei Gebrauchsgegenständen, die bestimmten technischen Anforderungen genügen müssen und/oder technisch bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, die Möglichkeiten einer künstlerisch-ästhetischen Ausformung zwar nicht ausgeschlossen, aber regelmäßig eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1983, I ZR 62/79, Rn. 24 – Büromöbelprogramm; BGH, Urt. v. 12.05.2011, I ZR 53/10, Rn. 25 – Seilzirkus; Hartwig, GRUR 2022, 1023 (1026 f.)). Maßgeblich ist danach, ob Gebrauchsgegenstände über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind, die Gestaltung nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht, so dass die Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 143/12, Rn. 41 – Geburtstagszug; BGH, Urt. v. 12.05.2011, I ZR 53/10, Rn. 22 – Seilzirkus). Die Verwendung bekannter Stilmittel schließt individuelles Schaffen nicht aus (BGH. Urt. v. 14.04.1988, I ZR 99/86, Rn. 16 – Kristallfiguren). Formgebungselemente, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen, können berücksichtigt werden, wenn gerade ihre Kombination untereinander oder mit neuen Elementen eine schöpferische Leistung darstellt (BGH, Urt. v. 28.02.1991, I ZR 88/89, Rn. 19 – Explosionszeichnungen; OLG Schleswig, Urt. v. 11.09.2014, 6 U 74/10, Rn. 40 – Geburtstagszug II, zitiert nach juris).

d.

Die Lego Minifigur, die zur Veranschaulichung nachfolgend nochmals eingeblendet wird, weist folgende Gestaltungsmerkmale auf, die ihr Individualität verleihen:

(1) Aus Klemmbausteinen zusammensetzbare Spielfigur

(2) mit einem Oberkörper,

(a) der im Vergleich zur menschlichen Anatomie groß und kantig ist,

(b) auf einer rechteckigen Grundform basiert

(c) und sich nach oben hin trapezförmig verjüngt,

(d) mit ebenen, klar und kantig voneinander abgegrenzten Oberflächen.

(3) mit einem Kopf, der

(a) im Vergleich zu Oberkörper und Beinen disproportional groß und

(b) im Kontrast zur kantigen Gestaltung des Ober- und Unterkörpers rund und zylindrisch geformt ist.

(4) mit Armen,

(a) die aufgesetzt wirken und

(b) aufgrund ihrer schmaleren Proportionen keine natürliche Einheit mit dem Rest des Körpers bilden.

(5) mit Beinen,

(a) die parallel zueinander verlaufen,

(b) gedrungen sind,

(c) im Wesentlichen eine quadratische, kantige Grundform aufweisen sowie

(d) im Hüftbereich beweglich und im Kniebereich unbeweglich ausgestaltet sind.

Durch diese Merkmale erzeugt die Lego Minifigur den Gesamteindruck eines durch im Wesentlichen geradlinige geometrische Formen und glatte Oberflächen verfremdeten, kantigen, kompakten und gedrungenen menschlichen Körpers mit überproportional groß wirkendem runden Kopf und aufgesetzten Armen. Dabei kommt den Merkmalen (2) bis (4) besonderes Gewicht zu. Keines der vorgenannten Merkmale ist durch technische Erwägungen, Regeln, Anforderungen oder sonstige Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum lassen oder diese einschränken würden. Zwingend zu erfüllen ist allein die Vorgabe, dass die Spielfigur aus Teilen besteht, die sie als – wenn auch entfremdete – menschliche Figur erkennbar machen. Die Spielfigur muss also Kopf, Körper und Extremitäten aufweisen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Elemente im Einzelnen sowie die Proportionen der Körperteile zueinander unterliegen keinerlei technischen oder sonstigen Zwängen.

Nach Auffassung der Kammer stellt die Kompatibilität mit dem Lego-Rastermaß, die zur Aufnoppbarkeit auf Klemmbausteine im entsprechenden Rastermaß führt, schon im Ausgangspunkt keine technische Vorgabe für die Ausgestaltung einer Spielzeugfigur dar. Selbst wenn darin eine technische Vorgabe gesehen werden würde, so bestünde dennoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Kompatibilität herzustellen, wie sich etwa aus der auf Seite 22 der Triplik eingeblendeten Übersicht (Bl. 885 GA) ergibt. Letztlich erfordert auch die Kompatibilität lediglich, dass an beliebiger Stelle der Spielzeugfigur ein Anschluss geschaffen wird, über den die Figur aufgenoppt werden kann. Dieser Anschluss ist in der Praxis regelmäßig an der Fußunterseite vorgesehen, zwingend ist das aber nicht, so dass auch hier ein schöpferischer Freiraum verbleibt. Vor allem folgen daraus keinerlei Vorgaben für die weitere Ausgestaltung der Figur. Auch die konkrete Ausgestaltung der Hände unterliegt keinen strengen technischen Vorgaben. Üblicherweise sind die Hände so gestaltet, dass sie Gegenstände halten können, zwingend ist aber auch das nicht. Zudem kann dieses Ziel durch verschiedene Gestaltungen erreicht werden. Die Hände müssen dazu insbesondere nicht komplett als schlichte Greifer, die lediglich eine Kreisform mit Öffnung aufweisen, ausgestaltet werden. Denkbar wäre etwa auch, zwar an der Innenseite eine solche Kreisform mit Öffnung vorzusehen, die Außenseite aber wesentlich detailreicher zu gestalten. Darüber hinaus ist die konkrete Dimensionierung des Rastermaßes ersichtlich keine zwingend zu erfüllende technische Vorgabe bei der Herstellung von Spielzeugen aus Klemmbausteinen. Dies ergibt sich zwanglos bereits daraus, dass auch die Klemmbausteine der Klägerinnen in unterschiedlichen Rastermaßen (Lego und Lego Duplo) erhältlich sind.

e.

Mit der Kombination der vorgenannten Merkmale setzt sich die Lego Minifigur von den bekannten Gestaltungen, die der als Anlage K8 vorgelegten Übersicht entnommen werden können, deutlich ab. Der vorzunehmende Gesamtvergleich ergibt, dass die vorbekannten Figuren sich deutlich weniger vom menschlichen Vorbild lösen und die Proportionen des menschlichen Körpers häufig aber auch die Form der Gliedmaßen weitgehend naturgetreu widerspiegeln. Zur Veranschaulichung wird die Lego Minifigur nachfolgend einigen vorbekannten Figuren gegenübergestellt:

Lego Minifigur

GI Joe (Hasbro)

Soldatenfigur (Kay Bojesen)

Playmobil-Figur (Geobra Brandstätter)

Auch die Beklagte hat keine älteren Werke vorzulegen vermocht, die die Merkmale, die den Gesamteindruck der Lego Minifigur begründen, zeigen oder nahelegen würden oder in der Gesamtschau den gestalterischen Abstand der Lego Minifigur zu den bekannten Vorbildern zu verringern vermöchten.

f.

Dies berücksichtigend weist die Lego Minifigur sowohl die erforderliche Individualität als auch die notwendige Gestaltungshöhe auf. Ihre Originalität bzw. Individualität liegt darin begründet, dass sie im Vergleich zu den vorbekannten Gestaltungen durch ihre kompakten geometrischen Formen und glatten Oberflächen und den Verzicht auf die natürlichen menschlichen Proportionen eine gänzlich andere Formensprache spricht. Dadurch erreicht die Lego Minifigur eine ganz erhebliche Gestaltungshöhe. Dem Schöpfer von Spielfiguren steht im Ausgangspunkt ein großer Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Diesen Gestaltungsspielraum hat der Schöpfer der Lego Minifigur genutzt und ihr durch Kombination der vorgenannten Merkmale ein Gepräge verliehen, das sich aus der Masse der – damals im Wesentlichen naturgetreuen – Spielfiguren deutlich abhebt. Die Lego Minifigur erreicht dabei einen besonderen ästhetischen Gehalt, der die Individualität des Schöpfers sowie dessen Persönlichkeit widerspiegelt, so dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Unter Berücksichtigung aller Aspekte, wie sie bei der Ausgestaltung der Lego Minifigur vorlagen, hat sie mithin Urheberrechtsschutz erlangt.

3.

Die Beklagte verletzt die Klägerin zu 1) in dem dieser gemäß § 17 UrhG zustehenden Verbreitungsrecht an der Lego Minifigur, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 – im Rahmen von Spielzeugsets – anbietet, bewirbt und in den Verkehr bringt.

a.

Das Verbreitungsrecht umfasst gemäß § 17 Abs. 1 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Insoweit begründet bereits das Angebot im Onlineshop der Beklagten eine Verletzung.

b.

Die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 greifen jeweils in unzulässiger Weise in den Schutzbereich der urheberrechtlich geschützten Lego Minifigur ein.

aa.

Der Einwand der Beklagten, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 nicht in zusammengebauter Form anbiete und vertreibe, verfängt nicht. Denn die Sets, in denen die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 vertreibt und bewirbt, sind dazu bestimmt, vom Erwerber entsprechend der beiliegenden Aufbauanleitungen in die Form der jeweiligen angegriffenen Ausführungsform gebracht zu werden, was sich auch aus der Verpackungsgestaltung, auf der Grafiken entsprechend zusammengebauter Figuren aufgedruckt sind, ergibt.

bb.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 handelt es sich jeweils um Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Werkes Lego Minifigur, die gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen. Ein neues Werk, das einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk einhält, § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG, liegt nicht vor.

(1).

Auch nach der Neufassung von § 23 UrhG und der Streichung des § 24 UrhG können zur Abgrenzung zwischen abhängiger Benutzung innerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks und freier Benutzung außerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks die Kriterien herangezogen werden, die die Rechtsprechung zur Abgrenzung des § 23 UrhG a.F. (unfreie Benutzung) von § 24 Abs. 1 UrhG a.F. (freie Benutzung) entwickelt hat (Bullinger, in Wandtke/Bullinger: Urheberrecht, 6. Aufl. 2022, § 23 Rn. 34). Danach liegt ein hinreichender Abstand zum benutzten Werk dann vor, wenn die übernommenen Elemente in dem neuen Werk aufgehen; sie dürfen das neue Werk nicht in der Weise prägen, dass sie das Wesen der Bearbeitung ausmachen (Bullinger, in Wandtke/Bullinger: Urheberrecht, 6. Aufl. 2022, § 23 Rn. 36). Die Züge des benutzten Werks müssen angesichts der Individualität des neuen Werkes verblassen (BGH, Urt. v. 20.03.2003, I ZR 117/00, Rn. 19 – Gies-Adler). Dies geschieht in der Regel dadurch, dass die dem geschützten älteren Werk entlehnten Züge in dem neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (BGH, Urt. v. 20.03.2003, I ZR 117/00, Rn. 19 – Gies-Adler).

(2).

In Anwendung dieser Grundsätze stellen die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 (unfreie) Bearbeitungen oder Umgestaltungen der Lego Minifigur dar.

Zum einen erzeugen sie den gleichen Gesamteindruck wie die Lego Minifigur. Auch die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 wirken wie ein durch im Wesentlichen geradlinige geometrische Formen und glatte Oberflächen verfremdeter, kantiger, kompakter und gedrungener menschlicher Körper mit aufgesetzten Armen, wobei Oberkörper und Kopf überproportional groß sind. Dabei übernehmen alle drei angegriffenen Ausführungsformen in großem Umfang Gestaltungen, die den Urheberrechtsschutz der Lego Minifigur begründen:

Alle drei angegriffenen Ausführungsformen übernehmen den grundsätzlichen Aufbau aus im Wesentlichen rundem Kopf, vergleichsweise großem und kantigen Oberkörper mit rechteckiger Grundform, der sich nach oben hin trapezförmig verjüngt, aufgesetzt wirkenden Armen mit schmaleren Proportionen, beweglichem Hüftgelenk und parallel zueinander verlaufenden Beinen. Der Oberkörper hat ebene, klar und kantig voneinander abgegrenzte Oberflächen. Die Beine der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 wirken gedrungen, wobei die Beine der angegriffenen Ausführungsform 2 auch die im Wesentlichen quadratische, kantige Grundform aufweisen. Die Köpfe aller drei angegriffenen Ausführungsformen sind im Vergleich zu Oberkörper und Beinen disproportional groß und im Kontrast zur kantigen Gestaltung der Oberkörpers und teilweise der Beine (angegriffene Ausführungsform 2) zylindrisch geformt. Dabei ist der Kopf der angegriffenen Ausführungsformen teilweise im Verhältnis zum restlichen Körper noch größer als bei der Lego Minifigur. Durch Übernahme dieser Merkmale erhalten sie das gleiche Gepräge wie die Lego Minifigur. Die Lego Minifigur und die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 stehen sich in der Frontansicht wie folgt gegenüber:

Lego Minifigur

angegriffene Ausführungsform 1

angegriffene Ausführungsform 2

angegriffene Ausführungsform 3

Auch die durchaus vorhandenen Unterschiede, wie etwa die unterschiedlichen Kopfformen, reliefartige Ausgestaltung des Nasenbereichs, teilweise rundere Ausgestaltung von Armen und Beinen wobei zwischen den Beinen der angegriffenen Ausführungsform 3 eine größere, gerundete Aussparung vorhanden ist, führen nicht zu einem Verblassen des benutzten Werkes der Lego Minifigur. Bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 2 steht dieses Ergebnis überdies im Einklang mit den als Anlagen K58 und K93 vorgelegten Entscheidungen der Löschungsabteilung und der Beschwerdekammer des EUIPO, in denen der jeweilige Spruchkörper festgestellt hat, dass ein der angegriffenen Ausführungsform 2 entsprechendes Gemeinschaftsgeschmacksmuster und die Lego Minifigur den gleichen Gesamteindruck aufweisen, weshalb das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu löschen sei. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend eine Abbildung aus dem Löschungsverfahren eingeblendet:

c.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die bereits begangenen Verletzungshandlungen begründet. Die Beklagte hat die Wiederholungsgefahr auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.

d.

Die Ordnungsmittelandrohung findet ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.

II.

Auch die mit dem Antrag zu 1.b bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 4 bis 6 geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin zu 1) aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG gegen die Beklagte zu.

Wie bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ausgeführt, handelt es sich insoweit nicht um ein eigenständiges Verbot. Der Antrag zu 1.b hat lediglich klarstellende Funktion. Durch den Antrag verdeutlicht die Klägerin zu 1), dass sie die auf den Verpackungen aufgebrachten grafischen Abbildungen der beanstandeten Figuren als bereits unter den Antrag zu 1.a fallende Bewerbung ansieht. Dem ist zuzustimmen. Mit den entsprechenden Abbildungen auf den angegriffenen Ausführungsformen 4 bis 6 bewirbt die Beklagte die Spielzeugsets bzw. deren Inhalt, aus dem sich die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 zusammenbauen lassen. In dieser Werbung liegt daher ein Angebot der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3, das die Beklagte nach §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG zu unterlassen hat.

III.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte zudem die mit dem Antrag zu 1.c geltend gemachten Unterlassungsansprüche bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12. Die Ansprüche folgen aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG.

1.

Die Klägerin zu 1) ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte im Sinne von § 31 Abs. 3 UrhG an der Lego Friends Figur aktivlegitimiert. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu 1), nach dem die Urheberrechte bei der Lego System A/S entstanden sind und von dort wirksam auf die Klägerin zu 1) übertragen worden sind, in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt. Die Klägerin zu 1) ist demnach durch Übertragung von der Lego System A/S, die nach Schaffung der Lego Friends Figur durch ihre Arbeitnehmer zunächst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte geworden war, selbst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Lego Friends Figur geworden.

2.

Die Lego Friends Figur genießt – unabhängig von der konkreten Farbgestaltung oder Bedruckung – Urheberrechtsschutz. Sie stellt unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben ein Werk der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar, das insbesondere die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Gestaltungshöhe aufweist.

a.

Bezüglich der Voraussetzungen eines schutzfähigen Werkes wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Lego Minifigur verwiesen, die auch hier gelten.

b.

Die Lego Friends Figur, die zur Veranschaulichung nachfolgend nochmals eingeblendet wird, weist folgende Gestaltungsmerkmale auf, die ihr Individualität verleihen:

(1) Aus Klemmbausteinen zusammensetzbare Figur

(2) mit weicher Linienführung und gerundeten Bauteilen,

(3) mit einem im Verhältnis zum Torso überproportional großen Kopf, der sich ähnlich einer Herzform nach unten hin zuspitzt,

(4) mit einem im Verhältnis zum Kopf kurzen Hals und schmalen Torso, der unterhalb des Armansatzes zur Körpermitte hin einen leichten Schwung aufweist,

(5) mit langen, vom Körper seitlich nach außen geschwungenen Armen,

(6) mit parallel zueinander verlaufenden, rohrförmigen Beinen,

(7) überproportional großen, als Greifer ausgebildeten Händen,

(8) und überproportional großen, seitlich gegenüber der Silhouette der Beine überstehenden Füßen,

(9) deren Körper mit Ausnahme von Armen und Füßen über seine gesamte Höhe im Wesentlichen eine konstante Breite aufweist,

(10) wobei die Beine durch ein im Hüftbereich vorhandenes „Mittelscharnier“ bewegt werden können.

Durch diese Gestaltung erzeugt die Lego Friends Figur den Gesamteindruck einer cartoonartigen und gleichwohl eleganten, schmalen menschlichen Figur mit weicher und geschwungener Linienführung. Dabei kommt der Kombination der Merkmale (2) bis (10) besonderes Gewicht zu. Keines der vorgenannten Merkmale und auch nicht ihre Kombination ist durch technische Erwägungen, Regeln, Anforderungen oder sonstige Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum lassen oder diese einschränken würden. Zwingend zu erfüllen ist allein die Vorgabe, dass die Spielfigur aus Teilen besteht, die sie als – wenn auch entfremdete – menschliche Figur erkennbar machen. Die Spielfigur muss also Kopf, Körper und Extremitäten aufweisen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Elemente im Einzelnen sowie die Proportionen der Körperteile zueinander unterliegen keinerlei technischen oder sonstigen Zwängen.

Nach Auffassung der Kammer stellt die Kompatibilität mit dem Lego-Rastermaß, die zur Aufnoppbarkeit auf Klemmbausteine im entsprechenden Rastermaß führt, schon im Ausgangspunkt keine technische Vorgabe für die Ausgestaltung einer Spielzeugfigur dar. Selbst wenn darin eine technische Vorgabe gesehen werden würde, so bestünde dennoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Kompatibilität herzustellen, wie sich etwa aus der auf Seite 22 der Triplik (Bl. 885 GA) eingeblendeten Übersicht ergibt. Letztlich erfordert auch die Kompatibilität lediglich, dass an beliebiger Stelle der Spielzeugfigur ein Anschluss geschaffen wird, über den die Figur aufgenoppt werden kann. Dieser Anschluss ist in der Praxis regelmäßig an der Fußunterseite vorgesehen, zwingend ist das aber nicht. Auch folgt aus einem Anschluss über die Fußunterseite nicht zwingend, dass die Füße breiter ausgestaltet sein müssten als die Beine; denkbar wäre etwa auch eine identische Breite von Beinen und Füßen. Es verbleibt ein schöpferischer Freiraum für die Ausgestaltung der Füße insbesondere im Zusammenwirken mit dem frei gestaltbaren Körper im Übrigen. Ferner unterliegt die konkrete Ausgestaltung der Hände sowie die Gelenks im Hüftbereich keinen strengen technischen Vorgaben. Üblicherweise sind die Hände so gestaltet, dass sie Gegenstände halten können, zwingend ist aber auch das nicht. Zudem kann dieses Ziel durch verschiedene Gestaltungen erreicht werden. Die Hände müssen dazu insbesondere nicht komplett als schlichte Greifer, die lediglich eine Kreisform mit Öffnung aufweisen, ausgestaltet werden. Denkbar wäre etwa auch, zwar an der Innenseite eine solche Kreisform mit Öffnung vorzusehen, die Außenseite aber wesentlich detailreicher zu gestalten. Darüber hinaus ist die konkrete Gestaltung des Scharniers im Hüftbereich nicht durch die technische Funktion vorgegeben. Möglich wäre etwa die Nutzung eines weniger markanten, versteckten Scharniers. Wiederum ist auch die konkrete Dimensionierung des Rastermaßes offensichtlich keine zwingend zu erfüllende technische Vorgabe bei der Herstellung von Spielzeugen aus Klemmbausteinen. Dies ergibt sich zwanglos bereits daraus, dass auch die Klemmbausteine der Klägerinnen in unterschiedlichen Rastermaßen (Lego und Lego Duplo) erhältlich sind.

c.

Mit der Kombination der vorgenannten Merkmale setzt sich die Lego Friends Figur von den vorbekannten Gestaltungen, die etwa auf den Seite 33 der Klageschrift (Bl. 380 GA), Seiten 58 f. und 64 f. der Klageerwiderung (B. 521 f., Bl. 527 f. GA), Seiten 52 bis 54 der Replik (Bl. 695 bis 697 GA) sowie auf Seite 38 der Duplik (Bl. 812 GA) eingeblendet sind, deutlich ab. Dies gilt im Hinblick auf die vorbekannte Polly Pocket – Figur (s. Bl. 529 GA), die zwar ebenso wie die Lego Friends Figur einen überproportional großen Kopf und eine geschwungene Linienführung aufweist, sich insgesamt aber deutlich näher an die tatsächliche menschliche Anatomie anlehnt. Aber auch bei der vorzunehmenden Gesamtschau hält die Lego Friends Figur beträchtlichen Abstand und zeigt deutliche eigene Individualität, wie die Gegenüberstellung der Lego Friends Figur mit verschiedenen vorbekannten Figuren aus der Duplik (Bl. 812 GA) zeigt, die sich alle deutlich weniger vom menschlichen Vorbild lösen:

d.

Dies berücksichtigend weist die Lego Friends Figur sowohl die erforderliche Individualität als auch die notwendige Gestaltungshöhe auf. Ihre Originalität bzw. Individualität liegt darin begründet, dass sie im Vergleich zu den vorbekannten Gestaltungen durch die Kombination ihrer Merkmale eine neue Formensprache spricht. Sie wirkt zum einen elegant, zum anderen – insbesondere durch die Gestaltung ihrer Extremitäten und den großen Kopf – aber auch cartoonartig. Dadurch erreicht die Lego Friends Figur eine erhebliche Gestaltungshöhe. Dem Schöpfer von Spielfiguren steht im Ausgangspunkt ein großer Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Diesen Gestaltungsspielraum haben die Schöpfer der Lego Friends Figur genutzt und ihr durch Kombination der vorgenannten Merkmale ein Gepräge verliehen, das sich aus der Masse der damals erhältlichen Spielfiguren deutlich abhebt. Die Lego Friends Figur erreicht dabei einen ästhetischen Gehalt, der die Individualität der Schöpfer sowie deren Persönlichkeit widerspiegelt, so dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Dass die Schöpfer sich bei der Schaffung der Lego Friends Figur an Marktanalysen orientiert haben, steht dem nicht entgegen. Bei der konkreten Entwicklung der Figur haben sie gleichwohl ihre eigenen Ideen eingebracht und etwaige Anregungen künstlerisch umgesetzt. Unter Berücksichtigung aller Aspekte, wie sie bei der Ausgestaltung der Lego Friends Figur vorlagen, hat sie mithin Urheberrechtsschutz erlangt.

3.

Die Beklagte verletzt die Klägerin zu 1) in dem dieser gemäß § 17 UrhG zustehenden Verbreitungsrecht an der Lego Friends Figur, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 – im Rahmen von Spielzeugsets – anbietet, bewirbt und in den Verkehr bringt.

a.

Das Verbreitungsrecht umfasst gemäß § 17 Abs. 1 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Insoweit begründet bereits das Angebot im Onlineshop der Beklagten eine Verletzung.

b.

Die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 greifen jeweils in unzulässiger Weise in den Schutzbereich der urheberrechtlich geschützten Lego Friends Figur ein.

aa.

Der Einwand der Beklagten, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 nicht in zusammengebauter Form anbiete und vertreibe, verfängt erneut nicht. Denn die Sets, in denen die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 vertreibt und bewirbt, sind dazu bestimmt, vom Erwerber entsprechend der beiliegenden Aufbauanleitungen in die Form der jeweiligen angegriffenen Ausführungsform gebracht zu werden, was sich auch aus der Verpackungsgestaltung, auf der Grafiken entsprechend zusammengebauter Figuren aufgedruckt sind, ergibt.

bb.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 handelt es sich jeweils um Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Werkes Lego Friends Figur, die gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen. Ein neues Werk, das einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk einhält, § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG, liegt nicht vor.

In Anwendung der bereits im Zusammenhang mit der Lego Minifigur dargestellten Grundsätze zur Abgrenzung zwischen abhängiger Benutzung innerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks und freier Benutzung außerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks stellen die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 (unfreie) Bearbeitungen oder Umgestaltungen der Lego Friends Figur dar.

Zum einen erzeugen sie den gleichen Gesamteindruck wie die Lego Friends Figur. Denn auch die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 wirken elegant, schmal und zugleich cartoonartig. Dabei übernehmen alle sechs angegriffenen Ausführungsformen in großem Umfang Gestaltungen, die den Urheberrechtsschutz der Lego Friends Figur begründen:

Alle sechs angegriffenen Ausführungsformen übernehmen die weiche Linienführung mit gerundeten Bauteilen, den im Verhältnis zum Torso überproportional großen, nach unten leicht herzförmig zulaufenden Kopf, den im Verhältnis zum Kopf schmalen Torso, der unterhalb der Arme zur Körpermitte hin einen leichten Schwung aufweist, die langen, vom Körper seitlich nach außen geschwungenen Arme und die als Greifer ausgebildeten, überproportional großen Hände sowie das auffällige Mittelscharnier im Hüftbereich. Die angegriffenen Ausführungsformen 7, 8 und 10 übernehmen zudem die rohrförmig ausgebildeten, parallel zueinander verlaufenden Beine sowie die überproportional großen, seitlich gegenüber der Silhouette der Beine überstehenden Füße, wobei ihr Körper mit Ausnahme von Armen und Füßen über seine gesamte Höhe im Wesentlichen eine konstante Breite aufweist. Die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 stehen der Lego Friends Figur in der Front-Ansicht wie folgt gegenüber:

Lego Friends Figur

angegriffene Ausführungsform 7

angegriffene Ausführungsform 8

angegriffene Ausführungsform 9

angegriffene Ausführungsform 10

angegriffene Ausführungsform 11

angegriffene Ausführungsform 12

Durch Übernahme der vorgenannten Merkmale erhalten alle sechs angegriffenen Ausführungsformen das gleiche Gepräge wie die Lego Friends Figur. Dies gilt auch für die angegriffenen Ausführungsformen 9, 11 und 12, die jeweils lange Röcke tragen, so dass ihre Beine und Füße nicht modelliert sind. Die weitere Ausgestaltung ist aber jeweils so nah an der Lego Friends Figur, dass auch hier der gleiche Gesamteindruck entsteht.

Die Kammer verkennt nicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 weitere Abweichungen gegenüber der Lego Friends Figur aufweisen, etwa bezüglich der Gestaltung der Hände, die zwar allesamt als Greifer gestaltet, aber zum Teil näher an der menschlichen Anatomie orientiert sind. Auch bei einigen angegriffenen Ausführungsformen vorhandene kleinere Unterschiede in der Kopfform oder dem Relief im Nasenbereich sowie geringfügig andere Proportionen von Torso zu Armen und Beinen haben nicht zur Folge, dass eine oder mehrere der angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 12 als neues Werk einzuordnen wären, in dem die Charakteristik der Lego Friends Figur verblassen würde. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die im Rahmen des Anlagenkonvoluts K59 vorgelegte Entscheidung des EUIPO im Nichtigkeitsverfahren ICD 113 581, in der eine den angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 13 ähnliche Ausgestaltung angesichts eines auf eine Lego Friends Figur mit Bleistiftrock bezogenen Geschmacksmusters für nichtig erklärt wurde, wie die nachfolgend eingeblendete Grafik veranschaulicht:

c.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die bereits begangenen Verletzungshandlungen begründet. Die Beklagte hat die Wiederholungsgefahr auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.

d.

Die Ordnungsmittelandrohung findet ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.

IV.

Auch die mit dem Antrag zu 1.d bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 13 bis 16 geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin zu 1) aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG gegen die Beklagte zu.

Wie bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ausgeführt, handelt es sich insoweit nicht um ein eigenständiges Verbot. Der Antrag zu 1.d hat lediglich klarstellende Funktion. Durch den Antrag verdeutlicht die Klägerin zu 1), dass sie die auf den Verpackungen aufgebrachten grafischen Abbildungen der beanstandeten Figuren als bereits unter den Antrag zu 1.c fallende Bewerbung ansieht. Dem ist zuzustimmen. Mit den entsprechenden Abbildungen auf den angegriffenen Ausführungsformen13 bis 16 bewirbt die Beklagte die Spielzeugsets bzw. deren Inhalt, aus dem sich die angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 11 zusammenbauen lassen. In dieser Werbung liegt daher ein Angebot der angegriffenen Ausführungsformen 7 bis 11 das die Beklagte nach §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG zu unterlassen hat.

V.

Da die Unterlassungsanträge 1.c und 1.d bereits aus dem hauptsächlich geltend gemachten Urheberrecht begründet sind, sind Ausführungen zu den lediglich hilfsweise geltend gemachten geschmacksmusterrechtlichen Ansprüchen nicht veranlasst.

VI.

Der Klägerin zu 1) steht auch der mit dem Antrag zu 1.e gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Klagemusters 1 durch die angegriffene Ausführungsform 17 zu.

1.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß den Art. 19 Abs. 1, 10, 89 Abs. 1 a) GGV, weil die angegriffene Ausführungsform 17 das Klagemuster 1 verletzt. Denn sie erweckt beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster 1.

a.

Die Klägerin zu 1) ist als Inhaberin des Klagemusters 1 aktivlegitimiert.

b.

Die Rechtsgültigkeit des Klagemusters 1 wird gemäß Art. 85 Abs. 1 GGV im Verletzungsverfahren vermutet und kann nur mit einer Nichtigkeitswiderklage, die die Beklagte vorliegend nicht erhoben hat, bestritten werden.

c.

Das Klagemuster 1 weist die folgenden Merkmale auf:

(1) Zylindrischer Klemmbaustein,

(2) mit vier runden Noppen auf der Oberseite, die die Eckpunkte eines gedachten Quadrates markieren,

(3) mit einer kreuzförmigen Aussparung in der Mitte der Oberseite,

(4) mit einem inneren Zylinder mit im Wesentlichen glatten Oberflächen

(5) und einem äußeren Zylinder

a. mit glatter Innenfläche,

b. geriffelter Außenfläche

c. und vier an der Unterkante angeordneten, rechteckigen Aussparungen.

Das Klagemuster 1 wird durch die geriffelte Außenfläche des äußeren Zylinders (Merkmal (5b.)), die runden Noppen auf der Oberseite (Merkmal (2)) sowie die kreuzförmige Aussparung in der Mitte der Oberseite (Merkmal (3)) geprägt.

Insgesamt wirkt das Klagemuster 1 durch seine geriffelte Außenfläche und seine Detailliertheit ansprechend, funktional und geometrisch.

d.

Die angegriffene Ausführungsform 17 erweckt beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster 1.

(1).

Die Verletzungsprüfung nach Art. 10 Abs. 1 GGV erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Musters ermittelt und verglichen werden (vgl. BGH, Urt. v. 07.04.2011, I ZR 56/09, Rn. 34 – ICE). Bei der Beurteilung des Schutzumfanges der Geschmacksmuster ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen, Art. 10 Abs. 2 GGV. Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters besteht dabei eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während umgekehrt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers einen weiten Schutzumfang zur Folge haben können, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer keinen unterschiedlichen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2012, I ZR 102/1, Rn. 31 m.w.N. – Kinderwagen II). Darüber hinaus wird der Schutzumfang der Geschmacksmuster auch durch ihren Abstand vom vorbekannten Formenschatz bestimmt. Je größer der Abstand der Geschmacksmuster zum vorbekannten Formenschatz ist, desto größer ist auch deren Schutzumfang (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2012, I ZR 102/1, Rn. 32 – Kinderwagen II). Fehlt jeder oder nahezu jeder Vortrag zum vorbekannten Formenschatz, so ist von einem weiten Schutzbereich auszugehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.2008, I-20 U 154/08, Rn. 7, zitiert nach juris).

(2).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von einem jedenfalls durchschnittlichen Schutzumfang des Klagemusters 1 auszugehen. Der Entwerfer von Klemmbausteinen kann im Ausgangspunkt aus einer Vielzahl von Formen wählen. Begrenzt wird er durch die technische Vorgabe, dass die Bausteine leicht zu verbinden und auch wieder zu trennen sein müssen. Die Beklagte hat in Bezug auf das Klagemuster 1 nicht explizit vorbekannten Formenschatz vorgelegt. Sie hat allerdings vorgetragen, in einem von der Klägerin zu 1) in Bezug genommenen Video sei kein dem Klagemuster 1 entsprechender Klemmbaustein zu sehen, sondern der nachfolgend eingeblendete Klemmbaustein, den die Klägerinnen nach eigenen Angaben seit 1979 vertrieben:

Selbst wenn dieser Klemmbaustein als vorbekannter Formenschatz berücksichtigt wird, so ist der Schutzumfang des Klagemusters 1 gleichwohl wegen der besonders ungewöhnlichen und prägenden Riffelung der Außenfläche des äußeren Zylinders noch durchschnittlich.

(3).

Die angegriffene Ausführungsform 17 erzeugt denselben Gesamteindruck wie das Klagemuster 1. Das Klagemuster 1 und die angegriffene Ausführungsform 17 stehen sich in der perspektivischen Ansicht wie folgt gegenüber:

Die Abbildung der angegriffenen Ausführungsform 17 stammt von der Verpackung eines zollseitig angehaltenen Spielsets, das zwischenzeitlich freigegeben wurde. Weitere Ansichten der angegriffenen Ausführungsform 17 stehen nicht zur Verfügung, da der Klemmbaustein der Klägerin zu 1) nicht im Original vorliegt.

Die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks ist aus der Sicht eines informierten Benutzers zu beurteilen, Art. 10 Abs. 1 GGV. Die Benutzereigenschaft setzt voraus, dass die Person das Produkt, das das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck verwendet (vgl. EuG, Urt. v. 22.06.2010, Rs. T-153/08, Rn. 46 – Shenzhen Taiden, EuG, Urt. v. 21.11.2013, Rs. T-337/12, Rn. 23 – El Hogar Perfecto del Siglo XXI). Als „informiert“ wird ein Benutzer bezeichnet, der verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betreffenden Wirtschaftszweig gibt, gewisse Kenntnisse über die Elemente besitzt, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, und die Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit verwendet. Seine Kenntnisse und der Grad der Aufmerksamkeit sind zwischen denen eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers und denen eines Fachmanns anzusiedeln (vgl. EuGH, Urt. v. 20.11.2011, Rs. C-281/10, Rn. 59 – PepsiCo/Grupo Promer; BGH, Urt. v. 12.07.2012, I ZR 102/1, Rn. 55 – Kinderwagen II).

Bei der Prüfung, ob das angegriffene Muster beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie das Geschmacksmuster erweckt, sind sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2012, I ZR 102/1, Rn. 30 – Kinderwagen II). Dabei ist eine Gewichtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen danach vorzunehmen, ob sie aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2019, I ZR 164/17, Rn. 31 – Meda Gate; BGH, Urt. v. 28.01.2016, I ZR 40/14, Rn. 35 – Armbanduhr). Insoweit sind sämtliche Merkmale, und nicht nur die Merkmale, aus denen sich die Eigenart des Verfügungsgeschmacksmusters ergibt, in die Prüfung einzubeziehen (vgl. Ruhl, in: Ruhl/Tolkmitt, 3. Aufl. 2019, Art. 10 GGV, Rn. 44). Denn für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters ist es grundsätzlich unerheblich, woraus sich dessen Eigenart im Einzelnen ergibt; der Schutzumfang hängt nicht vom Grad der Eigenart des Geschmacksmusters ab (vgl. BGH, Urt. v. 19.05.2010, I ZR 71/08, Rn. 11 ff. – Untersetzer).

Dies berücksichtigend gilt im Streitfall Folgendes:

Die angegriffene Ausführungsform 17 übernimmt alle in der perspektivischen Ansicht erkennbaren Merkmale des Klagemusters 1 identisch. Erkennbar ist ein zylindrischer Klemmbaustein (Merkmal (1)) mit vier runden Noppen auf der Oberseite, die die Eckpunkte eines gedachten Quadrates markieren (Merkmal (2)), mit einer kreuzförmigen Aussparung in der Mitte der Oberseite (Merkmal (3)) und einem äußeren Zylinder mit geriffelter Außenfläche (Merkmal (5b.)).

Ob die angegriffene Ausführungsform 17 aus einer anderen Ansicht Abweichungen gegenüber dem Klagemuster 1 aufweist, ist aus der einzigen für die angegriffene Ausführungsform 17 vorliegenden Ansicht nicht erkennbar. Letztlich kommt es auf diesen Punkt aber auch nicht entscheidungserheblich an. Denn die Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen sind angesichts der identischen Übernahme so groß, dass die angegriffene Ausführungsform 17 unabhängig von der Gestaltung ihrer Unterseite den gleichen Gesamteindruck erweckt wie das Klagemuster 1. Auch die angegriffene Ausführungsform 17 wirkt durch ihre geriffelte Außenfläche und die Detailliertheit ansprechend, funktional und geometrisch.

e.

Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 17 hat die Beklagte eine Benutzungshandlung begangen und damit die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr begründet. Bereits in dem Angebot eines Spielzeugsets, das Klemmbausteine enthält und auf dessen Verpackung unter anderem die angegriffene Ausführungsform 17 abgebildet ist, liegt eine ausreichende Benutzungshandlung. Dass die Beklagte bestritten hat, dass sich die angegriffene Ausführungsform 17 überhaupt in der Spielzeugverpackung befunden hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Insbesondere lässt das Bestreiten das Angebot der angegriffenen Ausführungsform 17, das bereits in deren Abbildung auf einem angebotenen Klemmbausteinset liegt, nicht entfallen. Schließlich reicht das Bestreiten unter Bezugnahme auf eine im Internet auf einer Lego-Seite (Die Seite www.bricklink.com www.bricklink.comwird nach Angabe der Beklagten von den Klägerinnen betrieben (s. S. 6 der Duplik, Bl. 780 GA)) aufgeführte Teileliste keinesfalls aus, um bereits die Existenz eines Klemmbausteins eines anderen Herstellers in Abrede zu stellen.

Die Wiederholungsgefahr wurde auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.

f.

Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in Art. 88 Abs. 3 GGV i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO.

VII.

Der Klägerin zu 1) steht auch der mit dem Antrag zu 1.e gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Klagemusters 2 durch die angegriffene Ausführungsform 18 zu.

1.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß den Art. 19 Abs. 1, 10, 89 Abs. 1 a) GGV, weil die angegriffene Ausführungsform 18 das Klagemuster 2 verletzt. Denn sie erweckt beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster 2.

a.

Die Klägerin zu 1) ist als Inhaberin des Klagemusters 2 aktivlegitimiert.

b.

Die Rechtsgültigkeit des Klagemusters 2 wird gemäß Art. 85 Abs. 1 GGV im Verletzungsverfahren vermutet und kann nur mit einer Nichtigkeitswiderklage, die die Beklagte vorliegend nicht erhoben hat, bestritten werden.

c.

Das Verfahren war auch nicht im Hinblick auf den beim EUIPO gestellten Nichtigkeitsantrag auszusetzen, da besondere Gründe für dessen Fortsetzung bestehen, Art. 91 Abs. 1 GGV. Denn das EUIPO hat den Nichtigkeitsantrag mit Entscheidung vom 30.06.2022 erstinstanzlich zurückgewiesen (Anlage K101). Die Beklagte hat bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 13.09.2022 nicht vorgetragen, dass ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt worden wäre. Zudem hat die Beklagte die überzeugende Entscheidung des EUIPO inhaltlich nicht angegriffen. Die Klägerin zu 1) hat die Entscheidung mit der Triplik vom 26.07.2022 vorgelegt, die Beklagte hat auf diesen Schriftsatz der Klägerin zu 1) nicht mehr erwidert.

d.

Das Klagemuster 2 weist die folgenden Merkmale auf:

(1) Eine runde Platte mit

(2) 24 zylindrischen Noppen auf der Oberseite, die in Bezug auf den Mittelpunkt der Platte in 6 Reihen von oben nach unten und von rechts nach links, die jeweils aus 2-4-6-6-4-2 Noppen bestehen, punktsymmetrisch angeordnet sind;

(3) einer runden Aussparung in der Mitte,

(4) einer zwischen der runden Aussparung in der Mitte und den darum angeordneten 24 Noppen glatten oberen Oberfläche,

(5) 21 größeren Elementen auf der Unterseite, von denen 13 rund und 8 halbrund sind, die in Bezug auf den Mittelpunkt der Platte in 5 Reihen von oben nach unten und von links nach rechts, die jeweils aus 3-5-5-5-3 Elementen bestehen, punktsymmetrisch angeordnet sind,

(6) 24 kleineren runden Elemente an der Unterseite, die die Rückseite der zylindrischen Noppen auf der Oberseite sind,

(7) und mit 8 rechteckigen Aussparungen am nach unten hervorstehenden umlaufenden Rand der Platte, die in Zweiergruppen angeordnet sind.

Das Klagemuster 2 wird durch Anzahl und die symmetrische Anordnung der Noppen auf der Oberseite (Merkmal (2)) und die Aussparungen in der Mitte (Merkmal (3) und am umlaufenden unteren Rand (Merkmal (7)) geprägt.

Insgesamt wirkt das Klagemuster 2 durch die Vielzahl und Abgestimmtheit seiner Noppen, Aussparungen und Elemente in sich stimmig, symmetrisch und funktional.

e.

Die angegriffene Ausführungsform 18 erweckt beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster 2.

(1).

Unter Berücksichtigung der bereits im Zusammenhang mit dem Klagemuster 1 erläuterten Grundsätze ist von einem leicht unterdurchschnittlichen Schutzumfang des Klagemusters 2 auszugehen. Im Ausgangspunkt kann der Entwerfer von Klemmbausteinen aus einer Vielzahl von Formen wählen. Dabei muss er die technisch bedingte Vorgabe berücksichtigen, dass die Bausteine leicht miteinander zu verbinden sein müssen. Die Beklagte hat in Bezug auf das Klagemuster 2 insbesondere den nachfolgenden vorbekannten Formenschatz vorgelegt:

Mit diesem vorbekannten Formenschatz hat sich auch das EUIPO in seiner Entscheidung vom 30.06.2022 auseinandergesetzt und festgehalten, dass das Klagemuster 2 einen anderen Gesamteindruck aufweist. Dem schließt sich die Kammer an. Zwar sind die grundsätzliche Bauart des Klagemusters 2 und des vorbekannten Formenschatzes durchaus ähnlich, indes ist die Anzahl der Noppen, Aussparungen und Elemente auf der Unterseite unterschiedlich, wodurch das Klagemuster 2 komplexer wirkt als das Muster aus dem Formenschatz. Aufgrund seines geringen Abstandes zum Formenschatz hat das Klagemuster 2 gleichwohl nur einen eher engen Schutzumfang.

(2).

Die angegriffene Ausführungsform 18 erzeugt denselben Gesamteindruck wie das Klagemuster 2. Das Klagemuster 2 und die angegriffene Ausführungsform 18 stehen sich in der perspektivischen Ansicht wie folgt gegenüber:

Die Abbildung der angegriffenen Ausführungsform 18 stammt aus einem YouTube-Video, das den Inhalt eines zollseitig angehaltenen, zwischenzeitlich freigegebenen Spielzeugsets zeigt. Die Beklagte bestreitet den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 18 in Deutschland nicht, hat allerdings ausgeführt, dass der Vertrieb in Deutschland mit der Kennzeichnung „ENLI“ auf den Noppen erfolge, mit der Folge, dass der Vertrieb einer entsprechend geformten Platte unstreitig ist. Weitere Ansichten der angegriffenen Ausführungsform 18 stehen nicht zur Verfügung, da der Klemmbaustein der Klägerin zu 1) nicht im Original vorliegt.

Unter Berücksichtigung der bereits im Zusammenhang mit dem Klagemuster 1 dargestellten Prüfungsmaßstäbe gilt hier Folgendes:

Die angegriffene Ausführungsform 18 übernimmt die in der perspektivischen Ansicht erkennbaren Merkmale des Klagemusters 2 nahezu identisch. Erkennbar ist eine runde Platte (Merkmal (1)) mit 24 zylindrischen Noppen auf der Oberseite, die in Bezug auf den Mittelpunkt der Platte in 6 Reihen von oben nach unten und von rechts nach links, die jeweils aus 2-4-6-6-4-2 Noppen bestehen, punktsymmetrisch angeordnet sind (Merkmal (2)), einer runden Aussparung in der Mitte (Merkmal (3)), einer zwischen der runden Aussparung in der Mitte und den darum angeordneten 24 Noppen glatten oberen Oberfläche (Merkmal (4)) und mit rechteckigen Aussparungen am nach unten hervorstehenden umlaufenden Rand der Platte, die in Zweiergruppen angeordnet sein dürften (Merkmal (7)). Letzteres ist nicht sicher zu erkennen, für den Gesamteindruck aber auch nicht entscheidend.

Auch ob die angegriffene Ausführungsform 18 aus einer anderen Ansicht Abweichungen gegenüber dem Klagemuster 2 aufweist, ist aus der perspektivischen Ansicht nicht erkennbar. Letztlich kommt es auf diesen Punkt aber ebenfalls nicht entscheidungserheblich an. Denn die Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen sind angesichts der identischen Übernahme so groß, dass die angegriffene Ausführungsform 18 unabhängig von der Gestaltung ihrer Unterseite (Merkmale (5) und (6) und „Zweiergruppen“ des Merkmals (7)) den gleichen Gesamteindruck erweckt wie das Klagemuster 2. Auch die angegriffene Ausführungsform 18 wirkt bereits durch die vollständig übereinstimmende Gestaltung ihrer Oberseite und die rechteckigen Aussparungen am unteren Rand in sich stimmig, symmetrisch und funktional.

f.

Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 18 hat die Beklagte eine Benutzungshandlung begangen und damit die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr begründet. Dass die Beklagte erklärt hat, dass sie die angegriffene Ausführungsform 18 in Deutschland mit der Kennzeichnung „ENLI“ auf den Noppen vertreibe, führt nicht aus der Verletzung des Klagemusters 2 heraus. Die Wiederholungsgefahr wurde auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.

g.

Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in Art. 88 Abs. 3 GGV i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO.

VIII.

Der Klägerin zu 2) steht gegen die Beklagte der mit dem Antrag zu 1.f geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 a) UWG zu.

1.

Die Klägerin zu 2), die für den Vertrieb der Produkte der Lego Creator-Reihe in Deutschland alleinverantwortlich ist, ist zur Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert. Dass die Klägerin zu 2) und die Beklagte, wie die Beklagte vorträgt, gänzlich unterschiedliche Vertriebswege nutzen würden, steht der Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) nicht entgegen. Denn grundsätzlich sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG keine hohen Anforderungen zu stellen (st. BGH-Rspr. vgl. Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 2, Rn. 97). Unerheblich ist insoweit insbesondere, wenn die Beteiligten auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen (z.B. Hersteller/Händler; Hersteller/Handwerker) tätig sind, sofern sie sich – wie hier – im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (st. BGH-Rspr. vgl. Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 2 Rn. 102).

2.

Das Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform 6 stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar.

3.

Zudem liegt eine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3 a) UWG vor. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er dadurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.

Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 15 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 20.09.2018, I ZR 71/17, Rn. 11 – Industrienähmaschinen; BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 13 – Handfugenpistole).

a.

Die Verpackung der Spielzeugsets „Surfermobil“ aus der Lego Creator-Reihe verfügt über wettbewerbliche Eigenart.

aa.

Einem Erzeugnis kommt wettbewerbliche Eigenart zu, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Maßgeblich für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses. Dieser kann auch durch Gestaltungsmerkmale bestimmtoder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 20 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole; BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Rn. 19 – Bodendübel).

Wettbewerbliche Eigenart liegt insbesondere dann vor, wenn sich das Erzeugnis aufgrund besonderer Gestaltungsmerkmale von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, Urt. v. 24.01.2013, I ZR 136/11, Rn. 24 – Regalsystem). Ein Erzeugnis hat hingegen keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole).

Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es nicht darauf an, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Hersteller der Ware namentlich kennen; erforderlich ist aber, dass sie annehmen, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole).

Die wettbewerbliche Eigenart muss sich auch nicht notwendigerweise auf ein bestimmtes Produkt beziehen, sondern kann auch aus den übereinstimmenden Merkmalen verschiedener Exemplare einer Modellreihe hergeleitet werden, solange nicht nur Schutz für einzelne Stilmittel oder eine dem Sonderschutz nicht zugängliche Grundidee begehrt wird, sondern für konkrete Gestaltungsmerkmale, die jeweils allen Modellen der Reihe eigen sind und deren wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 18 – Handfugenpistole; BGH, Urt. v. 11.01.2007, I ZR 198/04, Rn. 27 – Handtaschen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2012, I-20 U 175/11, Rn. 112 – Tablet-PC, zitiert nach juris).

Auf die Neuheit der Gestaltung kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob die zur Gestaltung eines Produktes verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Entscheidend ist vielmehr, ob sie in ihrer Kombination den Produkten ein Gepräge geben, das dem angesprochenen Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten ermöglicht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, I-15 U 74/17, Rn. 60, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2012, I-20 U 175/11, Rn. 111 – Tablet-PC, zitiert nach juris). Eine hohe Bekanntheit im Verkehr ist dabei nicht Voraussetzung; eine hohe Bekanntheit des Erzeugnisses kann aber das Vorliegen wettbewerblicher Eigenart indizieren oder deren Grad steigern (BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, Rn. 37 – LIKEaBIKE; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, I-15 U 74/17, Rn. 61, zitiert nach juris).

Die angesprochenen Verkehrskreise sind hier die Endverbraucher, die Spielzeuge in den angegriffenen Spielzeugverpackungen erwerben, weshalb die Kammermitglieder in der Lage sind, die sich insbesondere aus der Gestaltung ergebenden Herkunftsvorstellungen des Verkehres aus eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen.

bb.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der Spielzeugverpackung „Surfermobil“ aus der Modellreihe Lego Creator wettbewerbliche Eigenart zu.

Die Klägerin zu 2) ist ihrer Darlegungslast nachgekommen. Insoweit muss der Kläger, der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch nimmt, zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und deren Merkmale deutlich erkennen lassen. Im Regelfall wird der Kläger gehalten sein, dem Gericht das Schutz beanspruchende Produkt vorzulegen (BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 22 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Rn. 17 – Handfugenpistole). Die Klägerin zu 2) hat dezidiert zu den prägenden Merkmalen der Spielzeugverpackung vorgetragen und dies mit Abbildungen veranschaulicht.

Maßgeblich für die wettbewerbliche Eigenart der Spielzeugverpackung „Surfermobil“ ist die zweidimensionale Gestaltung der Vorderseite der Verpackung, die die typischen und wiederkehrenden Gestaltungsmerkmale der Verpackungen von Spielwaren der Serie Lego Creator aufweist, wie nachfolgend eingeblendet:

Der Gesamteindruck der Spielzeugverpackung „Surfermobil“ der Lego Creator-Reihe wird geprägt durch folgende Gestaltungsmerkmale, die kennzeichnend für die Lego Creator-Reihe sind:

(1) Mittig im Vordergrund ist ein zusammengebautes Spielzeugmodell aus Klemmbausteinen abgebildet, das deutlich Bausteine mit Noppenmustern und mehrere Minifiguren erkennen lässt.

(2) Das Set wird in zusammengebauter Form in einer typischen Spielsituation gezeigt.

(3) Der Hintergrund ist gezeichnet und farblich sowie thematisch auf das Spielzeugmodell abgestimmt.

(4) In der linken oberen Ecke der eckigen Verpackung ist ein rechteckiges Herstellerlogo mit rotem Hintergrund und weißer Schrift (LEGO) abgebildet.

(5) Im oberen Bereich neben dem Herstellerlogo findet sich zudem die Bezeichnung der Produktreihe „CREATOR“ in auffälligen weißen Großbuchstaben.

(6) Auf der rechten Seite der Verpackung findet sich der Hinweis auf unterschiedliche Bauweisen des Spielsets als „3 in 1“ mit zwei weiteren, kleineren Modellvarianten

(7) Die Seitenflächen der Verpackung sowie der Hinweis „3 in 1“ und die Modellvarianten sind gelb hinterlegt.

Diese Gestaltungsmerkmale geben der Spielzeugverpackung „Surfermobil“ aus der Reihe Lego Creator ein besonderes, charakteristisches Gepräge, das zum Mitspielen einlädt und die Phantasie anregt, wobei durch Farbgebung und Gestaltung der Verpackung zugleich die Zuordnung zum Hersteller und zur Produktreihe erfolgt.

Darauf, ob das Spielzeugset „Surfermobil“ von der Klägerin zu 2) zum Zeitpunkt des Markteintritts der Nachahmung noch in Deutschland angeboten wurde, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da zum einen die wettbewerbliche Eigenart nicht mit der Einstellung des Vertriebs durch die Herstellerin erlischt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2018, 6 U 233/16, Rn. 22 – zitiert nach juris), sondern sich üblicherweise ein Vertrieb von Restposten im Gebrauchtmarkt anschließt und zum anderen die Packung aufgrund ihrer Gestaltung mit den typischen und wiederkehrenden Merkmalen der Lego Creator-Reihe weiterhin ohne weiteres dem Hersteller dieser Serie zugeordnet wird.

cc.

Bei der Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart sind auch keine der genannten Merkmale unberücksichtigt zu lassen, weil sie technisch notwendig wären oder rein beschreibenden Charakter hätten.

Zwar können technisch notwendige Gestaltungsmerkmale – also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Rn. 19 – Bodendübel; BGH, Urt. v. 22.01.2015, I 107/13, Rn.18 f. – Exzenterzähne; BGH, Urt. v. 17.07.2013, I ZR 21/12, Rn. 18 – Einkaufswagen III). Auch ein ehemals patentrechtlich geschütztes Element eines Erzeugnisses kann diesem wettbewerbliche Eigenart verleihen, wenn die konkrete Gestaltung dieses Elements technisch nicht notwendig ist (BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Rn. 20 f. – Bodendübel; BGH, Urt. v. 22.01.2015, I 107/13, Rn. 24 – Exzenterzähne). Schließlich kann auch eine Kombination einzelner technischer Merkmale oder eine Kombination technischer und ästhetischer Merkmale die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, als Herkunftshinweis zu dienen (BGH, Urt. v. 22.01.2015, I 107/13, Rn. 20 – Exzenterzähne).

Im Streitfall ist keines der prägenden Merkmale (rein) technisch bedingt. Auch die Noppen der Klemmbausteine sind nicht rein technisch bedingt. Zwar erfüllen sie auch eine technische Funktion, indem sie gewährleisten, dass die einzelnen Klemmbausteine miteinander verbunden und auch wieder voneinander getrennt werden können. Bei der konkreten Gestaltung der Noppen handelt es sich allerdings – offenkundig – nicht um die einzige Möglichkeit, die gewünschte Klemmfunktion zu gewährleisten. Denkbar wären etwa andere Größen oder Formen der Noppen.

Auch der Schriftzug „Creator“ ist nicht rein beschreibend und deshalb unberücksichtigt zu lassen. Es handelt sich um einen englischen Begriff, der zur Bezeichnung einer in Deutschland vertriebenen Produktreihe dient, wobei zum angesprochenen Verkehrskreis durchaus auch Kinder gehören, die der englischen Sprache (noch) nicht mächtig sind. Darüber hinaus ist auch die Übersetzung des Begriffs Creator (auf Deutsch: Schöpfer, Urheber) nicht rein beschreibend für die entsprechende Produktreihe. Denn durch den Zusammenbau von Klemmbausteinen wird grundsätzlich etwas geschaffen, dieser Begriff grenzt daher nicht schon nach dem Sprachverständnis verschieden geartete Produktreihen von Klemmbausteinsets voneinander ab. Das Besondere an der Creator-Reihe ist die Verbaubarkeit zu verschiedenen Modellen, diese kommt jedenfalls nicht im Begriff Creator, sondern allenfalls in der Bezeichnung „3 in 1“ zum Ausdruck. Auch die konkrete Angabe „3 in 1“ nimmt der Verkehr aber ebenfalls nicht als rein beschreibend wahr. Zwar entnimmt er ihr grundsätzlich den Hinweis auf drei verschiedene Möglichkeiten des Zusammenbaus, allerdings erkennt der Verkehr auch, dass ein solcher Hinweis durchaus anders oder dezenter gestaltet sein könnte. Gerade durch die grafische Hervorhebung der Angabe „3 in 1“ ist auch diese in ihrer Gesamtheit geeignet, zur wettbewerblichen Eigenart beizutragen.

b.

Die angegriffene Ausführungsform 6 stellt eine nahezu identische Leistungsübernahme der Spielzeugverpackung „Surfermobil“ der Lego Creator-Reihe dar.

aa.

Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt (BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Rn. 50 – Ballerinaschuh). Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalproduktes übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen (BGH, Urt. v. 11.01.2018, I ZR 187/16, Rn. 50 – Ballerinaschuh; BGH, Urt. v. 14.09.2017, I ZR 2/16, Rn. 29 – Leuchtballon). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung aus Sicht des informierten und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Rn. 50 – Ballerinaschuh; BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, Rn. 39 – LIKEaBIKE). Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, Rn. 39 – LIKEaBIKE).

Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, Urt. v. 14.09.2017, I ZR 2/16, Rn. 29 – Leuchtballon; BGH, Urt. v. 02.12.2015, I ZR 176/14, Rn. 47 – Herrnhuter Stern).

Hinsichtlich der Intensität der Nachahmung ist zwischen identischen, nahezu identischen und nachschaffenden Nachahmungen zu unterscheiden. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist. Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, Urt. v. 15.04.2010, I ZR 145/08, Rn. 25 – Femur-Teil). Eine lediglich nachschaffende Übernahme ist gegeben, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird, so dass lediglich eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt (BGH, Urt. v. 11.01.2018, I ZR 187/16, Rn. 50 – Ballerinaschuh; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/ Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG, § 4 Rn. 3.37).

bb.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von einer nahezu identischen Leistungsübernahme auszugehen. Denn die Merkmale der Spielzeugverpackung der Klägerin zu 2), die in ihrer Kombination deren wettbewerbliche Eigenart begründen, sind im großen Umfang identisch oder nahezu identisch übernommen. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend eine Gegenüberstellung der Verpackungen eingeblendet:

Lego Creator – Verpackung

angegriffene Ausführungsform 6

So zeigt die angegriffene Ausführungsform 6 gleichfalls ein mittig im Vordergrund zusammengebautes Spielzeugmodell aus Klemmbausteinen, das deutlich Bausteine mit Noppenmustern und – im Fahrzeug sitzend – eine Minifigur erkennen lässt (Merkmal (1)). Das Set wird in zusammengebauter Form in einer typischen Spielsituation gezeigt (Merkmal (2)). Der Hintergrund ist gezeichnet und farblich sowie thematisch auf das Spielzeugmodell abgestimmt (Merkmal (3)). In der linken oberen Ecke der eckigen Verpackung ist ein rechteckiges Herstellerlogo, aus dem allerdings Noppen nach oben herausragen, mit rotem Hintergrund und im Unterschied zur Spielzeugverpackung der Klägerin zu 2) gelb hinterlegter roter Schrift (COGO) abgebildet (Merkmal (4)). Im oberen Bereich neben dem Herstellerlogo findet sich zudem die Bezeichnung Produktreihe CREATOR in auffälligen – im Gegensatz zur Verpackung der Klägerin zu 2) – in einem Farbverlauf hin zu weiß gestalteten Großbuchstaben (Merkmal (5)). Auf der Verpackung findet sich der Hinweis auf unterschiedliche Bauweisen des Spielsets als „3 in 1“ (Merkmal (6)) und unten rechts sind zwei weitere zusammengebaute Spielzeugmodelle zu sehen. Die Seitenflächen der Verpackung sowie der Hinweis „3 in 1“ sind farblich hinterlegt, wobei die Seitenflächen der Verpackung in oranger Farbe gehalten sind und der Hinweis „3 in 1“ gelb/orange auf schwarzem Hintergrund dargestellt ist (Merkmal (7)).

Aus dem durch die Übereinstimmungen in den Einzelmerkmalen und insbesondere in der Grundaufteilung der Gestaltungselemente erzeugten, übereinstimmenden Gesamteindruck führen die im Detail bestehenden Unterschiede nicht heraus. Denn der Verkehr beurteilt die Spielzeugverpackungen aus dem Erinnerungseindruck, so dass der informierte und situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher in der angegriffenen Ausführungsform 6 die Spielzeugverpackung „Surfermobil“ der Creator-Reihe der Klägerin zu 2) wiedererkennt.

c.

Unter Würdigung aller Umstände ist schließlich davon auszugehen, dass aufgrund der Nachahmung zumindest bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verkehrskreise die Gefahr einer vermeidbaren Herkunftstäuschung besteht.

aa.

Die klägerischen Modelle weisen bei dem angesprochenen Verkehr eine gewisse Bekanntheit auf.

Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, I-15 U 74/17, Rn. 61, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 02.12.2015, I ZR 176/14, Rn. 58 – Herrnhuter Stern). Eine Verkehrsgeltung des nachgeahmten Erzeugnisses im Sinne von § 4 Nr. 2 MarkenG ist dafür nicht erforderlich. In zeitlicher Hinsicht ist, was die Bekanntheit anbelangt, der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung und für die Frage der Herkunftstäuschung der Zeitraum bis zur Kaufentscheidung der Abnehmer maßgeblich (BGH, Urt. v. 21.09.2006, I ZR 270/03, Rn. 39 – Stufenleitern). Eine Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass der Verkehr das Unternehmen, dem er die ihm bekannte Leistung zuschreibt, namentlich kennt. Vielmehr genügt die Vorstellung, dass das fragliche Erzeugnis von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen mag, in den Verkehr gebracht wurde (Urt. v. 21.09.2006, I ZR 270/03, Rn. 40 – Stufenleitern).

Die klägerischen Spielzeugverpackungen der Lego Creator-Reihe haben bei dem angesprochenen Verkehr jedenfalls eine gewisse Bekanntheit in diesem Sinne erlangt. Dies wird etwa durch die als Anlage K88 vorgelegte Veröffentlichung belegt. Zudem kennen auch die Kammermitglieder, die Teil des angesprochenen Verkehrskreises sind, die Verpackungen der Lego Creator-Reihe. Die Spielzeugverpackung kann aufgrund ihrer Merkmale der bekannten Lego Creator-Reihe vom Verkehr ohne weiteres zugeordnet werden.

bb.

Es liegt eine Herkunftstäuschung bei einem nicht unerheblichen Teil der Verkehrskreise vor.

Eine solche ist gegeben, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG, § 4 Rn. 3.42). Für die Annahme einer Herkunftstäuschung ist es nicht erforderlich, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Insofern kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (BGH, Urt. v. 02.12.2015, I ZR 176/14, Rn. 47 – Herrnhuter Stern). Ähnlichkeiten in Merkmalen, denen der Verkehr keine herkunftshinweisende Bedeutung beimisst, genügen nicht, ebensowenig Ähnlichkeiten, die allein oder zusammen mit anderen allenfalls Erinnerungen oder Assoziationen an das Produkt, für das wettbewerbsrechtlicher Schutz begehrt wird, wachrufen können, aber nicht hinreichend geeignet sind, über die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen zu täuschen (BGH, Urt. v. 28.10.2004, I ZR 326/01, Rn. 40 – Puppenausstattungen).

Die Ähnlichkeiten, die hier vorliegen, wecken aufgrund der starken Übereinstimmungen bei dem angesprochenen Verkehr nicht bloße Assoziationen an die klägerische Spielzeugverpackung „Surfermobil“ der Lego Creator-Reihe. Auch diejenigen Mitglieder des Verkehrs, die das „Surfermobil“ nicht kennen, ordnen die angegriffenen Ausführungsform 6 aufgrund der Übernahme der typischen, wiederkehrenden Merkmale der Verpackung der Lego Creator-Reihe und mithin demselben Unternehmen zu. Da die oben näher dargelegten, übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen, besteht zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil der Verkehrskreise die Gefahr einer unmittelbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft.

cc.

Der Annahme einer Herkunftstäuschung im Zeitpunkt der Kaufentscheidung steht auch die Kennzeichnung der Produkte mit der Kennzeichnung „COGO“ nicht entgegen.

Eine Herkunftstäuschung kann durch eine deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung der Nachahmung ausgeräumt werden, wenn die angesprochenen Verkehrskreise diese einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnen, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren (BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 52 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Rn. 61 – Bodendübel).

Ob eine Kennzeichnung ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, wie die Bezeichnung von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.03.2016, I-15 U 51/14, Rn. 150; BGH, Urt. v. 19.10.2000, I ZR 225/98, Rn. 33 – Viennetta). Sofern sich die maßgeblichen Verkehrskreise bei ihrer Kaufentscheidung üblicherweise an der Kennzeichnung orientieren, reicht ein deutlicher Hinweis auf die (abweichende) Herkunft des nachgeahmten Produkts aus. Ob dies der Fall ist, ist aus der Perspektive des angemessen aufmerksamen und informierten durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen. Je eher im betreffenden Warensegment starke und bekannte Marken bestehen, an denen Abnehmer sich orientieren, je eher das Produkt erst nach eingehender Prüfung und Überlegung gekauft wird und je stärker dem Abnehmer bewusst ist, dass mehrere ähnlich gestaltete Erzeugnisse miteinander konkurrieren, desto eher genügt eine deutliche Kennzeichnung, um die Herkunftstäuschung auszuräumen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.03.2016, I-15 U 51/14, Rn. 146, zitiert nach juris). Allerdings ist bei der Eignung zur Unterscheidung maßgebend, ob der Verkehr eher auf die technischkonstruktiven Merkmale oder die äußere Gestaltung als auf die Kennzeichnung achtet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, I-15 U 74/17, Rn. 110, zitiert nach juris).

Der angesprochene Verkehr orientiert sich beim Kauf von Spielzeugsets aus Klemmbausteinen regelmäßig vor allem an der Gestaltung der Verpackung, der er den Inhalt des Sets entnimmt. Auch ist die Verpackungsgestaltung geeignet, beim angesprochenen Verkehr Assoziationen an etwa bereits zuvor erworbene Sets zu wecken. Zwar zeigt die angegriffene Ausführungsform 6 die Kennzeichnung „COGO“, die der Verkehr nicht, auch nicht mittelbar, dem Hersteller „LEGO“ zuordnen wird. Allerdings weist die angegriffene Ausführungsform 6 so viele Gemeinsamkeiten mit der Verpackung der Lego Creator-Reihe auf, dass jedenfalls ein Teil des angesprochenen Verkehrs, nämlich u.a. Kinder, sich auf die bildliche Darstellung des Inhalts fokussieren wird und das Herstellerlogo vor allem als rot hinterlegte Kennzeichnung in der oberen Ecke der Verpackung erfasst, ohne den dortigen Schriftzug genau zu lesen und zu hinterfragen, ob die Verpackung / das darin enthaltene Produkt tatsächlich von dem Hersteller stammen, von denen die ihm bereits bekannten nahezu identisch gestalteten Verpackungen samt Inhalt stammen. Schon dies begründet die Gefahr der Herkunftsverwechslung eines erheblichen Teils der Mitglieder des angesprochenen Verkehrskreises.

dd.

Die Herkunftstäuschung ist auch vermeidbar.

Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalprodukts an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen. Allerdings liegt regelmäßig kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine (fast) identische Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale vor, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (BGH, Urt. v. 02.12.2015, I ZR 176/14, Rn. 68 – Herrnhuter Stern).

So ist auch im Streitfall unter Berücksichtigung der vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten von Spielzeugverpackungen keine Notwendigkeit ersichtlich, die Merkmale, die den Gesamteindruck der klägerischen Spielzeugverpackungen der Lego Creator-Reihe prägen, umfangreich zu übernehmen. Der Beklagten war es vielmehr zumutbar, Spielzeugsets in Verpackungen anzubieten, die nicht dieselbe Kombination von Gestaltungsmerkmalen aufweisen wie die Verpackungen der Lego Creator-Reihe der Klägerin zu 2).

d.

Die angegriffenen Modelle wurden auch in Kenntnis der klägerischen Modellserie, die als Vorbild diente, hergestellt. Diese Kenntnis wird aufgrund der tatsächlichen Übereinstimmungen der sich gegenüberstehenden Modelle widerleglich vermutet (BGH, Urt. v. 06.11.1997, I ZR 102/95, Rn. 39 – Trachtenjanker). Dass eine selbständige Schöpfung und keine Nachahmung vorliegt, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, UWG, § 4 Rn. 3.78) schon nicht behauptet.

e.

Wollte man eine Herkunftstäuschung aufgrund der Kennzeichnung für ausgeschlossen halten, so ergibt sich jedenfalls aus der starken Produktübereinstimmung eine Ausnutzung der Wertschätzung der Lego Creator-Reihe gemäß § 4 Nr. 3b UWG. Die Beklagte macht sich durch das Anbieten des nahezu identischen Spielzeugsets das Image der Klägerin zu 2) zu eigen, das durch die lange Tradition der Marke „Lego“, die hochwerte Qualität der Produkte und die Anpassung der Produkte an aktuelle Trends bestimmt ist. Unabhängig von einer vermeidbaren Täuschung über die Herkunft des von ihr angebotenen Spielzeugsets nutzt die Beklagten somit das Image der Klägerin zu 2) und ihrer Produkte im Allgemeinen, sowie die besondere Bekanntheit der Produkte aus der Lego Creator-Reihe der Klägerin zu 2) aus, weil die interessierten Verkehrskreise die besondere Gestaltung der Spielzeugverpackung mit den Spielzeugen der Lego Creator-Reihe assoziieren (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.09.2021, I-20 U 73/21, Rn. 104, zitiert nach juris).

4.

Da die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, liegt auch die erforderliche Wiederholungsgefahr vor.

5.

Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

IX.

Der Klägerin zu 1) stehen schließlich die gegen die Beklagte mit dem Antrag zu 1.g geltend gemachten Unterlassungsansprüche bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 zu. Die Ansprüche folgen wiederum aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG.

1.

Die Klägerin zu 1) ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte im Sinne von § 31 Abs. 3 UrhG an der BrickHeadz-Figur aktivlegitimiert. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu 1), nach dem die Urheberrechte bei der Lego System A/S entstanden sind und von dort wirksam auf die Klägerin zu 1) übertragen worden sind, in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt. Die Klägerin zu 1) ist demnach durch Übertragung von der Lego System A/S, die nach Schaffung der BrickHeadz-Figur durch ihre Arbeitnehmer zunächst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte geworden war, selbst Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der BrickHeadz-Figur geworden.

2.

Die BrickHeadz-Figur genießt Urheberrechtsschutz. Sie stellt unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben ein Werk der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar, das insbesondere die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Gestaltungshöhe aufweist.

a.

Bezüglich der Voraussetzungen eines schutzfähigen Werkes wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Lego Minifigur verwiesen, die auch hier gelten.

b.

Die BrickHeadz-Figur, die zur Veranschaulichung nachfolgend nochmals eingeblendet wird, weist folgende Gestaltungsmerkmale auf:

(1) Aus Klemmbausteinen zusammensetzbare Figur mit

(2) einem deutlich überdimensionierten, quadratischen Kopf, der gegenüber dem Rumpf leicht nach vorne übersteht,

(3) aufgesetzten, runden, schwarzen Augen mit gegenüber der Augenmitte versetzten, quadratischen weißen Flecken,

(4) einem gegenüber dem Kopf deutlich unterdimensionierten, ebenfalls quadratischen Rumpf, der die gleiche Breite aufweist wie der Kopf,

(5) unnatürlich kleinen, kurzen Armen und

(6) unnatürlich kurzen, im Querschnitt rechteckigen Beinen.

Der Gesamteindruck der BrickHeadz-Figur wird durch alle vorgenannten Gestaltungsmerkmale geprägt, wobei den Merkmalen (2) bis (4) insoweit besonderes Gewicht zukommt. Die BrickHeadz-Figur erzeugt den Eindruck einer kantigen, blockartigen und stark verfremdeten menschlichen Comicfigur, die durch ihre Proportionen niedlich wirkt. Keines der vorgenannten Merkmale, die die BrickHeadz – Figur in besonderem Maße prägen, ist durch technische Erwägungen, Regeln, Anforderungen oder sonstige Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum lassen oder diese einschränken würden. Zwingend zu erfüllen ist allein die Vorgabe, dass die Spielfigur aus Teilen besteht, die sie als – wenn auch verfremdete – menschliche Figur erkennbar machen. Die Spielfigur muss also Kopf, Körper und Extremitäten aufweisen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Elemente im Einzelnen sowie die Proportionen der Körperteile zueinander unterliegen keinerlei technischen oder sonstigen Zwängen. Nach Auffassung der Kammer stellt die Kompatibilität mit dem Lego-Rastermaß, die zur Aufnoppbarkeit auf Klemmbausteine im entsprechenden Rastermaß führt, schon im Ausgangspunkt keine technische Vorgabe für die Ausgestaltung einer Spielzeugfigur dar. Soweit die Beklagte ausgeführt hatte, dass BrickHeadz-Figuren unter Berücksichtigung des Rastermaßes, der Teilezahl, der Stabilität des Modells und des dem jeweiligen Modell zugrundeliegenden Originals zwangsläufig ihr Aussehen erhielten, verfängt dies nicht. Denn jedenfalls bei der Kombination dieser von der Beklagten formulierten Punkte handelt es sich keinesfalls um technische Vorgaben für (aus Klemmbausteinen zusammenbaubare) Spielzeugfiguren oder entsprechende Spielzeugsets.

c.

Mit der Kombination der vorgenannten Merkmale setzt sich die BrickHeadz-Figur von den vorbekannten Gestaltungen deutlich ab. Auch die Beklagte hat keine älteren Figuren vorzulegen vermocht, der die Gestaltung der BrickHeadz-Figur zeigen oder nahelegen würde. Die Beklagte argumentiert im Wesentlichen, der sog. „Super-Deformed“-Stil, bei dem Figuren mit überdimensional großem Kopf, verschwindend kleinem Körper und am Kopf ansetzenden Armen dargestellt würden, sei weit verbreitet und verweist auf die nachfolgend eingeblendeten Beispiele:

Diese Figuren sind allesamt weit von der BrickHeadz-Figur beabstandet. Unabhängig davon, dass es sich nicht um Spielzeugfiguren, sondern um animierte Darstellungen handelt, erzeugt keine der Figuren einen kantigen, blockartigen Eindruck.

Weiter führt die Beklagte die vorbekannte Spongebob-Figur an:

Die Spongebob-Figur bzw. deren Animation, auf die die Beklagte sich beruft, ist zwar wie die BrickHeadz-Figur im Wesentlichen quaderförmig. Sie hat jedoch keinen vom Kopf abgrenzbaren Rumpf. Durch ihren größtenteils gewellten Umriss wirkt sie auch nicht kantig oder blockartig. Schließlich ist die Figur keine comicartig verfremdete Darstellung eines Menschen. Vielmehr handelt es sich, wie auch der Name zum Ausdruck bringt, um einen Schwamm, dessen einheitliche Grundform im Wesentlichen beibehalten bleibt, der allerdings durch Hinzufügen von Gesicht, Kleidung, Armen und Beinen vermenschlicht wird.

d.

Dies berücksichtigend weist die BrickHeadz-Figur sowohl die erforderliche Individualität als auch die notwendige Gestaltungshöhe auf. Ihre Originalität bzw. Individualität liegt darin begründet, dass sie eine andere Formensprache als die vorbekannten Gestaltungen spricht. Sie zeigt eine kantige, blockartige und stark verfremdete menschliche Comicfigur mit sehr markanten Proportionen. Zudem erreicht die BrickHeadz-Figur eine erhebliche Gestaltungshöhe. Dem Schöpfer von Spielfiguren steht im Ausgangspunkt ein großer Gestaltungsspielraum zur Verfügung, wie er auch durch die gänzlich anderen Gestaltungen von Lego Minifigur und Lego Friends Figur bestätigt wird. Diesen Gestaltungsspielraum haben die Schöpfer der BrickHeadz-Figur genutzt und ihr durch Kombination der vorgenannten Merkmale ein Gepräge verliehen, das sich aus der Masse der damals erhältlichen Spielfiguren deutlich abhebt. Die BrickHeadz-Figur erreicht dabei einen ästhetischen Gehalt, der die Individualität der Schöpfer sowie deren Persönlichkeit widerspiegelt, so dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann.

3.

Die Beklagte verletzt die Klägerin zu 1) in dem dieser gemäß § 17 UrhG zustehenden Verbreitungsrecht an der BrickHeadz- Figur, indem sie Klemmbausteinsets zum Aufbau der angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 anbietet, bewirbt und in den Verkehr bringt.

a.

Das Verbreitungsrecht umfasst gemäß § 17 Abs. 1 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Insoweit reicht bereits das Angebot im Onlineshop der Beklagten aus.

b.

Die angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 greifen jeweils in unzulässiger Weise in den Schutzbereich der urheberrechtlich geschützten BrickHeadz-Figur ein.

aa.

Der Einwand der Beklagten, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 nicht in zusammengebauter Form anbiete und vertreibe, verfängt auch hier nicht. Denn die Klemmbausteinsets, die die Beklagte zum Aufbau der angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 bewirbt und vertreibt, sind dazu bestimmt, vom Erwerber entsprechend der beiliegenden Aufbauanleitungen in die Form der jeweiligen angegriffenen Ausführungsform gebracht zu werden, was sich auch aus der Verpackungsgestaltung, auf der Grafiken entsprechend zusammengebauter Figuren aufgedruckt sind, ergibt.

bb.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 handelt es sich jeweils um Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Werkes Brick Headz-Figur, die gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen. Ein neues Werk, das einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk einhält, § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG, liegt nicht vor.

In Anwendung der bereits im Zusammenhang mit der Lego Minifigur dargestellten Grundsätze zur Abgrenzung zwischen abhängiger Benutzung innerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks und freier Benutzung außerhalb des Schutzbereichs des älteren Werks stellen die angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 (unfreie) Bearbeitungen oder Umgestaltungen der BrickHeadz-Figur dar.

Zum einen erzeugen sie den gleichen Gesamteindruck wie die BrickHeadz-Figur. Denn auch die angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 wirken wie eine kantige, blockartige und stark verfremdete menschliche Comicfigur, die durch ihre Proportionen niedlich ist. Dabei übernehmen alle drei angegriffenen Ausführungsformen in großem Umfang Gestaltungen, die den Urheberrechtsschutz der BrickHeadz-Figur begründen:

Alle drei angegriffenen Ausführungsformen übernehmen den deutlich überdimensionierten quadratischen Kopf, der gegenüber dem Rumpf leicht nach vorne übersteht, die schwarzen Augen mit gegenüber der Augenmitte versetzten quadratischen weißen Flecken, den gegenüber dem Kopf deutlich unterdimensionierten, ebenfalls quadratischen Rumpf, der die gleiche Breite wie der Kopf aufweist, sowie die unnatürlich kurzen Arme und Beine. Sie stehen der BrickHeadz-Figur in der Front-Ansicht wie folgt gegenüber:

BrickHeadz – Figur

angegriffene Ausführungsform 19

angegriffene Ausführungsform 20

angegriffene Ausführungsform 21

Durch Übernahme der vorgenannten Merkmale erhalten alle drei angegriffenen Ausführungsformen das gleiche Gepräge wie die BrickHeadz-Figur. Die Unterschiede, die die angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 gegenüber der BrickHeadz-Figur aufweisen, etwa bezüglich der Augen, die nicht aufgesetzt und quadratisch sind, oder bezüglich der Beine, zwischen denen bei den angegriffenen Ausführungsformen kein Abstand besteht, haben nicht zur Folge, dass eine oder mehrere der angegriffenen Ausführungsformen 19 bis 21 als neues Werk einzuordnen wären, in dem die Charakteristik der BrickHeadz-Figur verblassen würde.

cc.

Auch der weitere Einwand der Beklagten, die übernommenen Gestaltungsmerkmale seien technisch bedingt, da sich das Aussehen der BrickHeadz unter Berücksichtigung des Rastermaßes, der Teilezahl, der Stabilität des Modells und des dem jeweiligen Modell zugrundeliegenden Originals zwangsläufig ergebe, greift nicht durch. Denn insoweit handelt es sich keinesfalls um allgemeine technische Vorgaben für (aus Klemmbausteinen zusammenbaubare) Spielzeugfiguren oder für den Zusammenbau von Spielzeugfiguren vorgesehene Spielzeugsets.

c.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die bereits begangenen Verletzungshandlungen begründet. Die Beklagte hat die Wiederholungsgefahr auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.

d.

Die Ordnungsmittelandrohung findet ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.

X.

Den Klägerinnen stehen auch die geltend gemachten Folgeansprüche – mit Ausnahme eines Teils der von der Klägerin zu 2) begehrten Auskunft – gegen die Beklagte zu.

1.

Der Vernichtungsanspruch der Klägerin zu 1) ergibt sich bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 16 (Anträge zu 1.a, 1.b, 1.c und 1.d) sowie 19 bis 21 (Antrag zu 1.g) aus § 98 Abs. 1 UrhG. Danach hat der Verletzte einen Anspruch auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke gegen den Verletzer. Diese Voraussetzungen sind – wie sich jeweils bereits aus der Prüfung des Unterlassungsanspruchs ergibt – vorliegend erfüllt.

2.

Im Hinblick auf die angegriffenen Ausführungsformen 17 und 18 (Antrag zu 1.e) folgt der Vernichtungsanspruch aus Art. 89 Abs. 1 d) GGV i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 DesignG.

3.

Der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 16 (Anträge zu 1.a, 1.b, 1.c und 1.d) sowie 19 bis 21 (Antrag zu 1.g) beruht auf § 101 Abs. 1 UrhG. Die Rechtsverletzungen der Beklagten erfolgten auch in gewerblichem Ausmaß, so dass der Anspruch begründet ist.

4.

Bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 17 und 18 (Antrag zu 1.e) steht der Klägerin zu 1) der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg aus Art. 19 Abs. 1, 88 Abs. 2 GGV i.V.m. § 46 Abs. 1 DesignG zu.

5.

Im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 6 steht auch der Klägerin zu 2) ein Anspruch auf die tenorierte Auskunft zu. Der Anspruch folgt aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin zu 2) ist auf die Auskünfte angewiesen, um ihre Schadensersatzansprüche ermitteln und weitere Verletzungen verhindern zu können. Soweit die Klägerin zu 2) darüber hinaus Auskunft über die Hersteller begehrt, war die Klage abzuweisen, da die Unterlassung der Herstellung einer Nachahmung nach dem UWG nicht verlangt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2015, I ZR 176/14, Rn. 75 – Herrnhuter Stern).

6.

Schließlich stehen beiden Klägerinnen gegen die Beklagte die Schadensersatzansprüche zu, deren Feststellung sie mit dem Antrag zu 4. begehren.

a.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 1) bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 16 (Anträge zu 1.a, 1.b, 1.c und 1.d) sowie 19 bis 21 (Antrag zu 1.g) beruht auf § 97 Abs. 2 UrhG, ihr Schadensersatzanspruch hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen 17 und 18 folgt aus Art. 19 Abs. 1, 88 Abs. 2 GGV i.V.m. § 42 Abs. 2 DesignG. Das insoweit jeweils erforderliche Verschulden ist gegeben. Denn die Beklagte hätte die Rechtsverstöße bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt jeweils erkennen können, § 276 BGB, so dass sie jedenfalls fahrlässig handelte.

b.

Der auf die angegriffene Ausführungsform 6 gerichtete Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 2) beruht auf §§ 9, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 a) UWG. Wiederum handelte die Beklagte fahrlässig, da sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Rechtsverletzung hätte erkennen können, § 276 BGB.

XI.

Schließlich liegt auch keine unzulässige Rechtsausübung, die als Verstoß gegen Treu und Glauben von Amts wegen zu berücksichtigen wäre (Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Aufl. 2021, § 242, Rn. 21), vor, und zwar weder nach § 242 BGB noch im Sinne von § 226 BGB, den die Beklagte ausdrücklich anführt. Aus Sicht der Kammer ist hier vorrangig § 242 BGB zu prüfen, da die insoweit erforderliche Sonderrechtsbeziehung zwischen den Parteien besteht, die etwa bereits in der durch einen Wettbewerbsverstoß entstandenen Rechtsbeziehung liegen kann (Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Auf. 2021, § 242 Rn. 5).

Auch auf Grundlage des Beklagtenvortrages ist die Rechtsausübung der Klägerinnen nicht treuwidrig und unzulässig. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Klägerinnen in unzulässiger Weise versuchen würden, ein Spielprinzip zu monopolisieren. Auch wenn die Klägerinnen im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Ansprüche genannt haben, so war in jeder Lage des Verfahrens erkennbar, welche Klägerin welchen Anspruch auf welcher Grundlage geltend macht. Dass im vorliegenden Verfahren ursprünglich weitere von der Beklagten angebotene Figuren bzw. Verpackungen angegriffen worden sind, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Klägerinnen haben nicht nur die entsprechenden Anträge auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Unternehmensgruppe der Klägerinnen hatte auch bereits im Frühjahr 2021 die meisten der zollseitig angehaltenen Spielzeugsets ohne Anerkennung einer Rechtspflicht freigegeben (vgl. Schreiben vom 08.03.2021, Anlage K54, in dem der Beklagten die Bereitschaft zur Freigabe signalisiert wird).

Vor diesem Hintergrund erschließt sich der Einwand der Beklagten, die Klägerinnen versuchten, kleinere Unternehmen wie sie dadurch vom Markt zu drängen, dass sie nach Zollbeschlagnahmen nicht im Wege der einstweiligen Verfügung, sondern im Klagewege vorgingen, um die Zollbeschlagnahme und die Klärung der Rechtslage möglichst lang hinauszuzögern, nicht. Denn die meisten Waren wurden – unabhängig vom Lauf des Hauptsacheverfahrens – bereits freigegeben. Die Beschlagnahme ist lediglich bezüglich solcher Spielzeugsets aufrechterhalten worden, die Figuren in der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform 2 enthielten. Insoweit liegt allerdings eine Entscheidung des EUIPO vor (Anlage K58), die aufgrund seiner Übereinstimmung mit der Lego Minifigur die Löschung eines der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform 2 entsprechenden Gemeinschaftsgeschmacksmusters angeordnet hat.

In der Gesamtschau ist letztlich nicht erkennbar, dass die Klägerinnen ihr Recht, die Rechtslage in einem Hauptsacheverfahren und nicht nur in einem summarischen Verfahren prüfen zu lassen, missbräuchlich ausgeübt hätten. Dies gilt umso mehr, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens eine Vielzahl von Rechtsfragen ist, deren abschließende Klärung in einem summarischen Eilverfahren kaum möglich wäre.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 269 Abs. 3, 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2, 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2 ZPO.

D.

Streitwert:

bis zum 02.02.2022:

579.375,00 EUR (davon entfallen 450.000,00 EUR auf die Klägerin zu 1) und 129.375,00 EUR auf die Klägerin zu 2))

bis zum 13.09.2022:

539.375,00 EUR (davon entfallen 410.000,00 EUR auf die Klägerin zu 1) und 129.375,00 EUR auf die Klägerin zu 2))

ab dem 13.09.2022:

529.375,00 EUR (davon entfallen 520.000,00 EUR auf die Klägerin zu 1) und 9.375,00 EUR auf die Klägerin zu 2))

Soweit die Klägerin zu 1) ihre Ansprüche bezüglich der Lego Friends Figuren zunächst vorrangig auf Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht und nur hilfsweise auf Urheberrecht gestützt hat und dies während des Rechtsstreits dahingehend verändert hat, dass sie nunmehr vorrangig Urheberrecht geltend macht, schließt sich die Kammer der Auffassung an, dass die darin liegende Klageänderung – soweit der Klageantrag gleich bleibt – keine Auswirkungen auf den Streitwert hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2010, I-24 W 9/10, zitiert nach juris). Dasselbe gilt für den Parteiwechsel mit Blick auf die Lego BrickHeadz. Auch ein Parteiwechsel ist eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 263, Rn. 9, 23). Mehrkosten sind im Streitfall nicht entstanden. Die Kosten der Beklagten hat die ausscheidende Klägerin nicht zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2014, X ZR 35/11, Rn. 122).

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de, nämlich hier.

I