LG Essen: Hand-Desinfektionsmittel darf nicht als „natürlich“ oder „hautpflegend“ bezeichnet werden

veröffentlicht am 5. Juli 2022

LG Essen, Urteil vom 19.05.2022, Az. 43 O 51/21
§ 3 UWG, 3a UWG, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO

Das LG Essen hat entschieden, dass für ein Hand-Desinfektionsmittel („hand sanitizer“) nicht mit den Aussagen geworben werden darf, es sei „natürlich“ oder „hautpflegend“ oder enthalte „99,6% natürliche inhaltsstoffe““.Bei Hand-Desinfektionsmitteln handele es sich um Biozide. Gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dürfe die Werbung für ein Biozidprodukt aber auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten. Die in der Werbung der Beklagten enthaltenen Angaben stellten indes „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dar. Sie relativierten in unlauterer Weise die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Essen

Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

1.) für einen „hand sanitizer“ mit den folgenden Aussagen zu werben:

a)   ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer“ und/oder

b)   ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe“ und/oder

c)   ,,… und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl.“ und/oder

d)   ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird“ und/oder

e)   ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege.“ und/oder

f)  ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung“ und/oder

g)   ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin“ und/oder

h)   ,,feuchtigkeitsspendend“ und/oder

i)  ,,vegane formulierung“ und/oder

j)  ,,pflegend“ und/oder

2.) für einen „hand sanitizer“ ohne einen Biozid-Warnhinweis gem. Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu werben

und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben:

– Bilddarstellungen wurden entfernt –

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.08.2021 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

1Tatbestand:

2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einzelner werblicher Maßnahmen im Internet in Anspruch.

3Der Kläger bekämpft nach seinen satzungsgemäßen Aufgaben unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte stellt sanitäre Hygieneartikel und weitere Kosmetikartikel her und vertreibt diese.

4Im Rahmen eines Internetauftritts unter der Web-Adresse „www.….de“ bewarb die Beklagte unter der Rubrik „hand sanitizer“ das Produkt „I – wirkt gegen viren und bakterien, pflegt die haut und spendet feuchtigkeit. 99,6 % natürliche inhaltsstoffe. mit 70 % bioethanol. (6+45 ml)“ für einen Kaufpreis in Höhe von 29,90 EUR. Wegen der Ausgestaltung des Internetauftritts und der Werbung im Einzelnen wird auf die im Rahmen des Klageantrags zu 1. diesem Urteil beigefügten Screenshots verwiesen.

5Mit Schreiben vom 21.05.2021 (Anlage 2 zur Klageschrift, BI. 20 ff. d.A.) mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

6″… sind wir auf Ihren Internetauftritt www…..de und die dort beworbenen Produkte aus der Reihe „hand sanitizer“ aufmerksam geworden. Ausweislich der Produktbeschreibung wirken diese gegen Viren und Bakterien. Es handelt sich damit um Biozide …

7Bereits gleich zu Anfang unter der eine Melone haltenden Hand bezeichnen Sie das Produkt als „natürlicher, hautpflegender hand sanitizer.“ … Ähnliches gilt für den Hinweis auf „99,7 % natürliche Inhaltsstoffe“ …… Ebenso ist im Fließtext davon die Rede,,… und pflegt zugleich die Hände (e-test: sehr gut).“ Wiederum ist davon die Rede, das Produkt enthalte „natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin …“ Darüber hinaus forderte der Kläger die Beklagte auf, einen Betrag in Höhe von 374,00 € brutto als Anwendungsersatz für die Rechtsverfolgung zu zahlen.

8Mit Schreiben vom 02.06.2021 (Anlage 3 zur Klageschrift, BI. 26 d.A.) bat die Beklagte um Verlängerung der Stellungnahmefrist zu der Abmahnung. Mit Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage 4 zur Klageschrift, BI. 27 f. d.A.) wies sie die Abmahnung als unberechtigt zurück. Sodann stellte der Kläger mit Schreiben vom 21.06.2021 (Anlage 5 zur Klageschrift, BI. 32 f. d.A.) klar, dass er Wettbewerbsverstöße auf der Internetseite www…..de der Beklagten moniere und diese versehentlich als www…..de bezeichnet worden sei.

9Die Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.

10Der Kläger behauptet, er sei Mitte Mai 2021 auf den Internetauftritt der Beklagten aufmerksam geworden. Bei dem von der Beklagten beworbenen Produkt handele es sich um ein Biozidprodukt. Es ist der Ansicht, die Werbung sei wettbewerbswidrig, da sie gegen Art. 72 Abs. 1 und Abs. 3 Biozid-VO verstoße.

11Der Kläger beantragt (BI. 3 f. d.A.),

12I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

131.) für einen „hand sanitizer“ mit den folgenden Aussagen zu werben:

14

15a)   ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer“ und/oder

16b)   ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe“ und/oder

17c)   ,,… und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl.“ und/oder

18d)   ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird“ und/oder

19e)   ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege.“ und/oder

20f)  ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung“ und/oder

21g)   ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin“ und/oder

22h)  ,,feuchtigkeitsspendend“ und/oder

23i)  ,,vegane formulierung“ und/oder

24j)  ,,pflegend“ und/oder

252.) für einen „hand sanitizer“ ohne einen Biozid-Warnhinweis gem. Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu werben

26und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben:

27- Bilddarstellungen wurden entfernt –

28II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (23.08.2021, BI. 41) zu zahlen.

29Die Beklagte beantragt,

30die Klage abzuweisen.

31Widerklagend beantragt die Beklagte (Bl. 48 d.A.),

32die Klägerin zu verurteilen, an sie 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.09.2021, BI. 125 d.A.) zu zahlen.

33Die Klägerin beantragt,

34die Widerklage abzuweisen.

35Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers unzulässig. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da ihr kein Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG vorzuwerfen sei. Die Beklagte behauptet, bei dem in Rede stehenden Produkt handele es sich um ein kosmetisches Mittel und nicht um ein Handdesinfektionsmittel. Da es kein Biozidprodukt darstelle, verstoße die Werbung nicht gegen Art. 72 der Biozid-VO. Hilfsweise handele es sich um ein dual-use Kosmetik-Biozid. Schließlich meint die Beklagte, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Abmahnung aus § 13 Abs. 3 UWG zu, da die Abmahnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche und deshalb unberechtigt sei.

36Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist am 24.03.2022 der Internetauftritt der Beklagten in Augenschein genommen worden. Dieser ist nunmehr abweichend von dem vorliegend zu beurteilenden Auftritt gestaltet.

37Entscheidungsgründe:

38I.

39Die Klage ist zulässig.

40Ein von Seiten der Beklagten vorgetragenes rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat ein überwiegendes Gewinnerzielungsinteresse des Klägers ins Blaue hinein behauptet. Der Kläger hat demgegenüber substantiiert vorgetragen, dass er im Rahmen seiner Abmahntätigkeit nicht kostendeckend arbeitet.

41II.

42Die Klage ist auch begründet.

431.

44Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung für das Produkt „I1“ wie in dem Klageantrag zu 1. wiedergegeben aus § 8 Abs. 1 UWG.

45a.

Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigt.
46b.

47Unlautere geschäftlichen Handlungen sind unzulässig, § 3 Abs. 1 UWG. Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, § 3a UWG.

48C.

Die hier in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 und 3 VO (EU) 528/2012 [Biozid-VO] und stellt insofern einen Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG dar.
49aa.

50Bei dem Produkt „I1“ handelt es sich um ein „Biozidprodukt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 S. 1 lit. a Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist ein „Biozidprodukt“ jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Eine behandelte Ware mit einer primären Biozidfunktion gilt als Biozidprodukt, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO. Gem. Art. 2 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO i.V.m. Anhang V unterfallen Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene zum Zwecke der Hautdesinfektion verwendet werden, der genannten Verordnung. Das Produkt der Beklagten besteht nach den werblichen Aussagen zu 70 % aus Bioethanol und beseitigt behüllte Viren wie das Coronavirus  (gem. EN 14476) sowie Bakterien (gem. EN 1040, EN 1276 und EN 1500). Es stellt mithin ein aus mehreren Wirkstoffen bestehendes Gemisch dar, welches dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch physikalische oder mechanische Einwirkung auf menschlichen Händen Schadorganismen zu zerstören bzw. unschädlich zu machen.

51Demgegenüber stellt das Handprodukt der Beklagten kein kosmetisches Mittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. a) VO (EG) 1223/2009 [Kosmetik-VO] dar. Nach der genannten Vorschrift sind „kosmetische Mittel“, Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, …) … in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.

52Der ausschließliche und überwiegende Zweck des Produkts der Beklagten besteht nicht darin, die menschliche Haut an den Händen zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen oder sie in gutem Zustand zu halten. Der „hand sanitizer“ (engl. Handdesinfetionsmittel/Händedesinfektinsmittel) enthält nach den werblichen Aussagen den „Hauptinhaltsstoff‘ Bioethanol, welcher in seiner Wirkung die Viren und Bakterien beseitigt. Diese desinfizierende Wirkung geht über eine bloße Reinigung der Hände (etwa mit Seife), über eine Parfümierung, einen Schutz oder eine Pflege der Hände hinaus. Der überwiegende Zweck des Produkts ist insoweit kein kosmetischer. Die Ausnahme des Art. 72 Abs. 2 S. 1 lit. j) Biozid-VO ist deshalb nicht einschlägig.

53Das Produkt ist nach dem Vorstehenden auch nicht als dual-use Produkt zu klassifizieren, sondern als reines Biozidprodukt.

54bb.

55Die in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 S. 1 Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist jeder Werbung für Biozidprodukte folgender Hinweis hinzuzufügen: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen.“ Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein, Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid.-VO. Einen solchen Hinweis enthält die Werbung der Beklagten nicht.

56cc.

Darüber hinaus verstößt die Werbung gegen Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO. Die Vorschrift bestimmt, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO.
57Die in der Werbung der Beklagten enthaltenen Angaben

58-  „natürlicher, hautpflegender hand sanitizer“

59-  ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe“

60-  ,,… und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl.“

61-  ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird“

62-  ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege.“

63-  ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung“

64-  ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin“

65-  ,,feuchtigkeitsspendend“

66-  ,,vegane formulierung“

67-  ,,pflegend“

68stellen „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dar. Sie relativieren die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt.

d.
69Der Anspruch ist nicht gem. § 11 UWG verjährt. Nach der genannten Vorschrift verjährt der Anspruch in sechs Monaten, die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 11 Abs. 1 und 2 UWG. Vorliegend hat der Kläger nach seinem Vortrag Mitte Mai 2021 von dem Internetauftritt der Beklagten Kenntnis erlangt, das erste Abmahnschreiben datiert vom 21.05.2021. Die Klage ist bereits am 23.08.2021 in unverjährter Zeit zugestellt worden. Die Beklagte, welche für einen früheren Verjährungsbeginn bzw. die diesem zugrunde liegenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet ist, hat eine frühere Kenntniserlangung hingegen nicht substantiiert vorgetragen.

3.
70Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 374,50 € aus § 13 Abs. 3 UWG.

71Nach der genannten Vorschrift kann der Abmahnende von dem Abgemahnten den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG genügt. Beides ist vorliegend der Fall.

72Gem. § 13 Abs. 2 UWG muss in der Abmahnung klar und verständlich der Name des Abmahnenden, die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet sowie die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände angegeben werden. Dabei muss der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (BGH, GRUR 2021, 752). Die Abmahnung des Klägers vom 21.05.2021 genügt diesen Anforderungen. Zwar ist darin die Internetseite der Beklagten mit „www…..de“ und nicht mit „www…..de“ bezeichnet worden. Dennoch war für die Beklagte aufgrund der detaillierten weiteren Angaben zu der beanstandeten Werbung (insbesondere der Beschreibung der bildlichen Darstellung) und dem betroffenen Produkt ohne weiteres ersichtlich, dass es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung der Internetseite handelte. Aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus war für die Beklagte eindeutig ersichtlich, welches wettbewerbswidrige Verhalten ihr vorgeworfen wird.

73Die von Seiten des Klägers für das Abmahnschreiben vom 07.10.2020 geltend gemachte Pauschale in Höhe von 374,50 € hält das Gericht entsprechend § 287 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO für angemessen. Der Kläger hat zu den kalkulatorischen Grundlagen des geltend gemachten Betrages im Einzelnen vorgetragen.

4.
74Der Zinsanspruch ist begründet gem. §§ 291 S. 1 und S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

III.
75Die Widerklage ist unbegründet.

76Die Beklagte hat ihrerseits keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz für Rechtsverteidigungskosten in Höhe von 374,50 € aus § 13 Abs. 5 UWG.

77Soweit eine Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen, § 13 Abs. 5 UWG. Die Abmahnung des Klägers war jedoch weder unberechtigt noch entsprach sie nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

78IV.

79Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

80Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

81Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

82-   für die Klage: bis zu 25.000,00 €

83-   für die Widerklage: 374,50 €

84Rechtsbehelfsbelehrung:

85Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

861.    wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

872.    wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

88Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

89Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.

90Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

91Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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