LG Köln, Urteil vom 23.01.2013, Az. 26 O 88/12
§ 309 Nr. 7 b) BGB, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG
Das LG Köln hat entschieden (Volltext s. unten), dass eine AGB-Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG unwirksam ist, nach welcher die Haftung für von der Beförderung ausgenommene Güter vollständig ausgeschlossen ist. Zu den nach den Bedingungen der Deutschen Post AG nicht beförderungsfähigen Gütern gehören u.a. Gefahrenstoffe, Drogen, aber auch Geld und Wertpapiere. Die Klausel, so die Kammer, schließe die Haftung rechtswidrig auch für solche Schäden aus, die von Post-Mitarbeitern vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht würden. Was wir davon halten? Gesetzt den Fall, dass Mitarbeiter der Deutschen Post AG das vom Kunden verschickte Marihuana in der Logistikhalle wegrauchen, heißt dies ganz konkret, dass die Deutsche Post AG dem Kunden zu Schadensersatz verpflichtet ist, zumal sie auch für das Wirken ihrer Erfüllungsgehilfen haftet (§ 278 S.1 BGB). Der Schadensersatz richtet sich dann nach dem Marktwert der Drogen (§ 249 BGB) und dem entgangenen, „auf der Straße zu erzielenden“ Gewinn (§ 252 BGB), was alles notfalls durch einen Sachverständigen (Dealer?) zu bestimmen ist, wenn das Gericht nicht von sich aus über entsprechende Sachkunde verfügt. Dies alles ist eher unproblematisch (Update: Einige Leser scheinen die augenzwinkernde Natur unseres Kommentars nicht in Gänze verstanden zu haben. Nein, die Beschädigung nicht verkehrsfähiger Güter führt natürlich nicht zu einer Schadensersatzpflicht des Schädigers!). Was wir uns aber nun fragen: Macht sich die Deutsche Post AG bei Zahlung des Schadensersatzes an den Kunden gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 13 BtMG strafbar? Schließlich werden „Geldmittel … einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12″ bereitgestellt.
Diese Frage erweist sich keinesfalls als abwegig, nachdem die Deutsche Post AG zuvor die Unterlassung einer AGB-Klausel erklärt hatte, nach welcher ein Beförderungsvertrag für ausgeschlossene Güter überhaupt nicht zustande kommen sollte. Da eine Individualvereinbarung stets Vorrang habe, so die Kammer, sei die Klausel unwirksam. Eine solche Individualvereinbarung liege vor, wenn ein Kunde auf den verbotenen Inhalt der Sendung hinweise und Mitarbeiter der Post sie dennoch annähmen. Die Deutsche Post AG hat es nicht gerade leicht …
Landgericht Köln
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
gegen Deutsche Post AG, …
hat die 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2012 durch … für Recht erkannt:
I.
Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Briefbeförderungsverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.4.1977, zu berufen:
6 Haftung
(1) Die Deutsche Post haftet für Schäden, die auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die sie, einer ihrer Leute oder ein sonstiger Erfüllungsgehilfe (§ 428 HGB) vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat, ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Haftungsbeschränkungen.
Das gilt nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Beförderung von nicht bedingungsgerechten Sendungen oder Sendungen, die ausgeschlossene Güter im Sinne des Abschnitts 2 Abs. 2 enthalten. ( … )
(2) Die Deutsche Post haftet im Übrigen für Verlust, Beschädigung und die nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Verpflichtungen nur, wenn für bedingungsgerechte Sendungen die in Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 genannten Zusatzleistungen vereinbart wurden. ( … )
Die Deutsche Post haftet ferner nicht für ausgeschlossene Sendungen gemäß Abschnitt 2 Absatz 2.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2012 zu zahlen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt für jede der Klauseln gemäß Ziffer I. 2.500,00 EUR, im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist ein in die Liste gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Er wendet sich gegen die im Tenor eingeblendeten Klausen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten BRIEF NATIONAL (im Folgenden: AGB). Abschnitt 2 Abs. 2 der AGB lautet:
„Die Deutsche Post schließt nur Beförderungsverträge für Sendungen, die keine ausgeschlossenen Güter (nachstehend aufgelistet) enthalten; der Absender kann die Übernahme von Sendungen, die ausgeschlossene Güter enthalten, nicht als Annahme seines Angebots auf Abschluss eines Beförderungsvertrags verstehen. Mitarbeiter der Deutschen Post und sonstige Erfüllungsgehilfen sind nicht berechtigt, Beförderungsverträge über Sendungen zu schließen, die ausgeschlossene Güter enthalten:
[Es folgt eine Auflistung der ausgeschlossenen Güter.]“
Wegen der weiteren Einzelheiten der AGB wird auf Anlage K 1 (BI. 13 d.A.) Bezug genommen. Inzwischen verwendet die Beklagte diese AGB nicht mehr.
Wegen der vorstehenden und der im Tenor eingeblendeten Klauseln mahnte der Kläger die Beklagte unter dem 24.6.2011 ab.
Er ist der Auffassung, dass Klausel des Abschnitts 2 Abs. 2 gegen den Vorrang der Individualabrede verstoße und den Kunden unangemessen benachteilige. Die im Tenor eingeblendeten Klauseln hält er für unvereinbar mit § 309 Nr. 7 b) BGB, soweit sie einen generellen Haftungsausschluss für von der Beförderung ausgeschlossene Güter regeln.
Der Kläger beantragt, – wie erkannt -.
Hinsichtlich der ursprünglich ebenfalls zur Unterlassung begehrten Verwendung der Klausel gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 der AGB haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte insoweit eine Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Unterlassungsanspruch komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sie die Klauseln nicht mehr verwende. Abschnitt 2 Abs. 2 der AGB verstoße nicht gegen den Vorrang der Individualabrede, weil die Klausel das Zustandekommen einer solchen gerade verhindere. Die Haftungsbeschränkungen des Abschnitts 6 seien nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe die Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen von den Verschuldensformen des HGB ausgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1.
Der Kläger kann gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1,4 UKlaG verlangen, dass die Beklagte die Verwendung der im Tenor eingeblendeten AGB-Klauseln unterlässt.
Die beiden nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung noch im Streit stehenden Klauseln, mit denen die Beklagte ihre Haftung im Zusammenhang mit der Beförderung von Sendungen, die ausgeschlossene Güter enthalten, in genereller Form ausschließt, verstoßen gegen § 309 Nr. 7 b) BGB.
Danach ist eine AGB-Klausel, welche die Haftung für Schäden aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzungen des Verwenders oder vorsätzlicher und grob fahrlässiger Pflichtverletzungen eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen ausschließt oder begrenzt, stets unzulässig. Dass dies auf die Haftungsausschlüsse für die Beförderung von Sendungen, die ausgeschlossene Güter enthalten, gemäß Abschnitt 6 der AGB der Beklagten zutrifft, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses ergibt sich auch nicht aus § 449 HGB. Diese Vorschrift lässt zwar in Abs. 1 und 2 Abweichungen von den Haftungsbestimmungen des HGB bei der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen zu. Wenn es sich um Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, müssen sie sich indessen im Rahmen der §§ 305 ff. BGB halten (Schaffert in: Ebenroth u.a., HGB, § 449, Rn. 23).
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Abschnitt 2 Abs. 2 der AGB dem Abschluss von Beförderungsverträgen für ausgeschlossene Güter entgegensteht. Diese Klausel ist wegen Verstoßes gegen den Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) und unangemessener Benachteiligung der Kunden der Beklagten (§ 307 Abs. 1 BGB) ebenfalls unwirksam (s.u. 3.).
Dass die Beklagte schließlich diese Klauseln in ihren aktuellen AGB nicht mehr verwendet, beseitigt die durch ihre frühere Verwendung begründete Wiederholungsgefahr nicht. Die Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden, welche die Beklagte indessen nur im Hinblick auf die Klausel gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 ihrer AGB abgegeben hat.
2.
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der begründeten Abmahnung folgt aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als die Parteien ihn in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Der Kläger hatte auch einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Klausel gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 der AGB der Beklagten.
Mit dieser Klausel sollte der Abschluss eines Vertrages für die dort aufgeführten vom Transport ausgeschlossenen Güter verhindert werden. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Klausel gegen den Vorrang der Individualabrede aus § 305b BGB verstößt. Das gilt jedenfalls für den Fall, dass ein Kunde auf den verbotenen Inhalt einer Sendung hinweist und die Mitarbeiter der Beklagten diese gleichwohl annehmen. Eine AGB-Klausel, die in direktem Widerspruch zu einer Individualabrede steht, ist unwirksam (Palandt-Grüneberg, BGB, § 305b, Rn. 3). Das kann für sich genommen zwar nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs nach § 1 UKlaG gemacht werden (Köhler/Bornkamm, UWG, § 1 UKlaG, Rn. 4). Die Unwirksamkeit der Klausel folgt aber auch aus § 307 Abs. 1 BGB, weil sie den Kunden, der für den Fall des Verlustes der angenommenen Sendung auf bereicherungsrechtliche Ansprüche verwiesen wird, unangemessen benachteiligt.
4.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert:
bis zur Erledigungserklärung: 7.500,00 EUR
danach: 5.000,00 EUR