LG München I: Amazon darf Händler-Guthaben nicht grundlos einbehalten / Guthabensperre

veröffentlicht am 25. August 2022

LG München I, Endurteil vom 06.10.2020, Az. 31 O 17559/19
§ 305c Abs. 2 BGB, § 307 BGB

Das LG München I hat entschieden, dass der Internethandelsplattform Amazon ein Zurückbehaltungsrecht des von dem Verkäufer eingenommenen Kaufpreises selbst dann nicht zusteht, wenn der Verdacht besteht, dass durch den Verkauf von Raubkopien einer Software (hier: der Microsoft Corp.) ein Verstoß gegen das Urheber- und Markenrecht vorliegt und damit zugleich gegen die Amazon-Nutzungsbedingungen verstoßen wurde.  Ein Zurückbehaltungsrecht könne nur bestehen, solange ein billigenswerter Bedarf der Beklagten einer Zurückbehaltung bestehe. Denn das Guthaben stehe dem Händler zu, nicht der Beklagten. Zweck und Gesamtschau der Regelung ergäben, dass das Zurückbehaltungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt werden müsse und davon abhänge, dass die Zurückbehaltung aus Sicht der Beklagten bei vernünftiger Betrachtungsweise zu ihrem Schutz oder dem Schutz anderer Nutzer erforderlich erscheine, insbesondere weil sie einem finanziellen Risiko ausgesetzt sei. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht gegeben. Finanzielle Risiken wegen der beklagtenseits behaupteten Lizenzverletzungen gegenüber Microsoft müsse die Beklagte nicht fürchten. Die Beklagte sei gegenüber Microsoft nicht für die behaupteten Lizenzverletzungen verantwortlich. Die Beklagte habe auch weder substantiiert dargelegt noch Beweis dafür angetreten, dass sie in noch nicht abgeschlossenen Fällen von anderen Nutzern auf Rückzahlung eines an die Klägerin gezahlten Kaufpreises in Anspruch genommen werde. Über die Identität der Klägerin wiederum bestehe kein Streit. Die Beklagte habe auch nicht behauptet, dass eine Zurückbehaltung zur Gewährleistung der Sicherheit der Systeme der Beklagten notwendig ist. Bei vernünftiger Betrachtung sei die Zurückbehaltung des Guthabens auch nicht zum Schutz anderer Nutzer geboten. Die Beklagte habe zwar mit nachgelassenem Schriftsatz vom 01.09.2020 ein Schreiben der Microsoft Corporation, USA vorgelegt, in dem Microsoft den Verkauf gefälschter Ware durch die Klägerin behaupte. Dargelegt sei insoweit aber lediglich, dass Microsoft den Händler beanstandet habe. Noch zu klärende Kundenbeschwerden lägen, so die Kammer, nicht vor. Die Vorwürfe lägen auch teilweise bereits Jahre zurück. Aus Sicht der Beklagten sei geklärt, dass insoweit Urheberrechtsverletzungen vorliegen. Die Beklagte selbst sei an keinem Streit beteiligt. Eine Zurückbehaltung des Geldes sei bei vernünftiger Betrachtungsweise aus Sicht der Beklagten gerade nicht geboten. Streitigkeiten in Verbindung mit dem Händlerkonto oder einer damit in Verbindung stehenden Transaktion, an denen die Beklagte nicht beteiligt sei und wegen derer sie keinem finanziellen Risiko ausgesetzt sei, rechtfertigten eine Zurückbehaltung aus vernünftiger Sicht der Beklagten nicht. Ein Zurückbehaltungsrecht ergebe sich auch nicht aus einer Verweigerung der Klägerin, im Kundenschutzprogramm der Beklagten zu kooperieren.  ihre Kooperation im Kundenschutzprogramm nicht verweigert. Zwar sehe Ziffer 3.5.1 der Nutzungsbedingungen vor, dass die Beklagte einen Betrag zurückhalten könne, bis eine Beschwerde geklärt sei, wenn ein Käufer eine Beschwerde im A bis Z-Kundenprogramm einreiche. Soweit die Beklagte substantiiert zu Kundenbeschwerden Stellung genommen habe, seien die Beschwerden geklärt. Eine noch ungeklärte Beschwerde eines Käufers der Klägerin habe die Beklagte hingegen nicht dargelegt. Die Microsoft Corporation sei kein Käufer der Klägerin. Aus Sicht der Beklagten seien die in der Beschwerde der Microsoft Corporation genannten Fälle zudem geklärt. Ein Zurückbehaltungsrecht kam auch vor einer Klärung – unterstellt, die Testkäufer hätten am Beschwerdeprogramm teilgenommen – nur betreffend des insoweit streitigen Kaufpreises in Betracht. Der Kaufpreis sämtlicher konkret geschilderter Fälle, in denen angeblich nicht lizenzierte Ware geliefert worden sei, habe sich insgesamt lediglich auf 120,04 EUR belaufen. Hier finden Sie näheres zur Amazon-Kontosperre. Zum Volltext der Entscheidung (LG München I: Amazon darf Händler-Guthaben nicht grundlos einbehalten / Guthabensperre).


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