LG Freiburg, Urteil vom 02.05.2011, Az. 12 O 118/10
§ 3 UWG, § 4 Nr. 10 UWG, § 8 UWG
Das LG Freiburg hat entschieden, dass eine gezielte Behindung eines Mitbewerbers dann vorliegt, wenn Kunden eines Telefondienstleisters per Haustürgeschäft abgeworben werden und vor Ablauf der Widerrufsfrist des Kunden der alte Anschluss durch den neuen Anbieter bereits gekündigt und die Telefonnummer portiert wird. Der neue Anbieter sei gehalten, durch geeignete Organisation im Falle schriftlich erteilter Vollmacht die Kündigung von Verträgen und die sich daran anschließende Portierung der Rufnummer bis zum Ablauf der Widerrufsfrist hintanzustellen, um nicht faktisch schwer rückgängig zu machende Tatsachen zu schaffen. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Freiburg
Urteil
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs vor Ablauf der Widerrufsfrist den Telefonanschluss eines Kunden bei der Telekom zu kündigen und/oder kündigen zu lassen und die Portierung der dazugehörigen Rufnummer auf das Kabel BW genutzte Netz zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen, wenn der Kunde den zu Grunde liegenden Vertrag wirksam widerrufen hat, wenn dies geschieht wie im Fall von Frau W. Q., W.str. 6, 7… L, die ihren am 30.3.2010 im Rahmen eines Haustürgeschäftes erteilten Auftrag zur Einrichtung des Produkts „Clever Kabel Telefon“ unter dem Datum des 6.4.2010 widerrufen hat, und deren diesbezügliche Kündigungserklärung sowie den diesbezüglichen Portierungsauftrag Kabel BW am 8.4.2010 an die Telekom Deutschland GmbH weitergeleitet hat.
2.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsver-pflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, insgesamt jedoch nicht mehr als 2 Jahren angedroht, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern ihrer Komplementärin.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1379,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.7.2010 zu zahlen.
4.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
5.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
6.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25 000 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche der Klägerin. Sie wirft der Beklagten ein unlauteres Ausspannen von Kunden und eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG vor. Am 30.3.2010 habe ein Werber der Beklagten die Kundin der Klägerin, Frau Q., …, aufgesucht. Er habe sie dazu veranlasst, das Auftragsformular wie Anlage K 3 zu unterzeichnen. Mit Einschreiben vom 6.4.2010 habe die Kundin den Auftrag widerrufen. Am selben Tage habe sie die erhaltenen Geräte an die Beklagte zurückgesandt. Der Widerruf sei der Beklagten am 8.4.2010 zugegangen. Am 15.4.2010 habe Frau Q. ein Schreiben der Beklagten erhalten, mit dem ihr Widerruf unter Hinweis auf die Vorschriften des Fernabsatzrechtes zurückgewiesen worden sei (Anlage K 8). Eine wiederholte Reklamation der Kundin vom 22.4.2010 (Anlage K 9), wonach sämtliche Bedingungen der ihr erteilten Widerrufsbelehrung erfüllt seien, habe die Klägerin erneut mit Schreiben vom 23.4.2010 (Anlage K 11) zurückgewiesen. In diesem Schreiben sei ausgeführt, die Beklagte habe den Internet- und Telefonanschluss installiert. Laut § 312d Abs. 3 BGB erlösche das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen habe oder der Verbraucher diese selbst veranlasst habe. Erst auf nochmaliges Drängen der Kundin habe die Beklagte mit Schreiben vom 12.5.2010 den Widerruf „aus Kulanz“, wie dort zu lesen, akzeptiert. In Kenntnis des ersten Widerrufes habe die Beklagte den Telefonanschluss der Kundin bei der Klägerin gekündigt und in das eigene Netz portieren lassen.
Unstreitig stand der Kundin ein Widerrufsrecht zu.
Die unzutreffenden Schreiben an die Kundin seien auch als Verstoß gegen das allgemeine Irreführungsverbot nach § 5 UWG zu werten.
Die Klägerin stellt folgenden Antrag:
die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft – zu vollstrecken an den Geschäftsführern ihrer Komplementärin -, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
den Telefonanschluss eines Kunden bei der Telekom zu kündigen und/oder kündigen zu lassen und die Portierung der dazugehörigen Rufnummer auf das von Kabel BW genutzte Netz zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen, wenn der Kunde den zu Grunde liegenden Vertrag zuvor wirksam widerrufen hat;
2. an die Klägerin Euro 1379,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 19.7. 2010 zu zahlen.
Hilfsweise zu 1 stellt die Klägerin folgenden Antrag:
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft – zu vollstrecken an den Geschäftsführern ihrer Komplementärin -, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs vor Ablauf der Widerrufsfrist den Telefonanschluss eines Kunden bei der Telekom zu kündigen und/oder kündigen zu lassen und die Portierung der dazugehörigen Rufnummer auf das Kabel BW genutzte Netz zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen, wenn der Kunde den zu Grunde liegenden Vertrag wirksam widerrufen hat, wenn dies geschieht wie im Fall von Frau Q.,…, die ihren am 30.3.2010 im Rahmen eines Haustürgeschäftes erteilten Auftrag zur Einrichtung des Produkts „Clever Kabel Telefon“ unter dem 6.4.2010 widerrufen hat, und deren diesbezügliche Kündigungserklärung sowie den diesbezüglichen Portierungsauftrag Kabel BW gleichwohl bereits am 8.4.2010 an die Telekom Deutschland GmbH weitergeleitet hat.
Die Beklagte beantragt: Klagabweisung.
Der Widerruf der Kundin sei erst nach Weiterleitung des Portierungsauftrages eingegangen. Die von der Klägerin beanstandete Portierung entspreche dem gesetzlichen Auftrag der Beklagten und stelle keine irgendwie geartete Behinderung der Klägerin dar. Der Widerruf der Kundin wirke nur ex nunc. Die Beklagte sei mit der Kündigung des Telefonanschlusses bei der Klägerin und der Portierung der dazugehörigen Rufnummer auf die Beklagte beauftragt und bevollmächtigt worden (Klagerwiderung S. 6). Überdies sei die Kündigung und die Portierung nicht vollzogen worden. Diese habe nämlich erst einige Monate später durchgeführt werden sollen, nämlich mit Wirkung zum 2.8.2010. Ein Mitarbeiter der Beklagten sei zwar zunächst versehentlich davon ausgegangen, dass der Vertrag mit der Kundin im Rahmen eines Fernabsatzgeschäftes zu Stande gekommen sei, weshalb er den Widerruf unter Berufung auf § 312d Abs. 3 BGB zurückgewiesen habe, wobei zu Gunsten des Mitarbeiters zu berücksichtigen sei, dass aus dem Schreiben der Kundin vom 6.4.2010 nicht hervorgegangen sei, dass es sich um ein Haustürgeschäft gehandelt habe. Selbst in dem zweiten Schreiben habe die Kundin den Hinweis auf eine Haustürsituation unterlassen. Die damalige Begründung sei aus Sicht der Mitarbeiterin nachvollziehbar gewesen. Infolge des beschriebenen Unterlassens der Kundin habe für die Mitarbeiterin kein Anlass bestanden, den ursprünglichen Zurückweisungsgrund zu überdenken. Eine gezielte Behinderung liege auch deshalb nicht vor. Vielmehr handele es sich um eine bloße versehentliche Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Es handele sich um eine Bagatelle nach § 3 UWG. Der Anlass des Streitfalls auf Basis des Vortrags der Klägerin sei eine isolierte Fehleinschätzung eines einzelnen Mitarbeiters der Beklagten in einem Massengeschäft.
Der mit Schriftsatz vom 1.2.2011 eingeführte Hilfsantrag sei unbestimmt und widersprüchlich. Der Hilfsantrag führe einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein. Diese wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche seien verjährt. Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Die Beklagte habe den angeblichen Wettbewerbsverstoß aus eigener Veranlassung mit Schreiben vom 12.5.2010 wieder rückgängig gemacht, dies sei lange vor der Abmahnung durch die Klägerin vom 18.6.2010 erfolgt. Die zwar grundsätzlich vermutete Wiederholungsgefahr sei damit widerlegt (actus contrarius). Erstbegehungsgefahr sei ohnehin nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Unterlassungsklage ist zulässig und im Hilfsanspruch begründet (§§ 3,4 Nr. 10, 8 UWG).
1.
Allerdings ist der in erster Linie geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon aus tatsächlichen Gründen nicht begründet. Die Klägerin kann nicht beweisen, dass ihre Kundin den Vertragsschluss vor Tätigwerden der Beklagten widerrufen hat. Mit Recht versteht die Beklagte den klägerischen Antrag in dem Sinne, dass mit „Widerruf“ der Zugang der Widerrufserklärung gemeint ist. Der Widerruf bedarf nämlich als empfangsbedürftige Willenserklärung des Zugangs. Die Erklärungshandlung alleine bewirkt die Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis nicht. Die Handlung ist lediglich für die Rechtzeitigkeit der Erklärung maßgeblich.
2.
Der Hilfsantrag, mit dem die konkrete Verletzungshandlung zum Gegenstand des Unterlassungsanspruchs gemacht wird, ist nach § 4 Nr. 10 UWG (gezielte Behinderung eines Mitbewerbers) begründet.
3.
Der Hilfsantrag ist weder widersprüchlich noch unbestimmt. Die Beklagte verkennt die Bedeutung der verwandten Konjunktion: „Wenn“ ist nicht gleichzusetzen mit „Nachdem“. Deshalb kommt es nach dem klägerischen Antrag auf die zeitliche Reihenfolge von Widerruf und Aktionen der Beklagten nicht an. Der Schluss der Beklagten, die Verwendung des Perfekts („widerrufen hat“) ergebe, dass die Klägerin eine zeitliche Reihenfolge aufstellen wolle, ist schon sprachlich unrichtig. Ungeachtet dessen hat die Klägerin zweifelsfrei im Schriftsatz vom 17.3.2011 klargestellt, dass eine solche zeitliche Abfolge gerade nicht geltend gemacht werden soll.
4.
Der klägerische Antrag ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass die Beklagte bei Vornahme der beanstandeten Handlung nicht wissen könne, ob sie wegen des späteren Widerrufs doch unzulässig sei. Zunächst sei das Handeln erlaubt, später im nachhinein ggf. doch verboten. Unter welchen Bedingungen der Beklagten das wettbewerbswidrige Verhalten verboten ist, ist dem Antrag zweifelsfrei zu entnehmen. Wie die Beklagte sich verhalten will, um dem Verbot zu entgehen, ist nicht zu entscheiden. Vielmehr ist es Sache des Verstoßenden, einen Weg aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten zu finden.
5.
Der Unterlassungsanspruch ist nicht verjährt. Vielmehr ist den Ausführungen der Klägerin zum unlauteren Ausspannen und zur gezielten Behinderung und der Irreführung der Kundin in der Klagschrift bzw. zum unlauteren Kundenfang in der Replik und zur fehlenden Bedeutung, ob der Widerruf vor oder nach Weiterleitung der Portierungsunterlagen bei der Beklagten eingegangen ist, zu entnehmen, dass die konkrete Verletzungshandlung von Anfang an streitgegenständlich war. Bei einem weit gefassten Unterlassungsantrags ist im allgemeinen anzunehmen, dass jedenfalls die mit der Klage konkret beanstandete Verletzungshandlung untersagt werden soll (vgl BGH GRUR 2007,987 – Änderung der Voreinstellung I). Verjährung ist deshalb nicht eingetreten.
6.
Geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Damit ist das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten, für die diese nach § 8 Abs. 2 UWG einzustehen hat, lauterkeitsrechtlich von Bedeutung, obwohl es dem Vertragsabschluss nachfolgt.
Ein Verhalten gegenüber Mitbewerbern weist dann einen objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes zu Gunsten des eigenen Unternehmens auf, wenn es den Umständen nach darauf gerichtet ist, durch Einwirkung auf die wettbewerblichen Interessen von Mitbewerbern den eigenen Absatz zu fördern. Auf die subjektive Zielsetzung kommt es nicht an. Eine Einwirkung auf die wettbewerblichen Interessen eines Mitbewerbers liegt daher auch dann vor, wenn der Unternehmer durch sein Verhalten den Wechsel eines Kunden zu einem Mitbewerber erschwert oder vereitelt. Dies gilt spiegelbildlich auch für den vorliegenden Fall, in dem die Beklagte den Wunsch des Kunden, mittels Widerrufs einen Wechsel des Vertragspartners wieder rückgängig zu machen, versucht hat zu hintertreiben (vgl. Köhler/Bornkamm UWG 29.A. § 4 Rdnr. 10.4).
7.
Unter Behinderung ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers zu verstehen (vgl. Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdnr. 10.6). Ausreichend ist die Eignung der geschäftlichen Handlung zur Behinderung. Die Behinderung muss also nicht tatsächlich eingetreten sein. Die Aktionen der Beklagten stellen eine derartige Behinderung dar.
8.
Die bloße Beeinträchtigung der Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers reicht allerdings nicht aus, um die Unlauterkeit einer Maßnahme zu begründen (arg. „gezielte Behinderung“). Denn der Wettbewerb ist darauf angelegt, auf Kosten der Mitbewerber einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen. Daher ist jede geschäftliche Handlung gegenüber einem Mitbewerber ihrer Natur nach geeignet, Mitbewerber in ihrer wettbewerblichen Entfaltung zu beeinträchtigen. Es müssen folglich zur Beeinträchtigung des Mitbewerbers weitere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Dies setzt eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Lauterkeitsrechts voraus. Entscheidend ist, ob die Auswirkungen der Handlung auf das Wettbewerbsgeschehen bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen. Als gezielt ist eine Behinderung dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers gerichtet ist. Dies setzt allerdings nicht notwendig eine entsprechende Absicht voraus (Köhler aaO. Rdnr. 10.7).
9.
Die Beklagte meint, sie sei bis Eingang des Widerrufsschreibens verpflichtet gewesen, den Auftrag der Kundin, das Rechtsverhältnis zur Klägerin zu kündigen und die Portierung des Anschlusses zu veranlassen, auszuführen. Dies leitet sie aus der Dogmatik des deutschen Widerrufsrechts ab, wonach die widerrufliche Willenserklärung des Verbrauchers und der abgeschlossene Vertrag zunächst gültig sind, dies im Unterschied zu der früheren Regelung des bis zum 30.9.2000 gültigen § 1 Abs. 1 HWiG, wonach eine auf den Abschluss eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung, zu der der Erklärende (Kunde) durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist, erst wirksam wurde, wenn der Kunde sie nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerrufen hatte. Die Beklagte verweist insoweit auch auf den Grundsatz der Vertragstreue. Welche allgemeine Bedeutung die geschilderten dogmatischen Unterschiede in der Ausgestaltung des Widerrufsrechts in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht haben, muss für den vorliegenden Fall nicht entschieden werden.
Der konkrete Verstoß zeichnet sich dadurch aus, dass die Kundin der Beklagten den Portierungsauftrag wie Anlage B 2 in schriftlicher Form erteilt hatte. Damit war die Beklagte – unstreitig als Bevollmächtigte – damit befasst, den letztlich widerrufenen Wechsel des Providers umzusetzen. Wird in einem solchen Fall die Kündigung, die unmittelbar eine Vertragsgestaltung, nämlich Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem früheren Provider bewirkt hat, aufgrund schriftlicher Vollmacht vorgenommen, entsteht eine Rechtslage, die mit dem freien und ungehinderten Widerrufsrecht des Kunden nicht vereinbar ist. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift des § 172 Abs. 2 BGB kann sich der ehemalige Vertragspartner des Kunden der vom Gesetz vorgesehenen Rückabwicklung des Rechtsverhältnisses nach § 357 BGB widersetzen (so MünchKomm/Masuch BGB 5.A. § 312 Rdnr. 31; vgl. BGHZ 144,223 zu der Frage, ob eine Vollmachtserklärung als solche überhaupt widerrufen werden kann und unter welchen Voraussetzungen die Nichtigkeit oder Widerruflichkeit des Grundgeschäfts die Unwirksamkeit der Vollmacht nach sich zieht – vom BGH offen gelassen). Dasselbe dürfte sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht ergeben. Damit ist der Kunde auf das Wohlwollen und die freie Entscheidung seines ehemaligen Dienstleisters angewiesen, wenn das durch die beschriebenen Gestaltungserklärungen beendete Vertragsverhältnis wegen der erklärten Widerrufs wiederbelebt werden soll. Ob die Kündigung rückgängig gemacht wird, hängt von den wirtschaftlichen Interessen des ehemaligen Dienstleisters ab (ggf. besonders günstiger Vertrag zugunsten des Kunden, dessen sich der ehemalige Dienstleister gerne entledigt) und kann nicht als selbstverständlich unterstellt werden. Diese Erschwernisse beeinträchtigen das freie Widerrufsrecht des Kunden, unabhängig davon ob ihm dies bewusst ist oder nicht.
Die Beklagte hat sich durch die sofortige Umsetzung der Kündigung die Vorteile aus dieser voreiligen und nicht selbstverständlich rückgängig zu machenden Gestaltung der Rechtslage zu eigen gemacht und hierdurch die faktisch und rechtlich nicht so einfach zu beseitigende Bindung des Kunden an ihre eigene Person zunutze gemacht. Damit hat die Beklagte in unrechtmäßiger Weise Kunden der Klägerin abgefangen und vorzeitig an sich gebunden.
Für diese Betrachtung über die Bedeutung der freien Widerruflichkeit der rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Kunden spricht auch eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschriften über den Widerruf bei Haustürgeschäften (die Beklagte bemüht fälsch die Fernabsatzrichtlinie). Nach Art. 5 Abs. 2 RL 1985/577/EWG bewirkt die Anzeige (hier: der Widerruf), dass der Verbraucher aus allen aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenden Verpflichtungen entlassen ist. Dem widerspricht die Vorgehensweise der Beklagten, die sowohl im Hinblick auf die Kündigung wie auch, wie sie einräumt, auf die Portierung rechtsgeschäftliche Erklärungen des von den Regeln über den Widerruf nicht unmittelbar betroffenen Dritten nötig macht.
Darauf, ob der ehemalige Vertragspartner sich vorliegend wirklich auf den Vertrauensschutz des § 172 BGB oder auf die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten allgemeinen Rechtsscheinregeln hinsichtlich erteilter Vollmachten hätte berufen können und wollen, kommt es für die Beurteilung des Wettbewerbsverstoßes nicht an. Die einseitige, vorzeitige und nicht gerechtfertigte rechtliche und darüberhinausgehend sogar faktische Bindung des Kunden würde hierdurch nicht entfallen.
Die von der Beklagten angesprochenen etwaigen Unsicherheiten, wann die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts erlischt, sind hinzunehmen und stellen überdies Risiko der Beklagten dar, die sich durch ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung hiergegen schützen könnte.
Die Beklagte war deshalb gehalten, durch geeignete Organisation im Falle ihr schriftlich erteilter Vollmacht die Kündigung von Verträgen und die sich daran anschließende Portierung der Rufnummer bis zum Ablauf der Widerrufsfrist hintanzustellen. Nicht einmal Ansätze zu einer solchen vertragsgerechten Handlungsweise hat die Beklagte erkennen lassen. Vielmehr ist das System der Beklagten, wie die vorliegende Abwicklung zeigt, auf die zeitnahe Umsetzung des Wechselwillens des Kunden ohne Rücksicht auf dessen unter Umständen nicht gegebene Bindung ausgerichtet. Damit werden nicht nur die Interessen des Kunden, sondern spiegelbildlich und notwendig die Marktchancen des von der Kündigung betroffenen Mitbewerbers in unlauterer Weise beeinträchtigt.
Hinzu kommt vorliegend, dass die Mitarbeiter der Beklagten das objektiv gegebene Widerrufsrecht der Kundin vorsätzlich missachtet haben – überdies unter Bezugnahme auf eine schon damals nicht mehr gültige Bestimmung (vgl. jetzt § 312d Abs. 3 BGB in der sofort in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 29.7.2009 BGBl I 2413). Die Beklagte wurde mit Verfügung vom 14.1.2011 gebeten zu erklären, wie das von ihr behauptete Versehen bei der Behandlung des Widerrufs eingetreten sein soll, nachdem die Kundin mitgeteilt hatte, die Voraussetzungen der ihr erteilten Widerrufsbelehrung lägen vor. Eine nachvollziehbare Begründung hat die Beklagte nicht vortragen können. Die Behauptung, die Mitarbeiterin der Beklagten sei versehentlich davon aus gegangen, dass der Vertrag mit der Kundin im Rahmen eines Fernabsatzgeschäftes zu Stande gekommen sei, reicht nicht aus. Es war nicht Aufgabe der Kundin, die Beklagte auf die näheren Umstände für das ihr – selbst nach der Belehrung durch die Beklagte – zustehende Widerrufsrecht hinzuweisen. Sache der Mitarbeiter der Beklagten wäre es gewesen, auf den Widerruf der Klägerin die vertraglichen Unterlagen einzusehen. Weshalb dann noch Spielraum für einen Irrtum – zumal im wiederholten Falle – hätte bestehen können, ist nicht dargetan. Ggf, hätte die Beklagte dafür sorgen müssen, dass ihre Mitarbeiter diese Unterlagen einsehen und zweifelsfrei interpretieren können. Dass die Beklagte solche Versuche unternommen hätte, ist nicht vorgetragen. Auf ihre sekundäre Darlegungslast wurde die Beklagte hingewiesen. Unter den beschriebenen Umständen muss das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten als vorsätzlich, nämlich ins Blaue hinein erfolgt gewertet werden.
10.
Bei einer gezielten Behinderung von Mitbewerbern im Sinn von § 4 Nr. 10 UWG ist davon auszugehen, dass die Spürbarkeitsschwelle grundsätzlich schon deshalb erreicht ist, weil die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wettbewerber schon im Rahmen der Prüfung zu erfolgen hat, ob eine gezielte Behinderung gegeben ist (vgl. BGH GRUR 2009,876 – Änderung der Voreinstellung II). Ein Bagatellfall liegt nicht vor.
11.
Wiederholungsgefahr wird vermutet. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegen können. Lediglich im Falle der hier nicht einschlägigen Erstbegehungsgefahr kann unter Umständen aus einem so genannten actus contrarius auf den Wegfall dieser Erstbegehungsgefahr geschlossen werden (Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdnr. 1.26).
12.
Das Gericht hat den Unterlassungsantrag aus sprachlichen Gründen ohne inhaltliche Änderung leicht modifiziert.
13.
Der Anspruch auf Ersatz der im übrigen nicht bestrittenen Kosten der Abmahnung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
14.
Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 92, 709 ZPO.