LG Hamburg: Anzeige eines Tabakkonzern mit Logos seiner Zigarettenmarken ist keine Tabakwerbung, sondern „positive Imagewerbung“?

veröffentlicht am 14. Juli 2009

LG Hamburg, Urteil vom 21.12.2007, Az. 408 O 196/07
§§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 21 a Abs. 3 VTabakG

Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Hersteller von Tabak Imagewerbung unter Angabe seiner Zigarettenmarke betreiben darf, ohne dass hierin ein Verstoß gegen das vorläufige Tabakgesetz zu sehen ist. Die Beklagte warb u.a. in einer Ausgabe des Monatsblatts für soziale Demokratie „vorwärts“ mit folgender Anzeige: „Verantwortung wird bei Reetsma groß geschrieben. Als Hersteller von Tabakprodukten sind wir uns unserer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft bewusst. Wir wissen, dass Rauchen bei Jugendlichen ein Grund zu ernsthafter Besorgnis ist. Unserer Meinung nach handelt es sich dabei um ein gesellschaftliches Problem, das gemeinsam zu lösen ist. Wir tragen unseren Teil dazu bei. So haben wir uns über die gesetzlichen Vorgaben hinaus freiwillig strenge Selbstbeschränkungen auferlegt. Beispielsweise setzen wir in unserer Werbung keine Fotomodelle ein, die unter 30 Jahre alt sind. Zudem werben wir nicht mit Prominenten. Besuchen Sie unsere Internetseite, um noch mehr über uns und unsere Maßnahmen zum Jugendschutz zu erfahren.“ Unterhalb dieses Textes waren in kleinem Format insgesamt sieben Marken von Tabakprodukten aufgeführt, die aus dem Hause der Beklagten stammten und von ihr vertrieben wurden. Der Dachverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände war der Auffassung, die Werbung verstoße gegen wettbewerbs- und tabakrechtliche Bestimmungen. Danach sei es verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Durch den Abdruck der Logos der von der Beklagten vertriebenen Zigarettenmarken würden dem Leser der Anzeige die Zigaretten nahe gebracht. Die Nennung konkreter Produkte eines Unternehmens erfolge stets mit dem Ziel, diese auch abzusetzen.

Dem erteilten die Hanseatischen Richter eine Abfuhr. Die von der Klägerin genannten Regelungen der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und des § 21 a Abs. 3 VTabakG seien verfassungskonform auszulegen, und zwar unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfG GRUR 2002, 455 ff. mit weiteren Nachweisen – „Tier- und Artenschutz“). Im Rahmen der Auslegung des § 21 a VTabakG habe die Kammer daher die Tragweite der Meinungsfreiheit so zu berücksichtigen, dass die grundrechtliche Freiheit nicht unverhältnismäßig beschränkt werde (vgl. BVerfG GRUR 2003, 965 – „Interessenschwerpunkt Sportrecht“). Dabei sei zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Werbeanzeige eine Meinungsäußerung darstelle. Die Beklagte nehme als Herstellerin von Tabakprodukten dazu Stellung, in welcher Weise sie ihre unternehmensethische Verantwortung wahrnehme und wie sie im Rahmen ihrer Werbung Belange des Jugendschutzes berücksichtige. Die Beklagte habe sich gegenüber den Lesern als ein verantwortungsbewusstes Unternehmen dargestellt, also eine positive Imagewerbung betrieben.

Aus der Sicht des Klägers sei an dieser Anzeige vor allen Dingen zu beanstanden, dass die Beklagte auf die Marken ihrer Tabakprodukte hinweise, indem sie diese abbilde und damit bewerbe. Allerdings sei zu berücksichtigen, worauf die Beklagte zu Recht hinweise, dass sie auf dem Markt für Tabakprodukte im Wesentlichen nur durch ihre Marken bekannt sei und nicht mit ihrer Firma. Zu einer vollständigen Information der Leser gehöre es daher, diesen zu verdeutlichen, welche Produkte die Beklagte vertreibe. Diese Information erfolge hier in zurückhaltender Weise, indem die Marken nur sehr klein wiedergegeben worden seien. Insoweit stehe der Meinungs- und Informationscharakter der Anzeige gegenüber dem Werbecharakter im Vordergrund. Ziel der Regelung des vorläufigen Tabakgesetzes sei es aber vornehmlich, Werbung für Tabakerzeugnisse zu verbieten, die den Absatz von Tabakprodukten fördere und dabei dem Rauchen ein positives Image verleihe. Dies folge insbesondere daraus, dass die nationalen Tabakwerbeverbote im Wesentlichen Ziele des Jugendschutzes verfolgten. Eine Werbung wie die streitgegenständliche, die vornehmlich eine Imagewerbung des Tabakunternehmens beinhalte, ohne das Rauchen in positiver Weise darzustellen und damit vornehmlich den Absatz von Tabakprodukten zu fördern, falle daher – unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit – nicht unter das Verbot des § 21 a Abs. 3 VTabakG. Die Kammer berücksichtige dabei auch, dass die Anzeige in der Mitgliederzeitschrift einer Regierungspartei erfolgte und nicht in einer mit großer Auflage vertriebenen Unterhaltungszeitschrift.

Der Volltext der Entscheidung findet sich bei openjur.

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