LG Hamburg: Wünscht Mieter vom Vermieter zukünftige Korrespondenz ausschließlich über seinen Anwalt zu führen, verletzt die Umgehung des Anwalts das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters

veröffentlicht am 6. September 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Hamburg, Urteil vom 09.12.2010, Az. 307 S 119/10
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB, § 935 ZPO, § 940 ZPO

Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Vermieter sich nicht über das ausdrückliche Verbot seines Ex-Mieters hinwegsetzen darf, mit ihm – dem Ex-Mieter – direkt zu korrespondieren. Zwar sei es grundsätzlich nicht bedenklich, wenn ein Vermieter mit der Mieterin direkten brieflichen oder telefonischen Kontakt aufnimmt, und zwar auch dann, wenn der Mieter einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe. Das ändere sich aber dann, wenn – wie vorliegend – der Mieter den Vermieter ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er seine mietrechtliche Korrespondenz ausschließlich über den eingeschalteten Rechtsanwalt führen wolle. Werde ein direkter brieflicher bzw. telefonischer Kontakt trotz einer solchen Willensäußerung des Mieters fortgesetzt, bedeute dies eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts des Mieters und damit die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Übrigen sei in einem derartigen Verhalten auch ein Verstoß gegen die nachvertraglich nachwirkende mietvertragliche Nebenpflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme zu sehen. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Hamburg

Urteil

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 11.08.2010 (Az. 531 C 253/10) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, jedoch der Sache nach unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung vom 01.07.2010 aufrechterhalten, durch welche der Antragsgegnerin untersagt worden ist, befristet bis zum 31.12.2010 zur Antragstellerin unter Umgehung ihrer anwaltlichen Vertretung telefonischen oder brieflichen Kontakt aufzunehmen. Ein die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung rechtfertigender Verfügungsanspruch (§§ 935, 940 ZPO) folgt aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB sowie der mietvertraglichen Nebenpflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme, die auch nach einer etwaigen Vertragsbeendigung als nachvertragliche Pflicht bis zur Rückgabe fortbesteht.

Obschon die Antragsgegnerin mehrfach darauf hingewiesen worden ist, dass die Antragstellerin ihre mietrechtliche Korrespondenz ausschließlich über die Rechtsanwaltskanzlei V. zu führen wünscht, hat die Antragsgegnerin mehrfach – unter anderem am 06.05., 10.06. sowie 25.06.2010 – mit der Antragstellerin korrespondiert. Dies stellt eine Verletzung des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin dar. Zwar ist es im Regelfall nicht bedenklich, wenn ein Vermieter mit der Mieterin direkten brieflichen oder telefonischen Kontakt aufnimmt, und zwar auch dann, wenn der Mieter einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat. Das ändert sich aber dann, wenn – wie vorliegend – der Mieter den Vermieter ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er seine mietrechtliche Korrespondenz ausschließlich über den eingeschalteten Rechtsanwalt führen wolle. Wird ein direkter brieflicher bzw. telefonischer Kontakt trotz einer solchen Willensäußerung des Mieters fortgesetzt, bedeutet dies eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts des Mieters und damit die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Die durch die streitgegenständliche telefonische bzw. direkte briefliche Kontaktaufnahme unter Umgehung der anwaltlichen Vertretung des Mieters verursachte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin ist im vorliegenden Falle rechtswidrig. Dies ergibt eine Abwägung zwischen den geschützten Rechtsgütern der Parteien. Der Kammer ist aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt, dass das Mietverhältnis der Parteien zu nicht unerheblichen Spannungen geführt hat. Es ist gut nachvollziehbar, dass diese Spannungen die betagte Antragstellerin auch persönlich stark belasten. Ebenfalls ist es plausibel, dass die Antragstellerin bei dieser Sachlage es wünscht, dass seitens des Vermieters vorgebrachte Streitpunkte zunächst von ihrem Anwalt auf sachliche Relevanz überprüft werden und erst nach entsprechender „juristischer Filterung“ ihr zur Kenntnis gebracht werden. Dies gilt umso mehr als der Geschäftsführer der Antragsgegnerin selbst Rechtsanwalt ist. Auch aus diesem Grunde ist es gut nachvollziehbar, dass es die Antragstellerin wünscht, dass seitens der Antragsgegnerin vorgebrachte Streitpunkte gleich mit dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt – auf gleicher Augenhöhe – angesprochen werden können.

Dadurch, dass die Antragsgegnerin keinen direkten telefonischen bzw. brieflichen Kontakt mit der Antragstellerin unter Umgehung ihrer anwaltlichen Vertretung aufnimmt, werden die berechtigten Interessen der Antragsgegnerin nicht Übergebühr beeinträchtigt. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Vollmacht gemäß Anlage ASt 10 ergibt sich, dass diese Herrn Rechtsanwalt V. hinsichtlich Angelegenheiten betreffend das Mietverhältnis E.- B.-Platz XX bevollmächtigt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Kontaktaufnahme über Rechtsanwalt V. irgendwelche Verzögerungen eintreten könnten.

Nach alledem ist die Berufung der Antragsgegnerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

I