LG Frankfurt a.M.: Filesharing – Widersprüchliche Auskunft hinsichtlich des Anschlussinhabers geht zu Lasten des Rechteinhabers

veröffentlicht am 27. März 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.02.2012, Az. 2-03 O 394/11
§ 97 UrhG

Das LG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass eine Urheberrechtsverletzung im Wege des Filesharing nicht nachgewiesen ist, wenn die Auskunft den Anschlussinhaber betreffend nicht eindeutig ist. Vorliegend hatte die Auskunft des Providers zunächst gelautet, dass der 7jährige Sohn des Beklagten Anschlussinhaber zum Zeitpunkt des Downloads gewesen sei. Eine weitere Anfrage ergab den Beklagten selbst. Da die Vertragsdaten beim Provider nicht geändert worden waren, blieb unklar, wie für dieselbe IP-Adresse zum selben Zeitpunkt zwei unterschiedliche Anschlussinhaber in Frage kommen sollten und wie der Provider überhaupt den Namen des minderjährigen Sohnes erhalten haben sollte. Aus diesem Grund sei zweifelhaft, ob die Ermittlung des Anschlussinhabers ordnungsgemäß erfolgt sei. Dies gehe zu Lasten des Rechteinhabers, weshalb Ansprüche auf Unterlassung und/oder Schadensersatz abzulehnen seien.

Landgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (Klägerin) ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den Musikaufnahmen ,,AAA“, ,,BBB“ und ,,CCC“ der Musikgruppe ,,XXX“.

Die Klägerin behauptet, der Verfügungsbeklagte (Beklagte) habe über seinen Internetzugang im Rahmen eines Filesharingsystems am xx.xx.2011 ohne ihre Einwilligung die genannten Musikaufnahmen zum Download verfügbar gemacht. Die Klägerin bezieht sich hierfür zunächst auf die Ermittlungen der XXX GmbH und die eidesstattliche Versicherung des TTT vom xx.xx.2011 zur lP-Adresse sowie auf die Auskünfte des Providers Telefonica vom xx.xx.2011 und der Subproviderin 1&1 Internet AG vom xx.xx.2011 dazu, welchem Nutzer zum fraglichen Zeitpunkt die fragliche IP-Adresse zugeteilt gewesen sei. Nachdem die erste Auskunft von Telefonica zu der abgefragten IP-Adresse und dem fraglichen Zeitpunkt noch dahin gelautet hatte, dass Anschlussinhaber der 7 Jahre alte Sohn des Beklagten gewesen sei, richtete die Klägerin eine weitere Anfrage an die 1&1 Internet AG, die nun angab, dass Anschlussinhaber der Beklagte gewesen sei. Die Klägerin hat sich weiter darauf bezogen, dass eine weitere Nachfrage bei der 1&1 Internet AG zum Beklagten und dessen Benutzerkennung zu der per eMail vom xx.xx.2012 erteilten Antwort geführt habe, wonach die Benutzerkennung ausweislich der Vertragsdaten durchgehend dem Beklagten zugeteilt gewesen sei.

Mit Beschluss vom xx.xx.2011 hat die Kammer auf den entsprechenden Antrag der Klägerin vom xx.xx.2011 dem Beklagten bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, die Musikaufnahmen ,,AAA“, ,,BBB“ und ,,CCC“ der Künstlergruppe ,,XXX“ als Datensätze auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzuhalten und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gegen die ihm am xx.xx.2011 zugestellte einstweilige Verfügung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom xx.xx.2011 Widerspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom xx.xx.2011 zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom xx.xx.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag vom xx.xx.2011 zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die in der Sache gewechselten Schriftsätze mitsamt Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 19.01.2012 verwiesen.

Begründung

Auf den Widerspruch des Beklagten war die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Aufhebung und zur Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags, weil das Bestehen des notwendigen Verfügungsanspruchs aus § 97 UrhG nicht glaubhaft gemacht worden ist. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die für den fraglichen Zeitpunkt ermittelte IP-Adresse dem Beklagten zugeteilt war.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die beiden Abfragen zu ein- und derselben IP-Adresse für denselben Zeitpunkt zur Benennung von zwei unterschiedlichen Personen als Benutzer führen konnten. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom xx.xx.2011 zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Beklagten ausgeführt hat, hätte nach dem gewöhnlichen Verlauf eine wiederholte softwaregestützte Abfrage des Subproviders 1&1 Internet AG anhand seines Datenbestandes bei fehlerfreier Durchführung zu einem identischen Ergebnis führen müssen. Das gilt erst recht, wenn – so der letzte Vortrag der Klägerin – die dortigen Vertragsdaten unverändert geblieben sein sollen. Die zusätzliche Besonderheit ist hier, dass die zweite Abfrage ausgerechnet zum Vater des zunächst bei der ersten Abfrage ermittelten minderjährigen Nutzers geführt haben soll, nachdem auf die erste Abmahnung hin die Minderjährigkeit als Argument gegen eine Verantwortlichkeit des Sohnes geltend gemacht wurde.

Auch nach der letzten Auskunft vom xx.xx.2012 der 1&1 Internet AG bleibt offen, wie der Name des minderjährigen Sohnes in die erste Auskunft der Telefonica gelangen konnte, wenn zu den Vertragsdaten bei der 1&1 Internet AG keine Änderung vermerkt worden sein soll. Unter den gesamten Umständen genügt im Übrigen der Ausdruck des letzten eMail-Verkehrs der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit 1&1 Internet AG nicht als Glaubhaftmachung. Eine bloße eMail-Auskunft irgendeines Mitarbeiters des Subproviders steht einer eidesstattlichen Versicherung, wie sie die Klägerin immerhin für die Ermittlung der IP-Adresse durch XXX GmbH vorgelegt hat, nicht gleich. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der für 1&1 Internet AG handelnde Mitarbeiter MMM Zugang zu allen Vertragsdaten hat. Ein unverändert auf den Beklagten lautender Bestand der Vertragsdaten hätte nicht zu der Angabe des Sohnes als Nutzer führen können.

Es bestehen daher weiterhin erhebliche Zweifel, ob der Subprovider 1&1 Internet AG den Beklagten zuverlässig als Benutzer ermittelt hat oder ob Fehler bei der Ermittlung, Erfassung oder Übertragung der entsprechenden Daten vorgelegen haben. Dann aber hat die Klägerin die Passivlegitimation des Beklagten nicht glaubhaft gemacht.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 I, 708 Nr.6, 711 ZPO.

Auf das Urteil hingewiesen haben GGR Rechtsanwälte (hier).

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