LG Münster: Vertragsstrafenforderung des IDO nicht rechtsmissbräuchlich / 2022

veröffentlicht am 2. August 2023

LG Münster, Urteil vom 13.05.2022, Az. 022 O 1098/21
§ 242 BGB, § 315 Abs. 1 BGB

Das LG Münster hat zu der in diesem Verfahren erhobenen Vertragsstrafenklage entschieden, dass das Verhalten des IDO Verband für Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. nicht rechtsmissbräuchlich sei. Andere Gerichte sehen dies anders. Ungerührt zeigte sich die Münsteraner Kammer von den Einwänden der Beklagten, der Verband gehe nur gegen außenstehende Dritte vor. Aus einer Reihe von vom IDO angeführten Gerichtsverfahren ergebe sich, dass auch eigene Mitglieder wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch genommen worden seien und auch, dass die Erwartung Abgemahnter, sie würden durch einen nachfolgenden Beitritt verschont werden, enttäuscht worden sei. Abgesehen hiervon erscheine es, so das Gericht, nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger eigene Mitglieder zunächst kontaktiert, um Wettbewerbsverstöße abzustellen. Denn eine solche Kontaktpflicht dürfte sich schon aus der Sonderverbindung zwischen Verband und Mitglied ergeben. Ein Rechtsmissbrauch ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger Mitglieder typischerweise nur als passive Mitglieder aufnehme und diese hierdurch von der Willensbildung des Vereins ausschließe. Selbst wenn der Kläger viele passive Mitglieder hätte, so ergäbe sich daraus noch nicht, dass er überwiegend sachfremde Motive verfolge. Denn es seimaßgeblich auf den Satzungszweck des Klägers abzustellen, der seinen Mitgliedern naturgemäß hauptsachlich Informationen zur Rechtslage und zur Vermeidung eigener Wettbewerbsverstöße liefere. Ein aktives, durch persönlichen Einsatz der Mitglieder geprägtes Vereinsleben – wie dies beispielsweise in einem Sport- oder Kunstverein stattfindet – sei zur Förderung des Satzungszweckes weder nötig noch sinnvoll. Die Einwände, den Mitgliedern des Klägers komme in vielen Handelsbereichen keine wirtschaftliche Bedeutung zu, bei vielen der ausgesprochenen Abmahnungen habe der Kläger nach Erhalt der Abmahnkosten die gelten gemachten Unterlassungsansprüche nicht mehr weiterverfolgt, die Abmahnungen bestünden häufig nur aus Textbausteinen und es würden nur leicht zu erkennende Verstöße abgemahnt, wertete die Kammer als „derart allgemein und pauschal, dass sie nicht einmal erwiderungsfähig“ seien. Der Umstand, dass Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter des Klägers aufgrund ihrer für diesen geleisteten Tätigkeiten ein – möglicherweise auch ansehnliches – Einkommen erzielten, reiche nicht aus, um darauf schließen zu lassen, dass dieser überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgten und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Verfahrens erscheine. Zum Volltext der Entscheidung:

 

Landgericht Münster

Urteil

In dem Rechtsstreit

des IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V., vertreten durch die Vorstandsvorsitzende Sarah Spayou, Uhlandstr. 1, 51379 Leverkusen,


gegen

hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster im schriftlichen Verfahren gemäß 128 Abs. 2 ZPO auf der Grundlage der bis zum 22.04.2022 eingereichten Schriftsätze am 13.05.2022 durch … für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den Kläger jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger hatte die Beklagte, die unter dem Verkäufernamen „T GmbH“ auf der Internet-Handelsplattform amazon tätig ist, wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kraftfahrzeugzubehör, Elektro- und Elektronikartikel sowie Werkzeugen abgemahnt.

Die Beklagte gab unter dem 02.03.2020 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber dem Kläger ab, die dieser mit Schreiben vom 12.03.2020 annahm. Im Einzelnen verpflichtete sich die Beklagte in der Erklärung dazu,

„es bei Vermeidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen, vom IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. nach billigem Ermessen zu bestimmenden und im Streitfalle vom zuständigen Gericht auf Billigkeit zu überprüfenden und von der Firma T GmbH, an den IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Untemehmen e.V. zu zahlenden Vertragsstrafe, zu unterlassen,
I. im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz betreffend Kraftfahrzeug- und / oder Zubehör und / oder Elektro- und / oder Elektronikartikel und / oder Werkzeug Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern,
bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird, und / oder
II. im geschäftlichen Verkehr betreffend Kraftfahrzeug- und / oder Zubehör Angebote zu veröffentlichen und / oder unter Angabe von Preisen zu werben und / oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten,
bei denen es sich um nach Volumen von 10 Milliliter und mehr angebotene und / oder beworbene Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden, und / oder
III. im elektronischen Geschäftsverkehr betreffend Kraftfahrzeug- und / oder Zubehör und / oder Elektro- und / oder Elektronikartikel und / oder Werkzeug Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern,
ohne den Kunden vor dessen Bestellung darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht, und / oder
IV. betreffend systembeteiligungspflichtige Verpackungen von Kraftfahrzeug- und / oder Zubehör und / oder Elektro- und / oder Elektronikartikel und / oder Werkzeug Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern und / oder systembeteiligungspflichtige Verpackungen in Verkehr zu bringen,
ohne sich zuvor bei der „Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister“

registriert zu haben.

Wegen des weiteren Inhalts der Unterlassungsverpflichtungserklärung wird auf Anlage K1 (Blatt 35 ff. der Akten) verwiesen.

Als die Beklagte im April 2020 für ihre Produkte auf Handelsplattformen im Internet geworben und dabei die Information gegenüber ihren Kunden unterlassen hatte, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von ihr selbst gespeichert wird und ob sie dem Kunden den Vertragstext zugänglich macht, zahlte sie nach entsprechender Aufforderung an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 €.

Am 06.05.2021 erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass die Beklagte auf der Verkaufsplattform Amazon ein „VITO Professional — Bit und Bohrerset – 128-teilig Holz, Stein und Metall, Zubehör Bit und Bohrer Koffer Set VIBB128″ und ein „VITO Professional Multifunktionswerkzeug Drehwerkzeug mit 218-tlg Zubehör-Set, Schnellspannbohrfutter und biegsame Welle, Mini Schleifer Schleifmaschine inkl. Werkzeugkoffer“ anbot, ohne das Muster- Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen und ohne Informationen darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von ihr selbst gespeichert wird und ob sie dem Kunden den Vertragstext zugänglich macht.

Mit Schreiben vom 06.05.2021 (Anlage K4, Bl. 46 f. d. A.) forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die erneute Zuwiderhandlung mit Fristsetzung zum 21.05.2021 erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € auf.

Der Kläger hält die Höhe der geltend gemachten Vertragsstrafe im Hinblick darauf für gerechtfertigt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung 378 verschiedene Angebote veröffentliche und die bereits gezahlte Vertragsstrafe von 3.000,00 € sie nicht davon abhalten konnte, erneut gegen die Unterlassungsvereinbarung zu verstoßen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung die strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 02.03.2020 wegen Rechtsmissbrauchs gekündigt und zugleich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Unter Bezugnahme auf von ihr zitierte Gerichtsentscheidungen macht die Beklagte im Hinblick auf den von ihr behaupteten Rechtmissbrauch geltend: Der Kläger rekrutiere seine Mitglieder, indem er diese bei Begehung von Wettbewerbsverstößen verschone und nicht abmahne. Der Kläger nehme die Unternehmen, deren Interessen er angeblich fördern wolle, typischerweise nur als passive Mitglieder auf und schließe sie damit gezielt von der Willensbildung des Vereins aus. Den Mitgliedern des Klägers komme in vielen Handelsbereichen keine wirtschaftliche Bedeutung zu. Bei vielen der ausgesprochenen Abmahnungen habe der Kläger nach Erhalt der Abmahnkosten die gelten gemachten Unterlassungsansprüche nicht mehr weiterverfolgt. Die Abmahnungen bestünden häufig nur aus Textbausteinen und es würden nur leicht zu erkennende Verstöße abgemahnt. Der Kläger habe eine unklare Personalstruktur und lasse die Einnahmen aus seiner Abmahntätigkeit und der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen durch unangemessen hohe Zahlungen den Vereinsvorständen und Mitarbeitern zukommen. Abgesehen davon, dass aus den vorgenannten Gründen keine Vertragsstrafe verwirkt worden sei, stellt sich der vom Kläger eingeforderte Betrag nach Ansicht der Beklagten als deutlich zu hoch dar. Mit Blick darauf, dass sie weniger als 100 Mitarbeiter beschäftige, scheide eine Vertragsstrafe von über 1.000,00 € aus.

Der Kläger hält Anfechtung und Kündigung des Unterlassungsvertrages für unwirksam. Seine Aktivlegitimation zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe ergebe sich unmittelbar aus der Unterlassungsvereinbarung. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung könne die Beklagte nicht mehr damit gehört werden, es habe die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gefehlt. Auch die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs greife nicht durch, da ein solcher nicht vorliege. Das Zusammenstellen von „Ausreißer-Entscheidungen“ der letzten Jahre stelle keinen konkreten Sachvortrag dar.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Klage hat Erfolg.

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR ist begründet.

a) Der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe ergibt sich unmittelbar aus der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, die die Beklagte unter dem 02.03.2020 abgebeben hat und die vom Kläger mit Schreiben vom 12.03.2020 angenommen worden ist. Es handelt sich bei einer solchen Erklärung nicht um eine einseitige Erklärung, sondern um einen Vertrag, der durch Angebot und Annahme i. S. d. §§ 145 ff. BGB zustande kommt und den Unterlassungsschuldner gegenüber dem Unterlassungsgläubiger verpflichtet, die näher umschriebenen Handlungen zu unterlassen und bei einem Verstoß gegen die Unterlassungspflicht eine Vertragsstrafe an den Unterlassungsgläubiger zu zahlen (Büscher, in: Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, a.a.O, § 8 Rn. 78). Dabei muss ein Verstoß schuldhaft erfolgen, sofern das Verschuldenserfordernis nicht ausdrücklich abbedungen worden ist (Ottofülling, in: MünchKomm-Lauterkeitsrecht, a.a.O., § 12 Rn. 275 m.w.N. sowie Büscher, in: Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, a.a.O, § 8 Rn. 86).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dadurch in schuldhafter Weise gegen die Unterlassungsvereinbarung verstoßen, dass sie auf der Verkaufsplattform Amazon ein „VITO Professional — Bit und Bohrerset – 128-teilig Holz, Stein und Metall, Zubehör Bit und Bohrer Koffer Set VIBB128″ und ein „VITO Professional Multifunktionswerkzeug Drehwerkzeug mit 218-tlg Zubehör-Set, Schnellspannbohrfutter und biegsame Welle, Mini Schleifer Schleifmaschine inkl. Werkzeugkoffer“ zum Kauf angeboten hat, ohne das Muster- Widerrufsformular und Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von ihr selbst gespeichert wird und ob sie dem Kunden den Vertragstext zugänglich macht.

b) Der Befugnis des Klägers zur Geltendmachung der durch die Verstöße verwirkten Vertragsstrafe steht weder die Anfechtung noch die Kündigung der Unterlassungsvereinbarung durch die Beklagte entgegen.

aa) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie zur Anfechtung der Unterlassungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung berechtigt war.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte vom Kläger bei Abschluss der Unterlassungsvereinbarung in arglistiger Weise über Tatsachen getäuscht worden ist. Die Anspruchsberechtigung des Klägers stellt für sich gesehen eine solche Tatsache nicht dar. Bei der Anspruchsberechtigung eines Verbandes im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG handelt es sich vielmehr um einen Rechtsbegriff, dem die rechtliche Bewertung von Tatsachen zugrunde liegt. Mithin hätte die Beklagte darlegen müssen, dass sie vom Kläger bei Abschluss der Unterlassungsvereinbarung in arglistiger Weise über Tatsachen getäuscht worden ist, die für die rechtliche Bewertung, ob eine Anspruchsberechtigung gegeben ist, von Bedeutung gewesen sind und ferner, dass bei Zugrundelegung der wirklichen Gegenebenheiten eine Anspruchsberechtigung ausgeschieden wäre. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht. Denn sie legt nicht einmal dar, welche Tatsachen der Kläger zum Zeitpunkt der Abmahnung zur Rechtfertigung seiner Anspruchsberechtigung vorgetragen hat.

bb) Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe ebenfalls nicht entgegen.

Zutreffend ist zwar, dass im Falle der Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung aus wichtigem Grund wegen missbräuchlicher Abmahnung der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße, die der Schuldner vor der Kündigung des Vertrages begangen hat, der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegensteht (BGH, Urteil vom 14.02.2019, Az. I ZR 6/17).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte aber weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die der Unterlassungsvereinbarung vorangegangene Abmahnung des Klägers rechtsmissbräuchlich gewesen ist.

(1) Als rechtsmissbräuchlich kann anzusehen sein, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet (BGH, GRUR 1997, 681, 683 – Produktwerbung; in diesem Sinne etwa auch Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 292). Zwar gibt es grundsätzlich keine Obliegenheit eines Verbands, gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich außenstehende Dritte berufen könnten. Die Prozessführungsbefugnis der Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen findet ihre Rechtfertigung aber darin, dass die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 – 1 ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 = WRP 1990, 364 – Wettbewerbsverein IV; Urteil vom 9. Dezember 1993 – 1 ZR 276/91, GRUR 1994, 304, 305 = WRP 1994, 181 – Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften). Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dabei lassen sich allerdings bestimmte Fallgruppen bilden. So ist es insbesondere rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht. […] (BGH, Urteil vom 17. August 2011 – 1 ZR 148110 Rn. 20 – 24, juris).

Im konkreten Fall ist der von der Beklagten durch Bezugnahme auf andere Gerichtsentscheidungen gehaltene Sachvortrag unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch wegen eines ausschließlichen Vorgehens gegen außenstehende Dritte zu begründen. Denn der Tatsachenvortrag der Beklagten müsste dahingehen, dass der Kläger seinen Mitgliedern eine Schonung versprochen oder eine solche systematisch ausgeübt habe. Dies ist aber nicht der Fall. In keiner der genannten Gerichtsentscheidungen ist die Rede davon, dass der Kläger seinen Mitgliedern versprochen hat, diese bei Begehung von Wettbewerbsverstößen nicht in Anspruch zu nehmen. Vielmehr ergibt sich aus einer Reihe der vom Kläger angeführten Gerichtsverfahren, dass auch eigene Mitglieder wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch genommen worden sind und auch, dass die Erwartung Abgemahnter, sie würden durch einen nachfolgenden Beitritt verschont werden, enttäuscht worden ist. Abgesehen hiervon erscheint es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger eigene Mitglieder zunächst kontaktiert, um Wettbewerbsverstöße abzustellen. Denn eine solche Kontaktpflicht dürfte sich schon aus der Sonderverbindung zwischen Verband und Mitglied ergeben. Im Übrigen ist auch die Beratung von Mitgliedern in Wettbewerbsfragen, die beim Kläger u.a. durch Informationsdienste und Beantwortung von Supportanfragen erfolgt, Teil des Verbandszwecks.

(2) Ein Rechtsmissbrauch ergibt sich ferner nicht daraus, dass der Kläger Mitglieder typischerweise nur als passive Mitglieder aufnehme und diese hierdurch von der Willensbildung des Vereins ausschließe. Selbst wenn der Kläger viele passive Mitglieder hätte, so ergäbe sich daraus noch nicht, dass er überwiegend sachfremde Motive verfolgt. Denn es ist maßgeblich auf den Satzungszweck des Klägers abzustellen, der seinen Mitgliedern naturgemäß hauptsachlich Informationen zur Rechtslage und zur Vermeidung eigener Wettbewerbsverstöße liefert. Ein aktives, durch persönlichen Einsatz der Mitglieder geprägtes Vereinsleben – wie dies beispielsweise in einem Sport- oder Kunstverein stattfindet – ist zur Förderung des Satzungszweckes weder nötig noch sinnvoll.

(3) Die ohne konkreten Sachvortrag erhobenen Einwände, den Mitgliedern des Klägers komme in vielen Handelsbereichen keine wirtschaftliche Bedeutung zu, bei vielen der ausgesprochenen Abmahnungen habe der Kläger nach Erhalt der Abmahnkosten die gelten gemachten Unterlassungsansprüche nicht mehr weiterverfolgt, die Abmahnungen bestünden häufig nur aus Textbausteinen und es würden nur leicht zu erkennende Verstöße abgemahnt, sind derart allgemein und pauschal, dass sie nicht einmal erwiderungsfähig sind. Erst recht können sie in dieser Form keinen Rechtsmissbrauch begründen.

(4) Der Umstand, dass Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter des Klägers aufgrund ihrer für diesen geleisteten Tätigkeiten ein – möglicherweise auch ansehnliches – Einkommen erzielen, reicht nicht aus, um darauf schließen zu lassen, dass dieser überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Verfahrens erscheint (vgl. BGH GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2012, 286 Tz. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH GRUR 2015, 694 Tz. 16 – Bezugsquellen für Bachbtüten). Wenn das in diesem Zusammenhang vom Beklagten zitierte Urteil des Landgerichts Köln (Az. 81 O 35/21) zu einem anderen Ergebnis kommt, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil darin davon die Rede ist, aufgrund der Einkünfte der Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter könne ein Rechtsmissbrauch „nicht ausgeschlossen werden“. Auch wenn das Vorliegen eines Missbrauchs eine Prozessvoraussetzung betrifft und infolgedessen im Freibeweis zu prüfen ist, ist es Sache der Beklagten, Tatsachen für das Vorbringen eines Missbrauchs darzulegen und nachzuweisen; denn grundsätzlich ist von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs auszugehen. In Anbetracht dieser Grundsätze reicht für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs gerade nicht aus, dass dieser „nicht ausgeschlossen werden kann“. Sofern das Landgericht Köln seine Entscheidung nachfolgend auch noch darauf gestützt hat, der Kläger habe in dort bekannt gewordenen Verfahren seine eigenen Mitglieder nicht abgemahnt, sondern lediglich auf den begangenen Wettbewerbsverstoß hingewiesen und Gelegenheit zur Korrektur gegeben, stellt dies kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar. Denn wie bereits dargelegt, ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger eigene Mitglieder zunächst kontaktiert, um Wettbewerbsverstöße abzustellen, weil sich eine solche Kontaktpflicht aus der Sonderverbindung zwischen Verband und Mitglied ergibt.

c) Die Beklagte hat die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung zu vertreten. Umstände, welche die unstreitigen Verstöße gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung als von ihr im Sinne des § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB unverschuldet erscheinen lassen, trägt die Beklagte nicht vor.

d) Die Höhe der geltend gemachten Vertragsstrafe ist nicht zu beanstanden.

aa) Die vorliegende Unterlassungsverpflichtungserklärung ist nach dem Muster des sogenannten „neuen Hamburger Brauches“ gestaltet. Die Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe ist dabei nicht konkret festgelegt, sondern muss je nach der Eigenart des Verstoßes vom Kläger festgesetzt werden. Eine solche Gestaltung wird allgemein für zulässig gehalten. Es ist dabei auch nicht zwingend erforderlich, einen Höchstbetrag für die Vertragsstrafe anzugeben (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 1.210; Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 235). Auf einen solchen Vertrag sind jedoch §§ 315 ff. BGB anzuwenden. Die Höhe der Vertragsstrafe muss deshalb durch den Unterlassungsgläubiger gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen bestimmt werden. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung für den Vertragspartner andernfalls nicht verbindlich. Sie wird dann gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil getroffen (Ohly, in: Ohly/Sosnitza, UWG, a.a.O., § 8 Rn. 16).

bb) Hier liegen Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch des Klägers nicht vor.

(1) Eine Vertragsstrafe soll primär zwei Funktionen erfüllen (vgl. Büscher, in: Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, a.a.O, § 8 Rn. 204): Zum einen soll sie den Zuwiderhandelnden von weiteren Verstößen abhalten („Sicherungs- und Druckfunktion“). Zum anderen soll sie einen pauschalierten Mindestschadensersatz gewähren („Schadensausgleichfunktion“). Im Übrigen hängt die Angemessenheit einer Vertragsstrafe von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 1.207; Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, a.a.O, § 12 Rn. 235): Relevant sind zunächst die Art und die Größe des Unternehmens des Zuwiderhandelnden. Zudem kommt es auf den Umsatz und den möglichen Gewinn an, den der Zuwiderhandelnde durch die Zuwiderhandlung zu erzielen vermag. Von zentraler Bedeutung sind die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung geeignet ist, die Interessen des Unterlassungsgläubigers zu beeinträchtigen, und inwieweit ein Verschulden des Zuwiderhandelnden vorliegt. Ferner muss das Interesse des Zuwiderhandelnden an weiteren Zuwiderhandlungen in Rechnung gestellt werden. Zulässig ist es schließlich auch, das Verhalten zu berücksichtigen, das ein Zuwiderhandelnder nachträglich zeigt (BGH, Urteil vom 7.10.1982 – I ZR 120/80 –, juris Rn. 26).

(2) An diesen Maßstäben gemessen gilt:

Der Schadenausgleichsfunktion kann im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Vertragsstrafe nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen geschädigten Mitbewerber handelt, sondern um einen rechtsfähigen Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG.

Konkrete Feststellungen zu Art und Größe des Unternehmens der Beklagten konnten nur insoweit getroffen werden, als dass diese weniger als 100 Mitarbeiter hat, was allerdings gleichwohl auf eine nicht unbedeutende Betriebsgröße schließen lässt. Auch den äußeren Umständen nach (Betrieb des Unternehmens durch eine Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches, professionell gestaltete Website) handelt es sich bei der Beklagten nicht um einen unbedeutenden Gewerbebetrieb.

Die hier in Rede stehenden Verstöße der Vorenthaltung des Muster- Widerrufsformulars und der Information darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von der Beklagten selbst gespeichert wird und ob sie dem Kunden den Vertragstext zugänglich macht, sind nicht unerheblich, weil sie Vorschriften verletzen, die dem Verbraucherschutz dienen, an dessen Einhaltung ein bedeutendes gesamtgesellschaftliches Interesse besteht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass bei über das Internet auf einer beliebten Handelsplattform begangenen Verstößen eine Nachahmungsgefahr zu besorgen ist. Darüber hinaus kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass sich die Beklagte auch durch Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.000,00 EUR für eine vorangegangene Zuwiderhandlung nicht von weiteren Verstößen gegen die Verpflichtung zur Information über die Speicherung der Vertragsdaten hat abhalten lassen.

Unter Berücksichtigung und Abwägung der vorgenannten Umstände erscheint die nunmehr verhängte Vertragsstrafe von 4.000,00 EUR nicht als übersetzt, um die Beklagte von weiteren Zuwiderhandlungen gleicher Art abzuhalten und um der hier hauptsächlich zu beachtenden „Sicherungs- und Druckfunktion“ angemessen Rechnung zu tragen.

2. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB gerechtfertigt. Der Kläger hatte die Zahlung einer Vertragsstrafe unter Fristsetzung zum 21.05.2021 angemahnt.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 4.000,00 EUR

I