LG Essen: Single-Opt-In bei Werbe-E-Mails unzureichend

veröffentlicht am 18. Januar 2010

LG Essen, Urteil vom 20.04.2009, Az. 4 O 368/08
§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB

Das LG Essen hat einem Unternehmen verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines erstmaligen geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Es hatte sich zuvor bei der Versendung des Newsletters des sog. Single-Opt-In-Verfahrens bedient, bei dem der Empfänger des Newsletters durch einmalige Eintragung in die Abonnentenliste des Versenders dem Empfang zustimmt. Bei diesem Verfahren könne aber nicht im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass eine Eintragung tatsächlich vom Inhaber der eingetragenen E-Mail-Adresse stamme.

Die Zusendung des Newsletters stelle einen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Ein betriebsbezogener Eingriff sei die unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs als solchen und müsse sich nach objektiven Maßstäben spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (Pal., BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 128). Bei der Bewertung des Vorliegens eines solchen Eingriffs könnten die zum Wettbewerbsrecht entwickelten Regeln herangezogen werden, da die Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs auch dazu diene, Lücken im Anwendungsbereich des UWG zu schließen (OLG Naumburg, Az. 10 U 60/06; LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229), die sich hier daraus ergäben, dass es sich bei den Parteien nicht um Mitbewerber handele.

Aus der parallelen Schutzrichtung des UWG und der Regeln über den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergebe sich, dass aufgrund der für das UWG geltenden Regelung des § 7 11 Nr. 3 UWG auch im Rahmen der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB von einer unzumutbaren Belästigung und damit von einem Eingriff in den Gewerbebetrieb schon aufgrund der Zusendung einer einzigen unverlangten E-Mail auszugehen sei (OLG Naumburg, Az. 10 U 60/06; LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229, 1230; AG Hamburg, NJW 2005, 3220; i.E. ebenso KG NJW-RR 2005,51).

Abgesehen von der Wertung des § 7 11 Nr. 3 UWG ergibt sich ein Eingriff in den eingerichteten Gewerbebetrieb insbesondere daraus, dass die Zusendung unverlangter E-Mails Zeit und – eigene oder fremde – Arbeitskraft des Empfängers bindee, um die unerwünschte Post auszusortieren. Dieser Gesichtspunkt sei bei einem Rechtsanwalt als Empfänger der E-Mail von besonderem Gewicht, da ihm bei versehentlicher Löschung ein Haftungsfall drohen könne (AG Berlin-Mitte, Az.: 21 C 43/08). Zudem bestehe bei umfangreichen und häufigen E-Mails die Gefahr, dass das Postfach des Empfängers nicht mehr genügend Speicherkapazität aufweise, um für ihn wichtige Nachrichten empfangen zu können.

Ohne Bedeutung sei bei der für den offenen Tatbestand des eingerichteten Gewerbebetriebs erforderlichen Gesamtabwägung, dass die Entfernung der jeweils streitgegenständlichen E-Mail für sich betrachtet keinen großen Aufwand erfordere (BGH NJW 2004, 1655, 1657). Entscheidend sei vielmehr, dass sich jede einzelne E-Mail als Teil der Gesamtbelästigung des Spammings darstelle, so dass sich der Empfänger gegen jede einzelne E-Mail zur Wehr setzen können müse, um sich gegen das insgesamt zu erheblichen Beeinträchtigungen führende Gesamtproblem wehren zu können (LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229, 1230).

Der Eingriff sei auch rechtswidrig gewesen. Denn das Unternehmen habe den ihr obliegenden Beweis für eine Einwilligung des Klägers in die Zusendung des Newsletters durch Eintragung auf ihrer Homepage nicht geführt. Ohne Bedeutung sei insofern, dass das Unternehmen den Newsletter nach eigenem Vortrag nicht unverlangt zusende. Denn sie dürfe den Rundbrief mittels E-Mail nur dann verschicken, wenn die Voraussetzungen in der Person des jeweiligen Empfängers vorlägen. Dabei habe sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen komme (BGH NJW 2004, 1655, 1657). Der unstreitige Umstand, dass die E-Mail-Adresse des Klägers auf der Homepage eingetragen worden sei, lasse die dargestellte Beweislastverteilung unberührt. Denn es könne nicht im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass eine Eintragung tatsächlich vom Inhaber der eingetragenen E-Mail-Adresse stamme. Für einen solchen Anscheinsbeweis fehle es an einem tragfähigen Satz der Lebenserfahrung, da der Missbrauch von Internetadressen zwar nicht die Regel, aber auch keine vernachlässigenswerte Ausnahme sei (MüKo, Lauterkeitsrecht, 2. Bd., 2006, § 7 UWG, Rn. 164).

Auf die Entscheidung hingewiesen hat RA Dr. Robert Schweizer.

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