LG Frankenthal: Gesetzliche Informationspflichten werden auch durch eBay-AGB erfüllt

veröffentlicht am 16. August 2008

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Frankenthal, Urteil vom 14.02.2008, Az. 2 HK O 175/07
§§
3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 2 Nr. 1 UWG, 312, 312 b, 312 c, 312 e BGB i.V. mit 1, 3 BGB-lnfoV, 1 Abs. 1 TextilKennzG

Das LG Frankenthal hat entschieden, dass die gewerblichen Verkäufer auf der Internethandelsplattform eBay einige der sie treffenden Informationspflichten nicht selbst im Rahmen ihres Angebots erfüllen müssen, da diesen Pflichten zum Teil schon durch die eBay-AGB Genüge getan wird. Dies betrifft insbesondere die Pflichten zur Information über die technischen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen, darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unterneh­mer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist, und die Information, wie der Käufer mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann. Das Gericht ist der Ansicht, dass diese Pflichten bereits dadurch erfüllt sind, dass der Kunde auch Mitglied bei eBay ist und sich als solches den eBay-AGB, deren Bestandteil die genannten Informationen sind, unterworfen hat. Eigene Informationspflichten von eBay-Verkäufern bestehen nach Auffassung des Gerichts nur in den Bereichen, die von den eBay-AGB nicht erfasst werden. Neben dieser verkäuferfreundlichen Betrachtungsweise bestätigte das Gericht aber auch einmal mehr, dass Verstöße gegen das Textilkennzeichnungsgesetz abmahnungsfähige Wettbewerbsverstöße darstellen.


Landgericht Frankenthal (Pfalz)
Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung,

hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) durch … auf die mündliche Verhandlung vom 24.01.2008 für Recht erkannt:

1.
Dem Verfügungsbeklagten wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs im Internet, insbesondere auf der Inter­net-Plattform eBay, Verbraucher zur Abgabe von Angeboten und Be­stellungen aufzufordern, ohne beim Verkauf von Textilien die gesetzlich vorgeschriebene Rohstoffgehaltsangabe mitzuteilen.

2.
Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 EUR, die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf.

3.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.12.2007 zurückgewiesen.

4.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Verfügungsklägerin 3/4 und der Verfügungsbeklagte 1/4 zu tragen.

5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung zu Ziff. 4 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht der Ver­fügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leis­tet.


Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Verkaufs von Partyartikeln. Sie bieten u.a. Kostüme über die Internethandelsplattform eBay an und treten dabei als gewerbliche Verkäufer auf.

Am 29.11.2007 stellte die Verfügungsklägerin fest, dass der Verfügungsbe­klagte, der seine Produkte bei eBay unter dem Namen … vertreibt, dort insgesamt 863 Artikel anbot, darunter ein Karnevalskostüm unter der Artikel­-Nr…. (BI. 19 – 26 d.A.) als „Sofort-Kaufen“-Angebot. In seinen Angeboten erteilte der Verfügungsbeklagte keine Informationen über die einzelnen technischen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen, darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist, darüber, wie der Käufer mit den zur Verfügung gesteIIten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichti­gen kann und über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen. Bei den Angeboten für Textilien waren die Rohstoffgehaltsangaben unzureichend, und es fehlte ein Hinweis auf die Rücknahmepflichten des Händlers nach der Verpa­ckungsverordnung.

Die Verfügungsklägerin sieht deshalb die Angebote des Verfügungsbeklagten nicht in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und hält sie für wettbewerbswidrig. Nach erfolgloser Abmahnung begehrte sie mit ihrem Schriftsatz vom 27.12.2007 den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit nachstehendem Inhalt:

„1.
Der Antragsgegnerin wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbes im Internet, insbesondere auf der Internet-Plattform eBay, Verbraucher zur Abgabe von Angeboten und Bestellungen aufzufordern,

a)
ohne über die Schritte zu informieren, die zum Vertragsschluss führen, insbesondere durch welche Erklärung der Käufer eine Bindung eingeht und durch welche Handlung der Vertrag zu­stande kommt;

b)
ohne darüber zu informieren, ob und wie der Vertragstext nach dem Vertragsschluss gespeichert wird und ob er dem Käufer zugänglich ist sowie über die für den Vertragsschluss zur Verfü­gung stehenden Sprachen;

c)
ohne beim Verkauf von Textilien die gesetzlich vorgeschriebene Rohstoffgehaltsangabe mitzuteilen;

d)
ohne auf die Rücknahme und Verwertungspflicht bezüglich der Verkaufs- und Transportverpackungen, die nicht das Zeichen eines Systems der flächendeckenden Entsorgung tragen, nach der Verpackungsverordnung hinzuweisen.

2.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ord­nungsgeld und für den Fall, dass dies nicht· beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten ange­droht; wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 EUR, die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht überstei­gen darf.“

Ihren Antrag Ziff. 1 d) hat die Verfügungsklägerin zwischenzeitlich zurückgenommen; im Übrigen hält sie an ihren Anträgen fest.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Er bringt dazu vor,
die von der Verfügungsklägerin in seinen Angeboten vermissten Informationen gegenüber den Verbrauchern bei einem Verkauf über „eBay“ deshalb nicht erforder­lich, weil die für alle eBay-Mitglieder geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-Websites sowohl Informationen über den Vertragsschluss, die Speicherung des Vertragstextes und das Erkennen und Berichtigen von Eingabefehlern enthielten. Die Wahl der Vertragssprache ergebe sich bereits aus der sprachlichen Fassung des Internettextes, und die von ihm ange­botenen Partykostüme seien „Spielzeug“, weshalb eine Verpflichtung zur Angabe des Rohstoffgehaltes nicht bestehe. Im Übrigen handle die Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich, da sie in einer Vielzahl von Fällen Mitbewerber wegen der an­geblichen Verletzung von Informationspflichten abgemahnt habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechseIten Schriftsätze und die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfü­gung ist nur insoweit begründet, als der Verfügungsbeklagte beim Verkauf vonTexti­lien die Rohstoffgehaltsangabe versäumt hat; im Übrigen ist er unbegründet.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Die Verfügungsklägerin ist gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Abs.1 Nr. 3 UWG aktiv legi­timiert. Sie steht als gewerbliche Anbieterin von Partyartikeln auf der Handelsplatt­form eBay in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Verfügungsbeklagten. Die Parteien bieten Waren aus demselben Sortiment an.

Das Verhalten des Verfügungsbeklagten ist in Bezug auf die unterbliebene Rohstoff­gehaltsangabe bei seinem Angebot für ein Karnevalskostüm unter der o.a. Artikel-Nummer bei eBay unlauter im Sinne der §§ 3 ff UWG und auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

Die Unlauterkeit seines Verhaltens insoweit ergibt sich aus § 4 Nr. 11 UWG im Zu­sammenhang mit dem Textilkennzeichnungsgesetz (TextilKennzG). Dieses Gesetz verbietet in §1 Abs. 1 das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Textilerzeugnissen, die nicht „mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der verwendeten textilen Rohstoffe (Rohstoffgehaltsangabe ) versehen sind“. Diese Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregelung zum Schutze der Verbraucher dar (vgl. Hefermehl-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., Rdrn. 4.43 zu § 5 und 11.130 zu § 4 UWG).

Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter im Sinne der Generalklausel des § 3 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Entgegen der Darstellung des Verfügungsbeklagten können die von ihm angebote­nen Partykostüme nicht als von der Verpflichtung zur Rohstoffangabe ausgenomme­nes „Spielzeuge“ gemäß Ziffer 24 der Anlage 3 zu § 11 Abs. 2 TextilKennzG quaIifi­ziert werden. Die Kostüme sind nicht, wie möglicherweise Puppenbekleidung, zum Spielen be­stimmt, sondern sollen zweifelsfrei als Bekleidung für Menschen genutzt werden.

Sinn und Zweck des TextilKennzG ist es, dass sich der Verbraucher über die verar­beiteten Materialien, deren Qualität und Verwendbarkeit, unterrichten und seinen Kaufentschluss in voller Kenntnis dieser Umstände treffen kann (BGH GRUR 80, 302; OLG Hamm GRUR -RR 04, 115). Diese Möglichkeit bietet der Verfügungsbeklagte dem Verbraucher, wenn er die Ma­terialzusammensetzung der von ihm angebotenen Kleidung verschweigt, indessen nicht.

Beeinträchtigt durch diese Wettbewerbshandlung sind die Mitbewerber und die Verbraucher. Dem Verbraucher fehlt, wie ausgeführt, die Möglichkeit der Information über die verwendeten Materialien, und im Hinblick auf die Mitbewerber des Verfü­gungsbeklagten besteht die Gefahr der Nachahmung, wenn das rechtswidrige Ver­halten sanktionslos bliebe.

Der Verfügungsbeklagte ist nach alledem im Hinblick auf die unterbliebene Rohstoff­gehaltsangabe betreffend die angebotenen Kostüme zur Unterlassung verpflichtet.

Soweit er der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchliches Verhalten (§ 8 A s.4 UWG) vorwirft, betrifft dies seine Inanspruchnahme wegen angeblicher Verletzung von Informationspflichten, die wie nachstehend ausgeführt, ohnehin unbegründet ist.

Im Übrigen hat der Verfügungsbeklagte keine hinreichenden Gesichtspunkte aufge­zeigt, die ein Vorgehen der Verfügungsklägerin vorwiegend aus einem Gebührener­zielungsinteresse ihrer Prozessbevollmächtigten (vgl. zu den Voraussetzungen dafür Hefermehl-Köhler, a.a.O., Rdnr. 4.12 zu § 8 UWG) belegen könnten.

Keinen Verfügungsanspruch sieht die Kammer indessen in Bezug auf die von der Verfügungsklägerin beanstandeten fehlenden Informationen gem. §§ 312, 312 b, 312 c, 312 e BGB i.V. mit §§ 1, 3 BGB-lnfoV.

Zwar steht außer Frage und wird auch von dem Verfügungsbeklagten nicht in Zweifel gezogen, dass die betreffenden Bestimmungen Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG sind, und ein Verstoß dagegen dem Grunde nach als unlauter zu qualifizieren ist; im konkreten Fall sind aber die dem Verkäufer obliegenden Informationspflichten ü­ber die technischen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen (§ 312 c Abs.1 BGB i.V. mit § 1 Nr. 4 BGB-lnfoV und § 312 e Abs.1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V. mit § 3 Nr. 1 BGB-lnfoV), darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unterneh­mer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist (§ 3 Nr. 2 BGB-InfoV) und die Information, wie der Käufer mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann (§ 3 Nr. 3 BGB-lnfoV) dadurch erfüllt, dass die Angebote auf der Handelsplattform Bay offeriert werden, und der Kauf über diese Plattform abgewickelt wird.

Die Kammer schließt sich insofern der Argumentation des Verfügungsbeklagten an, wonach ein Händler, der über diese Handelsplattform seine Waren zum Verkauf an­bietet, eigene Kundeninformationen betreffend die vorgenannten Vorgänge nicht erteilen muss, weil der potentielle Kunde sämtliche der genannten Informationen als Mitglied bei eBay, der sich im Rahmen der Begründung seiner Mitgliedschaft den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Handelsplattform unterwerfen muss, über diese AGB erlangt.

Die einzelnen technischen Schritte, die zum Vertragsschluss führen, sind in §§ 10, 11 der eBay-AGB erläutert, und die Speicherung des Vertragstextes ergibt sich aus § 2 der betreffenden AGB. Das Erkennen und Berichtigen von Eingabefehlern bei BesteI­lungen ist bei der Sofort-Kaufen-Option dadurch gewährleistet, dass der Kunde vor dem wirksamen Kauf eine Übersichtsseite zur Kontrolle angezeigt bekommt, mit de­ren Hilfe er alle Einzelheiten der Bestellung kontrollieren und den Bestellvorgang ggfs. abbrechen kann. Nach Eingabe der Sofort-Kauf-Funktion wird in einem weite­ren Schritt nochmals deren Bestätigung gefordert. Der Verbraucher ist also in mehr­facher Hinsicht vor Eingabefehlern geschützt und kann diese problemlos durch Abbrechen des Kaufvorgangs korrigieren.

Nachdem der Handel über die Internetplattform eBay dadurch gekennzeichnet ist, dass Käufe und Verkäufe nur zwischen angemeldeten Mitgliedern möglich sind, die sich den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay unterworfen haben, ist davon auszugehen, dass den Informationspflichten des Unternehmers nach §§ 1 Abs. Nr. 4 und 3 Nr.1 bis 3 BGB-lnfoV dadurch Genüge getan ist, dass sein Kunde Mitglied bei eBay ist. Darüber hinausgehende eigene gesetzliche Informationspflichten be­stehen nur in den Bereichen, über die die AGB sich nicht verhalten.

Eine Informationspflicht über die zum Vertragsschluss führenden Schritte, die Spei­cherung des Vertragstextes und dessen Zugänglichkeit besteht danach nicht.

Die Kammer sieht in der in den streitgegenständlichen Angeboten des Verfügungs­beklagten unterbliebenen Aufklärung über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen auch keinen Verstoß gegen § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V. mit § 3 Nr. 4 BGB-lnfoV.

Es ist zulässig, dass sich der Unternehmer auf eine Vertragssprache beschränkt. Ein entsprechender Wille ergibt sich unter Umständen bereits konkludent aus der Fas­sung des Internettextes (vgl. Palandt, BGB, 67. AufI., Rdnr. 5 zu § 3 BGB-lnfoV). So liegt der Fall hier.

Wenn der Verfügungsbeklagte, was unstreitig ist, seine Angebote sämtlich in deut­scher Sprache gestaltet und weitere Vertragssprachen nicht anbietet, bringt er damit zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die Vertragssprache Deutsch sein soll.

Nach alledem mussten die Verfügungsanträge Ziff. 1 a) und b) der Verfügungskläge­rin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.1 S.1, 269 Abs. 3 ZPO; die Entschei­dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 709, 711 ZPO.

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