LG Köln: Weiterempfehlungs-E-Mails sind nicht zwangsläufig wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 16. Dezember 2013

LG Köln, Urteil vom 23.10.2012, Az. 11 S 122/12
§ 823 BGB, § 1004 BGB

Das LG Köln hat entschieden, dass eine Weiterempfehlungs-E-Mail für eine Webseite, die durch Dritte an von diesen angegebene E-Mail-Adressen versandt werden kann, nicht per se wettbewerbswidrig ist. Enthalte die E-Mail außer dem Verweis auf die empfohlene Seite keine weiteren werbenden Inhalte und habe die Seitenbetreiberin alles Zumutbare getan, um einen Missbrauch der Funktion auszuschließen, sei nicht von einem unlauteren Verhalten auszugehen. Der BGH hat diese Entscheidung allerdings revidiert und erklärt, dass Empfehlungs-E-Mails ebenso wie unerwünschte Werbe-E-Mails zu beurteilen seien (hier). Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Köln

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.02.2012 (138 C 576/11) wird zurückgewiesen bei folgender Neufassung der Kostenentscheidung des bezeichneten amtsgerichtlichen Urteils:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu ¾ der Kläger und zu ¼ die Beklagte.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil sowie das – im obig bezeichneten Umfange neugefasste – Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.02.2012 (138 C 576/11) sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus diesem oder dem bezeichneten amtsgerichtlichen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der jeweiligen Entscheidung vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht, nach Erledigung eines Auskunftsanspruches vor Ergehen des angegriffenen Urteils, mit seiner Klage zuletzt noch Unterlassungsansprüche wegen Email-Kontaktierungen („Empfehlungs“-Emails für die Seiten www.anonym1.com, www.anonym1.com/Newsletter-Anmeldung.newsletter-anmeldung.0.html und www.anonym1.com/Datenschutzerklaerung. 9518.0.html, Verifikations-Emails für die Aufnahme in einen „Newsletter“-Verteiler und diverse so bezeichnete „Test“-Emails) geltend.

Die Beklagte, eine auf dem Gebiete der Außenwerbung tätige Firma, unterhält einen Netzauftritt, der u.a. eine Weiterempfehlungsfunktion umfasst, durch die Dritte bei Angabe ihrer (von der Beklagten ungeprüften) Email-Adresse eine Weiterempfehlungs-Email an eine einzugebende Email-Adresse eines Dritten veranlassen können. Dabei enthält eine solche generierte Email ausschließlich den Verweis auf die Empfehlung der empfohlenen Seite; weitergehende, vom Versender nicht erkennbare Inhalte enthält eine solche Email nicht. Wie immer geartete – über das bloße zur Verfügung stellen der Weiterempfehlungsfunktion hinausgehende – Anreize für die Benutzung dieser Funktion schafft die Beklagte nicht. Die Weiterempfehlungsfunktion wurde im Jahre 2011 weniger als 200mal benutzt.

Der Kläger erhielt am 26.12.2010 eine über den Netzauftritt der Beklagten generierte „Seitenempfehlungs-Email“, mittels derer auf den Netzauftritt der Beklagten hingewiesen wurde. Die Beklagte wurde daraufhin vom Kläger, der eine solche Zusendung von Emails nicht wünschte, abgemahnt. Am 28.01.2011 kam es zu einer erneuten Empfehlungs-Email an den Kläger, diesmal betreffend eine Seite auf der die Aufnahme in den Verteiler für Informationsschreiben („Newsletter“) der Beklagten beantragt werden konnte, sowie einer Email zur Bestätigung des Erhaltes solcher Informationsschreiben. Auf weitere Beschwerde des Klägers erklärte sich die Beklagte bereit, die betroffene Email-Adresse des Klägers für ihre Weiterempfehlungsfunktion zu sperren. Dazu richtete sie eine „schwarze Liste“ ein, auf der sie Email-Adressen einpflegte, die dadurch für weitere Kontaktierungen über die Seiten der Beklagten gesperrt waren. Weiterhin richtete sie eine Sicherheitsabfrage („Captcha-Code“) für die Benutzung der Weiterempfehlungsfunktion ein, um Versand von Emails durch missbräuchliche Benutzung ihrer Weiterempfehlungsfunktion durch automatischen Zugriff von Dritten (durch sog. „Spam-Roboter“) zu verhindern. Außerdem beauftragte sie einen professionellen Email-Anbieter, der über ein sog. „White Listing“-Zertifikat verfügte, um bestmöglichen Schutz vor Spam-Emails zu gewährleisten.

Im September 2011 erhielt der Kläger innerhalb einer Minute auf einer weiteren von ihm innegehaltenen Email-Adresse sechs weitere über die Seiten der Beklagten generierte Weiterempfehlungs-Emails. Der Kläger mahnte die Beklagte daraufhin neuerlich ab, woraufhin die Beklagte die Sperrung aller Email-Adressen des Klägers für die Weiterempfehlungsfunktion anbot.

Am 06.10.2011 erhielt der Kläger im Zeitraum von 13:34 bis 14:31 Uhr insgesamt acht Emails der Beklagten, die laut Betreffzeile oder Text als „Test-Emails“ bezeichnet wurden.

Hinsichtlich des Inhaltes und des genauen Sende- bzw. Zugangsdatums der bezeichneten Emails wird auf die Anlagen K 1, 3f., 6 – 11, 13 – 21 (Bl. 9, 12f., 15 – 20, 25 – 32 d. A.) Bezug genommen.

Nachgehend richtete die Beklagte ihre Weiterempfehlungsfunktion so um, dass zugleich mit einer Email-Adresse auch die zugehörige IP-Adresse in der Sperrliste Aufnahme findet und zudem innerhalb von 20 Minuten nur eine Email an die gleiche IP-Adresse versendet werden kann.

Der Kläger hat behauptet, die „Test-Emails“ vom 06.10.2011 hätten keinen Testzwecken gedient, sondern seien gezielt belästigend gewesen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte ihre Sperrlistenfunktion auch auf einer von ihr eingerichteten Adresse testen können. Im Übrigen ist er der Auffassung gewesen, dass er sämtliche streitgegenständlichen Emails, die allesamt werblichen Inhaltes seien, nicht zu dulden habe und ihm schon bei einmaligem Zugang ein Unterlassungsanspruch zustehe. Er könne, auch als Rechtsanwalt, der bewusst die Möglichkeit von Email-Kontakten eröffne, Dritten diesen Kommunikationsweg „Email“ vollständig versagen. Der Kläger hat insgesamt die Ansicht vertreten, nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sei ein ausreichender Schutz vor weiteren Email-Kontakten seitens der Beklagten gegeben.

Mit Klageschrift vom 12.10.2011, bei Gericht eingegangen am 18.10.2011, hat der Kläger zunächst Unterlassung sowie Auskunft über bei der Beklagten gespeicherte Daten begehrt. Der Antrag auf Auskunft ist vor Ergehen des erstinstanzlichen Urteils für erledigt erklärt worden.

Die Beklagte hat behauptet, die „Test-Emails“ seien an den Kläger im Rahmen der Eintragung der Klägeradressen in die eingerichtete Adresssperrliste erfolgt. Außerdem hat sie behauptet, die streitgegenständlichen Emails seien vom Kläger selbst verschickt oder jedenfalls veranlasst worden. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die an den Kläger ergangenen Emails keine wettbewerbswidrige Werbung i.S.d. UWG darstellen und sie nicht als Störerin anzusehen sei, da der Email-Versand durch Dritte veranlasst werde. Hinsichtlich ihres „Newsletters“ entspreche die Gestaltung ihres Netzauftrittes dem Prinzip der doppelten Einwilligung. Der Kläger habe zudem Kontaktierungen wie die streitgegenständlichen hinzunehmen, wenn er ein Email-Postfach unterhalte. Ihre Weiterempfehlungsfunktion sei sozialadäquat. Sie habe durch die Ausgestaltung ihrer Weiterempfehlungsfunktion alles ihr Mögliche veranlasst, um vom Kläger unerwünschte Emails an diesen zu verhindern. Email-Versendungen an ihr noch unbekannte Email-Adressen des Klägers seien von ihr ohne Aufgabe ihrer Weiterempfehlungsfunktion nicht zu verhindern.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die klägerischen Ansprüche, soweit über sie im Augenblick der letzten mündlichen Verhandlung noch zu entscheiden war, unter Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er bezieht sich auf seinen Vortrag in erster Instanz und seine dort vertretenen Rechtsansichten; weiterhin wendet er sich gegen die Ansicht des Amtsgerichtes, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage nicht bestehe. Wegen des weiteren Vortrages in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der Berufungsschrift vom 16.02.2012 und des Schriftsatzes vom 23.05.2012 sowie des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 03.10.2012 verwiesen.

Er beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen amtsgerichtlichen Urteils

1) der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte an deren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu untersagen, mit ihm, dem Kläger, zur Aufnahme eines erstmaligen Kontakts per Email Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt;

2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 338,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

3) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag des Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 453,00 € ab Eingang des Betrages bei Gericht zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen des weiteren Vortrages in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 28.03.2012 und des Schriftsatzes vom 10.09.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung oder einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung noch auf einem Mangel des Verfahrens in erster Instanz.

Allerdings kann die Abweisung der Klage nicht auf die Annahme fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses gestützt werden. Das folgt schon daraus, dass nicht auszuschließen ist, dass es zu einem Versand neuer Emails an noch nicht bekannte oder ggfs. auch noch nicht existente Email-Adressen des Klägers kommt.

Der Begründetheit des Unterlassungsbegehrens des Klägers, das dahingehend auszulegen ist, dass die Beklagte den Kläger nicht neuerlich über weitere, bisher noch nicht angeschriebene Email-Adressen kontaktiert, steht auch nicht entgegen, dass dieses zu unbestimmt wäre. Der Antrag läuft auf ein Kontaktverbot an beliebige Adressen des Klägers hinaus, insgesamt also mit dem Kläger neuerlich per Email in Kontakt zu treten. Der Gegenstand des Unterlassens ist somit ausreichend bestimmt, seine extensive Reichweite eine Frage der Begründetheit. Nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass der Kläger beantragt, dass anzuordnende Ordnungshaft an „den Geschäftsführern der Beklagten“ (die Beklagte ist im Übrigen eine AG) zu vollziehen sei, da die Ordnungshaft stets gegen die zur Vertretung der juristischen Person berufene(n) natürliche(n) Person(en) ergeht (vgl. etwa Stöber in Zöller, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 890, Rn. 6).

Sodann kann sich die Beklagte, soweit nicht die „Test“-Emails betroffen sind, die evident keinen werbenden Charakter haben, nicht darauf zurückziehen, dass den streitgegenständlichen Empfehlungs-Emails bzw. „Newsletter“-Emails kein werbender Charakter innewohnte. Denn ein werbender Charakter kann den betreffenden Emails, die die Adresse eines gewerblichen Internet-Auftrittes bekanntgeben bzw. den Versand von elektronischen Informationsschreiben vorbereiten, nicht abgesprochen werden (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., 2009, § 7 UWG, Rn. 200 mit Verweis auf LG Berlin zur Newsletter-Anfrage sowie OLG Nürnberg, Urteil vom 25.10.2005, 3 U 1084/05, juris-Rn. 45: „Werbung im weitesten Sinn“).

Jedoch ist der klägerische Antrag auf Untersagung – auch in Ansehung des Vorbringens des Klägers in seinem Schriftsatz vom 03.10.2012 – gleichwohl unbegründet, ein Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB wegen eines Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb des Klägers besteht nicht.

Zwar besteht grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch gegenüber Emails insbesondere werbenden Inhaltes, der im Falle werbender Inhalte bereits bei erstmaligem Zugang einen Unterlassungsanspruch begründet (vgl. etwa Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., 2012, Fezer, UWG, 1. Aufl. 2010, Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., 2010, Nomos-Komm zum UWG, 1. Aufl. 2010, Lehmler, UWG, 1. Aufl. 2007, Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., 2009).

Diesbezüglich ist jedoch zunächst festzustellen, dass ein solcher Unterlassungsanspruch schon bei einmaligem Email-Zugang nicht mehr mit Blick auf die Emails im Dezember 2010 bzw. Januar 2011 in Betracht kommt. Denn nach Abmahnung der Beklagten wegen der Email-Kontakte gestaltete die Beklagte ihre Empfehlungsfunktion im Februar 2011 um, woraufhin seitens des Klägers bis zum September 2011 nach neuerlichem Erhalt von Emails keinerlei weitere Reaktion mehr erfolgte. Somit sind die Emails von Dezember 2010 bzw. Januar 2011 als „verbraucht“ anzusehen in dem Sinne, dass der Kläger die Beklagte ihretwegen nicht mehr wegen einmaliger Beeinträchtigung auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Beachtlich sind sie damit nur in Verbindung mit den weiteren Emails von September und Oktober 2011.

Aber auch im Übrigen gilt, dass im vorliegend zu beurteilenden streitgegenständlichen Sachverhalt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles kein Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB besteht, und zwar weder i.V.m. den Wertungen des § 7 UWG, soweit Emails werblichen Inhaltes betroffen sind, noch im Übrigen, insoweit keine werblichen Inhalte betroffen sind.

Im Hinblick auf die Seitenempfehlungs-Emails einschließlich derjenigen mit Bezug auf den „Newsletter“ der Beklagten und auf die „Newsletter“-Bestätigungsanfrage-Emails ist zunächst nicht davon auszugehen, dass der Antrag nicht schon ohne Weiteres unter Rückgriff auf Billigkeits- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte als unbegründet anzusehen ist. Zwar wird z.T. für weit weniger schwerwiegende Sachverhalte die Möglichkeit eines Einwandes der Unverhältnismäßigkeit nach § 242 BGB gesehen, zum Beispiel im Falle des Versands von Emails durch Dritte von deren werbefinanzierten kostenlosen Email-Postfächern, die Werbung von – in Anspruch genommenen – Dritten enthalten (etwa von Köhler in Köhler/Bornkamm. a.a.O., R. 199). Im hiesigen Fall kann aber – trotz des geringen Werbeanteils und der geringen Speichergröße der Empfehlungs- oder Newsletter-Bestätigungs-Emails – von einer solchen Unverhältnismäßigkeit nicht eo ipso ausgegangen werden. Denn durch die streitgegenständlichen Empfehlungs- bzw. Newsletter-Bestätigungs-Emails ist der Email-Postfach-Inhaber gezwungen, den Inhalt der übermittelten Emails zu prüfen (vgl. auch Mankowski in Fezer, a.a.O., Rn. 198 und Ubber in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., Rn. 203), auch wenn zu berücksichtigen ist, dass über die Bekanntgabe der Adresse des Netzauftrittes der Beklagten bzw. durch die Überschrift „Bestätigung des Ströer Außenwerbe- Newsletters“ im Kopf der Gegenstand der Emails bereits vor deren Öffnen zu erkennen ist. Denn der Empfänger muss Zeit und Aufmerksamkeit in die Wahrnehmung, Sondierung und das Löschen der Email investieren. Darin unterscheidet sich dieser Sachverhalt etwa von dem Fall, dass am Ende von Emails anderen Inhalts Werbeinhalte angefügt sind.

Letztlich ergibt sich jedoch eine einer solchen Situation der Unverhältnismäßigkeit gleichkommende Situation aufgrund der näheren Umstände des vorliegenden Falles, nämlich, dass die Beklagte sich mit ihrer Empfehlungsfunktion an einen engen potentiellen Nutzerkreis von Dritten richtet, die in deren (privatem oder geschäftlichem) Kontext andere Dritte auf die Existenz des Netzauftrittes der Beklagten aufmerksam machen wollen, die Weiterempfehlungsfunktion nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten deshalb jährlich allenfalls 200-mal genutzt wird, die Weiterempfehlungsfunktion im Februar 2011 nach erfolgter weiterer Beschwerde seitens des Klägers durch die Notwendigkeit der Eingabe eines Codes vor automatisch erfolgendem Missbrauch durch unbefugten Zugriff geschützt ist und die Beklagte (ebenfalls infolge der Beschwerde des Klägers) eine Liste für zu sperrende Email-Adressen unterhält und sie schließlich keine Anreize wie immer gearteter Art für die Benutzung ihrer Weiterempfehlungsfunktion bietet und sich der Text der Weiterempfehlungs-Email auf das vom Empfehlenden Gewollte und Veranlasste beschränkt. Vergleichbares gilt für die Empfehlung der Seite beinhaltend die Möglichkeit des Bezuges des „Newsletter“ der Beklagten und die daraus resultierenden Kontaktierungen an Email-Adressen des Klägers.

Hieraus folgt, dass sowohl das Vorhalten einer Empfehlungsfunktion, als auch das Vorhalten einer „Newsletter-Anfrage/Empfehlungs“-Funktion, so wie sie die Beklagte jeweils ausgestaltet hat, (noch) nicht als im Bereich wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne des UWG befindlich angesehen werden kann. Denn die Beklagte beabsichtigt nicht und nimmt auch nicht billigend in Kauf, dass es durch missbräuchliches Verhalten Dritter zu einer Verbreitung ihrer werbenden Inhalte kommt, sondern sie unternimmt umfangreiche Anstrengungen, um die Beeinträchtigung Dritter durch ihre Empfehlungsfunktion und ihr Newsletter-Angebot zu minimieren. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Beklagte (bereits vor dem Versand der Emails von September 2011) eine Vorrichtung hätte einrichten können, die eine mehrfache Empfehlung an dieselbe Zieladresse unter Nennung derselben Adresse innerhalb kürzester Zeit ausschlösse, kann dies keine andere Sicht begründen. Ein solcher missbräuchlicher und im vorliegenden Fall fernliegender Gebrauch der „Empfehlungs“- oder „Newsletter-Angebots“-Funktion wäre nämlich nicht unter dem Blickwinkel wettbewerbswidrigen Verhaltens von Relevanz. Denn ein offensichtlich manueller Missbrauch ihrer ansonsten gegen automatischen Missbrauch geschützten Weiterempfehlungsfunktion, den die Beklagte offensichtlich nicht in Kauf nehmen wollen wird und mit dem sie auch nicht ernstlich rechnen muss, kann keine Werbung darstellen. Vielmehr bedeutet sie eine massive Belästigung des Adressaten, die gerade nicht zur Bewerbung der Beklagten taugt.

Hat die Beklagte somit faktisch alles ihr jenseits einer völligen Abschaffung der Empfehlungs- und „Newsletter“-Anfrage-Funktion Mögliche getan, um Beeinträchtigungen Dritter (ggfs. durch übrige Dritte) zu vermeiden, so kann ein Verstoß gegen das auch als „Lauterkeitsrecht“ (statt vieler Fezer a.a.O.) bezeichnete Wettbewerbsrecht aufgrund dieser Umstände weder für den Erstkontakt einer durch einen Dritten veranlassten Seitenempfehlung ohne weitergehenden Inhalt, noch für die von einem Dritten veranlasste Anfrage auf Bestätigung des angezeigten Interesses hinsichtlich des Empfangs elektronischer Informationsschreiben ohne weiteren werbenden Inhalt bejaht werden.

Dieses Ergebnis ist letztlich Ausfluss einer Abwägung zwischen dem in Art. 2 GG garantierten und in §§ 823, 1004 BGB (und im Falle werblicher Emails in § 7 UWG) ausgeformten Recht auf Unterlassung unerwünschter Kontaktierung bzw. Werbung und dem Recht der Beklagten auf Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit aus Art. 12 GG. Zwar wäre die Beklagte in der Lage, das Problem von Email-Zusendungen an den Kläger durch gänzliche Abschaffung ihrer Empfehlungs- und „Newsletter-Angebots“-Funktion aufzuheben. Damit läuft der Antrag des Klägers aber darauf hinaus, dass die Beklagte generell auf die Weiterempfehlungs- und „Newsletter-Angebots“-Funktion verzichten müsste. Dies kann bei der Abwägung zwischen den Interessen von Kläger und Beklagter nicht außer Betracht bleiben. Bei der aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung haben die Interessen des Klägers gegenüber denen der Beklagten zurückzustehen.

Aufgrund der genannten Umstände, insbesondere desjenigen, dass die Beklagte jenseits des reinen Anbietens der Empfehlungs- (einschließlich der Newsletterbeantragungs-) Funktion gegenüber Dritten, die in privatem oder fremdgeschäftlichem Kontext andere Dritte auf die Existenz des Netzauftrittes der Beklagten aufmerksam machen wollen, keinerlei Anreize zur Benutzung dieser Funktion schafft, ist zugleich im hier vorliegenden Fall ihre Eigenschaft als haftende mittelbare Störerin zu verneinen. Denn die Beklagte hat keinerlei Anreiz zum (erst recht nicht massenhaften, somit lästigen und für die Beklagte im Endeffekt geschäftsschädigenden statt werbenden) Missbrauch durch Dritte gesetzt und somit keine „(Zweck-) Veranlassung“ gegeben, und aufgrund der niedrigen Zahl an Empfehlungen und der Ausrichtung auf einen speziellen Adressatenkreis musste sie auch nicht ernstlich mit Missbrauch durch Dritte rechnen (so insb. auch OLG Nürnberg, a.a.O.).

Die Kammer tritt insoweit der Ansicht des OLG Nürnberg bei, insoweit dieses in einem obiter dictum in seinem Urteil vom 25.10.2005 (3 U 1084/05, juris-Rn. 45) zu dem Ergebnis kommt, dass eine Empfehlungs-Email, wie sie streitgegenständlich ist, nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden könne.

Auch unter Außerachtlassung der wettbewerblichen Dimension und Weiterung auf allgemeine Störer-Gesichtspunkte ergibt sich nichts anderes, als dass ein Anspruch des Klägers auch jenseits der Wertungen des § 7 UWG nicht ersichtlich ist.

Insoweit auch hier die klägerische Kritik des (zwischenzeitlich behobenen) Fehlens einer Vorrichtung, die eine mehrfache Empfehlung unter Nennung derselben Adresse an dieselbe Zieladresse innerhalb kürzester Zeit ausschlösse, zu berücksichtigen ist, ist festzustellen, dass jenseits des § 7 UWG eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des massenhaften Email-Zugangs durch manuellen Missbrauch nicht in ausreichender Weise vorgetragen ist und die Beklagte insoweit wiederum nicht als mittelbare Störerin angesehen werden kann (vgl. neuerlich OLG Nürnberg, a.a.O.).

Insoweit der Kläger sich gegen die „Test-Emails“ wehrt, ist festzustellen, dass diese keinen werbenden Inhalt besitzen, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass der Versand dieser Emails an den Kläger im Nachgang und aufgrund der Vorhaltung der Empfehlungsfunktion der Beklagten erfolgte. Denn die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit werbender Willensrichtung tätig und der Versand dieser Emails war auch nicht bereits bei ihren werblichen Tätigkeiten in Kauf genommen oder vorhersehbar und ist dieser daher nicht als durch ihr werbendes Verhalten bedingt „zurechenbar“. Insoweit der Kläger geltend macht, dass die Beklagte ihre Versuche der Einrichtung einer Schwarzliste auch durch Tests auf von ihr zu diesem Zwecke eingerichtete Emailpostfächer hätte testen können, damit es nicht zur Zusendung von Test-Emails oder jedenfalls nur einer Test-Email an ihn gekommen wäre, sieht die Kammer keine Beeinträchtigung, die – jenseits des insoweit nicht einschlägigen § 7 UWG – eine Wiederholungsgefahr begründete. Insoweit der Kläger andeutet, dass die Emails nicht im Rahmen der Aufnahme der klägerischen Adressen in eine „Schwarzliste“ diente, wäre er für den Umstand beweispflichtig, dass der Versand seitens der Beklagten aus „sachfremden“ Motiven an ihn erfolgte, denn nur in diesem Fall wäre ein Unterlassungsanspruch als gegeben anzusehen. Für diesen Umstand hat der Kläger jedoch keinen Beweis antreten können.

Auf die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die streitgegenständlichen Emails selbst an sich verschickt oder an sich verschicken lassen, kommt es aufgrund der obigen Ausführungen nicht mehr an.

Die Nebenforderungen teilen, soweit sie überhaupt noch Gegenstand des Rechtsstreits sind, das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO für erste und zweite Instanz sowie zusätzlich aus §§ 713 ZPO bzgl. der erstinstanzlich tenorierten Kostentragungspflicht der Beklagten. Die Neufassung der (wegen des Gebots der einheitlichen Kostenentscheidung i.S.d. § 319 ZPO offensichtlich unrichtigen) amtsgerichtlichen Kostenentscheidung gemäß §§ 91, 91a ZPO beruht auf § 319 ZPO, für die auch Zuständigkeit der Kammer besteht (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 319, Rn. 22). Dabei waren bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2012 bereits sämtliche (erstinstanzlichen) Gerichts- und Anwaltsgebühren angefallen, weshalb eine einheitliche Kostentragung zu ¾ und ¼ zu tenorieren ist.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache, obschon Einzelfall-Entscheidung, grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Denn es stehen grundsätzliche Fragen der Störereigenschaft und des Ausmaßes von Unterlassungspflichten im Rahmen von Empfehlungsfunktionen und Newsletter-Angeboten, so wie sie im vorliegenden Fall ausgestaltet sind, in Rede.

Berufungsstreitwert: 3.000,00 €

Vorinstanz:
AG Köln, Az. 138 C 576/11

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