LG Magdeburg: Angebot von Klicks zur Verbesserung des Rankings auf der Google-Suchmaschine („Clickworkern“) ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 26. April 2024

LG Magdeburg, Urteil vom 11.10.2022, Az. 36 O 26/22 (007)
§ 3 Abs. 1 UWG, § 5 Abs. 1 UWG

Das LG Magdeburg hat entschieden, dass das Angebot von „Clickworkern“ – die Verbesserung des Google-Rankings durch Anklicken von Inhalten – wettbewerbswidrig ist.  Verbraucher würden über den Stellenwert des Unternehmens in die Irre geführt. Unerheblich sei, dass die Klick-Rate für das Google-Ranking nicht allein entscheidend sei; vielmehr reiche es aus, dass der Anbieter des Clickworkings in seinem Schreiben die Klick-Rate als einen wichtigen Rankingfaktor beschreibe. Eine erlaubte Suchmaschinenoptimierung sei in dem Clickworking nicht zu erkennen. Richtigerweise handele es sich um eine rechtswidrige Suchmaschinenemanipulation. Das Landgericht Magedburg verwies in den Urteilsgründen auf die Entscheidung OLG Hamm, Urteil vom 18. Juni 2009, Az. 4 U 53/09). Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Magdeburg

Urteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Manipulation von Suchmaschinen durch das Klicken auf Google-Suchergebnisse anzubieten und/oder zu bewerben, wenn dies geschieht wie in Anlage K3 und/oder im Anlagenkonvolut K4.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 374,50 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.05.2022 zu zahlen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie die Zahlung von Abmahnkosten geltend.

Der Kläger ist ein in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gem. § 8b UWG eingetragener und rechtsfähiger Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich u.a. zum Ziel gesetzt hat, einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen und den lauteren Geschäftsverkehr zu fördern. Die Beklagte ist eine GmbH, die mit der Erbringung von Werbedienstleistungen über das Internet, vorwiegend im Bereich Social-Media-Marketing sowie mit dem Verleih von Veranstaltungs- und Medientechnik befasst ist.

Auf ihrer Website mit dem Namen „s….de“ sowie in postalisch versandten Werbeschreiben bietet die Beklagte so bezeichnete Klicks von echten Nutzern auf Google-Suchergebnisse mit dem Ziel an, die Klick-Rate der Kunden zu verbessern. Diese Klicks werden von sogenannten Clickworkern im Auftrag der Beklagten erzeugt, indem diese über vom jeweiligen Kunden vorgegebene Keywords die Website des Kunden aufsuchen und das gewünschte Suchergebnis klicken. Dabei wird außerdem ein sogenannter „Last Click“ vorgenommen. Das bedeutet, der Clickworker verlässt die Seite nicht wieder, um zur Suchergebnisseite zurückzukehren, sondern führt eine weitere Aktion auf der angeklickten Website durch. Anschließend sollen die Auftragnehmer auf der Website eine vom Auftraggeber gestellte Frage beantworten oder eine Aufgabe lösen, um dadurch den Anschein zu erwecken, natürliche Nutzer der Suchmaschine zu sein. Sowohl in dem postalischen Schreiben als auch auf der Website heißt es dazu sinngemäß, dass durch Klicks das Ranking bei Google verbessert werden könne.

Am 09.03.2022 mahnte der Kläger die Beklagte deswegen ab und verlangte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bis zum 25.03.2022 sowie die Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 374,50 € brutto (K6). Die Beklagte lehnte beides mit anwaltlichem Schreiben vom 23.03.2022 ab.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte manipuliere dadurch in unlauterer Weise die Suchmaschine, weil der Verbraucher irregeführt werde; dies sei eine unzulässige geschäftliche Handlung; das Verhalten der Beklagten verstoße darüber hinaus gegen die Grundsätze der unternehmerischen Sorgfalt, weil die Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb verletzt würden. Er behauptet, die Klick-Rate sei für das Ranking auf der Suchmaschine sehr relevant, auch wenn es weitere Faktoren für das Ranking gebe.

Der Kläger beantragt,

1.
die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Manipulation von Suchmaschinen durch das Klicken auf Google-Suchergebnisse anzubieten und/oder zu bewerben, wenn dies geschieht wie in Anlage K3 und/oder im Anlagenkonvolut K4,

2.
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 374,50 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, das vermehrte Klicken führe nicht automatisch zu einem besseren Ranking; vielmehr sei das Ranking von einem eigenen und für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Google-Algorithmus bestimmt; die Klick-Rate sei nur einer von ca. 200 Faktoren, die das Google-Ranking beeinflussen; im Übrigen sei nicht nachweisbar, dass eine entsprechende Anzahl von Klicks den Rang steigere. Die Beklagte sei diesbezüglich selbst lediglich von einer Arbeitshypothese ausgegangen und habe daher Mitbewerber nicht behindert und die Allgemeinheit nicht irregeführt.

Sie meint, von dem Kläger unberechtigt zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen worden zu sein und verlangt ihrerseits Aufwendungsersatz für die Inanspruchnahme des Beklagtenvertreters i.H.v. 374,50 €.

Sie beantragt widerklagend, die klagende Partei wird verurteilt, an die beklagte Partei 374,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 26.04.2022 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist gem. § 14 Abs. 1 UWG sachlich und gem. § 14 Abs. 2 UWG örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz gem. § 17 Abs. 1 ZPO und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in M. hat.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, weil es sich bei ihm unstreitig um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen handelt, dem eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört und der nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben zur Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 3 UWG. Das Anbieten von Klicks zur Verbesserung des Rankings auf der Google-Suchmaschine ist eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten gem. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Die geschäftliche Handlung besteht in dem Anbieten, die von der Beklagten erzeugten Klickvorgänge käuflich zu erwerben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist „geschäftliche Handlungen“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Indem die Beklagte den zunächst zu Testzwecken kostenlosen, im Übrigen aber entgeltlichen Erwerb von Klickvorgängen angeboten hat, hat sie eine solche geschäftliche Handlung durchgeführt. Sie hat damit den Nutzern ihrer Website in Aussicht gestellt, dass diese durch den Erwerb der Klicks ein besseres Ranking erreichen und dadurch ihren Absatz fördern können.

Diese geschäftliche Handlung ist auch irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Denn sie ist geeignet, den Nutzer der Website der Beklagten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus enthält sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften und Befähigungen der Beklagten und die Art ihres Vertriebs. Die Täuschung besteht darin, dass die von der Beklagten verkauften und mit sogenannten Clickworkern erzeugten Klicks nicht von „echten“ Nutzern stammen, sondern ohne ein echtes Interesse an der Nutzung generiert werden. Die für die Bewertung maßgebliche Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers geht dahin, aufgrund des Rankings einer Firma in der Suchmaschine ein entsprechendes Prestige und eine damit verbundene hochwertige Güte des Unternehmens anzunehmen. Die Vorstellung des Nutzers geht dabei davon aus, dass das Ranking durch den Aufruf der Website von real existierenden Nutzern gefördert wird. Der durchschnittliche Verbraucher rechnet indes nicht damit, dass in Wahrheit uninteressierte und nur für die Verbesserung des Rankings speziell beschäftige Mitarbeiter – so wie die Clickworker der Beklagten – die Klicks erzeugt haben.

Das künstliche Erzeugen der Klicks mit dem Versprechen, dadurch das Ranking des Nutzers zu verbessern, ist auch geeignet, Verbraucher über den Stellenwert des Unternehmens zu täuschen. In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung der Kammer entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht darauf an, dass die Klick-Rate nur einer von mehreren Faktoren ist, die das Ranking bei Google beeinflussen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte sowohl in dem postalisch versandten Schreiben als auch auf ihrer Website die Klick-Rate als einen wichtigen Rankingfaktor beschreibt. Auf Seite 2 der Anlage K3 heißt es hierzu explizit, eine Studie vor einigen Jahren habe belegt, dass Klicks in weniger als 3 Stunden eine Firma von Platz 7 auf Platz 1 katapultiert hätten. Dieselbe Information ist auch auf der Website (K4) enthalten. Damit wird den Nutzern suggeriert, dass die von der Beklagten angebotenen Klicks das Ranking bei Google mit großer Wahrscheinlichkeit verbessern. Ob dieser Erfolg tatsächlich eintritt, kann im Ergebnis dahinstehen, weil es nach § 5 Abs. 1 UWG ausreicht, dass die Angaben zur Täuschung „geeignet“ sind.

Im Ergebnis handelt es sich bei dem Angebot der Beklagten nicht um eine erlaubte Suchmaschinenoptimierung, sondern um eine verbotene Suchmaschinenmanipulation (Ernst, WRP 2004, 278 bis 282, zitiert in juris; OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2009, 4 U 53/09, zitiert in juris, Rn. 29, 30).

Daneben hat der Kläger ebenfalls Anspruch auf Unterlassung aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG. Denn das Angebot der Beklagten entspricht nicht der unternehmerischen Sorgfalt und ist dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Der Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt ergibt sich daraus, dass die Beklagte selbst einräumt, der Erfolg der von ihr versprochenen Suchmaschinenoptimierung sei vollkommen ungewiss und wissenschaftlich nicht nachweisbar. Dies vorausgesetzt, dürfte die Beklagte jedoch dem Verbraucher nicht suggerieren, dass der Erwerb von Klicks das Ranking auf der Google-Suchmaschine tatsächlich verbessere.

Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers i.H.v. 374,50 € ist gem. § 13 Abs. 3 UWG begründet. Die Abmahnung vom 09.03.2022 war aus den o.g. Gründen berechtigt und entsprach auch den Voraussetzungen nach § 13 Abs. 2 UWG.

Der Zinsanspruch ist gem. § 291 BGB begründet. Die Klage wurde der Beklagten am 12.05.2022 zugestellt, so dass der Zinslauf am Folgetag beginnt.

Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte hat keinen Aufwendungsersatzanspruch i.H.v. 374,50 €, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 UWG nicht gegeben sind. Danach hat der Abgemahnte einen Aufwendungsersatzanspruch, sofern die ihm gegenüber ausgesprochene Abmahnung unberechtigt war oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Wie bereits erläutert, war die Abmahnung des Klägers gegenüber der Beklagten vom 09.03.2022 jedoch berechtigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen für die Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, für die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 25.000,- €, §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 S. 3 GKG.

 

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