LG Köln: Händler haftet bei Anhängen an bestehendes Amazon-Angebot für dortige Urheberrechtsverletzung

veröffentlicht am 7. Oktober 2022

LG Köln, Urteil vom 22.08.2022, Az. 14 O 327/21
§ 97 UrhG, § 19a UrhG

Das LG Köln hat entschieden, dass ein Händler, der sich bei Amazon an ein bestehendes Angebot anhängt, für Urheberrechtsverletzungen haftet, die in dem bestehenden Angebot bereits enthalten waren. Der Händler haftet sogar als „Täter“. Dabei nahm die Kammer Bezug auf die Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten des UWG und des Markenrechts (BGH, GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei B). Die Einstufung als Täterin folgt daraus, dass die Beklagte auf einer Internethandelsplattform in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot habe veröffentlichen lassen, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht habe, weil dem Plattformbetreiber die Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten sei. Die Kammer hielt die Erwägungen des BGH in den verwandten Rechtsgebieten für auf die urheberrechtliche Situation übertragbar. Die Haftung der Beklagten als Täterin sei auch nicht auf Grund des von ihr vorgetragene gescheiterte Versuch ausgeschlossen, bei Amazon nach der Abmahnung eine Löschung der streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Ein solches „Nachtatverhalten“ könne die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht beseitigen oder neutralisieren. Dieses Verhalten könne allenfalls in einer im Rahmen einer Zwangsvollstreckung durchzuführenden Prüfung, ob dem Unterlassungsgebot nachgekommen worden ist, maßgeblich werden. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Köln

Urteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, es für jeden Fall der Zuwiderhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

ohne Einwilligung der Klägerin nachfolgende Fotografien:

Bilddatei entfernt

welche Gegenstand des Bild- und Katalogwerkes „L“ sind, ohne Einwilligung der Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,

wenn dies geschieht wie in dem Angebot der Beklagten in ihrem gewerblichen Onlineshop auf B mit dem Namen „N“ bei dem Produkt „L“, illustriert in der Anlage K 2.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2021 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit insoweit teilweise erledigt ist, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, ob sie das streitgegenständliche Foto, näher konkretisiert im Klageantrag zu 1., noch auf anderen Portalen verwendet hat sowie mitzuteilen, wie lange das konkrete Foto auf dem Onlinemarktportal B sowie ggf. auf anderen Internetportalen durch sie verwendet wurde.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin hinsichtlich der im Antrag zu 1. gerügten urheberrechtlichen Verletzungshandlung zum Schadensersatz verpflichtet ist.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und zwar hinsichtlich der Unterlassung in Tenorziffer 1.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags
 
1Tatbestand:

2Die Klägerin ist eine Designerin sowie Herausgeberin im Bereich der Kunst. Daneben ist sie als Fotografin tätig und hat zusammen mit ihrem Lebenspartner, dem Künstler Herrn X S, unter anderem das Bilderwerk „L“ herausgegeben.

3Die Beklagte ist eine Online-Händlerin mit An- und Verkaufsservice im Bereich gebrauchter Medien, insbesondere Bücher. Sie nutzt hierfür ihre eigene Webseite N.de und das Verkaufsportal Amazon unter dem Account „N“. Die Beklagte vertreibt über ihren Onlineshop N auf dem Portal B.de etwa 7,6 Millionen Artikel jährlich. Pro Tag verkauft die Beklagte daher in der Regel um die 20.000-22.000 Artikel. Dabei hält sie etwa 4,65 Millionen (+/-100.000) verschiedene Artikel als ständiges Angebot bei B bereit. Üblicherweise verkauft die Beklagte nur Einzelstücke, d.h. gebrauchte Artikel, die nur einmal im Lagerbestand vorhanden sind.

4Das Werk „L“ als Buch wurde bei B angeboten, wobei die beiden im Klageantrag eingeblendeten Lichtbilder zur Bewerbung als Produktbild verwendet werden. Die B Produktseite besteht heute noch unverändert fort, jedoch ist aktuell kein Kauf möglich mangels verfügbarer Artikel.

5Die Beklagte „hängte sich“ an ein bereits vorhandenes Angebot bei B für das o.g. Buch an und verkaufte über B ein Exemplar des vorgenannten Buchs am 30.06.2021. Das Werkstück kaufte die Beklagte zuvor am 04.06.2021 an und hielt es bis zum Verkauf auf Lager und bot es wie oben beschrieben über B sowie auf der eigenen Webseite und auf F an. Auf der eigenen Webseite und auf F wurde dabei nur das Coverbild des Buchs als Produktbild verwendet.

6Die Beklagte führt ausführlich zur Funktionsweise des B Marktplatzes (siehe S. 2 ff. Klageerwiderung, Bl. 50 ff. GA). Die Beklagte hat keine Möglichkeit selbst Änderungen an der unter einer bestimmten ASIN hinterlegten Produktseite vorzunehmen, dies kann grds. nur B als Plattformbetreiber oder derjenige, der eine ASIN erstmals angelegt hat. Ein Wiederverkäufer hat nur die Möglichkeit, sich an den Seller Support von B zu wenden, und dort auf eine Änderung der Produktseite hinzuwirken.

7Auch Rechteinhaber können eine entsprechende Meldung an B senden und damit auf eine Löschung von Bildern etc. hinwirken.

8Die Klägerin ließ die Beklagte am 02.07.2021 abmahnen. Die Beklagte wies Ansprüche der Klägerin vorgerichtlich zurück.

9Die Klägerin behauptet, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, sie sei Urheberin der und Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Lichtbildern. Sie legt hochauflösende Dateien der Lichtbilder mit der Replik vor (Bl. 266 ff. GA).

10Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte als Täterin der rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Lichtbilder auf B hafte. Ihr Nachtatverhalten bezüglich behaupteter Meldung an B ändere an ihrer Haftung nichts.

11Die Klägerin hat zunächst die Klageanträge wie folgt angekündigt:

121. Die Beklagte wird es für jeden Fall der Zuwiderhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten

13untersagt,

14ohne Einwilligung der Klägerin nachfolgende Fotografien:

15Bilddatei entfernt

16welche Gegenstand des Bild -/ und Katalogwerkes „L“ sind, ohne Einwilligung der Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn dies geschieht wie in dem Angebot der Beklagten in ihrem gewerblichen Onlineshop auf B mit dem Namen „N“ bei dem Produkt „L“, illustriert in der Anlage K. 2.

172. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2021 zu zahlen.

183. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, ob sie das streitgegenständliche Foto, näher konkretisiert im diesseitigem Antrag zu 1., noch auf anderen Portalen verwendet hat sowie mitzuteilen, wie lange das konkrete Foto auf dem Onlinemarktportal B sowie ggf. auf anderen Internetportalen durch sie verwendet wurde.

194. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin hinsichtlich der im Antrag zu 1. gerügten urheberrechtlichen Verletzungshandlung zum Schadensersatz verpflichtet ist.

20In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Klageantrag zu 3.) für erledigt erklärt.

21Sie stellt die Klageanträge zu 1.), 2.) und 4.) in der oben ersichtlichen Fassung.

22Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung der Klägerin nicht zugestimmt.

23Die Beklagte beantragt,

24Klageabweisung.

25Die Beklagte behauptet, was die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass sie den B Marketplace im Rahmen vollautomatisierter Massenauflistung über das sog. Marketing Web Services Tool erstellt. Das vorliegende Angebot sei nicht von der Beklagten erstmals angelegt worden. Sie habe die streitgegenständlichen Lichtbilder nicht bei B hochgeladen.

26Sie behauptet ferner, ebenfalls durch die Klägerin mit Nichtwissen bestritten, dass mit E-Mail vom 19.07.2021 (Anlage B3) die Justiziarin der Beklagten, Frau B C, nachdem sie Mitteilung von dem hiesigen Vorgang erhalten hatte, einen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn S X, aufgefordert habe, den Verkäufersupport von B zu kontaktieren, um auf die etwaige Rechtsverletzung aufmerksam zu machen und diese abzustellen. Herr X sei in der Position des „Product Owners Books & Media” tätig und führe u.a. die Kommunikation mit dem Verkäufersupport von V. Herr X habe am selben Tage Amazon informiert und einen sog. Case unter der Referenznummer 00000 geöffnet (Anlage B4). Noch am selben Tage habe die Beklagte die Rückmeldung des B Verkäufersupports erhalten, dass eine Änderung der Produktinformation nicht vorgenommen werden könne, da die Beklagte das Produkt nicht aktiv verkaufe (Anlage B5).

27Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei mangels hinreichenden Nachweises ihrer Rechtsinhaberschaft nicht aktivlegitimiert. Die Beklagte sei auch weder Täterin noch Störerin einer Urheberechtsverletzung. Sie habe sich die Inhalte auch nicht zu eigen gemacht. Es sei ihr vor allem nicht zumutbar, die Geschäftstätigkeit auf dem Marktplatz B aufgrund der mit der ASIN-Nutzung einhergehenden Risiken einzustellen. Eine allgemeine Kontrollpflicht sei unangemessen, zumal die Beklagte keine Möglichkeit zur Einstellung der Rechtsverletzung auf B.de habe. Die Beklagte könne sich auf die gleichen Haftungsprivilegierungen wie Suchmaschinen und Host-Provider berufen. Sie könne sich außerdem auf die Privilegierung von § 10 TMG berufen.

28Die Beklagte meint hilfsweise, ein Anspruch der Klägerin sei wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, weil die Klägerin bei B leicht die Löschung ihrer streitgegenständlichen Lichtbilder herbeiführen könne.

29Der Auskunftsantrag sei durch die Angaben in der Klageerwiderung erfüllt.

30Entscheidungsgründe:

31Die zulässige Klage ist begründet.

32I. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Köln ist angesichts der Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Lichtbilder über das Verkaufsportal B auch im hiesigen Gerichtsbezirk nach § 32 ZPO örtlich zuständig. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken, insbesondere ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das für die Schadensersatzfeststellung im Klageantrag zu 4.) nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus der Notwendigkeit der Auskunft für die konkrete Berechnung des gem. § 97 Abs. 2 UrhG in dreifacher Hinsicht berechenbaren Schadensersatzes.

33II. Die Klage ist begründet.

341. Unterlassung, Antrag zu 1.)

35Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Lichtbilder aus §§ 97 Abs. 1, 19a, 72 UrhG.

36a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Davon ist die Kammer nach § 286 ZPO nach Vorlage der hochauflösenden Dateien und der RAW-Dateien der im Klageantrag eingeblendeten Lichtbilder im Wege des Indizienbeweises überzeugt. Eine Beweisaufnahme zu diesem Punkt bedarf es nicht. Die streitgegenständlichen Lichtbilder sind zudem jedenfalls nach § 72 UrhG geschützt.

37Nach der Rechtsprechung der Kammer stellt die Vorlage von hochauflösenden und unbearbeiteten RAW-Dateien von Fotografien ein starkes Indiz dafür dar, dass die entsprechenden Aufnahmen von der sich im Besitz dieser Dateien befindenden Partei aufgenommen worden ist (vgl. etwa Urteil der Kammer vom 24.08.2017 – 14 O 111/16, BeckRS 2017, 128738 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 18.09.2014 – I ZR 76/13GRUR 2015, 258 – CT –Paradies). Denn nach der Lebenserfahrung ist nur der Fotograf selbst im Besitz der RAW-Dateien. So liegt der Fall hier.

38Die Kammer hat die aktenkundigen RAW-Dateien in Augenschein genommen und die Übereinstimmung mit den im Klageantrag eingeblendeten Lichtbilder feststellen können. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass diese Dateien im vorliegenden Fall entgegen der oben geschilderten Lebenserfahrung nicht der Klägerin wegen deren Fotoerstellung zur Verfügung stehen, werden von der Beklagten nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte trägt auch nichts dazu vor, dass eine andere Person als Ersteller/in der Lichtbilder in Betracht kommt.

39b) Die Lichtbilder wurden über B.de öffentlich zugänglich gemacht gem. § 19a UrhG, dies war auch jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung immer noch der Fall. Die beiden streitgegenständlichen Lichtbilder sind als Produktbilder auf der B Produktseite abrufbar.

40c) Die Beklagte haftet für diese öffentliche Zugänglichmachung auch als Täterin. Nach der Rechtsprechung der Kammer in den Fällen des sog. „Anhängens an B Angebote“ ist grundsätzlich unter Rückgriff auf des Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten des UWG und des Markenrechts (siehe BGH, GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei B) von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer auszugehen. Die Passivlegitimation als Täterin folgt daraus, dass die Beklagte auf einer Internethandelsplattform in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlichen lässt, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten ist. Die Kammer hält die Erwägungen des BGH in den verwandten Rechtsgebieten für auf die urheberrechtliche Situation übertragbar; im Rahmen der hier maßgeblichen Grundsätze der deliktsrechtlichen Haftung ist von einem Gleichlauf auch im Urheberrecht auszugehen. Insbesondere die Gefahr, dass der Plattformbetreiber bei einem Angebot unter dessen alleiniger Entscheidungshoheit Lichtbilder ohne ausreichende Berechtigung verwendet, ist für die Beklagte als sich an das durch den Plattformbetreiber gestaltete Angebot „anhängender“ Händler nicht allgemein unvorhersehbar. Der Beklagten als Händlerin ist diese Gefahr demnach zuzurechnen, sie ist adäquat kausale Folge der Angebotserstellung unter den Bedingungen des B Markplatzes.

41Hinzu kommt, dass die Kammer in vergleichbaren Fallkonstellationen auch bereits vor der oben zitierten Rechtsprechung des BGH von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer ausgegangen ist (vgl. Urteil der Kammer vom 16.06.2016, Az. 14 O 355/14, BeckRS 2016, 20192). Für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung besteht nach der diese Linie bestätigenden Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten kein Anlass. Demnach gilt weiterhin, dass ein Anbieter, welcher seine Produkte auf der Verkaufsplattform B eingepflegt hat, sich die dortigen Angaben für das von ihm als Verkäufer angebotene und beworbene Produkt zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte selbst nicht die streitgegenständlichen Lichtbilder in ihre Angebote eingeblendet hat, sondern die Zuordnung der Lichtbilder zu dem Angebot von Seiten des Unternehmens B erfolgt und die Beklagte auf die Auswahl der Lichtbilder keinen Einfluss hat.

42Die Täterschaft der Beklagten ist auch deshalb anzunehmen, weil sie die Herrschaft über die eigene Urheberrechtsverletzung hat. Der Tatbeitrag der Beklagten zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung der öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder der Klägerin, liegt in der Einstellung des Verkaufsangebotes unter der bereits vorhandenen „ASIN“ und der dazugehörigen Artikelseite bei B. Die Beklagte war damit nicht nur unselbstständige Hilfsperson, da sie eigene Entscheidungsbefugnis und Herrschaft über die Rechtsverletzung hatte (vgl. zur Abgrenzung zwischen Täter und unselbständigen Hilfspersonen: BGH Urteil vom 05.11.2015, I ZR 88/13 – Al di Meola, juris Rn. 20). Sie hat es jederzeit in der Hand eine eigene Urheberrechtsverletzung zu beenden bzw. gar nicht erst zu beginnen.

43Die Beklagte hat das Produkt, für welche die streitgegenständlichen Lichtbilder geworben haben, auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung den Nutzern der Internetplattform zum Verkauf angeboten und nach eigener Auskunft einmal verkauft. Damit hat die Beklagte zugleich den Eindruck vermittelt, sie übernehme die Verantwortung für das konkrete Angebot. Dies gilt auch für die Lichtbilder, mit welchen das Angebot versehen ist, da der Nutzer davon ausgeht, dass diese den Zustand des angebotenen Produktes zutreffend wiedergeben.

44Wer aber eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten herstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (vgl. BGH, Urteil v. 05.11.2015 – I ZR 88/13 – Al di Meola, GRUR 2016, 493 – 495, Rn. 20 f.). Aus diesem Grunde sind auch die Einwendungen der Beklagten zu ihrem vollautomatisierten Geschäftsmodell, bei dem keine Prüfung der einzelnen Angebote bei B stattfinde, unerheblich. Das Risiko von Urheberrechtsverletzungen haftet einem solchen Geschäftsmodell der Beklagten an, zumal die Problematik von Urheberrechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen einem Händler mit den Umsätzen der Beklagten generell bekannt sein muss und sie trotzdem ihr Geschäftsmodell ohne hinreichende Prüfung beibehält. Es kann insoweit auch wertungsmäßig nicht zulasten der Rechtsinhaber von Lichtbildern gehen, wenn ein „sich anhängender“ Verkäufer mit Verweis auf eine Automatisierung seiner Prozesse die Kontrolle seiner Verkaufsangebote unterlässt. Es besteht auf der Ebene der Passivlegitimation dann schlicht kein Unterschied zu einem Händler, der händisch Angebote erstellt und dabei eine Prüfung unterlässt. Soweit die Beklagte hier vorträgt, eine ihr aufzubürdende allgemeine Kontrollpflicht von B Angeboten sei unangemessen, zumal die Beklagte keine Möglichkeit zur Einstellung der Rechtsverletzung auf B.de habe, überzeugt dies nicht. Die Beklagte treffen dieselben Kontrollpflichten wie jeden anderen Marktteilnehmer, der sich bei B bestehenden Angeboten „anhängt“. Die Beklagte macht nur deutlich, dass sie diese Kontrollpflichten schlicht ignoriert.

45Die Beklagte kann sich auch nicht auf Haftungsprivilegien berufen wie sie in der Vergangenheit etwa Betreibern von Suchmaschinen und Host-Providern von der Rechtsprechung eingeräumt worden sind. Denn die Beklagte ist weder das eine noch das andere. Sie ist eine Händlerin, die auf eigene Rechnung Waren verkauft, und erbringt damit keine vergleichbar schützenswerte Leistung für die Funktionsfähigkeit des Internets. Auch auf § 10 TMG kann sich die Beklagte nicht berufen, weil keine fremden Informationen für einen Nutzer gespeichert werden. Vielmehr speichert die Beklagte hier nur eigene Informationen gem. § 7 TMG, nämlich ihren Warenbestand, auf B (vgl. auch insoweit BGH Urteil vom 05.11.2014, I ZR 88/13 – Al di Meola, juris Rn. 22).

46Soweit die Beklagte meint, es sei ihr nicht zumutbar, die Geschäftstätigkeit auf dem Marktplatz B aufgrund der mit der ASIN-Nutzung einhergehenden Risiken einzustellen, ist die Relevanz für das vorliegende Verfahren nicht ersichtlich. Die Klägerin fordert keine Einstellung der gesamten Geschäftstätigkeit, sondern die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Lichtbilder durch die Beklagte. Dies vermag die Beklagte durch eigene Maßnahmen zu verhindern, sei es nur durch Sperrung der entsprechenden ASIN des mit den streitgegenständlichen Lichtbildern beworbenen Produkts in ihrem vollautomatischen Systems.

47Einer Haftung der Beklagten steht auch nicht der von ihr vorgetragene Versuch entgegen, bei B eine Löschung der zwei streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Dabei kann die Kammer diesen durch aktenkundige E-Mail Korrespondenz vorgetragenen Versuch, der von Klägerseite unqualifiziert bestritten worden ist, unterstellen. Die Kammer kann auch offenlassen, ob die Beklagte B hinreichend auf die Problematik hingewiesen hat und ob B zu Unrecht eine Löschung der Lichtbilder abgelehnt hat. Denn die Beklagte hat unstreitig bereits vor Kontaktaufnahme zu B das konkret angegriffene Angebot bei B eingestellt und einen Verkauf getätigt, sodass hier bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Anknüpfungspunkte der Haftung erfüllt waren. Das von der Beklagten vorgetragene und von der Klägerin zutreffend als „Nachtatverhalten“ bezeichnete Vorgehen kann damit die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht beseitigen oder neutralisieren. Dieses Verhalten kann allenfalls in einer im Rahmen einer Zwangsvollstreckung durchzuführenden Prüfung, ob dem Unterlassungsgebot nachgekommen worden ist, maßgeblich werden (vgl. etwa BGH, GRUR 2018, 1183 – Wirbel um Bauschutt, u.a. zur Einwirkung auf Google wegen Löschung aus dem Cache nach erfolgter Rechtsverletzung).

48Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des OLG München (Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15, GRUR-RR 2016, 316) stützt, so ist die Kammer der Ansicht, dass diese Rechtsprechung im Widerspruch zu den oben genannten Fundstellen des BGH steht. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG München nicht an, insbesondere nicht soweit dort ein vom Wettbewerbsrecht abweichendes Modell der Bewertung der Täterhaftung angenommen wird.

49d) Die Beklagte handelte auch rechtswidrig, da sie sich weder auf eine Zustimmung der Klägerin, noch auf Schranken des Urheberrechts berufen kann.

50e) Die Wiederholungsgefahr ist durch die oben beschriebene Rechtsverletzung indiziert und sie wurde nach Abmahnung nicht durch Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt. Weitere Verletzungen drohen auch ganz konkret aus der Beschreibung des automatisierten und ungeprüften Geschäftsmodells der Beklagten, da beim automatisierten Ankauf des hier mit den Lichtbildern beworbene Buches automatisch wieder ein „Anhängen“ an das bestehende B Angebot erfolgen wird.

51f) Die Klägerin handelt im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht rechtsmissbräuchlich.

52Zum Rechtsmissbrauch im Urheberrecht gilt nach der Rechtsprechung des BGH was folgt: Im Wettbewerbsrecht ist die Geltendmachung von Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG aF bzw. § 8c UWG nF unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Eine missbräuchliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung führt hingegen grundsätzlich (anders als im Wettbewerbsrecht) nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs und zur Unzulässigkeit einer nachfolgenden Klage (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 106/10, GRUR 2013, 176 Rn. 14 f. = WRP 2013, 336 – Ferienluxuswohnung).  Eine dem § 8 Abs. 4 S. 1 UWG aF bzw. § 8c UWG nF entsprechende Norm kennt das Urheberrechtsgesetz nicht. Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG aF bzw. § 8c UWG nF im Urheberrecht kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke besteht. Allerdings gilt auch für urheberrechtliche Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB. Die im Wettbewerbsrecht zur missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen entwickelten Rechtsgrundsätze beruhen gleichfalls auf dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung. Sie können daher unter Berücksichtigung der zwischen den beiden Rechtsgebieten bestehenden Unterschiede grundsätzlich auch für das Urheberrecht fruchtbar gemacht werden. Von einem Missbrauch iSv § 8 Abs. 4 S. 1 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein; vielmehr reicht es aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Missbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt. Ebenso stellt es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten (BGH Vers.-Urt. v. 28.5.2020 – I ZR 129/19, GRUR 2020, 1087 – Al di Meola II m.w.N.).

53Diese (strengen) Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass das beherrschende Motiv der Klägerin bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Vielmehr setzt die Klägerin ihre berechtigten Ansprüche im Zusammenhang mit den eigenen Schutzrechten durch. Dabei hat die Kammer zur Kenntnis genommen, dass das zum Gegenstand der konkreten Verletzungsform gemachte B Angebot auch zum Tage der mündlichen Verhandlung und damit fast ein Jahr nach Einreichung der Klage noch mit den streitgegenständlichen Lichtbildern der Klägerin bebildert war, obwohl – unstreitig – Rechtsinhaber wie die Klägerin sich an B wenden können, um Rechtsverletzungen zu melden und damit auf eine Beseitigung hinzuwirken.

54Im vorliegenden Fall ist das Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte jedoch angesichts der oben beschriebenen Rechtsverletzung der Beklagten vor der Abmahnung und vor den Versuchen der Beklagten, auf B einzuwirken, nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die Kammer hält dies vielmehr für eine berechtigte Durchsetzung der eigenen Schutzrechte. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung dazu beigetragen haben könnte, das B Angebot, an das sich die Beklagte angehängt hat, missbräuchlich zu nutzen, ist weder von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Der bloße Hinweis der Beklagten auf die Existenz eines Kontaktformulars für Rechtsinhaber bei B genügt hierfür nicht. Ein Missbrauch im konkreten Fall liegt auch deshalb fern, weil ausweislich des B Angebots das angebotene Buch erst im Jahr 2021 erschienen ist und auch das Angebot sowie der Verkauf der Beklagten im Jahr 2021 erfolgt sind.

552. Ersatz von Rechtsverfolgungskosten, Antrag zu 2.)

56Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus § 97a Abs. 3 UrhG in Höhe von 1.054,10 €. Die Abmahnung ist ausweislich der obigen Ausführungen berechtigt und zudem wirksam gem. § 97a Abs. 2 UrhG. Der angesetzte Gegenstandswert von 13.000,- € ist nicht zu beanstanden. Der Anspruch ist der Höhe nach korrekt berechnet und besteht aus der 1,3 Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG zu 865,80 €, der Auslagenpauschale nach Ziffer 7001 VV RVG zu 20,00 € und der Umsatzsteuer (Ziffer 7008 VV RVG) zu 168,30 €.

57Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB und ist jedenfalls mit Ablauf der im Anwaltsschreiben der Klägerin vom 24.08.2021 gesetzten Frist bis zum 30.08.2021 begründet.

583. Auskunft, Antrag zu 3.)

59Durch die einseitig gebliebene Teilunterlassungserklärung mit Blick auf den Klageantrag zu 3.) hat sich das klägerische Begehren in ein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Erledigung gewandelt. Das hierfür notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO liegt in der Abwendung der Kostenlast.

60Der Rechtsstreit hat sich hinsichtlich des mit dem Klageantrag zu 3.) geltend gemachten Auskunftsanspruchs durch Erfüllung nach Rechtshängigkeit erledigt. Der Klageantrag zu 3.) war zunächst zulässig und begründet und ist nach Rechtshängigkeit durch Erfüllung unbegründet geworden. Dieser Auskunftsanspruch ist gewohnheitsrechtlich als akzessorischer Auskunftsanspruch bei einer urheberrechtlichen Rechtsverletzung anerkannt. Die Rechtsverletzung ist wie oben ausführlich dargestellt gegeben. Auch ist das für den vorzubereitenden Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG notwendige Verschulden gegeben. Insoweit sind im Urheberrecht strenge Sorgfaltsanforderungen zu stellen. Hier hat die Beklagte mindestens fahrlässig gehandelt, indem sie sich unstreitig ohne jegliche Kontrolle des B Angebots „angehängt“ hat. Ein solches Verhalten lässt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, die es gebietet, im Zweifel die Rechtekette vom Urheber bis zum Nutzer nachzuvollziehen und im Zweifel eine Nutzung fremder Schutzgegenstände zu unterlassen, außer Acht.

61Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die mitgeteilten Informationen in der Klageerwiderung hinreichend für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs gem. § 362 Abs. 1 BGB sein dürften. An dieser Auffassung hält die Kammer weiterhin fest. Die Beklagte hat mit Erfüllungswillen alle im Antrag begehrten Informationen erteilt. Hinweise auf eine unvollständige oder nicht ernsthafte Auskunft bestehen nicht.

624. Schadensersatzfeststellung, Antrag zu 4.)

63Der Kläger hat im Einklang mit den obigen Ausführungen auch einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 97 Abs. 2, 19a, 72 UrhG. Das notwendige Verschulden liegt wie oben zu Ziffer 3.) bereits ausgeführt vor.

64III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.

65IV. Der Streitwert wird auf 15.600,00 EUR festgesetzt.

66Antrag 1.) = 12.000,- EUR

67Antrag 2.) ohne Ansatz nach § 4 ZPO

68Antrag 3.) = 600,- EUR

69Antrag 4.) = 3000,- EUR

I