LG Lüneburg, Beschluss vom 13.01.2011, Az. 2 S 86/10
§§ 499 Abs. 2, 501, 495 Abs. 1 a.F. BGB i.V.m. § 355 BGB
Das LG Lüneburg hat entschieden, dass ein Verbraucher, der einen Mobilfunk-Vertrag mit einem subventionierten Handy abschließt, diesen widerrufen kann und nicht verpflichtet ist, die ab dem Zeitpunkt des Widerrufs noch ausstehenden Grundgebühren zu erstatten. Der Kunde hatte das Handy zurückgegeben und gleichzeitig den Vertrag widerrufen. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Lüneburg
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
gegen
…
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch … am 13.01.2011 beschlossen:
Das Berufungsgericht beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.
Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 29.10.2010 beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Ferner sind auch keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die für das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen durch das Amtsgericht begründen und deshalb eine erneute Feststellung erfordern würden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung nach der Zivilprozessreform nunmehr lediglich als Fehlerkontroll- und Fehlerbeseitigungsinstrument konzipiert ist. Nach § 529 Abs. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil gebunden. Das bedeutet, dass der für die Beurteilung der Rechtslage maßgebliche Sachverhalt von der ersten Instanz bindend für das Berufungsgericht festgestellt wird. Die Bindung entfällt nur, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung erfordern oder eine rechtsfehlerhafte Erfassung der Tatsachengrundlagen durch das erstinstanzliche Gericht erfolgt ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Das Amtsgericht ist zu Recht von einem Widerrufsrecht der Beklagten nach den Vorschriften der §§ 499 Abs. 2, 501, 495 Abs. 1 a.F. BGB i.V.m. § 355 BGB ausgegangen. Es liegt eine sonstige Finanzierungshilfe im Sinne des § 499 Abs. 2 BGB vor. Diese wird dadurch charakterisiert, dass der Vertrag es dem Verbraucher ermöglicht, das Entgelt für den Erwerb einer Sache, eines Rechtes oder den Empfang von Dienstleitungen leichter, insbesondere früher aufzubringen oder die Leistung bzw.den Besitz der Sache eher zu erhalten (Palandt/Weidenkaff, 69. Aufl. 2010, § 499 BGB, Rn. 5). Wenn, wie im vorliegenden Fall, der Kauf eines Mobiltelefons in der Formsubventioniert wird, dass der Kaufpreis sich bei gleichzeitigem Abschluss eines Mobilfunkvertrags deutlich (hier auf 1,00 EUR) verringert, liegen diese Voraussetzungen vor (dafür etwa Jauernig, § 499 BGB, Rn. 7; Limbach, ZGS 2006, 332 und ZGS 2009, 206). Diese Auffassung ist zwar nicht unwidersprochen (anders etwa Erman/Saenger, § 499, Rn. 12a; auch AG Karlsruhe, MMR 2008, 59, wo allerdings im Falle eines Widerrufsrechts für den Kauf des Mobiltelefons dieses Recht entsprechend § 139 BGB auf den Mobilfunkvertrag erstreckt wird). Das Gegenargument, Hauptzweck des Vertragsgefüges sei der Zugang zum Mobilfunknetz und nicht der Erwerb des Handys, wird indes auch von den Gegnern der Anwendbarkeit des § 499 BGB a.F. dann eingeschränkt, wenn neue Generationen von Mobiltelefonen in Rede stehen (Ermann/Saenger, § 499, Rn. 12a). Dies ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, weil Mobiltelefone mittlerweile häufig wegen der damit verbundenen Sonderfunktionen (Fotographie etc.) erworben werden, so dass das Gerät nicht mehr zum irrelevanten Nebenzweck eines Vertrags degradiert werden kann. Ob etwas anderes dann gelten kann, wenn es sich um ein geringwertiges Mobiltelefon gehandelt hat, kann hier dahingestellt bleiben. Denn bereits der in der Rechnung vom 20.02.2009 aufgeführte Listenpreis von 369,90 EUR spricht gegen eine Geringwertigkeit in diesem Sinne.
Die Klägerin beruft sich auch erfolglos auf die Ausnahmevorschrift des §§ 499 Abs. 3 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 1 a.F. Die Rechnung vom 20.02.2009 erweckt bei objektiver Betrachtung den Eindruck, dass bei Nichtabschluss eines Mobilfunkdienstleistungsvertrags der Listenpreis von 369,90 EUR zu zahlen sei. Dass zusätzlich ein Basispreis von 199,90 EUR und ein Kundenrabatt von 198,90 EUR erwähnt werden, ändert hieran nichts. Die Erklärung der Berufungsklägerin, das Mobiltelefon werde bei ihr grundsätzlich zu 199,90 angeboten und bei den 369,90 EUR handele es sich nur um eine Preisempfehlung, überzeugt nicht und vermag insbesondere nicht die Verknüpfung zwischen Listenpreis und Mobilfunkvertrag zu erklären. Denn wenn der Listenpreis für das Angebot der Klägerin ohne Bedeutung war, bedurfte er auch keiner Erwähnung. Insoweit trägt auch der Hinweis des Amtsgerichts auf das Transparenzgebot (§ 305 c Abs. 2 BGB).
Der Rechtsstreit hat im Hinblick auf die streitigen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Bemerkung: Die Klägerin hat daraufhin die Berufung zurück genommen (vgl. NJOZ 2011, 1971).
Auf die Entscheidung hingewiesen hatte RA Ronny Jahn (hier), der auch auf die Vorinstanz verweist (hier).